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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 28.10.2004
Aktenzeichen: 8 UE 2843/02
Rechtsgebiete: HGO


Vorschriften:

HGO § 27 Abs. 1
Den Gemeindevertretern, denen wegen der Teilnahme an Sitzungen ein Verdienstausfall entstehen kann, ist Ersatz des Verdienstausfalls auf der Basis eines durch Satzung festzusetzenden Durchschnittssatzes zu gewähren.

Anstelle dieses Durchschnittssatzes kann der Gemeindevertreter verlangen, dass der tatsächlich entstandene und nachgewiesene Verdienstausfall ersetzt wird. Dafür genügt es jedoch nicht, einen auf der Basis des Jahresverdienstes des Gemeindevertreters individuell errechneten Durchschnittsverdienst geltend zu machen.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes Urteil

8 UE 2843/02

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Ersatz eines Verdienstausfalls eines Gemeindevertreters

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 8. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Höllein, Richter am Hess. VGH Dr. Nassauer, Richter am Hess. VGH Jeuthe, ehrenamtliche Richterin Backes, ehrenamtliche Richterin Gottschalk

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 28. Oktober 2004 für Recht erkannt:

Tenor:

Das Berufungsverfahren wird in Bezug auf die Anschlussberufung der Beklagten eingestellt.

Die Berufung des Klägers gegen die Klageabweisung im Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 6. September 2002 wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger drei Viertel und die Beklagte ein Viertel zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des jeweiligen Kostengläubigers vorläufig vollstreckbar. Jedoch darf der jeweilige Kostenschuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten des Kostengläubigers abwenden, wenn nicht dieser vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger für die Teilnahme an Sitzungen von Gemeindevertretung, Fraktion oder Ausschüssen ein auf der Basis eines von ihm errechneten durchschnittlichen Verdienstes ermittelter Verdienstausfall als tatsächlich entstanden und nachgewiesen ersetzt werden muss.

Der Kläger, ein selbstständig tätiger Versicherungsmakler, war von März 1997 bis März 2001 Mitglied der Gemeindevertretung der Beklagten. Er war des Weiteren Mitglied einer Fraktion, darüber hinaus Mitglied des Ausschusses für Jugend, Sport und Soziales sowie stellvertretendes Mitglied zweier weiterer Ausschüsse.

Unter dem 22. Juli 1997 beantragte er für die Teilnahme an insgesamt 12 Sitzungen der genannten Gremien sowie für die Teilnahme an dem "Spatenstich Kanaltrasse Espenau/Fuldatal" Verdienstausfall in Höhe von zusammen 2.481,21 DM. Dabei ging er laut einer beigefügten Gewinnermittlung für das Jahr 1994 von Einnahmen in Höhe von XXX.XXX,XX DM aus, was bei 220 Arbeitstagen einen Tagessatz von XXX,XX DM und damit bei acht Arbeitsstunden einen Stundensatz von XX,XX DM ergab. Bei einer Dauer der von ihm genannten Veranstaltungen von je zwei Stunden errechnete sich der von ihm genannte Betrag in Höhe von 2.481,21 DM.

Nachdem es zu Schriftverkehr zwischen den Beteiligten über den geltend gemachten Anspruch gekommen war, gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 23. Dezember 1997 gemäß § 1 Abs. 1 der Entschädigungssatzung der Beklagten vom 10. Mai 1988 (pauschal) Verdienstausfallentschädigung in Höhe von 25,00 DM pro Sitzung und lehnte den Antrag des Klägers im Übrigen sinngemäß ab. Den am 5. Januar 1998 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 1998, den Bevollmächtigten des Klägers zugestellt am 15. Juli 1998, zurück. Sie gab zur Begründung an, bezüglich des Ersatzes von Verdienstausfall für Gemeindevertreter gelte primär die pauschale Abgeltung gemäß § 1 Abs. 1 der Entschädigungssatzung. Pauschaler Verdienstausfall werde bereits dann gewährt, wenn ein ehrenamtlich Tätiger nachweise, dass ein Verdienstausfall entstehen könne. Diesen Nachweis habe der Kläger hinreichend geführt. Anstelle des vorgenannten Pauschalsatzes könne (zwar) der tatsächlich entstandene und nachgewiesene Verdienstausfall verlangt werden. Dazu genüge es aber nicht, fiktive Verdienstmöglichkeiten als Berechnungsbasis zu Grunde zu legen.

Am 6. August 1998 hat der Kläger Klage erhoben und vorgetragen, es könne ihm nicht aufgebürdet werden, für jeden Einzelfall einer Sitzung eine konkrete Verdienstausfallberechnung anzustellen, da er ja bereits auf Grund der Tatsache, dass er die Sitzungstermine langfristig kenne, gehalten sei, sich auf diese Termine keine Geschäftstermine zu legen. Wie angesichts dessen ein konkreter Verdienstausfall berechnet werden sollte, sei nicht einmal ansatzweise nachvollziehbar. Es müsse auf die Berechnungsart des Klägers zurückgegriffen werden, denn die Einkommensteuerunterlagen des Jahres 1996 machten Aussagen dazu, welchen Verdienst der Kläger ohne die Teilnahme an den Sitzungen in den Gremien der Beklagten erzielt habe, da er erst zum März 1997 in das Gemeindeparlament gewählt worden sei. Die Berechnungsmethode des Klägers stehe im Übrigen in Übereinstimmung mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 27. Mai 1998 - 3 E 3692/95 (4) - sowie mit der in den einschlägigen Kommentaren zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Darmstadt, so dass von einer einheitlichen Rechtsauffassung im Lande Hessen gesprochen werden könne. Bei einem Selbständigen falle in der üblichen Arbeitszeit nur dann Verdienst an, wenn er auch arbeite. Wenn er aber seinen kommunalen ehrenamtlichen Aufgaben nachgehe, falle in dieser Zeit eben gerade kein Verdienst an. Mit der Forderung nach einem Nachweis des Verdienstausfalls im konkreten Einzelfall werde vom Kläger Unmögliches verlangt, was rechtsmissbräuchlich sei.

Unter Rücknahme der Klage im Übrigen hat der Kläger beantragt,

unter entsprechender Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 23. Dezember 1997 sowie des Widerspruchsbescheids vom 13. Juli 1998 die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger Verdienstausfall in Höhe von 1.017,65 € zu gewähren, und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, für die Zeit vom 22. Juli 1997 bis 31. März 2001 entsprechend der vom Kläger vorgenommenen Abrechnung dessen Verdienstausfall zu berechnen.

Die Beklagte hat vorgetragen, der Kläger habe den tatsächlich entstandenen Verdienstausfall nicht nachgewiesen. Bei Inanspruchnahme der Verdienstausfallpauschale seien an den Nachweis der Möglichkeit eines Verdienstausfalls weniger strenge Anforderungen zu stellen als im Fall eines über die Pauschale hinausgehenden Verdienstausfallersatzanspruchs. In diesem Fall müsse er, der Kläger, im Einzelnen nachweisen, dass ihm in einem bestimmten Zeitraum Verdienstausfall entstanden sei. Dies könne z.B. dann der Fall sein, wenn der Kläger als Selbständiger nachweise, dass ihm zu dem bestimmten Zeitpunkt ein Geschäft entgangen sei. Hier sei aus den Unterlagen nicht ersichtlich, wieso ihm ein Verdienstausfall entstanden sei. Diese Maßstäbe stünden im Einklang mit § 27 HGO. Denn es bleibe den Gemeinden überlassen, welche Anforderungen sie bei selbständig Tätigen an die Nachweisbarkeit stellten.

Das Verwaltungsgericht hat den Streitwert auf 5.358,96 € festgesetzt, mit Urteil vom 6. September 2002 das Verfahren eingestellt, soweit die Klage zurückgenommen worden ist, und im Übrigen unter entsprechender Aufhebung der angegriffenen Bescheide die Beklagte verpflichtet, dem Kläger Verdienstausfall in Höhe von 170,64 € (das entspricht 12 mal 14,22 €) über den bereits gewährten Pauschalbetrag hinaus zu ersetzen. Es hat weiter festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger für die Zeit vom 22. Juli 1997 bis zum 31. März 2001 Verdienstausfall in Höhe von 14,22 € für die Teilnahme an jeder Sitzung der Gemeindevertretung, der Ausschüsse und der Fraktion über den bereits gewährten Pauschalbetrag hinaus zu ersetzen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens hat es zu fünf Sechsteln dem Kläger und zu einem Sechstel der Beklagten auferlegt. Zur Begründung der Entscheidung hat es ausgeführt, der Kläger habe durch die Vorlage von Gewinnermittlungen des Steuerberaters und von Einkommensteuerbescheiden den Verdienstausfall auch in der Höhe dargetan. Es müsse nicht konkret im Einzelfall bewiesen werden, dass zum Zeitpunkt einer bestimmten Sitzung ein genau zu beziffernder Betrag als Verdienstausfall entstanden sei und dass ein Versicherungsabschluss auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht zu Stande gekommen sei. Dem Kläger entstehe durch die Teilnahme an den verschiedenen Sitzungen am späten Nachmittag oder frühen Abend ein Verdienstausfall, weil Versicherungsmakler nach der Lebenserfahrung in dieser Zeit Kundenbesuche zum Abschluss von Versicherungsverträgen tätigten. Jedoch komme es hinsichtlich der Höhe des Verdienstausfalls nicht auf die Summe der Provisionen, die seinen Umsatz darstellten, an, sondern auf den zu versteuernden Gewinn. Es sei eine allgemeinkundige Tatsache, dass der Jahresgewinn von Freiberuflern und Selbständigen Schwankungen unterliege. Daher erscheine es sachgerecht, auf den Durchschnitt des Gewinns der letzten drei Jahre vor der Mandatsübernahme (also den Durchschnitt der klägerischen Jahresgewinne der Jahre 1994 bis 1996) abzustellen. Daraus errechnet das Verwaltungsgericht bei einem Zeitaufwand von zwei Stunden je Sitzung einen Verdienstausfall von 52,82 DM und damit abzüglich des bereits gewährten Pauschalbetrags von 25,00 DM einen noch zu ersetzenden Verdienstausfall von 27,82 DM = 14,22 € je Sitzung. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf das angegriffene Urteil Bezug genommen. Die Teilnahme am Spatenstich für die Kanaltrasse habe keinen Erstattungsanspruch zur Folge, was zwischen den Beteiligten unstreitig geworden sei. Für die verbleibenden zwölf Sitzungen ergebe sich ein Zahlungsanspruch des Klägers in Höhe von 170,64 € und für die Zeit zwischen dem 22. Juli 1997 und dem 31. März 2001 ein Anspruch auf Ersatz von Verdienstausfall in Höhe von weiteren 14,22 € je Sitzung.

Das Verwaltungsgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Gegen das am 12. September 2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14. Oktober 2002 (Montag) Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung der Berufungsfrist mit am 12. Dezember 2002 eingegangenem Schriftsatz dahin begründet, er teile die Auffassung des Verwaltungsgerichts, soweit es darum gehe, ob überhaupt ein Verdienstausfall anfallen könne und ob dieser im jeweiligen Einzelfall einzeln nachgewiesen werden müsse. Wenn ein Steuerbescheid vorliege, müsse eine "Spitzabrechnung" anhand dieses Bescheides vorgenommen werden. Für 1997 bedeute dies, dass entsprechend der Gewinn- und Verlustrechnung zunächst von einem tatsächlichen Verdienst in Höhe der Provisionen zuzüglich des geldwerten Vorteils auszugehen sei, mithin von XXX.XXX,XX DM. Hiervon seien die Betriebsausgaben in Abzug zu bringen, wobei als tatsächliches Einkommen die Differenz zwischen den tatsächlichen Einnahmen und den tatsächlichen Ausgaben zu Grunde zu legen sei. Der Verkauf von Vermögenswerten wie dem Handy oder die in dieser Höhe ohnehin nicht steuerpflichtige Aufwandsentschädigung für kommunale Mandatstätigkeit flössen daher weder in die Einnahmen ein noch dürften bei den Betriebsausgaben die lediglich steuerlich zu berücksichtigenden fiktiven Positionen für Abschreibungen, also die Nummern 15 und 18 der Betriebsausgaben, in der Gewinn- und Verlustrechnung abzusetzen seien. Damit ergäben sich tatsächliche Betriebsausgaben in Höhe von XX.XXX,XX DM. Das Einkommen des Klägers im Jahre 1997 habe daher tatsächlich bei XX.XXX,XX DM gelegen. Dem seien nach der vom Verwaltungsgerichtshof nicht beanstandeten Rechtsprechung des Kasseler Verwaltungsgerichts (Az.: 3 E 3692/95) die Vorsorgeaufwendungen des Klägers hinzuzurechnen. Dies bedeute, dass ausweislich des Einkommensteuerbescheides für 1997 zumindest die Versicherungsbeiträge in Höhe von X.XXX,XX DM zu berücksichtigen seien. Insgesamt ergebe sich daher ein Jahreseinkommen des Klägers für 1997 in Höhe von XX.XXX,XX DM. Unter Berücksichtigung der 220 Arbeitstage à acht Arbeitsstunden folge daraus ein Stundensatz von XX,XX DM oder XX,XX €. Entsprechend ergäben sich für die zwölf Sitzungen XXX,XX €, so dass abzüglich der gewährten Pauschale von 153,39 € noch ein Betrag von 390,45 € für die Zeit vom 18. April 1997 bis 21. Juli 1997 zu zahlen sei. Bei den Folgejahren sei in der Berechnung lediglich noch der für das Vorjahr gezahlte Verdienstausfall dem Einkommen hinzuzurechnen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Kassel vom 6. September 2002 zu verpflichten,

1. an den Kläger für den Zeitraum vom 18. April 1997 bis 21. Juli 1997 weiteren Verdienstausfall in Höhe von 390,45 € zu ersetzen,

2. für die weiteren Sitzungen des Jahres 1997 eine Abrechnung anhand eines Stundensatzes von XX,XX € zu erstellen,

3. für die weiteren Jahre der Legislaturperiode eine Abrechnung anhand der Steuerbescheide vorzunehmen, wobei aus dem zu versteuernden Einkommen des Klägers die Abschreibungen herauszurechnen seien, da für die Vorsorgeaufwendungen für Versicherungen und die Verdienstausfallsummen des Vorjahres hinzuzurechnen seien und das so ermittelte Jahreseinkommen durch 1.760 Stunden zu teilen sei.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat zunächst zusätzlich im Wege der Anschlussberufung nach § 127 VwGO beantragt, unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Kassel vom 6. September 2002 die Klage abzuweisen, die Anschlussberufung aber mit Schriftsatz vom 14. Juli 2004 zurückgenommen.

Sie trägt vor, nach einhelliger Meinung sei der Kläger sowohl hinsichtlich des tatsächlichen Entstehens eines Verdienstausfalls (dem Grunde nach) als auch gegebenenfalls hinsichtlich des Umfangs desselben (der Höhe nach) nachweispflichtig. Hierfür spreche sowohl der Wortlaut des § 27 Abs. 1 Satz 5 HGO als auch die ehrenamtliche Tätigkeit des Klägers. Die ehrenamtliche Tätigkeit sei ihrem Wesen nach unentgeltlich. Sinn und Zweck der Entschädigungsansprüche sei es, einen Anspruch auf Ersatz für die durch organschaftliche Betätigung unmittelbar verursachten Vermögenseinbußen zu gewähren. Die Mitglieder der Gemeindevertretung sollten jedoch keine Vermögensvorteile erhalten, die den unentgeltlichen, ehrenamtlichen Charakter der Tätigkeit zu einem entgeltlichen, nebenberuflichen verfälschen würden. Mit der Gewährung der Pauschale habe die Beklagte dem Umstand Rechnung getragen, dass nach der Lebenserfahrung der Kläger am späteren Nachmittag oder früheren Abend als Versicherungsmakler tätig sei und entsprechenden Kundenkontakt habe. Der darüber hinausgehende Anspruch des Klägers unterliege demgegenüber erhöhten Anforderungen. Nach § 27 Abs. 1 Satz 5 HGO müsse der "tatsächliche" Nachweis erbracht werden. Es genüge nicht, wie bei der Pauschalregelung, auf die Lebenserfahrung abzustellen. Vielmehr sei die Beklagte berechtigt, den Kläger zu verpflichten, im konkreten Einzelfall darzulegen und zu beweisen, dass ein Verdienstausfall während der betreffenden Sitzungszeit tatsächlich entstanden sei. Ein solcher Nachweis wäre den Kosten einer Ersatzkraft zu entnehmen, die aber hier weder geltend gemacht noch dargelegt worden seien. Auch die Umsatz- und Gewinnzahlen der Jahre 1994 bis 1999 gäben keine entsprechenden Anhaltspunkte. Das Verwaltungsgericht habe auch nicht berücksichtigt, dass die ehrenamtliche Tätigkeit sich auf das Vermittlungsgeschäft des Klägers positiv auswirken könne. Als Indiz hierfür könne der Jahresgewinn der Jahre 1997 und 1998 angeführt werden, der sich im Vergleich zu den Vorjahren positiv entwickelt habe. Dem Kläger sei es auch zuzumuten, durch eine veränderte Zeitdisposition einen Verdienstausfall zu vermeiden.

Mit der Klage werde auch Verdienstausfall für Tätigkeiten im Bau- und Finanzausschuss geltend gemacht, bei denen der Kläger als Vertreter aufgetreten sei. Eine persönliche Stellvertretung kenne § 62 Abs. 2 Satz 3 HGO nicht, so dass hier anzunehmen sei, dass der Kläger keine zeitliche Überschneidung mit beruflichen Terminen gehabt habe, die einer Übernahme der Ausschusstätigkeit im Wege gestanden hätten.

Der Kläger entgegnet, die Beklagte widerspreche sich, wenn sie auf der einen Seite vortrage, nach der Lebenserfahrung sei ein Versicherungsmakler am späten Nachmittag oder frühen Abend tätig, sie auf der anderen Seite aber behaupte, ihm, dem Kläger, sei es zuzumuten, durch eine veränderte Zeitdisposition einen Verdienstausfall zu vermeiden. Kundentermine könnten erst wahrgenommen werden, wenn die Kunden erreichbar seien. Dies sei erst in den Abendstunden der Fall. Genau in diese Hauptarbeitszeit fielen auch die Sitzungen. Termine nach 21.00 Uhr seien für die Kunden unzumutbar. Im Übrigen beschränke sich der Zeitaufwand für seine ehrenamtliche Tätigkeit nicht auf die Sitzungen selbst. Die Vorbereitung einer Sitzung nehme mehrere Stunden in Anspruch. Seine Gewinne seien auf Grund des eingesetzten Zeitaufwandes von 1997 bis 2001 gesunken. Es werde bestritten, dass sich die Mandatsausübung positiv auf sein Vermittlungsgeschäft ausgewirkt habe. Im Übrigen gebiete es die Ernstlichkeit der Mandatsausübung, als Stellvertreter der Sitzung beizuwohnen, wenn das eigentliche Fraktionsmitglied verhindert sei. Tatsächlich wirke sich seine Selbständigkeit nachteilig aus. Bei Angestellten und Arbeitern, die politisch ehrenamtlich tätig seien, reiche eine Verdienstausfallbescheinigung des Arbeitgebers aus.

Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten (1 Heftstreifen) haben vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vorgenannten Unterlagen, die gewechselten Schriftsätze und den darüber hinausgehenden Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die vom Kläger vorgelegten Steuerbescheide und Gewinnermittlungen, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Einstellung des Berufungsverfahrens hinsichtlich der Anschlussberufung der Beklagten beruht auf § 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. der entsprechenden Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO.

Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Dem Kläger steht erstens für den Zeitraum vom 18. April 1997 bis zum 21. Juli 1997, zweitens für die weiteren Sitzungen des Jahres 1997 und drittens für die weiteren Jahre der Legislaturperiode kein über die pauschale Abgeltung des Verdienstausfalls in Höhe von 25,00 DM pro Sitzung hinausgehender Ersatz von Verdienstausfall zu. Allerdings hat der Senat nicht darüber zu befinden, ob das Verwaltungsgericht die Beklagte zu Recht verpflichtet hat, dem Kläger bezüglich der Zeit bis zum 21. Juli 1997 Verdienstausfall in Höhe von 170,64 € über den bereits gewährten Pauschalbetrag hinaus zu ersetzen und dem Kläger für die Zeit vom 22. Juli 1997 bis zum 31. März 2001 je Sitzung zusätzlich zu dem erhaltenen Pauschalbetrag noch 14,22 € zu zahlen, denn insoweit ist das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig geworden, weil die Beklagte ihre Anschlussberufung zurückgenommen hat.

Dem Kläger steht der im Berufungsverfahren geltend gemachte Anspruch nicht zu, weil er nicht nachgewiesen hat, dass der von ihm behauptete tatsächliche Verdienstausfall entstanden ist.

Ehrenamtlich Tätige haben Anspruch auf Ersatz von Verdienstausfall. Durch Satzung ist ein Durchschnittssatz festzusetzen, der nur denjenigen zu gewähren ist, denen nachweisbar ein Verdienstausfall entstehen kann (§ 27 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Hessischen Gemeindeordnung - HGO -). Anstelle des Durchschnittssatzes kann der tatsächlich entstandene und nachgewiesene Verdienstausfall verlangt werden (§ 27 Abs. 1 Satz 5 Halbsatz 1 HGO).

Diese Regelungen werden in der von der Gemeindevertretung der Beklagten am 11. Mai 1988 beschlossenen und in der "Espenauer Woche" Nr. 20 vom 20. Mai 1988 öffentlich bekannt gemachten "Entschädigungssatzung der Gemeinde Espenau" aufgegriffen. Dort ist in § 1 Abs. 1 geregelt, dass Gemeindevertreter, ehrenamtliche Beigeordnete und andere ehrenamtlich Tätige zur pauschalen Abgeltung ihres Verdienstausfalles einen Betrag von DM 25,00 pro Sitzung der Gemeindevertretung, des Gemeindevorstandes oder des Gremiums, dem sie als Mitglied oder kraft Gesetzes mit beratender Stimme angehören, erhalten. Nach Abs. 2 Satz 1 dieser Vorschrift wird der Durchschnittssatz nur denjenigen ehrenamtlich Tätigen gewährt, denen nachweisbar ein Verdienstausfall entstehen kann. In Abs. 3 schließlich ist geregelt, dass auf Antrag anstelle des Durchschnittssatzes nach Abs. 1 der tatsächlich entstandene und nachgewiesene Verdienstausfall ersetzt wird.

Schon die Gegenüberstellung der in § 27 HGO und in der Entschädigungssatzung der Beklagten hinsichtlich einer pauschalen Abgeltung des Verdienstausfalls und einer Abgeltung des tatsächlich entstandenen und nachgewiesenen Verdienstausfalls getroffenen Regelungen zeigt, dass an den Nachweis des tatsächlich entstandenen Verdienstausfalls höhere Anforderungen zu stellen sind als das Verwaltungsgericht dies getan hat. Denn auch eine pauschale Abgeltung ist nur möglich, wenn "nachweisbar ein Verdienstausfall entstehen kann" (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 1 Entschädigungssatzung). Diese Voraussetzungen hat der Kläger unstreitig erfüllt. Hinsichtlich des Nachweises eines tatsächlich entstandenen Verdienstausfalls genügt der Nachweis, dass ein Verdienstausfall entstehen kann, aber nicht. Vielmehr ist ein "konkreter Nachweis" erforderlich; d. h., der Verdienstausfall ist insoweit grundsätzlich nur zu ersetzen, wenn er nachweisbar tatsächlich entstanden ist (vgl. Schneider/Dreßler/Lüll, Hessische Gemeindeordnung, Stand: 14. Lieferung, Februar 1999, Anm. 2 zu § 27). Bei Inanspruchnahme der Verdienstausfallpauschale sind an den Nachweis der Möglichkeit eines Verdienstausfalls weniger strenge Anforderungen zu stellen als im Fall eines über die Pauschale hinausgehenden Verdienstausfallersatzanspruchs. Die Pauschalentschädigung soll den Behörden bis ins Detail gehende langwierige Einzelabrechnungen und -darstellungen ersparen, um sie nicht unnötig mit Arbeit zu belasten (vgl. VG Wiesbaden, Urteil vom 18. November 1988 - III E 178/87 - HSGZ 1989, 392). Dies bedeutet aber, dass - wie bereits oben festgestellt - an die Geltendmachung eines tatsächlich entstandenen Verdienstausfalls strenge Anforderungen zu stellen sind.

Diesen Anforderungen hat der Kläger entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht genügt. Er macht als entstandenen tatsächlichen Verdienstausfall in Wahrheit eine individuell errechnete Stundenpauschale geltend, ohne konkret nachzuweisen, dass ihm während der jeweiligen Sitzung ein bestimmter, auch im Umfang festgestellter Verdienst entgangen ist. Zu Recht wird unter II 1. des Erlasses des Hessischen Ministers des Innern vom 10. Oktober 1978 (StAnz. 43/1978 S. 2086) darauf hingewiesen, dass bei selbständig Tätigen ein konkreter Verdienstausfall z. B. im Vertretungsfalle entstehen kann. Dies bedeutet: Ist ein selbständig Tätiger ehrenamtlich als Vertreter tätig geworden, was regelmäßig kurzfristig, ohne nennenswerte Vorbereitungszeit, der Fall sein dürfte, so kann er den infolge der ehrenamtlichen Tätigkeit konkret entgangenen Verdienst geltend machen. Diese Sachlage mag z. B. dann gegeben sein, wenn der selbständig Tätige nachweisen kann, dass er in der Zeit, in der er ehrenamtlich tätig war, einen Vertrag geschlossen hätte, der ihm einen bestimmten Verdienst gebracht hätte, und dass dieser Vertragsschluss nicht zustande gekommen ist, weil der selbständig Tätige auf Grund seines Ehrenamts verhindert gewesen ist.

Dass der Kläger die von der Beklagten erstattete allgemeine Pauschale durch eine höhere individuell errechnete Pauschale ersetzen will, ist kein konkreter Nachweis im dargestellten Sinn.

Diese Auslegung des § 27 HGO und der Entschädigungssatzung der Beklagten ist verfassungsgemäß. Sie verstößt insbesondere nicht gegen Art. 3 des Grundgesetzes

- GG -, weil es keinen Gleichheitsverstoß darstellt, dass abhängig Beschäftigte (Angestellte und Arbeiter) bei Vorlage des Verdienstausfallnachweises den tatsächlich entstandenen konkreten Verdienstausfall ersetzt erhalten. Denn für die Differenzierung zwischen abhängig Beschäftigten und Selbständigen gibt es sachliche Gründe. Erstens ist ein tatsächlicher Verdienstausfall bei einem Selbständigen grundsätzlich nicht konkret und genau für den bestimmten konkreten Zeitraum zu ermitteln, denn er kann in der Regel - bis auf die oben angesprochenen Fälle - nicht nachweisen, welches Geschäft oder Mandat und damit welcher Verdienst ihm gerade durch die Teilnahme an einer bestimmten Sitzung entgangen ist. Zweitens hat der Selbständige - anders als der abhängig Beschäftigte - in der Regel Organisationshoheit und -freiheit in Bezug auf seine Arbeit. D. h., er kann in der Regel seine Mandanten zu anderen Zeiten bestellen.

Ob er überhaupt durch die Wahrnehmung des Ehrenamts einen Verdienstausfall hat, hängt nach allem von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab und nicht davon, ob sich ein durchschnittlicher Verdienst errechnen lässt.

Die Anwendung der entwickelten Grundsätze ergibt hier, dass dem Kläger kein Ersatz eines tatsächlich entstandenen Verdienstausfalls zusteht, weil der Kläger für die einzelnen Veranstaltungen, an denen er teilgenommen hat, keine Nachweise dafür erbracht hat, dass ihm Verdienst entgangen und wie hoch dieser Verdienstausfall gewesen ist. Der Kläger hat lediglich eine auf seine Person bezogene individuelle pauschale Entschädigungsregelung bzw. Durchschnittsregelung geltend gemacht, was nach dem Gesagten nicht ausreichend ist. Steht dem Kläger aber kein Ersatz eines tatsächlich entstandenen Verdienstausfalls zu, so kann er auch die Differenzbeträge nicht verlangen, die das Verwaltungsgericht ihm wegen einer seines Erachtens fehlerhaften Ermittlung seines Durchschnittsverdienstes nicht zugesprochen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 155 Abs. 2 und § 154 Abs. 2 VwGO und berücksichtigt das jeweilige Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten. Die Beklagte hat in Bezug auf die zurückgenommene Anschlussberufung die Kosten für einen Teilbetrag in Höhe von ca. 900,00 € zu tragen. Dies folgt daraus, dass das Verwaltungsgericht bei einem erstinstanzlichen Streitwert von 5.358,96 € der Beklagten ein Sechstel der Verfahrenskosten auferlegt hat, die Beklagte demnach in erster Instanz um ein Sechstel des erstinstanzlichen Streitwerts unterlegen ist. Hiergegen richtete sich die Anschlussberufung der Beklagten. Der Kläger unterliegt im Umfang von ca. 2.340,00 €. Nach allem entfallen bei einem Gesamtstreitwert für das Berufungsverfahren von 3.240,00 € auf den Kläger drei Viertel der Kosten des Berufungsverfahrens und auf die Beklagte ein Viertel dieser Kosten.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Ende der Entscheidung

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