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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 12.06.2003
Aktenzeichen: 8 UE 2250/02
Rechtsgebiete: KWG, KWO


Vorschriften:

KWG § 19 Abs. 2
KWG § 21a Abs. 1 Nr. 6
KWG § 25 Abs. 1
KWG § 26 Abs. 1 Nr. 2a
KWG § 30 Abs. 1 S. 1
KWO § 40
KWO § 45 Abs. 1
KWO § 45 Abs. 2
Es stellt Unregelmäßigkeiten beim Wahlverfahren im Sinne von § 26 Abs. 1 Nr. 2 a) KWG dar, in Bezug auf Briefwahlen Wahlscheine zuzulassen, in denen im Abschnitt betreffend die "Versicherung an Eides statt zur Briefwahl" nicht durch Kenntlichmachen in einem der beiden dafür vorgesehenen Kästchen angegeben worden ist, ob die betreffende Person den beigefügten Stimmzettel entweder persönlich oder aber lediglich als Hilfsperson gemäß dem erklärten Willen der Wählerin oder des Wählers gekennzeichnet hat. In einem derartigen Fall fehlt es an einer Versicherung an Eides statt im Sinne des § 45 Abs. 1 bzw. Abs. 2 Satz 4 KWO schon deshalb, weil keine Erklärung abgegeben worden ist.

Bei § 45 KWO handelt es sich nicht um eine "reine Ordnungsvorschrift", denn die Vorschrift dient dem Zweck, einen Missbrauch der Briefwahl zu verhindern.

Fehlt es an einer Versicherung an Eides statt im Sinne des § 45 Abs. 1 bzw. Abs. 2 Satz 4 KWO, so kann nicht durch eine gerichtliche Beweisaufnahme - etwa durch Einvernahme von Zeugen - aufgeklärt werden, ob der Wahlberechtigte selbst oder eine Hilfsperson den Wahlschein ausgefüllt hat, denn § 45 KWO setzt voraus, dass sich aus der Erklärung selbst ergibt, ob sie von der wählenden Person oder der Hilfsperson abgegeben worden ist.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes Urteil

8. Senat 8 UE 2250/02

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Gültigkeit der Wahl zur Stadtverordnetenversammlung der Stadt Volkmarsen vom 18. März 2001

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 8. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Lohmann, Richter am Hess. VGH Dr. Nassauer, Richter am Hess. VGH Jeuthe, ehrenamtliche Richterin Kosch, ehrenamtlichen Richter Kalb

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 12. Juni 2003 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 19. Juni 2002 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Das Urteil ist hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Kläger vorläufig vollstreckbar. Jedoch darf die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten der Kläger abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand :

Die Beteiligten streiten über die Gültigkeit der Wahl zur Stadtverordnetenversammlung der Stadt Volkmarsen vom 18. März 2001. Die drei Kläger sind Wahlberechtigte. Der Kläger zu 1. ist außerdem eines von insgesamt 31 Mitgliedern der Beklagten. Bei den 30 Beigeladenen handelt es sich um die anderen gewählten Mitglieder der Beklagten.

Nach einem Aktenvermerk vom 22. März 2001 fand am 20. März 2001 mit dem Wahlvorsteher des Briefwahlvorstandes wegen der Wahlniederschrift vom 18. März 2001 ein Klärungsgespräch statt. Bei dieser Gelegenheit wies der Wahlvorsteher des Briefwahlvorstandes darauf hin, dass seinen Informationen zufolge im Stadtteil Ehringen (Wahlbezirk 4) Wahlbriefe nur deshalb zurückgewiesen worden seien, weil die Wähler die Unterschrift nicht in dem dafür vorgesehenen Feld - sondern an anderer Stelle - vorgenommen hätten. Dies sei nicht in Ordnung. Würden die Wahlbriefe berücksichtigt, könne sich das Wahlergebnis noch ändern. Die Überprüfung in Anwesenheit des Wahlvorstehers des Briefwahlvorstandes und der stellvertretenden Gemeindewahlleiterin habe ergeben, dass fünf Wahlscheine nicht in dem dafür vorgesehenen Feld "Persönliche und handschriftliche Unterschrift der Wählerin oder des Wählers/der Hilfsperson" unterschrieben gewesen seien. Bei einem Wahlschein fehlten in dem Feld "Vor- und Familienname, Straße, Haus-Nr., PLZ, Wohnort der Hilfsperson in Druckschrift" die Angaben der unterzeichnenden Hilfsperson. Ein Bediensteter des Hessischen Innenministeriums habe auf Anfrage mitgeteilt, dass die zurückgewiesenen Wahlbriefe vom Gemeindewahlausschuss nicht (nachträglich) zugelassen werden könnten. Bei nur sechs Wahlbriefen könne das Wahlgeheimnis nicht mehr gewahrt werden. Das Wahlgeheimnis werde insbesondere dann verletzt, wenn die betreffenden Wähler den gleichen Wahlvorschlag angekreuzt hätten.

Unter dem Briefkopf "Bündnis 90/Die Grünen" ging am 22. März 2001 ein vom gleichen Tage datierendes Schreiben bei der Stadtverwaltung Volkmarsen ein, in dem die vier Unterzeichner dieses Schreibens - unter anderem die drei Kläger des vorliegenden Verwaltungsstreitverfahrens - Widerspruch gegen das Wahlergebnis erhoben und eine erneute Auszählung forderten. Zur Begründung führten sie aus, durch das neu eingeführte Wahlsystem mit einer Vielzahl unter Umständen über den gesamten Stimmzettel verteilten Kreuzen könne es leicht dazu kommen, dass bei der Zählung Stimmen nicht berücksichtigt würden. Auch könne unter Umständen ein Stimmzettel nicht berücksichtigt werden. Der Sitzanteil von 1,6513 für Bündnis 90/Die Grünen gegenüber der FWG von 4,6584 beruhe in der Nachstelle, gerechnet in Stimmen, auf einer Differenz von weniger als einem gültigen Stimmzettel.

Als Ergebnis der Gemeindewahl stellte der Wahlausschuss am 26. März 2001 die Zahl der gültigen Stimmen mit 100.730 fest. Auf die CDU entfielen danach 39.295 Stimmen (12 Sitze), auf die SPD 34.663 Stimmen (11 Sitze), auf Bündnis 90/Die Grünen 5.364 Stimmen (1 Sitz), auf die F.D.P. 6.276 Stimmen (2 Sitze) und auf die FWG 15.132 Stimmen (5 Sitze).

Mit Schreiben vom 30. März 2001 fragte der Bürgermeister der Stadt Volkmarsen als Gemeindewahlleiter bei dem Hessischen Ministerium des Innern und für Sport an, ob es zulässig sei, dass die Wahlvorstände bei der Zulassung der Wahlbriefe unterschiedlich verfahren. Während in einem Stadtteil Wahlbriefe zurückgewiesen worden seien, weil der Wähler das dafür vorgesehene Feld nicht unterschrieben habe, seien von einem anderen Wahlvorstand Wahlbriefe zugelassen worden, sofern die Unterschrift in dem Feld "Vor- und Familienname, Straße, Haus-Nr., PLZ, Wohnort der Hilfsperson in Druckschrift" geleistet worden sei. In diesem Zusammenhang wurde nach einem Aktenvermerk vom 2. April 2001 aus dem Innenministerium die Ansicht geäußert, dass die betreffenden Wahlbriefe des Stadtteils Ehringen nicht hätten zurückgewiesen werden dürfen. Der Briefwahlvorstand der Kernstadt habe insoweit richtig gehandelt. Das Problem könne nicht dadurch gelöst werden, dass nun nachträglich die blauen Wahlumschläge des Wahlbezirks 4 (Ehringen) geöffnet würden. Bei nur fünf oder sechs Wahlbriefen könne das Wahlgeheimnis verletzt werden. Hinsichtlich Volkmarsen sei die Stimmabgabe in Ordnung gewesen. Nicht in Ordnung sei die Ergebnismitteilung des Wahlvorstandes gewesen, der Wahlbriefe zu Unrecht zurückgewiesen habe. Mit Schreiben vom 3. April 2001 teilte das Ministerium mit, die Unterzeichnung eines Wahlscheins in einem nicht dafür vorgesehenen Feld des Vordruckmusters erfülle allein noch nicht den Zurückweisungsgrund nach § 21 a Abs. 1 Nr. 6 KWG. Nach dieser Vorschrift sei ein Wahlbrief bei der Briefwahl zurückzuweisen, wenn der Wähler oder die Hilfsperson die vorgeschriebene Versicherung an Eides statt auf dem Wahlschein nicht unterschrieben habe. In den übersandten Wahlscheinen schlössen die Unterschriften den wesentlichen Inhalt der Versicherung an Eides statt räumlich ab.

Am 3. April 2001 wurde das endgültige Wahlergebnis, am 6. April 2001 eine Berichtigung in der Waldeckischen Landeszeitung - WLZ - veröffentlicht.

Wiederum unter dem Briefkopf "Bündnis 90/Die Grünen" legten mehrere Personen, darunter auch die Kläger des vorliegenden Verwaltungsstreitverfahrens, mit Schreiben vom 9. April 2001, eingegangen bei der Stadtverwaltung Volkmarsen am 12. April 2001, Widerspruch gegen das Wahlergebnis ein und forderten eine erneute Auszählung. Zur Begründung führten sie unter anderem aus, bei der Entscheidung, ob ein per Briefwahl abgegebener Stimmzettel als gültig oder ungültig einzustufen sei, seien in den einzelnen Wahlbezirken (Stadtteilen) unterschiedliche Kriterien angelegt worden. Dies hielten die Unterzeichner für einen nicht mehr tolerierbaren Verstoß. Die Sitzverteilung sei auf Grund einer fehlerhaften Auszählung zu Stande gekommen. Die Stimmendifferenz sei äußerst knapp und die Mandatsverteilung könne bereits durch einen einzigen Stimmzettel verändert werden. Es sei intern in einem Stadtteilwahlbezirk nachgezählt worden. Dabei habe sich bereits eine Abweichung von der Erstzählung herausgestellt. Diese Tatsache belege eindrucksvoll die Berechtigung der Forderung nach abermaliger Auszählung. Die amtliche Bekanntmachung vom 3. April 2001 weiche um 31 Stimmen von dem durch den Gemeindewahlausschuss am 26. März 2001 festgestellten Ergebnis ab. Gleichzeitig sei die Zahl der abgegebenen gültigen Stimmen um 31 nach oben verändert worden. Wie sei dies zu erklären und warum sei der Wahlausschuss davon nicht in Kenntnis gesetzt worden?

In einer Beschlussvorlage für die Beklagte vom 20. April 2001 führte der Gemeindewahlleiter unter anderem aus, der Einwand, in den einzelnen Wahlbezirken (Stadtteilen) seien unterschiedliche Kriterien bei der Entscheidung angelegt worden, ob ein per Briefwahl abgegebener Stimmzettel als gültig oder ungültig einzustufen sei, bedürfe der näheren Überprüfung. Insoweit zitierte der Gemeindewahlleiter die Stellungnahme des Innenministeriums vom 3. April 2001, machte Angaben zur Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs und wies darauf hin, dass eine ergänzende Stellungnahme des Hessischen Innenministeriums noch ausstehe.

Am 24. April 2001 teilte das Innenministerium unter anderem mit, eine nachträgliche Auswertung von rechtswidrig zurückgewiesenen Wahlbriefen im Wahlprüfungsverfahren berge das Risiko einer Gefährdung oder sogar völligen Preisgabe des Wahlgeheimnisses und dürfte daher grundsätzlich nicht in Betracht kommen. Soweit in einzelnen Wahlbezirken Unregelmäßigkeiten beim Wahlverfahren vorgekommen seien und diese auf die Verteilung der Sitze von Einfluss gewesen seien, sei die Wiederholung der Wahl in diesen Wahlbezirken anzuordnen. Die Vorschrift eröffne bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen kein Ermessen.

Am 25. April 2001 erklärte die Beklagte in ihrer konstituierenden Sitzung die Wahl zur Stadtverordnetenversammlung vom 18. März 2001 für gültig. Dies teilte der Gemeindewahlleiter den Klägern mit Schreiben vom 7. Juni 2001 mit.

Am 25. Juni 2001 haben die Kläger Klage erhoben mit dem in der Klageschrift formulierten Antrag, die Feststellung des Wahlausschlusses vom 26. März 2001 über das Ergebnis der Wahl zur Stadtverordnetenversammlung Volkmarsen aufzuheben und eine neue Feststellung anzuordnen, hilfsweise den Beschluss der Beklagten vom 25. April 2001 über die Gültigkeit der Wahl zur Stadtverordnetenversammlung Volkmarsen aufzuheben sowie die Wiederholung der Wahl zur Stadtverordnetenversammlung Volkmarsen im Wahlkreis Ehringen anzuordnen, weiter hilfsweise die Wiederholung der Wahl zur Stadtverordnetenversammlung Volkmarsen im Wahlkreis Kernstadt anzuordnen. Zur Begründung haben sie vorgetragen, es sei unschädlich, dass sie den Widerspruch "gegen das Wahlergebnis" gerichtet und "eine erneute Auszählung" gefordert hätten. Hierbei handele es sich um die unjuristische Umschreibung dessen, was sie damals aus der Sicht juristischer Laien als zulässige und notwendige Korrekturen betrachteten. Auf solche Anträge oder Forderungen komme es jedoch rechtlich nicht an, denn die Rechtsfolge eines zulässigen und begründeten Einspruchs sei von Anträgen unabhängig. Sie sei zwingend durch die Bestimmungen des § 26 Abs. 1 KWG vorgeschrieben. Das Ergebnis der Wahl sei unrichtig festgestellt worden. Dies beruhe zunächst auf der Berücksichtigung des später aufgetauchten Stimmzettels. Zum anderen habe der Wahlvorstand im Wahlkreis Ehringen unstreitig sechs Wahlbriefe zu Unrecht deswegen zurückgewiesen, weil die Unterschriften der Wählerinnen und Wähler auf dem Wahlschein nicht in dem eigentlich vorgesehenen Feld angebracht gewesen seien. Die Zurückweisung habe nur dann erfolgen dürfen, wenn der Wähler die Versicherung an Eides statt auf dem Wahlschein nicht unterschrieben habe. Hier hätten die betreffenden Wähler unterschrieben, wenn auch nicht in dem dafür vorgesehenen Feld, sondern über diesem. Folge das Gericht dieser Auffassung nicht, dann müsste es dem Antrag gleichwohl stattgeben, weil dann das Wahlergebnis im Wahlbezirk Kernstadt zu korrigieren wäre. Dort habe der Briefwahlvorstand nämlich die an falscher Stelle unterzeichneten Versicherungen an Eides statt akzeptiert und die betreffenden Wahlbriefe zu Unrecht zugelassen. Dem Hilfsantrag sei stattzugeben, wenn wegen einer Gefährdung des Wahlgeheimnisses auf Grund der geringen Zahl der relevanten Wahlbriefe eine Neufeststellung des Wahlergebnisses im Wahlbezirk Ehringen ausscheide. Eine Unregelmäßigkeit liege darin, dass der Wahlvorstand Ehringen entweder Wahlbriefe zu Unrecht zurückgewiesen oder der Briefwahlvorstand im Wahlbezirk Kernstadt Wahlbriefe zu Unrecht zugelassen habe. Die Unregelmäßigkeit könne auch auf die Verteilung der Sitze von Einfluss gewesen sein, denn nur ein zusätzlicher Stimmzettel mit 31 Stimmen für den Wahlvorschlag von Bündnis 90/Die Grünen hätte bewirkt, dass auf diesen Wahlvorschlag zwei Sitze statt bisher ein Sitz entfallen wären und auf den Wahlvorschlag der FWG nur vier Sitze statt fünf.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht haben die Kläger beantragt,

den Beschluss der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Volkmarsen vom 25. April 2001 über die Gültigkeit der Gemeindewahl vom 18. März 2001 aufzuheben und die Gemeindewahl vom 18. März 2001 für ungültig zu erklären und eine Wiederholung der Wahl in der Kernstadt Volkmarsen anzuordnen, hilfsweise die Wiederholung der Wahl in dem Wahlbezirk Ehringen anzuordnen.

Im Übrigen haben die Kläger die Klage zurückgenommen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, in dem als Einspruchsschreiben zu wertenden Schriftsatz vom 9. April 2001 hätten die Kläger lediglich "unterschiedliche Kriterien" angeführt. Welche Kriterien im Sinne des § 21 a Abs. 1 KWG seitens der Wahlvorstände unterschiedlich angewendet worden seien, werde weder dargelegt noch erläutert. Auch eine telefonische Unterredung mit dem Kläger zu 1. am 17. April 2001 habe zu keiner näheren Präzisierung bzw. Erläuterung geführt. Von einer konkreten und nachvollziehbaren Substantiierung der Einspruchsgründe könne mithin nicht gesprochen werden. Die der Stadtverordnetenversammlung unterbreitete Tischvorlage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 25. April 2001 (Bl. 185 der Verwaltungsvorgänge) sei nicht geeignet, dem Mangel der Einsprüche Abhilfe zu verschaffen. Zum einen sei die Einspruchsfrist bezogen auf die öffentliche Bekanntmachung vom 3. April 2001 abgelaufen gewesen. Auch sei die Fraktion nicht einspruchsberechtigt im Sinne von § 25 Abs. 1 KWG. Das Schreiben der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 22. März 2001 (Bl. 153 der Verwaltungsvorgänge) leide an den gleichen verfahrensrechtlichen Mängeln. Präzise Tatsachen, die eine Unregelmäßigkeit im Wahlverfahren bzw. eine unrichtige Feststellung des Wahlergebnisses beschrieben, würden auch hier nicht vorgetragen. Die Feststellungen im Wahlbezirk 4 (Ehringen) beruhten auf der autonomen Entscheidung des dortigen Wahlvorstandes. Bei der Einrichtung von mehreren Briefwahlvorständen bzw. bei der Wahrnehmung der Funktion des Briefwahlvorstandes durch mehrere Wahlvorstände sei eine einheitliche Entscheidungsfindung von vornherein nicht darstellbar. In der Rechtsprechung sei auch nicht geklärt, ob es sich bei § 45 Abs. 1 KWO nur um eine Ordnungsvorschrift handele. Angesichts der strafrechtlichen Dimension einer Versicherung an Eides statt sei die ordnungsgemäße Unterzeichnung unter Angabe des Ortes und des Tages ein wesentlicher Bestandteil der Unterschriftsleistung im Sinne von § 21 a Abs. 1 Nr. 6 KWG.

Das Verwaltungsgericht hat die 30 weiteren gewählten Stadtverordneten mit Beschluss vom 5. März 2002 beigeladen, mit Urteil vom 19. Juni 2002 die Stadtverordnetenwahl vom 18. März 2001 für ungültig erklärt und die Wiederholung der Wahl in der Kernstadt Volkmarsen (Wahlbezirke 1 - 3) angeordnet. Im Übrigen hat es das Verfahren wegen der teilweisen Klagerücknahme eingestellt. Zur Begründung hat es ausgeführt, nur die von den Klägern bereits in ihren Einspruchsschreiben vom 22. März 2001 und 9. April 2001 vorgetragenen Einwendungen seien zu berücksichtigen. Unschädlich sei, dass der Einspruch vom 22. März 2001 vor Beginn der Zweiwochenfrist erhoben worden sei. Er sei trotzdem zulässig. Zwar enthalte der Einwand, es seien bei der Auszählung der Briefwahlunterlagen in der Kernstadt Volkmarsen und in dem Stadtteil Ehringen unterschiedliche Kriterien angelegt worden, keine Angaben, welche Fehler unterlaufen seien. Der Wahlleiter habe jedoch bereits das Schreiben der Kläger vom 22. März 2001 zum Anlass genommen, die Gültigkeit der Briefwahlzählung einer Überprüfung zuzuführen, indem er sich mit Schreiben vom 30. März 2001 an das Hessische Ministerium für Inneres und Sport gewandt habe. Der Einwand der Kläger habe demnach tatsächlich eine Überprüfung durch den Wahlleiter bewirkt, so dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Einwand nicht substantiiert genug vorgetragen worden sei. Die Zulassung von 14 Wahlbriefen in der Kernstadt stelle eine Unregelmäßigkeit beim Wahlverfahren dar. Nach § 45 Abs. 1 KWO müsse derjenige, der durch Briefwahl wähle, die auf dem Wahlschein vorgedruckte Versicherung an Eides statt zur Briefwahl unter Angabe des Ortes und des Tages unterzeichnen. In § 45 Abs. 2 Satz 3 KWO sei geregelt, dass, wenn der Wähler den Stimmzettel durch eine Hilfsperson kennzeichnen lasse, diese durch Unterschreiben der Versicherung an Eides statt zur Briefwahl bestätige, dass sie den Stimmzettel gemäß dem erklärten Willen des Wählers gekennzeichnet habe. Im Falle der Briefwahl müsse sich daher aus der Versicherung an Eides statt ergeben, ob der Wähler selbst den Stimmzettel gekennzeichnet habe oder durch eine Hilfsperson habe kennzeichnen lassen. Dies sei bei dem Wahlschein Nummer 90001/00481 (Bl. 161 der Verwaltungsvorgänge der Beklagten), der exemplarisch für die 14 dort zugelassenen Wahlbriefe stehe, nicht der Fall. Hier bestünden vielmehr Zweifel an der Eindeutigkeit der eidesstattlichen Versicherung, weil dieser Wähler nicht in dem dafür vorgesehenen Feld unterschrieben und nicht angegeben habe, ob er den beigefügten Stimmzettel persönlich oder als Hilfsperson gekennzeichnet habe, so dass die Beklagte den Stimmzettel gemäß § 21 a Abs. 1 Nr. 6 KWG hätte zurückweisen müssen. Diese Vorschrift sei keine Ordnungsvorschrift, deren abschließende Handhabung den einzelnen Wahlausschüssen obliege. Der Wahlschein enthalte nicht an irgendeiner Stelle auf dem Vordruck, sondern in dem nur für die Angaben zur Hilfsperson vorgesehenen Feld einen Vor- und Zunamen sowie eine Anschrift. Hierin vermöge das Gericht keine Unterschrift zu sehen, denn die Beifügung einer Anschrift sei im Rechtsverkehr bei Unterschriften unüblich. Darüber hinaus befinde sich der Namenszug auch nicht unter der eigentlichen Erklärung bzw. in dem dafür vorgesehenen Feld. Ohne die Berücksichtigung dieses Wahlscheins wäre es möglicherweise in der Kernstadt zu einem anderen Wahlergebnis gekommen. Denn es sei möglich, dass der Briefwähler, dessen Wahlbrief hätte zurückgewiesen werden müssen, alle seine möglichen 31 Stimmen der FWG gegeben habe, die dann weggefallen wären. Auf Bündnis 90/Die Grünen wären dann anstatt einem Sitz zwei Sitze entfallen. Die Beschränkung der Wiederholungswahl auf die Wahlbezirke 1 - 3 der Kernstadt rechtfertige sich aus § 26 Abs. 1 Nr. 2 a KWG i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 1 KWG.

Gegen das am 8. Juli 2002 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 5. August 2002 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie vorträgt, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht die Gemeindewahl vom 18. März 2001 für ungültig erklärt und die Wiederholung der Wahl in der Kernstadt Volkmarsen (Wahlbezirke 1 - 3) angeordnet. Die Zulassung des Wahlscheines Nummer 90001/00481 durch den Briefwahlvorstand sei zu Recht erfolgt. Bei § 45 KWO handele es sich lediglich um eine Ordnungsvorschrift, wie sich aus dem Vergleich von § 45 Abs. 1 Satz 1 mit § 45 Abs. 2 Satz 4 ergebe. Während § 45 Abs. 1 Satz 1 KWO hinsichtlich der Unterzeichnung der eidesstattlichen Versicherung die Angabe des Ortes und des Tages verlange, werde dieses Erfordernis in § 45 Abs. 2 Satz 4 KWO nicht gestellt. Die Hilfsperson habe hier lediglich durch Unterschreiben der Versicherung an Eides statt zu bestätigen, dass sie den Stimmzettel gemäß dem erklärten Willen des Wählers gekennzeichnet habe. Wo und wie die Unterschrift zu erfolgen habe, sei in § 19 Abs. 2 KWG und § 21 a Abs. 1 Nr. 6 KWG nicht näher geregelt. Bei dem Namenszug auf dem Wahlschein handele es sich nicht um die Angabe der Hilfsperson, was sich daraus ergebe, dass entgegen den Vorgaben des ausgefüllten Feldes keine Druckschrift verwendet worden sei. Der Namenszug enthalte individuelle Merkmale, die ihn von der Namenswidergabe in Druckbuchstaben unterscheide. Aus den Angaben im Wahlschein (Adressfeld) und der Unterschrift sei eindeutig zu entnehmen, dass der Unterzeichner die Versicherung an Eides statt als Wähler abgegeben habe. In Ermangelung anderer Anhaltspunkte spreche eine Vermutung für die Echtheit der Namensunterschrift und ihre Übereinstimmung mit dem Wahlscheininhaber. Es sei weder vorgetragen noch offensichtlich, dass die Echtheit derselben und die Identität des Unterzeichners mit dem Wahlscheininhaber zweifelhaft sei. Erst bei konkreten Anhaltspunkten oder offensichtlichen Abweichungen käme seitens des Wahlvorstandes eine Zurückweisung von Wahlbriefen in Betracht. In Ermangelung solcher Anhaltspunkte sei der Wahlvorstand gehalten, die Wahlbriefe zuzulassen. Die Gewährleistung des Wahlrechts auch im Wege der Briefwahl dürfe dabei nicht unberücksichtigt bleiben und durch eine zu formale Strenge übermäßig eingeschränkt werden. Hier sei auch ohne eine entsprechende Kennzeichnung des vorgesehenen Feldes für die persönliche Kennzeichnung des Stimmzettels der zu verwendende Vordruck räumlich so aufgebaut, dass sich die Unterschrift nicht auf den darunter befindlichen Text beziehen könne, in dem eine Kennzeichnung als Hilfsperson aufgeführt sei. Dass durch die Anfügung der Straße, der Hausnummer, der Postleitzahl und des Wohnorts die Unterschrift als solche nicht mehr zu bewerten sein solle, könne nicht nachvollzogen werden. Der Zurückweisungsgrund nach § 21 a Abs. 1 Nr. 6 KWG - das Fehlen einer Unterschrift - sei nicht erfüllt. Die Entscheidung des Wahlvorstandes sei des Weiteren nicht reversibel, da entnommene Wahlumschläge nach Einlegung in die Wahlurne nicht mehr zu ermitteln seien. Ohne Gefährdung des Wahlgeheimnisses sei eine Wahlwiederholung begrenzt auf die Briefwähler der allgemeinen Kommunalwahlen vom 18. März 2001 in den Wahlbezirken 1 - 3 (Kernstadt Volkmarsen) darstellbar. Für den Hessischen Rechtskreis sei ungeklärt, ob und - wenn ja - inwieweit eine Einspruchserhebung vor Beginn der Zwei-Wochen-Frist des § 25 Abs. 1 KWG rechtlich zulässig sei. Der Wortlaut der Vorschrift spreche von einer Ausschlussfrist von zwei Wochen nach der Bekanntmachung des Wahlergebnisses. Das Einspruchsschreiben vom 9. April 2001 enthalte keine hinreichend konkretisierten Einspruchsgründe. So habe der Wahlleiter lediglich das Schreiben der Kläger vom 22. März 2001 zum Anlass genommen, eine Überprüfung durchzuführen. Das Gericht möge Beweis erheben über die Frage, ob zwischen dem Unterzeichner und dem Wahlberechtigten mit der Wahlschein-Nummer 90001/00481 Personenidentität bestehe, durch Unterschriftsvergleich anhand von anderen Dokumenten bzw. durch Einholung einer schriftlichen Erklärung der Ehefrau, Anna-Maria AI., Ellinger Straße 57, Volkmarsen. Der Wahlscheininhaber, Herr August AI., sei am 15. November 2002 verstorben.

Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Kassel vom 19. Juni 2002 die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Kassel vom 19. Juni 2002 die Wiederholung der Wahl lediglich im Wahlbezirk Ehringen anzuordnen,

weiter hilfsweise,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Kassel vom 19. Juni 2002 die Wiederholung der Wahl lediglich bezogen auf die Briefwähler der Wahl zur Stadtverordnetenversammlung in Volkmarsen vom 18. März 2001 in den Wahlbezirken 1 - 3 (Kernstadt Volkmarsen) anzuordnen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Kassel vom 19. Juni 2002 die Wiederholung der Wahl zur Stadtverordnetenversammlung Volkmarsen im Wahlbezirk Ehringen anzuordnen.

Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.

Die Kläger verteidigen das angegriffene Urteil, nehmen Bezug auf dessen Entscheidungsgründe und erläutern ihren Vortrag. Auf dem Wahlschein fehle die Erklärung, ob der/die beigefügte/n Stimmzettel persönlich oder von einer Hilfsperson gekennzeichnet worden sei bzw. worden seien. Es fehle die Angabe von Ort und Datum. Der Namenszug, der keine Unterschrift sei, befinde sich nicht in dem dafür vorgesehenen Rahmen des Vordrucks, sondern in dem für die Angabe von Namen und Anschrift einer Hilfsperson. Es sei offensichtlich, dass die handschriftlichen Eintragungen von zwei Personen stammten, weil sich die Handschrift der Eintragung von Postleitzahl, Wohnort und Straße mit Hausnummer erkennbar von den charakteristischen Schriftzügen der Unterschrift unterscheide (Beweis: Sachverständigengutachten). Der Wahlbrief sei zurückzuweisen gewesen, weil er weder die vorgeschriebene Versicherung an Eides statt enthalten habe noch der Wähler oder die Hilfsperson eine solche unterschrieben habe. Eine Beschränkung der Wahlwiederholung auf die Briefwähler in den Wahlbezirken 1 - 3 (Kernstadt Volkmarsen) sei wegen § 26 Abs. 1 Nr. 2 a KWG nicht möglich. Diese Vorschrift schreibe die Wiederholung der Wahl in denjenigen Wahlbezirken vor, auf welche sich die Unregelmäßigkeiten erstreckten. Von einer Differenzierung für den Fall, dass die Unregelmäßigkeiten ausschließlich der Briefwahl zuzuordnen seien, habe das Gesetz abgesehen. Es sei unerheblich, ob und inwieweit ein Wahleinspruch bereits vor Beginn der gesetzlichen Einspruchsfrist zulässig sei. Die Kläger hätten mit dem Schreiben vom 9. April 2001 innerhalb der gesetzlichen Frist Einspruch erhoben. Ihrem Schreiben vom 22. März 2001 komme zusammen mit den am Wahltag und den darauf folgenden Tagen geführten Gesprächen mit dem Wahlleiter, der stellvertretenden Wahlleiterin, Bediensteten der Städtischen Verwaltung, Mitgliedern der Wahlvorstände und der Beklagten eine Anstoß- und Konkretisierungsfunktion für den Gegenstand der Wahlprüfung zu. In den Gesprächen hätten auch die Kläger konkret darauf hingewiesen, dass im Wahlkreis Ehringen Wahlbriefe zurückgewiesen worden seien, weil die eidesstattliche Versicherung nicht in dem hierfür vorgesehenen Feld des Wahlscheines geleistet worden sei, während bei vergleichbarem Sachverhalt der Briefwahlvorstand für die Wahlbezirke der Kernstadt solche Wahlbriefe zugelassen habe. Dies alles habe bereits am 22. März 2002 zu einer verwaltungsinternen Überprüfung des Sachverhalts geführt.

Im Laufe des Berufungsverfahrens sind nachrückende Stadtverordnete anstelle der ausscheidenden Stadtverordneten beigeladen worden.

Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten (4 Hefte sowie 3 DIN A 4-Briefumschläge) haben vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vorgenannten Unterlagen sowie die gewechselten Schriftsätze und den darüber hinausgehenden Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgemäß eingelegt worden, nachdem das Verwaltungsgericht selbst die Berufung im Urteil vom 19. Juni 2002 zugelassen hat.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Die Klage der drei Kläger ist zulässig und in dem vom Verwaltungsgericht angenommenen Umfang begründet. Das Verwaltungsgericht hat mit seinem Urteil vom 19. Juni 2002 zu Recht die Wiederholung der Wahl in der Kernstadt Volkmarsen (Wahlbezirk 1 - 3) angeordnet, weil sich die von ihm festgestellten Unregelmäßigkeiten im Wahlverfahren (nur) auf diese Wahlbezirke bezogen. Das Verwaltungsgericht hat aus diesem Grund auch zu Recht den Beschluss der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Volkmarsen vom 25. April 2001 über die Gültigkeit der Gemeindewahl vom 18. März 2001 aufgehoben. Soweit es allerdings die Gemeindewahl vom 18. März 2001 - ohne Einschränkung - für ungültig erklärt hat, ist der Urteilstenor wegen der sich lediglich auf die Wahlbezirke 1 - 3 beziehenden Unregelmäßigkeiten im Wahlverfahren dahin zu verstehen, dass nicht die gesamte Gemeindewahl für ungültig erklärt worden ist, sondern sich die Ungültigerklärung ebenfalls nur auf die Wahlbezirke 1 - 3 bezieht. Dies entspricht auch der gesetzlichen Regelung in § 30 Abs. 1 Satz 1 des Kommunalwahlgesetzes - KWG -. Wird im Wahlprüfungsverfahren die Wahl in einem Wahlkreis oder in einem Wahlbezirk für ungültig erklärt, so ist sie nach dieser Vorschrift in dem in der Entscheidung bestimmten Umfang binnen drei Monaten nach rechtskräftiger Entscheidung der Feststellung der Ungültigkeit zu wiederholen. Das heißt, § 30 Abs. 1 Satz 1 KWG geht davon aus, dass die Wahl nicht bei jedem Verstoß im ganzen Wahlkreis für ungültig erklärt wird. Vielmehr ist je nach dem in der Entscheidung bestimmten Umfang die Wahl entweder in einem Wahlkreis oder aber in einem Wahlbezirk bzw. in mehreren Wahlbezirken für ungültig zu erklären.

Die Kläger haben mit ihren Schreiben vom 22. März 2001 und 9. April 2001 wirksam gemäß § 25 KWG Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zur Stadtverordnetenversammlung der Stadt Volkmarsen eingelegt. Es ist unschädlich, dass beide Schreiben unter dem Briefkopf "Bündnis 90/Die Grünen" bei der Stadtverwaltung Volkmarsen eingingen, denn beide Schreiben sind unter anderem von den drei Klägern unterzeichnet. Berücksichtigt man, dass nach § 25 Abs. 1 KWG nicht etwa eine an der Wahl beteiligte Partei, sondern nur "jeder Wahlberechtigte" gegen die Gültigkeit der Wahl Einspruch erheben kann, und berücksichtigt man weiter, dass die Unterzeichner der Schreiben einen nach § 25 KWG gültigen Einspruch erheben wollten, so ergibt die Auslegung der Schreiben, dass sie - zumindest auch - den Klägern persönlich zuzurechnen sind.

Auch das Einspruchsschreiben vom 22. März 2001 ist zu berücksichtigen, obwohl es vor der am 3./6. April 2001 erfolgten öffentlichen Bekanntmachung des Wahlergebnisses bei der Stadtverwaltung Volkmarsen eingegangen ist. Fristgemäß ist grundsätzlich auch ein Einspruch, der vor der Bekanntmachung des Wahlergebnisses erhoben wird (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 17. Dezember 2002 - 8 UZ 3164/02 - S. 5 des amtlichen Umdrucks, und OVG Bautzen, Urteil vom 30. Januar 1996 - 3 S 501/95 - juris).

Mit den Einspruchsschreiben haben die Kläger jedenfalls sinngemäß hinreichend verdeutlicht, es stelle ihres Erachtens Unregelmäßigkeiten im Wahlverfahren dar, dass der Wahlvorstand in einem Wahlkreis Wahlbriefe zurückgewiesen hat, weil die Unterschriften der Wählerinnen bzw. Wähler auf dem Wahlschein nicht in dem dafür vorgesehenen Feld angebracht gewesen sind, während in der Kernstadt Wahlbriefe, bei denen die Wahlscheine ausgefüllt sind wie der Wahlschein Nr. 90001/00481 (Bl. 161 der Verwaltungsvorgänge), zugelassen worden sind. Wenn dies auch ausdrücklich nicht so in den beiden Einspruchsschreiben ausgeführt ist, so haben die Kläger im Einspruchsschreiben vom 9. April 2001 diese Unregelmäßigkeiten doch hinreichend deutlich angesprochen, indem sie dort ausgeführt haben, bei der Entscheidung, ob ein per Briefwahl abgegebener Stimmzettel als gültig oder ungültig einzustufen sei, seien in den einzelnen Wahlbezirken (Stadtteilen) unterschiedliche Kriterien angelegt worden. Dass die Kläger mit dieser Formulierung die vorgenannten Unregelmäßigkeiten gemeint haben, folgt - wie das Verwaltungsgericht im Ergebnis richtig entschieden hat - daraus, dass der Bürgermeister der Stadt Volkmarsen als Gemeindewahlleiter das Einspruchsschreiben vom 22. März 2001 zum Anlass genommen hat, mit Schreiben vom 30. März 2001 eine die genannten Fragen betreffende Anfrage an das Hessische Ministerium des Innern und für Sport zu richten. In dem Schreiben heißt es unter anderem, gegen das Wahlergebnis sei am 22. März 2001 von Bündnis 90/Die Grünen Widerspruch eingelegt worden. Eine Ablichtung liege bei. In diesem Zusammenhang sei jetzt die Frage aufgeworfen worden, ob es zulässig sei, dass die Wahlvorstände bei der Zulassung der Wahlbriefe unterschiedlich verführen. Während in einem Stadtteil Wahlbriefe zurückgewiesen worden seien, weil der Wähler das dafür vorgesehene Feld nicht unterschrieben habe, seien von einem anderen Wahlvorstand Wahlbriefe zugelassen worden, sofern die Unterschrift in dem Feld "Vor- und Familienname, Straße, Hausnummer, PLZ, Wohnort der Hilfsperson in Druckschrift" geleistet worden sei. - Das heißt, schon am 30. März 2001 verstand der Gemeindewahlleiter den Einspruch der Kläger dahin, dass sie die unterschiedliche Verfahrensweise verschiedener Wahlvorstände in Bezug auf in gleicher Weise ausgefüllte Wahlscheine moniert haben.

Damit ist der grundsätzlichen Forderung, dass die Wahlanfechtungsgründe im Einspruchsschreiben zum Ausdruck kommen müssen, hinreichend Rechnung getragen. Das sogenannte Anfechtungsprinzip soll nur die Einbeziehung neuer, abgrenzbarer, eigenständiger Sachverhalte ausschließen, die zur Überprüfung weiterer, bisher nicht geltend gemachter Wahlrechtsverstöße führen würden. Die Anforderungen daran, was ein Einspruchsführer innerhalb der Einspruchsfrist substantiiert vortragen muss, dürfen nicht überspannt werden. Im Rahmen des Anfechtungsgegenstandes ist der Tatbestand, auf den die Anfechtung gestützt wird, von Amts wegen zu erforschen und sind alle auftauchenden rechtserheblichen Tatsachen zu berücksichtigen (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 29. November 2001 - 8 UE 3800/00 - S. 18 des amtlichen Umdrucks m.w.N.).

Angesichts des nach allem von der Beklagten zu berücksichtigenden Einwands der Kläger betreffend die fehlerhafte Behandlung von Wahlbriefen hätte die Beklagte in ihrer konstituierenden Sitzung vom 25. April 2001 die Wahl zur Stadtverordnetenversammlung vom 18. März 2001 nicht in vollem Umfang für gültig erklären dürfen. Denn es stellte Unregelmäßigkeiten beim Wahlverfahren im Sinne von § 26 Abs. 1 Nr. 2 a) KWG dar, in Bezug auf Briefwahlen in den Wahlbezirken 1 - 3 (Kernstadt Volkmarsen) 14 Wahlscheine zuzulassen, in denen - wie im Wahlschein Nummer 90001/00481 (Bl. 161 des Verwaltungsvorgangs der Beklagten) - keine eidesstattliche Versicherung abgegeben war, in denen nämlich im Abschnitt betreffend die "Versicherung an Eides statt zur Briefwahl" nicht durch Kenntlichmachen in einem der beiden dafür vorgesehenen Kästchen angegeben worden ist, dass die betreffende Person den beigefügten Stimmzettel entweder persönlich als Wähler oder aber als Hilfsperson gemäß dem erklärten Willen des Wählers gekennzeichnet hat.

Insofern ist in § 45 Abs. 1 KWO unter anderem geregelt, dass, wer durch Briefwahl wählt, persönlich seinen Stimmzettel kennzeichnet, ihn in den amtlichen Wahlumschlag legt und diesen verschließt, und dass er die auf dem Wahlschein vorgedruckte Versicherung an Eides statt zur Briefwahl unter Angabe des Ortes und des Tages unterzeichnet. § 45 Abs. 2 Satz 4 KWO sieht Folgendes vor: Hat der Wähler den Stimmzettel durch eine Hilfsperson kennzeichnen lassen, so hat diese durch Unterschreiben der Versicherung an Eides statt zur Briefwahl zu bestätigen, dass sie den Stimmzettel gemäß dem erklärten Willen des Wählers gekennzeichnet hat.

Das heißt, in beiden Fällen - bei persönlicher Kennzeichnung durch den Wähler und bei Kennzeichnung durch die Hilfsperson - muss eine Versicherung an Eides statt abgegeben werden: Hat der Briefwähler persönlich den Stimmzettel gekennzeichnet, muss er dies an Eides statt versichern. Hat eine Hilfsperson den Stimmzettel für die Wählerin/den Wähler gekennzeichnet, muss die Hilfsperson diesen Tatbestand an Eides statt versichern.

Bei § 45 KWO handelt es sich nicht um eine "reine Ordnungsvorschrift", deren Missachtung nicht zur Ungültigerklärung einer Wahl führen kann, denn die Vorschrift dient dem Zweck, einen Missbrauch der Briefwahl zu verhindern. Durch die Versicherung an Eides statt und die damit verbundene Strafandrohung für den Fall einer falschen Versicherung an Eides statt (vgl. § 156 StGB) soll sichergestellt werden, dass nicht sonstige Personen anstatt der Wahlberechtigten wählen oder die Wahl der Wahlberechtigten unzulässig beeinflussen und damit das Wahlergebnis verfälscht wird. § 45 Abs. 2 KWO soll auch das Wahlgeheimnis sichern. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 KWO "ist" der Stimmzettel "unbeobachtet zu kennzeichnen und in den Wahlumschlag zu legen". Nur im Fall einer Behinderung im Sinne des § 40 KWO kann nach § 40 in Verbindung mit § 45 Abs. 2 Sätze 3 und 4 KWO der Stimmzettel durch eine Hilfsperson gekennzeichnet werden. In letzterem Fall hat die Hilfsperson - wie bereits erwähnt - durch Abgabe einer Versicherung an Eides statt zur Briefwahl zu bestätigen, dass sie den Stimmzettel gemäß dem erklärten Willen des Wählers gekennzeichnet hat (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 4 KWO). Das heißt, § 45 KWO soll sicherstellen, dass die Briefwahl ordnungsgemäß und insbesondere unter Beachtung des Wahlgeheimnisses durchgeführt wird. Die Vorschrift ist nach allem von erheblicher Bedeutung für die Ordnungsgemäßheit der Wahl.

Unregelmäßigkeiten im Wahlverfahren sind auch nicht deshalb zu verneinen, weil das Wahlscheinformular, dessen der Wahlberechtigte bzw. die Hilfsperson sich bedienen muss, unzumutbare Schwierigkeiten beim Ausfüllen bereitet. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Briefwähler und gegebenenfalls die Hilfspersonen Zeit zum Ausfüllen haben, ist dem Formular klar zu entnehmen, dass das jeweilige Kästchen von dem Wahlberechtigten bzw. der Hilfsperson markiert werden und dass bei Hinzuziehung einer Hilfsperson das für die persönlichen Angaben zur Hilfsperson vorgesehene Feld ausgefüllt werden muss. Nach allem ist das Wahlscheinformular jedenfalls ausreichend verständlich abgefasst.

An einer Versicherung an Eides statt fehlt es hier schon deshalb, weil keine Erklärung abgegeben worden ist. Die Person, die den Vordruck ausgefüllt hat, hat nicht deutlich gemacht, ob sie selbst Wählerin/Wähler oder lediglich Hilfsperson für eine Wählerin/einen Wähler ist. Keines der insofern vorgesehenen Kästchen ist markiert worden.

Was gemeint war, kann nicht durch eine gerichtliche Beweisaufnahme - etwa die Einvernahme von Zeugen - aufgeklärt werden, denn dann ergäbe sich nicht - wie § 45 KWO es vorsieht - aus der Erklärung selbst, ob sie von der wählenden Person oder der Hilfsperson abgegeben worden ist, sondern letztlich aus einer anderen, nicht in § 45 KWO vorgesehenen Tatsachenermittlung. Dies widerspräche auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift, dem Gemeindevorstand die Kontrolle zu ermöglichen, ob die Briefwahlvorschriften eingehalten werden. Die Versicherung an Eides statt muss aus sich heraus verständlich sein.

Der Senat lässt daher dahingestellt, ob auf dem Wahlschein Nr. 90001/00481 der Namenszug in dem Feld, in dem "Vor- und Familienname, Straße, Hausnummer, PLZ, Wohnort der Hilfsperson in Druckschrift" angegeben werden sollten, eine Unterschrift ist, ob eine dritte Person den Namen des Wählers in das Feld eingetragen haben könnte und ob allein die Benutzung eines für die Unterschrift nicht vorgesehenen Feldes, mithin das Unterschreiben an einer falschen Stelle, schädlich wäre. Auf alle diese Fragen kommt es nicht an, weil es bereits an der von § 45 KWO geforderten eidesstattlichen Versicherung fehlt.

Die Mandatsrelevanz der Unregelmäßigkeiten liegt vor. Das Verwaltungsgericht hat auf den Seiten 14 und 15 des angegriffenen Urteils sinngemäß zutreffend festgestellt, dass schon allein die Berücksichtigung des Wahlscheins Nr. 90001/00481 in der Kernstadt Volkmarsen eine Unregelmäßigkeit darstellt, ohne die es in der Kernstadt Volkmarsen möglicherweise zu einem anderen Wahlergebnis gekommen wäre. Denn es besteht die Möglichkeit, dass der Briefwähler, dessen Wahl der Wahlschein Nr. 90001/00481 betraf und dessen Wahlbrief hätte zurückgewiesen werden müssen, alle seine möglichen 31 Stimmen der FWG gegeben hatte, die dann weggefallen wären. Die FWG hätte dann anstatt 15.132 Stimmen nur 15.101 Stimmen erhalten, was nach dem Höchstzahlverfahren folgende Berechnung ergeben hätte:

CDU: 39.295 Stimmen X 31 Sitze ./. 100.699 Stimmen = 12,0968 = 12 Sitze SPD: 34.663 Stimmen X 31 Sitze ./. 100.699 Stimmen = 10,6709 = 11 Sitze B 90: 5.364 Stimmen X 31 Sitze ./. 100.699 Stimmen = 1,6512 = 2 Sitze Grüne FDP: 6.276 Stimmen X 31 Sitze ./. 100.699 Stimmen = 1,9320 = 2 Sitze FWG: 15.101 Stimmen X 31 Sitze ./. 100.699 Stimmen = 4,6488 = 4 Sitze.

Aus der Aufstellung ergibt sich, dass in diesem Fall auf Bündnis 90/Die Grünen ein weiterer Sitz entfallen wäre, während die FWG einen Sitz verloren hätte. Im Vergleich zur Feststellung der Beklagten hätten somit Bündnis 90/Die Grünen zwei Sitze anstatt einen Sitz und die FWG anstatt fünf Sitzen nur vier Sitze erhalten.

Die Wahl muss in dem vom Verwaltungsgericht angeordneten Umfang wiederholt werden (§ 26 Abs. 1 Nr. 2 a KWG). Eine Neuauszählung und Neufeststellung des Wahlergebnisses (§ 26 Abs. 1 Nr. 3 KWG) ist nicht möglich, da nicht klar ist, welche Wahlzettel wegen des aufgezeigten Fehlers unzulässigerweise gezählt worden sind und eine diesbezügliche Aufklärung, wenn sie möglich wäre, auch gegen das Wahlgeheimnis verstieße.

Dem ersten Hilfsantrag der Beklagten ist nicht stattzugeben, weil die Alternative, die Nichtzurückweisung der fraglichen Wahlbriefe in der Kernstadt (Wahlbezirke 1 bis 3) als rechtmäßig anzusehen und stattdessen wegen der Zurückweisung von Wahlbriefen im Wahlbezirk Ehringen die Wiederholung der dortigen Wahl anzuordnen, aus den dargelegten Gründen ausscheidet.

Die Wiederholung der Wahl lediglich bezogen auf die Briefwähler der Kernstadt Volkmarsen (Wahlbezirke 1 - 3) anzuordnen - wie von der Beklagten weiter hilfsweise beantragt - ist nicht möglich, weil § 26 Abs. 1 Nr. 2 KWG diese Differenzierung nicht vorsieht. Daran ändert auch § 30 Abs. 1 Satz 1 KWG nichts. Die Formulierung in der zweiten Satzhälfte dieser Vorschrift, so sei die Wahl "in dem in der Entscheidung bestimmten Umfang binnen drei Monaten nach rechtskräftiger Entscheidung der Feststellung der Ungültigkeit zu wiederholen", bezieht sich auf die erste Satzhälfte, in der lediglich die Ungültigerklärung in einem Wahlkreis oder in einem Wahlbezirk, nicht aber die Ungültigerklärung in geringerem Umfang als in einem Wahlbezirk zur Voraussetzung gemacht wird.

Nach allem ist die Berufung mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Den Beigeladenen können Kosten nicht auferlegt werden, da sie keine Anträge gestellt und auch keine Rechtsmittel eingelegt haben (§ 154 Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO). Es entspricht nicht der Billigkeit, die den Beigeladenen entstandenen außergerichtlichen Kosten der Beklagten - als der unterliegenden Partei - oder der Staatskasse aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3 VwGO), da die Beigeladenen keine Anträge gestellt und sich daher keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Ende der Entscheidung

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