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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 13.10.2005
Aktenzeichen: 8 UE 1274/04.A
Rechtsgebiete: AsylVfG


Vorschriften:

AsylVfG § 73 Abs. 1 S. 1
AsylVfG § 73 Abs. 1 S. 2
1. Der Widerruf der abgeleiteten Familienasylanerkennung setzt nicht die Unanfechtbarkeit des gegenüber dem Stammberechtigten ergangenen Widerrufs voraus.

2. Die Frage, ob für den Widerruf der Familienasylanerkennung allein das Ergehen einer Widerrufsentscheidung gegenüber dem Stammberechtigten ausreicht oder insoweit auch ein Widerrufsgrund der Sache nach vorliegen muss, wird offengelassen, weil jedenfalls wegen einer früheren Wehrdienstentziehung unter der sowjetischen Besatzung und dem kommunistischen Regimes Afghanistans heute keine Verfolgung mehr droht.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

8 UE 1274/04.A

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Asylrechts/Afghanistan/Widerruf des Familienasyls

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 8. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Höllein, Richter am Hess. VGH Dr. Nassauer, Richter am Hess. VGH Jeuthe

am 13. Oktober 2005 beschlossen:

Tenor:

Auf die Berufung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 22. Februar 2002 - 5 E 30748/99.A (3) - abgeändert und die Klage der Klägerin gegen den an sie gerichteten Widerrufsbescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 17. Juni 1999 abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des gesamten Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin wehrt sich gegen den Widerruf der ihr im Wege des Familienasyls gewährten Asylanerkennung.

Nach der Niederschrift zu seinem Asylbegehren und seinen weiteren persönlichen Angaben war der am 15. März 1950 in Jalalabad/Provinz Nangarhar/Afghanistan geborene Beigeladene afghanischer Staats- und paschtunischer Volkszugehörigkeit mit der am 15. März 1950 in Afghanistan geborenen Klägerin seit etwa 1979 verheiratet, die sich danach seinerzeit mit ihren 1981 und 1982 geborenen Töchtern E. und F. in Pakistan aufhielt. Nach diesen Angaben war der Beigeladene nach einem etwa dreiwöchigen Zwischenaufenthalt in Pakistan und Indien über Holland am 2. Juli 1981 als Asylbewerber in die Bundesrepublik Deutschland eingereist.

Seinen mit Anwaltsschreiben vom 7. Juli 1981 gestellten Asylantrag hatte er u.a. damit begründet, dass er Mitglied der Partei Hazb Ithed Milli Islam sei, deren Mitglieder nach dem Einmarsch der sowjetischen Truppen in Afghanistan Widerstand geleistet und deswegen - wie bereits Verwandte von ihm - verfolgt worden seien, während er in einer persönlichen schriftlichen Erklärung vom 3. September 1981 und bei seiner Vorprüfungsanhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge; im Folgenden: Bundesamt) am 23. Juni 1982 u.a. angegeben hatte, er sei mit seinem älteren Bruder sowie mit Frau und Kind Ende Mai 1981 vor der Einberufung zum Wehrdienst nach Pakistan geflohen, weil er nicht für die Russen und die Kommunisten gegen seine eigenen Brüder habe kämpfen wollen; er habe sich in seiner Heimat nicht politisch betätigt und keiner politischen Gruppe angehört.

Nach Ablehnung seines Asylantrags hatte das Verwaltungsgericht Wiesbaden das Bundesamt mit Urteil vom 21. März 1984 - II/1 E 06419/82 0 - verpflichtet, den Beigeladenen als Asylberechtigten anzuerkennen, und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: er lehne den Militärdienst in Afghanistan ab, weil er nicht mit der Waffe auf Seiten der sowjetischen Soldaten gegen seine Landleute kämpfen wolle, und habe seine Abneigung gegen das derzeitige Regime in Afghanistan durch Verlassen seiner Heimat zum Ausdruck gebracht. Nach der Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs diene die Wehrpflicht in Afghanistan derzeit der gewaltsamen Durchsetzung politischer Ziele der Invasionsmacht gegen den Willen eines Großteils des afghanischen Volkes und sei ein Wehrpflichtiger politisch verfolgt, weil der Staat die Heranziehung zum Wehrdienst und die Bestrafung der Wehrdienstentziehung als Mittel zur Bekämpfung einer abweichenden politischen Meinung benutze. Nach den von sowjetischer Fremdherrschaft, Willkür und Missachtung der Rechte seiner Bürger gekennzeichneten Verhältnisse in Afghanistan müsse der Beigeladene bei einer Rückkehr auch Verfolgung wegen seiner illegalen Ausreise befürchten.

In Vollziehung dieses Urteils hatte das Bundesamt den Beigeladenen mit Bescheid vom 17. Dezember 1984 als Asylberechtigten anerkannt.

Die Klägerin war dann ihren Angaben nach am 22. Januar 1986 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist, und zwar mit einem für sie und ihre am ................. 1981 bzw. ................... 1982 in E-Stadt/Afghanistan bzw. F-Stadt/Pakistan geborenen Töchter E. und F. A. am 16. Juli 1985 vom Deutschen Generalkonsulat in Karachi/Pakistan ausgestellten Fremdenpass und einem Sichtvermerk zur Familienzusammenführung.

Nach der Geburt eines Sohnes namens G. A. am 9. Mai 1987 in B-Stadt hatte sie mit anwaltlichem Schreiben vom 20. Oktober 1987 ihre Anerkennung als Asylberechtigte beantragt. Sie sei zwar nicht selbst politisch aktiv geworden, befürchte jedoch, dass ihre Ausreise mit ihrem Ehemann als oppositionelle Handlung angesehen und sie deshalb und wegen der Mitgliedschaft ihres Ehemannes in einer Widerstandspartei verfolgt werde. Bei ihrer Vorprüfungsanhörung vor dem Bundesamt hatte sie am 29. April 1988 noch u.a. angegeben, sie habe vor etwa sieben Jahren Afghanistan verlassen und sich in der Wohnung eines Freundes ihres Ehemannes in Karachi aufgehalten. Sie habe nicht ohne ihren Ehemann in Afghanistan zurückbleiben können und außerdem Hausdurchsuchungen ertragen müssen, bei denen die Polizei nach dem Verbleib ihres Mannes gefragt habe.

Nachdem das Bundesamt die Asylanträge der Klägerin und ihrer Kinder wegen anderweitiger Verfolgungssicherheit in Pakistan mit Bescheiden vom 11. Oktober 1988 abgelehnt und sie dagegen beim Verwaltungsgericht Wiesbaden Klage erhoben hatten, hatte das Bundesamt der Klägerin und ihren beiden Töchtern mit Bescheid vom 21. Mai 1991 im Wege des sog. Familienasyls gemäß § 7 a Abs. 3 AsylVfG a.F. die Rechtsstellung von Asylberechtigten im Hinblick auf die Asylanerkennung des Beigeladenen gewährt und festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorlägen; die verwaltungsgerichtlichen Verfahren waren durch Erledigungserklärungen bzw. Klagerücknahme abgeschlossen worden.

Im Juli 1997 kamen zum einen im Zusammenhang mit einem vorausgegangenen Aufenthalt in Pakistan behördliche Zweifel an der afghanischen Staatsangehörigkeit der Klägerin auf und zum anderen verzog sie im Juli 1997 mit ihren inzwischen fünf Kindern nach Frankfurt, während der Beigeladene zunächst in B-Stadt wohnhaft blieb.

Wegen der zwischenzeitlich veränderten Verhältnisse im behaupteten Herkunftsland Afghanistan leitete das Bundesamt im März 1998 gegen den Beigeladenen und die Klägerin und ihre Kinder Widerrufsverfahren gemäß § 73 Abs. 1 AsylVfG ein und gab ihnen mit Anhörungsschreiben vom 8. April 1998 Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Klägerin machte mit anwaltlichem Schreiben vom 20. Juli 1998 geltend, ein Widerruf der Asylanerkennung sei unter Berücksichtigung der Genfer Flüchtlingskonvention nicht zulässig, denn mangels der Existenz hinreichend stabiler staatlicher Strukturen und einer übergreifenden Friedensordnung in Afghanistan sei es ihr nicht zumutbar, sich in den Schutz ihres Herkunftsstaates zu begeben.

Das Bundesamt widerrief mit den hier fraglichen Bescheiden vom 17. Juni 1999 jeweils gegenüber dem Beigeladenen, der Klägerin und ihrer Tochter F. die Asylanerkennung und die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und stellte fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorlägen.

Zur Begründung führte das Bundesamt gegenüber dem Beigeladenen im wesentlichen aus, abgesehen von den weiterhin bestehenden erheblichen Zweifeln an seiner afghanischen Staatsangehörigkeit sei das Hauptargument für seine Asylanerkennung (die Ablehnung des kommunistischen Regimes und der sowjetischen Besatzungsmacht) nach dem Abzug der sowjetischen Truppen im Jahre 1989 aus Afghanistan und dem Sturz der prokommunistischen Regierung unter Nadschibullah im April 1992 weggefallen. Ihm drohe dort keine politische Verfolgung, weil sich das Land immer noch im Bürgerkrieg befinde und weder die Taliban noch die Nordallianz eine stabile, verfolgungsmächtige Herrschaftsmacht errungen hätten. Die damalige antikommunistische Haltung des angeblich afghanischen Beigeladenen könne ihm im heutigen Afghanistan eher zum Vorteil gereichen.

Zur Begründung des gegen die Klägerin ergangenen Bescheide führte das Bundesamt u.a. aus: Ihre Asylanerkennung sei gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG zu widerrufen, weil die Anerkennung des Beigeladenen als des Stammberechtigten mit Bescheid vom gleichen Tage widerrufen worden sei und sie auch nicht aus anderen Gründen als Asylberechtigte anerkannt werden könnte, wie sich aus der Begründung des gegen den Beigeladenen ergangenen Widerrufsbescheides ergebe. Daraus ergebe sich auch, dass ihr unter Würdigung ihres individuellen Vorbringens bei einer Rückkehr nach Afghanistan keine im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG relevanten Verfolgungsmaßnahmen drohten. Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG lägen ebenfalls nicht vor.

Der Beigeladene hat gegen den Widerrufsbescheid am 29. Juni 1999 beim Verwaltungsgericht Darmstadt Klage erhoben, die wegen seines Wohnsitzwechsels im August 1999 an das Verwaltungsgericht A-Stadt - VG 33 X 392.99 - verwiesen worden und über die noch nicht entschieden ist.

Auf ihre am 30. Juni 1999 auch gegen den dem Beigeladenen gegenüber ergangenen Widerrufsbescheid erhobenen Klagen hat das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main mit zwei Urteilen vom 22. Februar 2002 - 5 E 30748 bzw. 30746/99.A (3) - die Verfahren hinsichtlich des zurückgenommenen, den Beigeladenen betreffenden Teils eingestellt und die gegen die Klägerin und ihre Tochter gerichteten Widerrufsbescheide des Bundesamtes vom 17. Juni 1999 aufgehoben und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:

Es könne dahinstehen, ob die Widerrufsvoraussetzungen des § 73 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AsylVfG vorlägen, denn jedenfalls sei nach Satz 3 dieser Vorschrift von einem Widerruf abzusehen, weil es der Klägerin und ihrer Tochter unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht zumutbar sei, nach Afghanistan zurückzukehren. Sie hätten keine Chance, ihre wirtschaftliche Existenz und somit ihr Überleben in Afghanistan zu sichern, insbesondere stünde ihnen nicht die Möglichkeit offen, in bestehende familiäre oder stammesmäßige Strukturen zurückzukehren, die ihnen den nach wie vor zwingend erforderlichen Schutz bieten könnten. Nachdem die Klägerin über Jahre hinweg von ihrem Ehemann getrennt lebe, ohne dass die Ehe geschieden worden sei, könne sie nicht darauf verwiesen werden, gemeinsam mit ihm eine Existenz in Afghanistan aufzubauen und möglicherweise in den Schutz seiner Familie, sofern eine solche dort überhaupt existiere, zurückzukehren.

Es bestehe auch ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der früheren Verfolgung des Beigeladenen und des hieraus abgeleiteten Familienasyls der Klägerin und ihrer Tochter sowie der hierdurch bedingten Notwendigkeit, ihr Herkunftsland zu verlassen, und dem Umstand, dass ihnen wegen ihres langjährigen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland und der dadurch erfahrenen starken westlichen Prägung eine Rückkehr nach Afghanistan auch auf Grund der fehlenden familiären Anknüpfungspunkte nicht mehr zugemutet werden könne.

Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass das Vorliegen von Abschiebungshindernissen, jedenfalls gemäß § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG, festzustellen gewesen wäre.

Auf Anträge des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten (im Folgenden: Bundesbeauftragter) hat der Senat die Berufung gegen diese Urteile mit Beschlüssen vom 27. April 2004 - 8 UZ 1453 bzw. 1449/02.A - zugelassen.

Nachdem die Tochter der Klägerin die deutsche Staatsbürgerschaft erworben hatte, hat der Berichterstatter des Senats das sie betreffende Berufungsverfahren - 8 UE 1275/04.A - nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen mit Beschluss vom 12. Juli 2004 eingestellt und der Tochter der Klägerin die gesamten Verfahrenskosten auferlegt.

Nach Zustellung des Zulassungsbeschlusses am 4. Mai 2004 hat der Bundesbeauftragte am 2. Juni 2004 die Berufung unter teilweiser Bezugnahme auf sein Zulassungsantragsschreiben begründet und - sinngemäß - beantragt,

die Klage unter Abänderung des stattgebenden Teils des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 22. Februar 2002 - 5 E 30748/99.A (3) - abzuweisen.

Die Klägerin

hält das erstinstanzliche Urteil im Ergebnis für zutreffend und macht zur Begründung im wesentlichen geltend: In dem mit dem gerichtlichen Anhörungsschreiben zu einer Entscheidung gemäß § 130 a VwGO übersandten Urteil vom 10. Februar 2005 - 8 UE 280/02.A - gehe auch der erkennende Senat davon aus, dass für einen Asylwiderruf die Existenz eines zur Schutzgewährung fähigen und willigen Herkunftsstaates erforderlich sei; das könne entgegen der Auffassung des Senats für Afghanistan aber nicht bejaht werden, weil die Staatsgewalt allenfalls in den Stadtgrenzen Kabuls eine gewisse Stabilisierung bewirken könne. Es komme aber darauf an, ob ein Staat seinen Bürgern jedenfalls ein gewisses Maß an Sicherheit und Schutz vor der Verletzung persönlicher Rechtsgüter gewährleisten könne und wolle. Zudem sei im vorliegenden Einzelfall zu berücksichtigen, dass die nicht aus Kabul stammende Klägerin schon wegen ihrer Sprache sofort als Paschtunin auffalle und als alleinstehende Frau in Kabul in keiner Weise auf den Schutz der örtlichen Sicherheitskräfte vertrauen könne, die vor allem von der tadschikisch dominierten Nordallianz gestellt würden. Sie stamme aus Jalalabad, wo auch nach dem Senatsurteil keine staatlichen Strukturen existierten, die hinreichende Sicherheit gewährleisten könnten.

Die Beklagte hat sich zur Sache nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

Der Beigeladene hat ebenfalls keinen Antrag gestellt, aber darauf hingewiesen, dass er im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan auf Grund schwerwiegender Erkrankungen und ihrer dort nicht möglichen Behandlung einer lebensgefährlichen Situation ausgesetzt werde. Das müsse im Zusammenhang mit der Aufhebung des fraglichen Anerkennungsbescheides Berücksichtigung finden. Nach Auffassung des Senats erfasse die Ausschlussklausel des § 73 Abs. 1 Satz 2 (gemeint: Satz 3) AsylVfG nur schwerwiegende, unmittelbar auf einer früheren Verfolgung beruhende Belastungen, nicht dagegen die Folgen einer langjährigen Verfestigung der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet mit einer dadurch bewirkten Entfremdung vom Herkunftsland und auch nicht dort zu erwartende allgemeine wirtschaftliche oder gesellschaftliche Eingliederungsschwierigkeiten; die im Falle seiner Rückkehr zu erwartende vollkommene Isolierung sei aber gerade Folge der afghanischen Bürgerkriegssituation.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens im Übrigen wird auf den Inhalt der vorliegenden und der den Beigeladenen betreffenden Streitakten nebst Verwaltungsvorgängen verwiesen.

II.

Der Senat kann über die Berufung des Bundesbeauftragten gemäß § 130 a VwGO durch Beschluss entscheiden, weil er sie einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält und die Beteiligten vorher gehört worden sind.

Die vom Senat zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung des Bundesbeauftragten ist begründet.

Die gegen den die Klägerin betreffenden Widerrufsbescheid des Bundesamtes vom 17. Juni 1999 gerichtete Anfechtungsklage ist unter Abänderung des angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Urteils gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO abzuweisen, denn nach der gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG maßgeblichen Sach- und Rechtslage im gegenwärtigen Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung ist dieser Bescheid rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Das Bundesamt hat die der Klägerin mit Bescheid vom 21. Mai 1991 im Wege des Familienasyls gemäß § 7 a Abs. 3 AsylVfG a.F. (jetzt: § 26 Abs. 1 AsylVfG) gewährte Anerkennung als Asylberechtigte zu Recht gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG widerrufen.

Die in Vollziehung des Urteils des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 21. März 1984 mit Bescheid des Bundesamtes vom 17. Dezember 1984 ausgesprochene Asylanerkennung des Beigeladenen als des sogenannten Stammberechtigten ist wegen der veränderten politischen Verhältnisse in Afghanistan und des dadurch bewirkten Wegfalls seiner Verfolgungsgefährdung ebenfalls mit Bescheid vom 17. Juni 1999 gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG widerrufen worden.

Der daran anknüpfende Widerruf der abgeleiteten Familienasylanerkennung der Klägerin setzt nicht die Unanfechtbarkeit des gegenüber dem Stammberechtigten ergangenen Widerrufs voraus.

Die in Satz 2 des § 73 Abs. 1 AsylVfG für beide Verben verwandte gleiche Zeitform macht vielmehr deutlich, dass nach dem Willen des Gesetzgebers über den Widerruf der Anerkennung des Stammberechtigten und den Widerruf der Anerkennung seiner Familienmitglieder gleichzeitig entschieden werden soll, wie auch ein Vergleich zum Wortlaut des § 26 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG zeigt, der für die Gewährung von Familienasyl ausdrücklich die Unanfechtbarkeit der Asylanerkennung des Stammberechtigten verlangt (vgl. OVG Rheinl.-Pfalz, Beschluss vom 22. März 2005 - 10 A 1007/05 - AuAS 2005 S. 129 f. = juris). Das stimmt auch mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats überein, wonach die Versagung von Familienasyl gemäß § 26 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 Satz 1 AsylVfG allein das Vorliegen von Widerrufsgründen in Bezug auf den Stammberechtigten, nicht aber den unanfechtbaren Widerruf seiner Asylberechtigung voraussetzt (vgl. u.a. das den Beteiligten übersandte Urteil vom 10. Februar 2005 - 8 UE 280/02.A - AuAS 2005 S. 143 f. m.w.N.).

Die weitere Frage, ob angesichts der Akzessorietät des Familienasyls für die Rechtmäßigkeit seines Widerrufs nach dem Wortlaut des Satzes 2 des § 73 Abs. 1 AsylVfG als einer abschließenden Spezialregelung (so Marx, AsylVfG, 6. Aufl. 2005 Anm. 3.6.2. und 3.6.3. = Rdnrn. 151 bis 157 zu § 73) allein das Ergehen einer Widerrufsentscheidung gegenüber dem Stammberechtigten ausreicht oder ob - wie gemäß § 26 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 Satz 1 AsylVfG für die Versagung des beantragten Familienasyls - nach der einheitlichen Rechtsgrundlage für den Widerruf einer asylrechtlichen Statusentscheidung in § 73 Abs. 1 AsylVfG (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10. August 2000 - A 12 S 129/00 - juris) ein Widerrufsgrund nach Satz 1 des § 73 Abs. 1 AsylVfG auch der Sache nach vorliegen muss (vgl. etwa Heilbronner, Ausländerrecht, Ordner 2, Stand: September 2000, Rdnrn. 23 f. zu § 73 AsylVfG), bedarf hier letztlich keiner Entscheidung, denn letzteres hat das Bundesamt in Bezug auf den gemäß § 65 Abs. 1 VwGO beigeladenen Stammberechtigten in seinem Widerrufsbescheid vom 17. Juni 1999 jedenfalls zutreffend bejaht.

Die ihm nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 21. März 1984 wegen der Flucht vor der Heranziehung zum Militärdienst unter der sowjetischen Besatzung und dem kommunistischen Regime Afghanistans drohenden asylerheblichen Verfolgungsmaßnahmen können nach dem Abzug der sowjetischen Truppen bis zum Jahre 1989 und der Entmachtung des letzten kommunistischen Regimes unter Präsident Nadschibullah im April 1992 auch bei Anlegung eines strengen Maßstabes mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden. Zwar haben sich danach bis heute in Afghanistan wieder staatliche bzw. quasi-staatliche, zu politischer Verfolgung grundsätzlich fähige Herrschaftsstrukturen auch neben der Zentralregierung unter Präsident Karsai herausgebildet, diese überwiegend fundamentalistisch-islamistischen Machthaber verbindet aber die langjährige Feindschaft gegenüber den verbittert bekämpften kommunistischen Regierungen Afghanistans und deren sowjetischen Verbündeten, so dass für keine dieser Gruppierungen ein Anlass bestehen könnte, gegen den Beigeladenen wegen seiner Wehrdienstverweigerung und der damit motivierten illegalen Ausreise Verfolgungshandlungen vorzunehmen, gezielt zu fördern oder zuzulassen.

Zu den bei dieser Prüfung anzulegenden Maßstäben und der Begründung im Einzelnen verweist der Senat auf seine Ausführungen in den Entscheidungsgründen auf den Seiten 13 bis 25 des oben bereits zitierten, den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens mit gerichtlicher Verfügung vom 10. Mai 2005 in vollständiger, anonymisierter Fassung übersandten Urteils vom 10. Februar 2005, das einen vergleichbaren Fall betraf, in dem der Stammberechtigte gegen den Einmarsch der Russen in Afghanistan demonstriert hatte, vor der Heranziehung zum Militärdienst unter dem kommunistischen Regime 1980 aus Afghanistan geflohen und mit verwaltungsgerichtlichem Urteil vom 11. August 1983 deshalb als asylberechtigt anerkannt worden war, weil die Heranziehung zum Wehrdienst unter den damaligen politischen Verhältnissen in Afghanistan als politische Verfolgung gewertet wurde.

Soweit die Klägerin vorliegend geltend macht, auch der Senat habe in jenem Urteil die Existenz eines zur Schutzgewährung fähigen und willigen Herkunftsstaates als Voraussetzung für einen Asylwiderruf angesehen und es komme nicht auf die Fähigkeit des Staates zu politischer Verfolgung, sondern auf seine Schutzfähigkeit und -willigkeit an, verkennt sie den oben skizzierten Begründungszusammenhang dieses Urteils. Der Senat hat dort vielmehr ausdrücklich ausgeführt, dass der Regelungsgehalt des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG (nur) insoweit mit Satz 1 der "Beendigungsklausel" des Art. 1 C Nr. 5 der Genfer Flüchtlingskonvention übereinstimme, "als es um die hinreichende Sicherheit vor einer für die Asylanerkennung allein maßgeblich gewesenen politischen Verfolgung und nicht um sonstige, insbesondere allgemeine Gefahren etwa auf Grund einer unzureichenden Sicherheits- oder/und Versorgungslage geht, vor denen nach deutschem Recht nicht asyl-, sondern ausländer- bzw. aufenthaltsrechtlich Schutz gewährt wird" (vgl. S. 14 des Urteilsabdrucks); dass wegen einer Verweigerung des Militärdienstes unter dem früheren kommunistischen Regime Afghanistans eine von den gegenwärtigen Machthabern zu verantwortende politische Verfolgung mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist, hat der Senat dann aber auf Seite 24 f. der Entscheidungsgründe ebenfalls ausdrücklich klargestellt.

Wie dort anschließend näher begründet wird, steht dem Widerruf der Asylanerkennung des Beigeladenen zum einen der lange Zeitablauf von inzwischen 13 1/2 Jahren seit der Entmachtung des Regimes Nadschibullah im April 1992 und zum anderen - im Gegensatz zur Auffassung des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 22. Februar 2002 - auch nicht die "Absehensklausel" in § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG und seine nunmehr geltend gemachten schweren Erkrankungen mit den unzureichenden Behandlungsmöglichkeiten in Afghanistan entgegen.

Dazu hat der Senat in dem zitierten Urteil vom 10. Februar 2005 auf den Seiten 26 bis 29 der Entscheidungsgründe wörtlich ausgeführt:

"Von einem Widerruf der Asylanerkennung des Beigeladenen ... ist schließlich entgegen der entscheidungstragenden Begründung des angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Urteils ... auch nicht etwa gemäß § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG mit der Begründung abzusehen, dass er sich bereits mehr als 24 Jahre in der Bundesrepublik Deutschland aufhält und ihm eine Rückkehr nach Afghanistan nicht zumutbar sein könnte, weil er dort mittel- und beistandslos wäre und ein ausreichender staatlicher Schutz allgemein nicht existiere (vgl. dazu auch VG Frankfurt am Main, Urteile vom 28. Oktober 1999 - 5 E 30435/99.A - AuAS 2000 S. 10 ff. und vom 22. Februar 2002 - 5 E 30748/99.A (3) - InfAuslR 2002 S. 371 f. jeweils = juris [LS]; Köfner/Nicolaus, Grundlagen des Asylrechts in der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, 1986, Anm. 8.3.2. S. 602 f.; Pfaff a.a.O. S. 228).

Diese Auslegung des unbestimmten, gerichtlich voll überprüfbaren Rechtsbegriffs der "zwingenden, auf früheren Verfolgungen beruhenden Gründe" in dem Ausschlusstatbestand des § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG ist weder systemgerecht noch durch die humanitäre Intention der insoweit wortgleichen Ausschlussregelung in Satz 2 der "Beendigungsklausel" des Art. 1 C Nr. 5 GK geboten.

Da es allein um die an den Wegfall der Verfolgungsgefahr anknüpfende Beendigung des Status der Asylberechtigung geht, erfasst diese Ausschlussklausel weder die Folgen einer langjährigen Verfestigung der Lebensverhältnisse des Asylberechtigten im Bundesgebiet mit einer dadurch bewirkten Entfremdung von seinem Herkunftsland noch dort zu erwartende wirtschaftliche oder gesellschaftliche Eingliederungsschwierigkeiten oder allgemeine Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit etwa infolge eines Bürgerkrieges oder einer schlechten Sicherheits- und Versorgungslage, weil diese Umstände nicht asyl-, sondern ausländer- bzw. aufenthaltsrechtlich zu berücksichtigen sind (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12. Februar 1986 - A 13 S 77/85 - InfAuslR 1987 S. 91 <93>; OVG Rheinl.- Pf., Urteil vom 24. März 1992 - 6 A 10036/88 - juris S. 7 f. Rdnr. 41; Hamb. OVG, Urteil vom 20. Dezember 1993 a.a.O. juris S. 8 Rdnr. 46). Andernfalls würden Umstände zur Aufrechterhaltung des asylrechtlichen Status einzelner Ausländer führen, die keine individuelle politische Verfolgungsgefahr begründen und deshalb eine Asylanerkennung nicht rechtfertigen, sondern etwa für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis oder nur für die Anordnung eines generellen Abschiebestopps gemäß § 54 AuslG bzw. § 60 a Abs. 1 AufenthG oder für die Feststellung eines Abschiebungshindernisses (in verfassungskonformer Anwendung) gemäß § 53 Abs. 6 AuslG bzw. § 60 Abs. 7 AufenthG herangezogen werden könnten. Dementsprechend wird auch in Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention eine erfolgreiche Integration im Aufnahmestaat nicht als Grund für die Beibehaltung des Flüchtlingsstatus angesehen, sondern eine Lösung im Wege des nationalen Ausländer- bzw. Aufenthaltsrechts für zutreffend gehalten (vgl. Salomons/Hruschka a.a.O. S. 4). Da Art. 1 C Nr. 5 GK keine unmittelbar anwendbare Regelung über Rücknahme oder Widerruf der nationalen Flüchtlingsanerkennung trifft und es deshalb der eigenen Verantwortung des jeweiligen Vertragsstaates im Rahmen der konkreten Ausgestaltung des Personalstatus eines anerkannten Flüchtlings gemäß Art. 12 GK obliegt, eine entsprechende Aufhebungsregelung zu treffen, wie dies hier in § 73 AsylVfG erfolgt ist (vgl. u.a. OVG Sachs.-Anh., Beschluss vom 26. Juli 2004 - 1 C 270/04 - juris; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 16. März 2004 a.a.O.; a.A. Ton, ZAR 2004 S. 367 [369]), widerspricht es den völkerrechtlichen Vorgaben der Genfer Flüchtlingskonvention nicht, die Berücksichtigung verfolgungsunabhängiger Gesichtspunkte dem allgemeinen Ausländer- bzw. Aufenthaltsrecht vorzubehalten. Die Voraussetzungen für ein Absehen von einem Widerruf gemäß § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG einerseits und für die Gewährung von Abschiebungsschutz gemäß § 53 Abs. 6 AuslG bzw. § 60 Abs. 7 AufenthG unterscheiden sich deshalb - auch wenn sich die zu berücksichtigenden Umstände teilweise überschneiden - so wesentlich voneinander, dass sie voneinander zu trennen und gesondert zu prüfen sind (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 28. Mai 2003 - 12 UZ 2805/02.A - InfAuslR 2003 S. 400 f.).

Deshalb ist zum einen die in Art. 1 C Nr. 5 GK in den Sätzen 1 und 2 angesprochene Schutzgewährleistung durch den Heimatstaat nur im Zusammenhang mit der im Rahmen des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG zu prüfenden - und hier verneinten - Gefahr individueller politischer Verfolgung, nicht dagegen in Bezug auf allgemeine Gefahren von Bedeutung (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 6. August 2004 - 15 ZB 04.30565 - Asylis-Rspr.), so dass bei fehlenden Anhaltspunkten für eine gezielt an asylerhebliche Merkmale anknüpfende Verfolgungsgefährdung die vom UNHCR aufgestellten Erfordernisse ausreichend stabiler, funktionierender und gesicherter staatlicher Strukturen für die Annahme der "Beendigungsklausel" des Art. 1 C Nr. 5 Satz 1 GK dann nicht im Rahmen des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, sondern allenfalls ausländer- bzw. aufenthaltsrechtlich prüfungsrelevant sind.

Zum anderen werden im Rahmen der Ausschlussklausel des § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG deshalb ausschließlich Gründe berücksichtigt, die ihre Ursache in einer früheren Verfolgung haben. Dazu gehören etwa psychische, traumatische Belastungen aus einem besonders schweren, nachhaltend wirkenden Verfolgungsschicksal, die es dem Betroffenen trotz einer inzwischen objektiv entfallenen Verfolgungsgefahr subjektiv unzumutbar erscheinen lassen, in den früheren Verfolgerstaat zurückzukehren. Damit soll den besonderen subjektiven Belastungen solcher Flüchtlinge Rechnung getragen werden, die schweren Formen der Verfolgung ausgesetzt waren; ob dies möglicherweise auch für andere schwerwiegende Belastungen gilt, die unmittelbar auf der früheren Verfolgung beruhen und denen der Flüchtling im Falle seiner Rückkehr in den Heimatstaat individuell ausgesetzt wäre, wie etwa einer nach wie vor feindseligen Haltung der Bevölkerung, einer völligen Zerschlagung seiner Familie oder seiner Existenzgrundlagen, ist in der Rechtsprechung bisher nicht abschließend entschieden (vgl. OVG Rheinl.-Pf., Urteil vom 24. März 1992 a.a.O. und Hamb. OVG, Urteil vom 20. Dezember 1993 a.a.O.) und kann auch vorliegend offen bleiben. Die hier vom Verwaltungsgericht für die Anwendung des § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG angeführten Gründe beruhen nämlich nur mittelbar auf dem Verfolgungsschicksal des Beigeladenen ..., nämlich dem dadurch bedingten langjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet, und stellen zum anderen typische Auswirkungen der allgemein schlechten Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan dar, so dass diese Gründe jedem Rückkehrer nach einem langen Auslandsaufenthalt und bei schlechten Verhältnissen im Heimatland unabhängig von der Schwere einer eventuellen Vorverfolgung drohen (vgl. zur Berücksichtigung der fehlenden Kausalität zwischen der früheren Verfolgung und den für eine Rückkehr bedeutsamen Umständen: OVG Schl.-Holst., Urteil vom 16. Juni 2004 - 2 LB 54/03 - a.a.O.). Weder in § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG noch in Art. 1 C Nr. 5 Satz 2 GKG sind aber allgemeine Zumutbarkeitskriterien für Rückkehrer enthalten (vgl. Salomons/Hruschka a.a.O. S. 6)."

Das Bundesamt hat bei dem Widerruf der der Klägerin im Wege des Familienasyls gewährten Asylanerkennung auch dem in Satz 2 des § 73 Abs. 1 AsylVfG klarstellend zum Ausdruck gebrachten "Grundsatz der doppelten Deckung" (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 1991 - 9 C 48/91 - BVerwGE 88 S. 326 ff. = NVwZ 1992 S. 269 f. = juris Rdnr. 12; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10. August 2000 a.a.O.; Marx a.a.O. Anm. 3.6.4.) hinreichend Rechnung getragen, indem es eigene, persönliche Asylgründe der Klägerin verneint hat. Zur Begründung ihres im Oktober 1987 gestellten Asylantrags hat sie nämlich nur vorgetragen, dass sie selbst nicht politisch aktiv gewesen sei, nur Hausdurchsuchungen wegen ihres Ehemannes habe ertragen müssen und ohne ihn nicht in Afghanistan habe bleiben können. Ihre Befürchtung, die Ausreise mit ihrem Ehemann im Jahre 1981 könne als oppositionelle Handlung angesehen und sie könne deshalb und wegen der Mitgliedschaft ihres Ehemannes in einer Widerstandspartei verfolgt werden, ist nach den gegenwärtigen politischen Verhältnissen in Afghanistan grundlos. Ihr jetziges Vorbringen, sie könne als alleinstehende Frau paschtunischer Volkszugehörigkeit in Kabul nicht auf den Schutz der tadschikisch dominierten Sicherheitskräfte vertrauen, ist auch angesichts dessen, das die Paschtunen mit ca. 45 bis 50 % die Bevölkerungsmehrheit Afghanistans stellen, ebenfalls nicht geeignet, eine landesweite Verfolgungsgefährdung der Klägerin hinreichend wahrscheinlich erscheinen zu lassen.

Deshalb ist auch der Widerruf der gemäß § 51 Abs. 2 Nr. 1 AuslG allein auf ihre Asylanerkennung gestützten Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (jetzt: § 60 Abs. 1 AufenthG) gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG rechtlich nicht zu beanstanden, auch wenn hinsichtlich ihrer eigenen Verfolgungsgefährdung eine nachträgliche Änderung nicht eingetreten sein dürfte (vgl. dazu auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10. August 2000 a.a.O.).

Nach den obigen Ausführungen steht entgegen der Auffassung des hier angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 22. Februar 2002 auch die Ausschlussregelung in § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG dem Widerruf der Asylanerkennung der Klägerin und der Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG bzw. § 60 Abs. 1 AufenthG nicht entgegen.

Schließlich hat das Bundesamt auch zu Recht das Vorliegen von Abschiebungshindernissen, insbesondere gemäß § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG (jetzt: § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) verneint. Es sind - wie sich aus obigen Ausführungen ergibt - keine landesweit und mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit konkret-individuell auf die Person der Klägerin zielende Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit anzunehmen. Die allgemein unzureichende Versorgungs- und Sicherheitslage in Afghanistan, die sich durch individuelle oder gruppenspezifische Besonderheiten erschwert auswirken kann, unterfällt aber der Sperrwirkung des Satzes 2 dieser Vorschriften, die der Gewährung individuellen Abschiebungsschutzes entgegensteht. Diese kann im Wege einer verfassungskonformen Auslegung und Anwendung des § 60 Abs. 7 AufenthG nur dann überwunden werden, wenn eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht. Das hat der Senat aber mit Urteil vom 11. November 2004 - 8 UE 2759/01.A - (juris) für afghanische Staatsangehörige für die frühere, insoweit identische Regelung in § 53 Abs. 6 AuslG - abgesehen von anderweitig bestehenden ausländer- oder aufenthaltsrechtlichen Bleiberechten - jedenfalls im Hinblick auf die damalige hessische Erlasslage verneint, so dass sich die Frage einer die verfassungskonforme Anwendung rechtfertigenden extremen allgemeinen Gefahrenlage in Afghanistan nicht stellte.

Daran hält der Senat auch in Bezug auf die derzeit gültige Erlasslage in ständiger Rechtsprechung fest.

Das Hessische Ministerium des Innern und für Sport hat mit Erlass vom 17. Mai 2005 - II 41-23 d - (StAnz. S. 3258 ff.) die bisherige Bleiberechts- sowie Rückführungsregelung für afghanische Staatsangehörige dahin verändert, dass neben Straftätern und anderen Personen, gegen die Ausweisungsgründe und Sicherheitsbedenken bestehen, "mit Vorrang zurückzuführen sind volljährige, allein stehende männliche afghanische Staatsangehörige, die sich zum Zeitpunkt der Beschlussfassung noch keine sechs Jahre im Bundesgebiet aufhalten" (vgl. Nrn. 1 und 2 der "Grundsätze zur Rückführung und weiteren Behandlung der afghanischen Flüchtlinge", Anlage zum Erlass vom 17. Mai 2005, StAnz. S. 3260 f.).

Zu diesem Personenkreis, der mit alsbaldiger Abschiebung nach Afghanistan zu rechnen hat, gehört die Klägerin nicht, zumal nach Nrn. 4 und 5.1. dieser Grundsätze ihr weiterer Aufenthalt auch unter den Gesichtspunkten zugelassen werden könnte, dass humanitäre Gründe und die Vermeidung außergewöhnlicher Härten der Durchsetzung ihrer Rückkehrverpflichtung entgegenstehen könnte, etwa auch wegen eines verfestigten Aufenthalts ihrer Kinder in Deutschland.

Damit ist eine zeitnahe Abschiebung der Klägerin nach Afghanistan so unwahrscheinlich, dass es bei der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 i.V.m. § 60 a Abs. 1 AufenthG verbleibt (vgl. zur früheren Rechtslage u.a. BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2001 - 1 C 2/01 - BVerwGE 114 S. 379 ff. = NVwZ 2001 S. 1420 ff. = juris).

In dem zitierten Urteil vom 12. Juli 2001 hat das Bundesverwaltungsgericht auch zu der Frage Stellung genommen, wie bei einer für die Ausländer nachteiligen Entwicklung der Erlasslage zu verfahren wäre (vgl. juris Rdnr. 19):

"Das bedeutet im vorliegenden Verfahren nach der jetzt getroffenen Entscheidung des erkennenden Senats: Es ist nur festgestellt, dass die Klägerin des Schutzes nach § 53 Abs. 6 AuslG in verfassungskonformer Anwendung nicht bedarf, weil und soweit sie bereits durch die Erlasslage in Bayern gleichwertigen Abschiebungsschutz auf der Rechtsgrundlage des § 55 AuslG genießt. Nur mit diesem Inhalt steht zu Lasten der Klägerin fest, dass sie keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Feststellung eines Abschiebungshindernisses in verfassungskonformer Handhabung des § 53 Abs. 6 AuslG hat. Entfällt der ihr vorrangig gewährte ausländerrechtliche Schutz nach bayerischer Erlasslage und besteht kein anderweitiger gleichwertiger Abschiebungsschutz, so kann die Klägerin daher jederzeit beim Bundesamt geltend machen, dass eine neue Sachlage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG entstanden und deshalb erneut über ihren Antrag im Wege des Wiederaufgreifens zu entscheiden ist. Dabei gelten, wie das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden hat, nicht die strengeren Maßstäbe für Asylfolgeanträge nach § 71 AsylVfG (vgl. Urteil vom 21. März 2000 - BVerwG 9 C 41.99 - BVerwGE 111, 77; Urteil vom 7. September 1999 - BVerwG 1 C 6.99 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 20 = NVwZ 2000, 204 ...). Bis zu einer Entscheidung des Bundesamts über einen solchen Wiederaufgreifensantrag darf die Abschiebung nur vollzogen werden, wenn der Klägerin zuvor Gelegenheit zur Inanspruchnahme verwaltungsgerichtlichen (Eil-) Rechtsschutzes gegeben worden ist (vgl. das Urteil vom 16. November 1999 - BVerwG 9 C 4.99 - BVerwGE 110, 74, 80 f.)."

Da nach alledem der gegenüber der Klägerin ergangene Widerrufsbescheid vom 17. Juni 1999 rechtmäßig ist, ist der stattgebende Teil des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 22. Februar 2002 auf die Berufung des Bundesbeauftragten abzuändern und die Anfechtungsklage abzuweisen.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 83 b AsylVfG und § 154 Abs. 1 VwGO; die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind gemäß § 162 Abs. 3 VwGO nicht für erstattungsfähig zu erklären, weil er sich nicht durch eine Antragstellung gemäß 154 Abs. 3 VwGO dem Kostenrisiko unterworfen hat.

Die Revision ist gemäß § 132 Abs. 2 VwGO nicht zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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