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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 21.11.2002
Aktenzeichen: 8 UE 3195/01
Rechtsgebiete: GewO, InsO, ZPO


Vorschriften:

GewO § 12
GewO § 35
InsO § 21
ZPO § 240
Das eine Gewerbeuntersagung betreffende verwaltungsgerichtliche Verfahren wird nicht gemäß § 173 VwGO i.V.m. der entsprechenden Anwendung des § 240 ZPO kraft Gesetzes unterbrochen, wenn nach dem Erlass des die Gewerbeuntersagung betreffenden Widerspruchsbescheides die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht oder das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Ein Verfahren auf Aufhebung einer gewerberechtlichen Zulassung oder Gewerbeuntersagung betrifft nicht die Insolvenzmasse, sondern die berufliche Betätigung des Gewerbetreibenden.

Einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung über die Gewerbeuntersagung steht in einem derartigen Fall auch die materiell-rechtliche Vorschrift des § 12 GewO nicht entgegen, denn in dieser Vorschrift werden keine Aussagen darüber getroffen, welche prozessrechtlichen Folgen sich insbesondere aus einem Insolvenzverfahren für ein Gerichtsverfahren ergeben, das ein Gewerbeuntersagungsverfahren betrifft.

Aus § 12 GewO folgt auch nicht, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nach § 21 InsO dazu führt, dass für die Beurteilung der Zuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden auf einen anderen Zeitpunkt als den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen ist.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes Urteil

8. Senat

8 UE 3195/01

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Gewerbeuntersagung

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 8. Senat - durch Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Lohmann, Richter am Hess. VGH Dr. Nassauer, Richter am Hess. VGH Jeuthe, ehrenamtliche Richterin Gründer-Schäfer, ehrenamtlicher Richter Haupt

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 21. November 2002 für Recht erkannt:

Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten es in Bezug auf die Zwangsmittelandrohung in dem Bescheid vom 30. März 2000 übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.

Die Berufung wird im Übrigen zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Beklagten vorläufig vollstreckbar. Jedoch darf die Klägerin die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen eine Gewerbeuntersagungsverfügung des Beklagten. Die ihren Geschäftsführer persönlich betreffende Gewerbeuntersagung - Untersagungsverfügung des Beklagten vom 31. März 2000 und darauf bezüglicher Widerspruchsbescheid vom 9. März 2001 - ist bestandskräftig geworden, nachdem der Geschäftsführer gegen das am 5. September 2001 verkündete und am 13. September 2001 zugestellte klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen kein Rechtsmittel eingelegt hat.

Die Klägerin betreibt seit dem 1. März 1983 das Gewerbe "Vertrieb von Bausätzen und Bausystemen". Dabei geht es um Selbstbauhäuser, Ausbauhäuser, Baustoffe und Bauelemente. Auf die Anregung des Finanzamts Gießen in dessen Schreiben vom 11. März 1999 leitete der Beklagte ein Gewerbeuntersagungsverfahren gegen die Klägerin ein, führte die notwendigen Ermittlungen bei öffentlichen Gläubigern durch und hörte die Klägerin mit Schreiben vom 31. Januar 2000 gemäß § 28 des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes - HVwVfG - zur Sache an.

Mit Bescheid vom 30. März 2000, zugestellt am 1. April 2000, untersagte der Beklagte der Klägerin die Ausübung des Gewerbes "Vertrieb von Bausätzen und Bausystemen" sowie jede andere selbständige Tätigkeit, soweit sie unter § 35 Gewerbeordnung - GewO - fällt. Die Untersagung erstrecke sich gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 GewO auch auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person. Für den Fall der Zuwiderhandlung drohte der Beklagte der Klägerin die Schließung ihres Betriebes durch Versiegelung und Verplombung der Betriebsräume und die Unterbindung der Gewerbeausübung durch Sicherstellung von Arbeitsmaterial und Geschäftsunterlagen durch Mitnahme oder Belassung an Ort und Stelle nach Versiegelung/Verplombung an. Für eventuelle Vollstreckungsmaßnahmen wurden vorläufig 500,00 DM veranschlagt. Zur Begründung verwies der Beklagte darauf, dass die Klägerin am 30. März 2000 dem Finanzamt Gießen 70.139,39 DM, dem Finanzamt Dillenburg 21.174,00 DM und der Stadt Haiger 21.771,10 DM schulde. Den von der Klägerin per Telefax am 3. April 2000 eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. März 2001, zugestellt am 10. März 2001, zurück. Dabei stützte der Beklagte sich auf die aktuellen Steuerrückstände bei dem Finanzamt Gießen in Höhe von 122.077,95 DM, bei dem Finanzamt Dillenburg in Höhe von 27.268,85 DM und bei der Stadt Haiger in Höhe von 20.771,10 DM.

Am 2. April 2001 hat die Klägerin Klage erhoben und dem Verwaltungsgericht mit Anwaltsschriftsatz vom 24. August 2001 unter Beifügung einer Kopie des Beschlusses des Amtsgerichts Wetzlar vom 21. August 2001 - 3 IN 195/00 - mitgeteilt, bei dem Amtsgericht sei Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt worden. Das Amtsgericht habe die vorläufige Verwaltung des Vermögens der Klägerin angeordnet und den Unterzeichner - Rechtsanwalt R. - zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt.

Unter dem 28. August 2001 teilte der Vorsitzende der Kammer des Verwaltungsgerichts dem vorläufigen Insolvenzverwalter mit, nach Landmann-Rohmer, Gewerbeordnung, dürfe eine Gewerbeuntersagung während des Insolvenzverfahrens nicht vollstreckt werden aus den Gründen des § 12 GewO. Das Verwaltungsgericht schlage die Rücknahme der Klage vor. Wäre das Insolvenzverfahren erfolgreich, müsste der Bescheid aufgehoben werden. Würde das Insolvenzverfahren nicht eröffnet, rechtfertigten die erheblichen Steuerschulden die Untersagung. Der vorläufige Insolvenzverwalter antwortete unter dem 30. August 2001, nach der vorgelegten Kommentierung zu § 12 GewO teile er die Ansicht, dass die Klage zur Zeit ohne Aussicht auf Erfolg sei. Er habe den Geschäftsführer der Klägerin entsprechend unterrichtet. Da zwar Sicherungsmaßnahmen nach § 21 Insolvenzordnung - InsO - angeordnet seien, die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis dem vorläufigen Insolvenzverwalter jedoch nicht übertragen worden sei, könnten Prozesserklärungen nur von dem Geschäftsführer der Klägerin wirksam abgegeben werden.

Die Klägerin hat sinngemäß beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 30. März 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2001 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 5. September 2001 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe Zahlungsverpflichtungen in nachhaltiger Weise verletzt und sich dadurch als gewerberechtlich unzuverlässig erwiesen. Der Beklagte habe über das konkret ausgeübte Gewerbe hinaus auch jede sonstige selbständige gewerbliche Tätigkeit sowie die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person untersagen dürfen. Auch die Androhung der zwangsweisen Durchsetzung sowie die Veranschlagung der hierauf voraussichtlich entfallenden Kosten seien rechtlich nicht zu beanstanden. Das Urteil wurde am 13. September 2001 zugestellt.

Am 12. Oktober 2001 hat die Klägerin die Zulassung der Berufung beantragt und zur Begründung ausgeführt, das Verwaltungsgericht habe den Gewerbeuntersagungsbescheid zu Unrecht nicht aufgehoben. Das Verfahren sei zum einen unterbrochen, da ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt worden sei, so dass das Verwaltungsgericht das Verfahren ebenfalls hätte unterbrechen müssen. Darüber hinaus habe die Klägerin Bemühungen unternommen, die Forderungen zu begleichen. Auch bestünden noch erhebliche Verlustvorträge aus den Vorjahren, so aus 1999 in Höhe von ca. 1,3 Mio. DM. Weitere Aufträge im Wert von ca. 2 bis 2,5 Mio. DM seien in Aussicht. Ein ganz erheblicher Teil weiterer ausstehender Forderungen habe bislang nicht realisiert werden können.

Mit Beschluss vom 11. Dezember 2001 hat der Senat die Berufung zugelassen.

Am 21. Dezember 2001 hat die Klägerin mitgeteilt, dass zwischenzeitlich das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei.

Der die Berufung zulassende Senatsbeschluss wurde den Bevollmächtigten der Klägerin am 28. Dezember 2001 zugestellt. Mit Telefax vom 7. Januar 2002 sowie per Post am 8. Januar 2002 haben die Bevollmächtigten dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof unter Beifügung einer Kopie des Beschlusses des Amtsgerichts Wetzlar vom 1. Dezember 2001 - 3 IN 195/00 - erneut mitgeteilt, dass am 1. Dezember 2001 das Insolvenzverfahren gemäß §§ 2, 3, 11, 16 ff. InsO wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eröffnet und zum Insolvenzverwalter Rechtsanwalt R., Herborn, bestellt worden sei. Nach dem Dafürhalten der Klägerin sei damit das Verfahren hinsichtlich der Gewerbeuntersagung in jedem Fall unterbrochen und der Klage bzw. der Berufung damit stattzugeben. Im Übrigen nehme die Klägerin "auf die Darlegungen in der Berufungsschrift" Bezug.

Der Vertreter des Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Zwangsmittelandrohung in der Gewerbeuntersagungsverfügung vom 30. März 2000 aufgehoben. Die Beteiligten haben das Verfahren insofern übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 5. September 2001 - 8 E 875/01 - abzuändern und den Bescheid des Regierungspräsidiums Gießen vom 30. März 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2001 und der durch die heutige Aufhebungserklärung hergestellten Fassung aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, nach gängiger Praxis seiner Behörde würden während eines Insolvenzverfahrens in der Regel Vollstreckungsmaßnahmen nicht durchgeführt. Im vorliegenden Fall sei kein Grund ersichtlich, der zu einer Abweichung von dieser Praxis führen könnte.

Die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (1 Heft) sowie die das gegen den Geschäftsführer der Klägerin persönlich gerichtete Gewerbeuntersagungsverfahren betreffende Gerichtsakte VG Gießen 8 E 926/01, ebenfalls mit einem Heft Verwaltungsvorgängen des Beklagten, haben vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vorgenannten Unterlagen sowie auf die gewechselten Schriftsätze und den darüber hinausgehenden Inhalt der Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Soweit die Beteiligten das Verfahren in Bezug auf die Zwangsmittelandrohung in dem Bescheid vom 30. März 2000 in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.

Im Übrigen - d.h. soweit die Berufung sich auf die Gewerbeuntersagung selbst bezieht - kann der Senat entscheiden, da das Verfahren nicht gemäß § 173 VwGO i.V.m. der entsprechenden Anwendung des § 240 ZPO kraft Gesetzes unterbrochen ist. Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei wird das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, gemäß § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Entsprechendes gilt nach § 240 Satz 2 ZPO, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht. Das Gewerbeuntersagungsverfahren und auch das darauf bezügliche Gerichtsverfahren betreffen die Insolvenzmasse nicht. § 240 ZPO ist auf solche gerichtlichen Verfahren zugeschnitten, deren Streitgegenstand die Insolvenzmasse betrifft. Das ist regelmäßig in Fällen aktiver oder passiver Zahlungsklagen zivilrechtlicher Art der Fall. Hingegen betrifft ein Verfahren auf Aufhebung einer gewerberechtlichen Zulassung oder Gewerbeuntersagung nicht die Insolvenzmasse, sondern die berufliche Betätigung des Gewerbetreibenden (vgl. Hahn, GewArch 2000, 361 ff., 363; a.A. Marcks, in: Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, Band I, Stand: 41. Ergänzungslieferung, Januar 2002, Rdnrn. 15 und 16 zu § 12).

Einer Entscheidung über die zugelassene Berufung steht auch § 12 GewO nicht entgegen. Nach dieser durch Art. 71 Nr. 1 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2911) mit Wirkung vom 1. Januar 1999 (vgl. Art. 110 Abs. 1) in die Gewerbeordnung eingefügten Vorschrift gilt Folgendes:

"Vorschriften, welche die Untersagung eines Gewerbes oder die Rücknahme oder den Widerruf einer Zulassung wegen Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden, die auf ungeordnete Vermögensverhältnisse zurückzuführen ist, ermöglichen, finden während eines Insolvenzverfahrens, während der Zeit, in der Sicherungsmaßnahmen nach § 21 der Insolvenzordnung angeordnet sind, und während der Überwachung der Erfüllung eines Insolvenzplans (§ 260 der Insolvenzordnung) keine Anwendung in Bezug auf das Gewerbe, das zur Zeit des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeübt wurde".

Bei § 12 GewO handelt es sich um eine materiell-rechtliche Vorschrift des Gewerberechts, in der keine Aussagen darüber getroffen werden, welche prozessrechtlichen Folgen sich insbesondere aus einem Insolvenzverfahren für ein Gerichtsverfahren ergeben, das ein Gewerbeuntersagungsverfahren betrifft. Aus der Formulierung, wonach Vorschriften, welche die Untersagung eines Gewerbes ermöglichen, während eines Insolvenzverfahrens "keine Anwendung ... finden", ergibt sich, dass während eines bereits laufenden Insolvenzverfahrens keine Gewerbeuntersagungsverfügung erlassen oder - bei bereits vorher erlassener Gewerbeuntersagungsverfügung - keine Maßnahme zur Vollziehung einer Gewerbeuntersagungsverfügung getroffen werden darf. Das in § 12 GewO geregelte Anwendungsverbot greift demnach nicht ein, wenn die die Untersagung des Gewerbes betreffende Vorschrift bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw. vor der Zeit, in der Sicherungsmaßnahmen nach § 21 der Insolvenzordnung angeordnet sind, "angewendet" worden war.

Aus dem Gesagten ergibt sich auch, dass § 12 GewO den nach ständiger Rechtsprechung maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Zuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung nicht verschiebt, so dass eine zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung rechtmäßige Gewerbeuntersagung nicht durch die spätere Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nach § 21 der Insolvenzordnung oder die spätere Einleitung eines Insolvenzverfahrens rechtswidrig wird. Vielmehr bleibt es auch in einem derartigen Fall dabei, dass es für die materielle Rechtmäßigkeit der Gewerbeuntersagung auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, mithin den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides, ankommt.

Hier sind Sicherungsmaßnahmen nach § 21 Insolvenzordnung zwar im August 2001 angeordnet worden. Auch ist am 1. Dezember 2001 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Bereits vorher, am 9. März 2001, war jedoch der Widerspruchsbescheid ergangen, so dass die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der die Klägerin betreffenden Gewerbeuntersagung nicht von § 12 GewO und der dort geregelten Beachtung des Insolvenzverfahrens bzw. der Sicherungsmaßnahmen nach § 21 der Insolvenzordnung abhängt.

Die vom Senat mit Beschluss vom 11. Dezember 2001 zugelassene Berufung, die die Klägerin im Schriftsatz vom 7. Januar 2002 fristgemäß unter sinngemäßer Stellung eines Berufungsantrags begründet hat und über die nach allem entschieden werden kann, hat in der Sache keinen Erfolg. Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2001 bestanden Steuerrückstände bei dem Finanzamt Gießen in Höhe von 122.077,95 DM, bei dem Finanzamt Dillenburg in Höhe von 27.268,85 DM und bei der Stadt Haiger in Höhe von 20.771,10 DM. Die sich daraus ergebende gewerberechtliche Unzuverlässigkeit ermöglichte es dem Beklagten auch, über das konkret ausgeübte Gewerbe hinaus jede sonstige selbständige gewerbliche Tätigkeit sowie die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit de Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person zu untersagen. Auch die diesbezüglichen Entscheidungen des Beklagten sind nicht zu beanstanden. Soweit die Gewerbeuntersagung selbst betroffen ist, wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 5. September 2001 Bezug genommen.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Klägerin zur Zeit des Erlasses des Widerspruchsbescheides auch nicht aufgrund eines realistischen Zahlungsplanes begonnen hatte, ihre erheblichen Schulden bei öffentlichen Gläubigern zu begleichen.

Der Klägerin werden jedenfalls gemäß § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO die gesamten Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt, weil der Beklagte in Anwendung von § 161 Abs. 2 VwGO allenfalls in Bezug auf den in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärten Teil des Streitgegenstandes Kosten tragen müsste und der Beklagte insofern nur zu einem geringen Teil kostenmäßig unterlegen wäre. Denn im Wesentlichen, d.h. in Bezug auf die Gewerbeuntersagung selbst, hat die Berufung der Klägerin keinen Erfolg, so dass sie insofern nach § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Rechtsmittels zu tragen hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, denn die Frage, welche Konsequenzen die in § 12 GewO getroffene Regelung hat, wenn nach der eine Gewerbeuntersagung betreffenden letzten Verwaltungsentscheidung Sicherungsmaßnahmen nach § 21 der Insolvenzordnung angeordnet werden und/oder ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, hat grundsätzliche Bedeutung. Entsprechendes gilt für die Frage, ob durch § 12 GewO der bisher allgemein angenommene maßgebliche Beurteilungszeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung verschoben wird. Grundsätzlich bedeutsam ist auch die Frage, ob ein eine Gewerbeuntersagung betreffendes Gerichtsverfahren gemäß § 173 VwGO i.V.m. der entsprechenden Anwendung des § 240 ZPO kraft Gesetzes unterbrochen wird, wenn während des Gerichtsverfahrens ein Insolvenzverfahren eröffnet wird.

Ende der Entscheidung

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