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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 10.12.2003
Aktenzeichen: 8 UE 4696/98
Rechtsgebiete: VO, VwVfG


Vorschriften:

VO (EWG) Nr. 2182/77 v. 12.03.1990
VO (EWG) Nr. 729/70 v. 21.04.1970
VwVfG § 48
VwVfG § 49a
Auf die Rücknahme der rechtswidrigen Freigabe einer im Zusammenhang mit dem Verkauf gefrorenen Rindfleischs durch die Interventionsstellen der europäischen Gemeinschaft gestellten Verarbeitungssicherheit findet auf Grund der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben § 48 des Bundesverwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) mit der Maßgabe Anwendung, dass zwar Vertrauensschutz im Sinne des § 48 Abs. 2 der Rücknahme entgegenstehen kann, ein darüber hinausgehendes Ermessen, auch nach Verneinung der Voraussetzungen für die Gewährung von Vertrauensschutz von der Rücknahme abzusehen, aber nicht eröffnet ist.
Hessischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes Urteil

8 UE 4696/98

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Marktordnungsrechts, Rückforderung einer freigegebenen Kaution

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 8. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Lohmann, Richter am Hess. VGH Dr. Nassauer, Richter am Hess. VGH Jeuthe, ehrenamtliche Richterin Germann-Schulz, ehrenamtlichen Richter Bachmann

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 10. Dezember 2003 für Recht erkannt: Tenor: Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 10. September 1998 - 1 E 506/96 (V) - geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine Verarbeitungskaution im Zusammenhang mit dem Verkauf gefrorenen Rindfleischs aus staatlicher Lagerhaltung zu herabgesetzten Preisen durch die Interventionsstellen der europäischen Gemeinschaft.

Die Klägerin erhielt auf Grund ihres Antrags vom 26. August 1988 mit Zuschlagserklärung vom 30. August 1988 den Zuschlag für 20 t gefrorene Hinterviertel von Jungbullen, verbunden mit der "Auflage", dass die Verarbeitungsfrist am 31. Januar 1989 ende und die Verarbeitungsbescheinigung bis zum 31. März 1989 bei der Bundesanstalt für landwirtschaftliche Marktordnung (BALM) - der Rechtsvorgängerin der Beklagten - einzureichen sei. Vor Übernahme des Fleisches stellte die Klägerin die in Art. 5 Abs. 3 a der VO (EWG) Nr. 2539/84 der Kommission vom 5. September 1984 vorgesehene Verarbeitungssicherheit in Form einer selbstschuldnerischen Bürgschaft eines Kreditinstituts. Der Betrag dieser Sicherheit belief sich gem. Art. 4 Abs. 1 der VO (EWG) Nr. 2294/88 der Kommission vom 26. Juli 1988 auf 5 ECU je 100 kg und betrug damit umgerechnet 47.222,00 DM.

Am 18. April 1989 legte die Klägerin acht Verarbeitungsanzeigen vor. Das Hauptzollamt Osnabrück stellte am 31. Mai 1989 eine Verarbeitungsbescheinigung aus, die am 28. September 1989 der BALM zuging. Ausweislich dieser Verarbeitungsbescheinigung war die Verarbeitung des Fleisches in der Zeit vom 5. Oktober 1988 bis 31. Januar 1989 - damit fristgemäß - erfolgt.

Mit Lastschrift Nr. 636571 vom 2. Oktober 1989 erklärte die BALM auf Grund der nicht fristgemäßen Beibringung des Verarbeitungsnachweises gem. Art. 22 der VO (EWG) Nr. 2220/85 i.V.m. Art. 5 der VO (EWG) Nr. 2182/77 15 % der hinterlegten Verarbeitungssicherheit, damit einen Betrag in Höhe von 7.575,34 DM einschließlich 7 % Umsatzsteuer, "für verfallen". Nachdem die Klägerin diesen Betrag, wie erbeten, gezahlt hatte, gab die BALM mit Schreiben vom 24. Januar 1990 die Bürgschaftsurkunde über 47.222,00 DM an die Klägerin zurück.

Am 31. Mai 1990 beantwortete die Kommission der europäischen Gemeinschaften eine Anfrage der BALM zur Anwendung der VO (EWG) Nr. 2182/77 vom 12. März 1990 dahingehend, dass eine gestellte Verarbeitungssicherheit vollständig verfalle, wenn der Nachweis der Verarbeitung des Fleisches nicht innerhalb von sieben Monaten nach Abschluss des Verkaufsvertrages ausgestellt werde. Ein auf 15 % des Gesamtbetrages beschränkter - teilweiser - Kautionsverfall komme nur dann in Betracht, wenn der Nachweis noch innerhalb der genannten Frist erstellt, dann aber erst zwischen dem 8. und 25. Folgemonat vorgelegt werde. Mit der VO (EWG) Nr. 2182/77 solle den Risiken vorgebeugt werden, die mit der späten Erbringung des Nachweises zusammenhingen. Sie stelle deshalb bezüglich des Verlustes der Sicherheit den Wirtschaftsbeteiligten, der innerhalb von sieben Monaten nicht den erforderlichen Nachweis erbringe, demjenigen gleich, der nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von fünf Monaten das Rindfleisch tatsächlich verarbeitet habe. Mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei das zu vereinbaren.

Auf Grund dieser Auskunft teilte die BALM der Klägerin mit Schreiben vom 10. Oktober 1990 mit, dass "auf Weisung der EG-Kommission" bei nicht fristgemäßer Beibringung des Verarbeitungsnachweises gem. Art. 5 Abs. 3 der VO (EWG) Nr. 2182/77 ein Sicherheitenverfall in voller Höhe auszusprechen sei. Die mit der Verfallerklärung in Höhe von 15 % durch die Lastschrift vom 2. Oktober 1989 verbundene Freigabe der Kaution im Übrigen sei deshalb zu Unrecht erfolgt. Daraus ergebe sich eine Zahlungspflicht der Klägerin in entsprechender Höhe. Dem Schreiben war als Anlage eine Lastschrift gleichen Datums beigefügt, die den zu zahlenden Betrag auf 42.926,93 DM einschließlich 7 % Umsatzsteuer bezifferte und die Klägerin zur Zahlung bis zum 25. Oktober 1990 auf das angegebene Konto aufforderte.

Nachdem zwei Mahnungen ohne Erfolg geblieben waren, erhob die BALM am 23. April 1991 beim Landgericht Frankfurt am Main Leistungsklage. Das Landgericht verwies den Rechtsstreit durch Beschluss vom 25. September 1991 an das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main. Dieses wies die Leistungsklage durch Urteil vom 18. Februar 1993 als unzulässig mit der Begründung ab, dass es an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis fehle, weil die klagende BALM mit dem Verwaltungsakt, der in der Lastschrift vom 10. Oktober 1990 zu sehen sei, bereits über einen Titel verfüge. Die daraufhin von der Beklagten des vorliegenden Verfahrens als Rechtsnachfolgerin der BALM eingelegte Berufung wurde durch Urteil des erkennenden Senats vom 30. August 1995 - 8 UE 1015/93 - zurückgewiesen.

Nach Ergehen des Berufungsurteils wies die Beklagte den in der Klageerwiderung vom 6. Juni 1991 zum Klageverfahren beim Landgericht Frankfurt am Main gesehenen Widerspruch der Klägerin gegen die Lastschrift vom 10. Oktober 1990 mit Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 1996 zurück. Zur Begründung gab sie an: Die Verarbeitungssicherheit sei für verfallen zu erklären, da die Klägerin den Nachweis für die vertragsgemäße Verarbeitung des Rindfleischs nicht binnen sieben Monaten nach dem Abschlussdatum des Kaufvertrags erbracht habe, wie es Art. 5 Abs. 2 der VO (EWG) Nr. 2182/87 vorschreibe. Der Nachweis der vertragskonformen Verarbeitung könne nur durch die in § 9 der Interventionsrindfleisch-Verarbeitungsverordnung vorgesehene Verarbeitungsbescheinigung erbracht werden. Nur diese Bescheinigung dokumentiere, dass die durch Art. 2 Abs. 1 der VO (EWG) Nr. 569/88 vorgeschriebene Kontrolle vorgenommen worden sei. Die von der Klägerin vorgelegte Verarbeitungsbescheinigung sei nach Ablauf der Nachweisfrist von sieben Monaten erstellt worden. Damit gelte gem. Art. 22 Abs. 2 der VO (EWG) Nr. 2220/85 eine Hauptpflicht als nicht erfüllt, was den vollständigen Verfall der gestellten Sicherheit zur Folge habe.

Am 15. Februar 1996 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Klage mit dem Ziel der Aufhebung des Bescheides vom 10. Oktober 1990 erhoben. Sie hat geltend gemacht: Art. 5 Abs. 3 Unterabsatz 3 der VO (EWG) Nr. 2182/77 widerspreche dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Durch die Sieben-Monats-Frist für die Ausstellung des Nachweises der Verarbeitung werde die Möglichkeit eines abgestuften Kautionsverfalls im Sinne des Art. 22 Abs. 3 der VO (EWG) Nr. 2220/85 genommen. Dafür gebe es keinen sachlichen Grund. Die zollamtliche Überwachung vollziehe sich in der Regel in der Weise, dass das Hauptzollamt nach Übernahme der Interventionsware durch den Käufer eine Nachricht erhalte. Die Ware werde dann unter zollamtliche Überwachung gestellt, wobei - von Ausnahmefällen abgesehen - die Ausstellung des Nachweises der ordnungsgemäßen Verarbeitung nach einem buchmäßigen Abgleich der Verarbeitungsvorgänge anhand der Unterlagen des Verarbeitungsbetriebes erfolge. Da die Ware meistens unmittelbar nach Verarbeitung in den Handel gelange, sei sie im Zeitpunkt der Erstellung des Verarbeitungsnachweises durch das Hauptzollamt bereits verkauft und verzehrt. Für die zollamtliche Überwachung und Überprüfung mache es daher keinen Unterschied aus, ob die Nachweise noch im siebten oder erst im achten Monat nach Übernahme der Interventionsware erstellt würden. - Sie, die Klägerin, habe im Übrigen ordnungsgemäß verarbeitet. Lediglich bei dem erforderlichen Nachweis sei ihr ein Fristversäumnis unterlaufen. Sie könne allein deswegen nicht in gleicher Weise "sanktioniert" werden, wie jemand, der überhaupt nicht verarbeitet habe. - Dem "Rückforderungsbescheid" vom 10. Oktober 1990 stehe auch die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes (VwVfG) entgegen. Mit der teilweisen Verfallerklärung vom 2. Oktober 1989 sei die Freigabe von 85 % der gestellten Verarbeitungskaution verbunden gewesen. Hiervon ausgehend sei die Lastschrift vom 10. Oktober 1990 außerhalb der Jahresfrist ergangen. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass die Jahresfrist erst im Zeitpunkt des Eingangs der Rechtsauskunft der Kommission vom 31. Mai 1990 zu laufen begonnen habe, denn hierin sei keine Tatsache im Sinne des § 48 Abs. 4 VwVfG zu sehen. Der Lauf der Frist habe demnach bereits mit dem Bescheid vom 2. Oktober 1989 begonnen. - Der Rückforderung stehe auch der Wegfall der Bereicherung entgegen. Sie, die Klägerin, habe den mit dem günstigen Einkauf verbundenen Preisvorteil an ihre Kunden weitergegeben.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 10. Oktober 1990 mit der Lastschrift Nr. 640361 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 16. Januar 1996 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat in ihrer Klageerwiderung ausgeführt: Art. 5 Abs. 3 Unterabsatz 3 der VO (EWG) Nr. 2182/77 widerspreche mit der Festlegung der Frist von sieben Monaten für den Verarbeitungsnachweis nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Diesem Grundsatz werde ausreichend dadurch Rechnung getragen, dass bei verspäteter Vorlage eines an sich rechtzeitig erstellten Verarbeitungsnachweises die Sicherheit nur teilweise verfalle. Bei einer schon verspätet ausgestellten Verarbeitungsbescheinigung sei dagegen deren Beweiskraft derart in Frage gestellt, dass sie nicht als ordnungsgemäßer Verarbeitungsnachweis anerkannt werden könne. Im vorliegenden Fall sei die Verarbeitungsanzeige der Klägerin erst am 18. April 1989, somit nach Ablauf der Verarbeitungsfrist, bei der zuständigen Zollstelle eingegangen. Die am 31. Mai 1989 erstellte Verarbeitungsbescheinigung dokumentiere daher einen Vorgang, der bereits zwei Monate vorher abgeschlossen gewesen sei. Die Klägerin könne dem nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass ohnehin nur eine Buchprüfung stattfinde. Art. 8 der VO (EWG) Nr. 729/70 verpflichte die Mitgliedsstaaten zu Kontrollen in dem erforderlichen Umfang. Hierzu gehörten auch körperliche Kontrollen der Verarbeitungserzeugnisse, wie dies in der Verarbeitungs-Dienstanweisung Rindfleisch der Bundesfinanzverwaltung, Fassung August 1990, vorgesehen sei. - Die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG für die Rücknahme des begünstigenden Verwaltungsakts sei bei Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gewahrt. Die Frist beginne, wenn die Behörde die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts erkannt habe und ihr die für die Rücknahmeentscheidung erheblichen Tatsachen vollständig bekannt seien. Erst auf Grund des Schreibens der EG-Kommission vom 31. Mai 1990 sei aber die fehlerhafte Anwendung des Gemeinschaftsrechts erkannt worden. - Soweit sich die Klägerin auf Entreicherung berufe, fehle es an einem substantiierten Nachweis. Es werde bestritten, dass sich die Entscheidung über die Freigabe der Kaution auf die Preisgestaltung der Klägerin im Verhältnis zu ihren Kunden ausgewirkt habe. Die Klägerin müsse sich im Übrigen entgegenhalten lassen, dass sie die den Verfall der Sicherheit begründenden Umstände in vollem Umfang gekannt habe.

Mit Urteil vom 10. September 1998 hat das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main den Bescheid der BALM vom 10. Oktober 1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 16. Januar 1996 aufgehoben. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt: Die gegen den Bescheid vom 10. Oktober 1990 gerichtete Anfechtungsklage sei zulässig und auch begründet, denn der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten. In der voll umfänglichen Kautionsverfallserklärung und dem daran anknüpfenden Zahlungsverlangen liege die konkludente Rücknahme der zuvor erfolgten teilweisen Kautionsfreigabe. Als Rechtsgrundlage hierfür komme allein § 48 VwVfG in Betracht. Ein rechtswidriger Verwaltungsakt könne danach, auch nachdem er unanfechtbar geworden sei, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die durch die Lastschrift vom 2. Oktober 1989 ausgesprochene Kautionsfreigabe sei rechtswidrig gewesen, weil die von der Klägerin gestellte Verarbeitungskaution nach den einschlägigen Vorschriften des EG-Rechts vollständig für verfallen hätte erklärt werden müssen. Art. 22 Abs. 1 der VO (EWG) Nr. 2220/85 sehe einen Kautionsverfall in voller Höhe für die Menge vor, für die eine Hauptpflicht nicht erfüllt werde. Als Nichterfüllung einer Hauptpflicht gelte gem. Art. 22 Abs. 2 dieser Verordnung auch die Nichterbringung des Verarbeitungsnachweises innerhalb der vorgeschriebenen Frist. Da der Verarbeitungsnachweis der Klägerin erst am 28. September 1989, damit nach Ablauf der Nachweisfrist von sieben Monaten, eingegangen sei, fehle es an einer fristgemäßen Nachweiserbringung. Der "abgestufte" Kautionsverfall nach Art. 22 Abs. 3 der Verordnung greife nicht ein, weil dies die Wahrung der Sieben-Monats-Frist jedenfalls für die Ausstellung des Nachweises voraussetze. - Die Rücknahme der nach allem rechtswidrigen Kautionsfreigabe durch die Lastschrift vom 2. Oktober 1989 sei gleichwohl deshalb rechtsfehlerhaft, weil die Beklagte von dem ihr durch § 48 Abs. 1 VwVfG eingeräumten Rücknahmeermessen keinen Gebrauch gemacht und insoweit ermessensfehlerhaft gehandelt habe. Ein Ausschluss des Ermessens durch § 10 Abs. 1 des Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisation vom 27. August 1986 (MOG) scheide aus, weil für eine Anwendung dieser Vorschrift auf Verwaltungsakte im Rahmen der Kautionsverwaltung kein Raum sei. Die Ermessenserwägungen bei der Rücknahme der Kautionsfreigabe seien auch nicht deshalb entbehrlich gewesen, weil ein Fall der "Ermessensreduzierung auf Null" vorliege. Die Beklagte hätte vielmehr gem. § 48 Abs. 2 VwVfG prüfen müssen, ob die Klägerin schutzwürdig auf den Bestand der teilweisen Kautionsfreigabe habe vertrauen dürfen. Überlegungen hierzu seien in den angegriffenen Bescheiden nicht enthalten. Dass sich solche Überlegungen wegen einer Konstellation, die gem. § 48 Abs. 2 Satz 3 VwVfG die Berufung auf Vertrauensschutz ausschloss, erübrigt hätten, sei nicht ersichtlich. Die streitige Kautionsfreigabe sei weder durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung noch auch durch in wesentlicher Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt worden. Auch könne keine Rede davon sein, dass die Klägerin die Rechtswidrigkeit der Kautionsfreigabe gekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt habe. Rechtswidrig sei ferner die auf die Kaution bezogene Verfallerklärung in den angefochtenen Bescheiden. Nachdem die BALM die Kaution zu 85 % freigegeben und die Bürgschaftsurkunde an die Klägerin zurückgegeben habe, fehle es für eine derartige Verfallerklärung an dem erforderlichen "Substrat". - Die in dem angegriffenen Bescheid außerdem enthaltene Rückforderung des freigegebenen Kautionsbetrages könne ebenfalls keinen Bestand haben. Es sei nicht ersichtlich, woraus sich ein derartiger Anspruch ergeben sollte.

Nach Zustellung dieses Urteils am 7. Oktober 1998 hat die Beklagte Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Der Senat hat daraufhin mit Beschluss vom 30. Dezember 1998, der der Beklagten am 7. Januar 1999 zugestellt worden ist, die Berufung wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten und wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

In ihrer am 8. Februar 1999 beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof eingegangenen Berufungsbegründungsschrift macht die Beklagte geltend:

Das Verwaltungsgericht sei zutreffend von der Rechtswidrigkeit der Freigabe der Verarbeitungssicherheit in Höhe von noch 42.926,93 DM ausgegangen, weil die Sicherheit auf Grund der Vorschriften des Gemeinschaftsrechts in vollem Umfang für verfallen hätte erklärt werden müssen. Art. 5 Abs. 3 Satz 3 der VO (EWG) Nr. 2182/77 beschränke den nur anteiligen Kautionsverfall in Höhe von 15 % auf diejenigen Fälle, in denen ungeachtet der verspäteten Vorlage der Verarbeitungsnachweis jedenfalls innerhalb der Sieben-Monats-Frist ausgestellt worden sei.

Soweit dagegen das Verwaltungsgericht angenommen habe, die Rücknahme der Kautionsfreigabe sei gleichwohl rechtsfehlerhaft erfolgt, treffe dies nicht zu. Das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass bei der Rücknahme einer Kautionsfreigabe im Rahmen von Interventionskäufen das nationale Vertrauensschutzrecht des § 48 Abs. 2 VwVfG zur Anwendung komme. Für ein die Rücksichtnahme auf Vertrauensschutz eröffnendes "Rücknahmeermessen" sei nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) kein Raum. Dies gelte nicht nur für die Rücknahme von Vergünstigungen und Mengenregelungen im Sinne der §§ 6 und 8 MOG, sondern ganz allgemein für die Rückforderung zu Unrecht gewährter Vergünstigungen aus Mitteln des europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft. Gem. Art. 8 Abs. 1 der VO (EWG) Nr. 729/70 bestehe eine Verpflichtung der Mitgliedsstaaten zur Wiedereinziehung insbesondere bei unberechtigter Gewährung einer Vergünstigung in Form herabgesetzter Preise beim Interventionskauf. Die in § 48 Abs. 2 VwVfG getroffene Regelung über den Ausschluss der Rücknahme eines begünstigenden rechtswidrigen Verwaltungsakts aus Gründen des Vertrauensschutzes sei vor diesem Hintergrund nicht anwendbar. Der EuGH habe in der Rechtssache "Cormann" (Urteil vom 5. Dezember 1985 - 124/83 -) entschieden, dass die irrtümliche Freigabe einer die bestimmungsgemäße Verwendung von Interventionsbutter sichernden Verarbeitungskaution nicht zugleich die Befreiung von den übernommenen Hauptpflichten zur Verarbeitung zur Folge habe. Wegen des Fortbestandes dieser Pflichten treffe den Zuschlagsempfänger nach Gemeinschaftsrecht die Verpflichtung, den Differenzbetrag zwischen früher gezahltem Kaufpreis und Interventionspreis am Angebotstag zu zahlen. Es begründe einen Wertungswiderspruch zur Annahme einer Nachzahlungsverpflichtung und zur Nichtgewährung von Vertrauensschutz in dem vom EuGH entschiedenen Fall, wenn im Unterschied dazu bei der Rücknahme einer Kautionsfreigabe entsprechend der vorliegenden Fallgestaltung Vertrauensschutz gewährt werde. Das Argument, dass die Kautionsfreigabe einen eigenständigen Vertrauenstatbestand schaffe, greife nicht, denn der EuGH habe auch im Fall "Cormann" der irrtümlichen Freigabe einer Kaution keinen Einfluss auf die Pflicht zur Zahlung des Unterschiedsbetrages beigemessen. Der EuGH habe lediglich bei der Rückforderung von Beihilfen aus Gemeinschaftsmitteln die Möglichkeit einer gemeinschaftsrechtskonformen Anwendung nationalen Vertrauensschutzrechts bejaht (Urteile vom 16. Juli 1998 - C 298/96 - und vom 12. Mai 1998 - C 366/95 -). Diese Rechtsprechung lasse sich aber auf den vorliegenden Fall nicht übertragen. Vertrauensschutz könne hier schon auf der "Primärebene" nicht gewährt werden, weil es an der Erfüllung der Nachweispflicht fehle, so dass Gutgläubigkeit des Empfängers der Vergünstigung ausscheide. Der Wegfall von Vertrauensschutz bereits auf der Primärebene lasse einen an dieselben Umstände anknüpfenden Vertrauensschutz auf der Sekundärebene von vornherein entfallen.

Scheide aus den vorgenannten Gründen die Ausübung von Ermessen bei der Rücknahme der Entscheidung über die Freigabe der Sicherheit unter Anwendung der nationalen Regelungen über Vertrauensschutz aus, so sei das angefochtene Urteil ohne Weiteres aufzuheben und die Klage abzuweisen. Falls der erkennende Senat in diesem Punkt Bedenken habe, beantrage sie, die Beklagte, dem Europäischen Gerichtshof die Frage der Anwendbarkeit nationalen Vertrauensschutzrechts zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Selbst wenn für die Gewährung von Vertrauensschutz grundsätzlich Raum bleibe, sei ein der Rücknahme der Kautionsfreigabe entgegenstehendes schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin im Sinne des § 48 Abs. 2 VwVfG nicht ersichtlich. Für die Klägerin sei zu erkennen gewesen, dass ein nur teilweiser Sicherheitenverfall nur dann in Betracht komme, wenn die Verarbeitungsbescheinigung jedenfalls innerhalb der Nachweisfrist von sieben Monaten ausgestellt worden sei. Die Rücknahme der rechtswidrigen Kautionsfreigabe scheitere auch nicht an der Ausschlussfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG. Es bestehe kein Anhaltspunkt dafür, annehmen zu können, die BALM habe früher als ein Jahr vor Erlass der Lastschrift vom 10. Oktober 1990 die Rechtswidrigkeit der Freigabe der Sicherheit erkannt. Diese Erkenntnis habe die BALM vielmehr erst auf Grund des Schreibens der EG-Kommission vom 31. Mai 1990 erlangt.

Von der Verpflichtung der Beklagten zur Rücknahme der zu Unrecht erklärten Freigabe der Sicherheit ausgehend stehe der Erstattung der freigegebenen Kautionssumme durch die Klägerin auch nicht etwa das Urteil des EuGH vom 25. September 1984 in der Rechtssache "Koenecke" entgegen, denn im vorliegenden Fall gehe es nicht - wie in dem vorgenannten Verfahren - um eine Kaution mit "Sanktionscharakter". Die Verpflichtung der Klägerin zur Erstattung der Verarbeitungskaution folge aus § 49 a Abs. 1 Satz 1 VwVfG. Auf einen Wegfall der Bereicherung könne sich die Klägerin nicht berufen, da ein solcher Wegfall weder substantiiert dargelegt noch bewiesen sei. Der Möglichkeit, den Wegfall der Bereicherung geltend zu machen, stehe im Übrigen das Kennen bzw. Kennenmüssen der Klägerin bezüglich der die Rechtswidrigkeit der Kautionsfreigabe begründenden Umstände entgegen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 10. September 1998 aufzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie pflichtet der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bei und führt in ihrer Berufungserwiderung dazu im Einzelnen aus:

Auf die von der Beklagten behandelte Frage, ob bei Rücknahme der Kautionsfreigabe Ermessen auszuüben gewesen sei oder ob es sich um eine gebundene Entscheidung handele, komme es letztlich nicht an, denn auch bei Annahme einer gebundenen (Rücknahme-)Entscheidung gebe es keine Rechtsgrundlage für die Rückforderung ("Wiedereinziehung") der Kaution durch Verwaltungsakt. Als Rechtsgrundlage scheide zunächst die im Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 1996 genannte Bekanntmachung der BALM Nr. 55/87/31 vom 8. September 1987 zur Möglichkeit der Rückforderung des Geldbetrages einer zu Unrecht freigegebenen Kaution aus. Wenn die Beklagte meine, die fragliche Bekanntmachung sei "durch Vereinbarung Bestandteil des streitgegenständlichen Kaufvertrages geworden", so gehe das fehl, denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 50, 171) könne eine vertragliche Absprache nicht Grundlage eines belastenden Verwaltungsakts sein. Als Rechtsgrundlage für die Wiedereinziehung der Kaution komme aber auch § 7 der EWG-Sicherheitenverordnung vom 24. Oktober 1988, BGBl. I S. 2092, nicht in Betracht. In der amtlichen Begründung zu dieser Verordnung (BR-Drs. 383/88) werde klargestellt, dass in dieser Bestimmung nicht die Ermächtigung für die Wiedereinziehung einer zu Unrecht freigegebenen Kaution zu sehen sei. Die erforderliche Rechtsgrundlage könne sich allein aus den §§ 48, 49 a VwVfG ergeben. Ein darauf gestütztes Wiedereinziehungsverlangen scheitere wiederum daran, dass ein solches Verlangen auf eine unzulässige Rechtsausübung hinauslaufe. Die streitige Kaution könne nämlich nicht mehr den ihr zugedachten Zweck erfüllen, die Durchführung der Verarbeitung zu den vom Gemeinschaftsgesetzgeber vorgesehenen Bedingungen zu gewährleisten. Eine Wiedereinziehung bei nicht mehr realisierbarem Sicherungszweck stelle eine reine Sanktion für die Nichterfüllung der Hauptverpflichtung dar. Deren Verhängung sei aber, wie der EuGH in der Rechtssache "Koenecke" entschieden habe, nur bei explizit eingeräumter Sanktionsbefugnis möglich. Soweit bei der "Butterintervention" der Kautionszweck auch in der Absicherung des Unterschiedsbetrages zwischen dem für jede Ausschreibung festgesetzten Mindestverkaufspreis und dem Marktpreis der Butter bestehe, könne daraus für die hier streitige Rindfleischintervention nichts hergeleitet werden. Aus den insoweit einschlägigen EG-Verordnungen folge, dass sich die Verarbeitungskaution in ihrer Höhe nach der Endbestimmung des Fleisches richte und nicht - wie bei der Butter - nach dem Unterschied zwischen dem vom Zuschlagsempfänger gezahlten Preis und dem höheren Marktpreis. Der Kautionszweck bestehe also bei der Rindfleischintervention in der Sicherung der Verarbeitung im Interesse der Subventionsziele der Gemeinschaft; das aber schließe eine auf die Absicherung von Unterschiedsbeträgen zielende Zweckbestimmung aus.

Als Rechtsgrundlage für die Wiedereinziehung des streitigen Kautionsbetrages komme auch die direkte Anwendung von Normen des Gemeinschaftsrechts nicht in Betracht. Der EuGH weise in der Rechtssache "Cormann" ausdrücklich darauf hin, dass die Wiedereinziehung von zu Unrecht abgeflossenen Beträgen der Gemeinschaft im Rahmen von Interventionen nach den einzelstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erfolgen habe.

Die Beklagte hat in einer Replik der Auffassung der Klägerin widersprochen, dass das Verlangen nach Wiederstellung der Kaution wegen nicht mehr realisierbaren Sicherungszwecks auf eine unzulässige Rechtsausübung hinauslaufe. Sie macht in diesem Zusammenhang geltend, dass auch die auf der Grundlage der Verordnung (EWG) Nr. 2294/88 gestellte Kaution der Absicherung des Unterschiedsbetrages zwischen herabgesetztem Mindestpreis und Marktpreis diene. Von daher sei im vorliegenden Fall nicht das Urteil des EuGH in der Rechtssache "Koenecke", sondern dessen Urteil in der Rechtssache "Cormann" einschlägig. Die unterschiedliche Art der Berechnung der Kautionshöhe einerseits bei der Butterintervention, andererseits bei der Rindfleischintervention könne dem nicht entgegengehalten werden. Auch bei der hier streitigen Kaution sei der Unterschied zwischen Marktpreis und Mindestverkaufspreis der bestimmende Faktor, wie sich bereits aus einer Gegenüberstellung der insoweit anzusetzenden Beträge ergebe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nach erfolgter Zulassung durch den Senat und fristgemäßer Begründung durch die Beklagte zulässig. Sie hat darüber hinaus auch in der Sache Erfolg. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage, die aus den von ihm genannten Gründen ihrerseits zulässig ist, abweisen müssen, denn der von der Klägerin angefochtene Bescheid der BALM vom 10. Oktober 1990 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 16. Januar 1996 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Was den Regelungsgehalt des angefochtenen Bescheides angeht, so hat das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass darin auch die Rücknahme einer in der Lastschrift der BALM vom 2. Oktober 1989 zum Ausdruck gebrachten Freigabe der von der Klägerin gestellten Sicherheit in Höhe von 85 % zu sehen ist. Die Rücknahme dieser Freigabe ergibt sich aus dem Ausspruch des Sicherheitsverfalls in voller Höhe. So wie in dem auf 15 % der Sicherheit beschränkten Verfall in der Lastschrift vom 2. Oktober 1989 als begünstigendem Verwaltungsakt die "Freigabe" bezüglich des Restes - also in Höhe von 85 % - der Sicherheit liegt, enthält der dem entgegengesetzte Ausspruch des vollumfänglichen Sicherheitsverfalls im Bescheid der BALM vom 10. Oktober 1990 die Rücknahme dieser Freigabe. Der von der Beklagten auf Seite 4 ihres Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 1996 vertretenen Auffassung, die Notwendigkeit der Rücknahme einer zuvor ausgesprochenen Sicherheitsfreigabe habe sich gar nicht gestellt, weil die BALM mit der Lastschrift vom 2. Oktober 1989 "nur über den Verfall von 15 v. H. der Verarbeitungssicherheit, nicht aber über die Freigabe im Übrigen" entschieden habe, kann nicht gefolgt werden. Dass die BALM seinerzeit die restliche Sicherheit bewusst und gewollt hat freigeben wollen, zeigt sich unmissverständlich in der Ankündigung der Rückgabe der Bürgschaftsurkunde "nach Eingang des Verfallbetrages" in der Lastschrift vom 2. Oktober 1989 sowie daran, dass wenig später - mit Schreiben vom 24. Januar 1990 - die Bürgschaftsurkunde auch tatsächlich zurückgegeben worden ist.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts war die Rücknahme der Sicherheitsfreigabe - als Grundlage wiederum des an die Klägerin ausdrücklich gerichteten Zahlungsverlangens - aber auch rechtmäßig. Bei der Freigabe handelte es sich um einen rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt, der nach § 48 Abs. 1 VwVfG zurückgenommen werden durfte, da ein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin auf den Bestand des Verwaltungsakts im Sinne des § 48 Abs. 2 VwVfG nicht begründet und die Rücknahmefrist von einem Jahr seit Kenntniserlangung der Behörde von den die Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsakts rechtfertigenden Tatsachen (§ 48 Abs. 4 VwVfG) noch nicht abgelaufen war.

Von der Rechtswidrigkeit der Sicherheitsfreigabe in der Lastschrift vom 2. Oktober 1989 ist zu Recht bereits das Verwaltungsgericht ausgegangen. Nach den einschlägigen Vorschriften des EG-Rechts war die in Form einer selbstschuldnerischen Bürgschaft gestellte Verarbeitungssicherheit in voller Höhe verfallen. Die Klägerin hatte den Nachweis der ordnungsgemäßen Verarbeitung des von ihr angekauften Rindfleischs nicht, wie es Art. 5 Abs. 2 der VO (EWG) Nr. 2182/77 vorschreibt, "binnen sieben Monaten" nach dem Abschlussdatum des Verkaufsvertrags beigebracht. Die genannte Frist war bereits bei Vorlage der Verarbeitungsanzeigen am 18. April 1989 überschritten. Erst am 31. Mai 1989 - d. h. mit Ablauf des 8. Folgemonats - wurde die Verarbeitungsbescheinigung erstellt, und deren Vorlage bei der BALM erfolgte dann erst am 28. September 1989, somit kurz vor Ablauf des 13. Folgemonats. Die verspätete Nachweiserbringung führte nach der in Art. 22 der VO (EWG) Nr. 2220/85 getroffenen Regelung zum vollumfänglichen Verfall der von der Klägerin gestellten Verarbeitungssicherheit. Soweit sich aus Abs. 3 dieser Vorschrift ein auf 15 % des Gesamtbetrages beschränkter - "abgestufter" - Kautionsverfall unter der Voraussetzung ergibt, dass eine noch innerhalb der Frist von 7 Monaten ausgestellte Verarbeitungsbescheinigung innerhalb von 18 Monaten nach Ablauf dieser Frist vorgelegt wird, war dafür im Falle der Klägerin kein Raum, denn hier erfolgte - wie bereits dargelegt - schon die Erstellung des Nachweises außerhalb der Sieben-Monats-Frist. Die auf 15 % des Gesamtbetrages der Sicherheit beschränkte Verfallerklärung in der Lastschrift vom 3. Oktober 1989 und, damit einhergehend, die Freigabe der Sicherheit im Übrigen waren somit rechtswidrig. Wie das Schreiben der BALM an das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 19. April 1990 zeigt, hatte diese von einem Sicherheitsverfall in voller Höhe deshalb abgesehen, weil sie darin eine nicht gerechtfertigte Gleichstellung der noch fristgerechten, aber verspätet angezeigten Verarbeitung mit dem Fall sah, dass die Ware überhaupt nicht oder vollständig zweckwidrig verarbeitet wurde. Das Schreiben der Kommission vom 31. Mai 1990 stellte dann klar, dass die Sanktion des vollständigen Kautionsverfalls auch im erstgenannten Fall den Risiken bei verspäteter Erbringung des Nachweises vorbeugen solle und aus diesem Grunde nicht als unverhältnismäßig bezeichnet werden könne.

Nach § 48 Abs. 2 VwVfG darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistungen gewährt oder - wie im vorliegenden Fall - hierfür Voraussetzung ist, nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist gem. § 48 Abs. 2 Satz 2 VwVfG in aller Regel dann schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. § 48 Abs. 2 Satz 3 VwVfG benennt im Übrigen besonders gelagerte Fallgestaltungen, in denen eine Berufung des Begünstigten auf Vertrauensschutz von vornherein ausscheidet. Diese Regelungen kommen grundsätzlich auch bei der Rückforderung von Gemeinschaftsmitteln einschließlich der Rückgängigmachung einer zu Unrecht gewährten Kautionsfreigabe zur Anwendung. Wie der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 21. September 1983 - Az. 205/82 - ("Deutsches Milchkontor") entschieden hat, ist der in nationalen Rechtsvorschriften vorgesehene Ausschluss der Rückforderung wegen Vertrauensschutzes, Wegfalls der ungerechtfertigten Bereicherung, Fristablaufs oder Kenntnis bzw. grob fahrlässiger Unkenntnis der Behörde mit dem Gemeinschaftsrecht zu vereinbaren. Bei Anwendung solcher Vorschriften muss lediglich gewährleistet sein, dass die Rückforderung von Gemeinschaftsmitteln den gleichen Voraussetzungen unterliegt wie die Wiedereinziehung rein nationaler Geldleistungen und dass das Interesse der Gemeinschaft voll berücksichtigt wird. An dieser Rechtsprechung hat der Europäische Gerichtshof auch später festgehalten (vgl. etwa Urteile vom 12.05.1998 - C 366/95 - sowie vom 16.07.1998 - C 298/96 -).

Die Klägerin kann sich im vorliegenden Fall nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen mit Rücksicht darauf berufen, dass sie nach dem Ankauf des Interventionsfleischs durch den Weiterverkauf und der Weitergabe der preislichen Vergünstigung an ihre Kunden im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 2 VwVfG eine Vermögensdisposition getroffen habe, die sie nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen könne. Soweit in der Weitergabe des Preisvorteils an die Kunden eine Vermögensdisposition zu sehen ist, erfolgte diese zu einer Zeit, als ein Vertrauen in die Freigabe der Sicherheit und deren Fortbestand noch nicht begründet sein konnte. Wegen der erst nach Ablauf der Frist von 7 Monaten für die Beibringung des Verarbeitungsnachweises erfolgenden Anzeige der Verarbeitung des angekauften Rindfleischs musste vielmehr die Klägerin mit dem vollständigen Verfall der von ihr gestellten Sicherheit rechnen. Sie hat also zum damaligen Zeitpunkt keine Vermögensdisposition im berechtigten Vertrauen auf eine Rückgewähr der gestellten Sicherheit treffen können. Soweit dann durch die Lastschrift vom 2. Oktober 1989 auf Grund eines Rechtsanwendungsfehlers der BALM die Sicherheit trotz verspäteter Erstellung der Verarbeitungsbescheinigung freigegeben worden ist, konnte sich wiederum daran ein schutzwürdiges Vertrauen mangels Kausalität für die schon vorher getroffene Vermögensdisposition nicht mehr knüpfen. Ein aus der Vornahme einer Vermögensdisposition resultierendes schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin scheidet nach allem aus. Andere Gründe für die Entstehung eines solchen Vertrauens sind aber nicht ersichtlich, so dass von einem Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Rücknahme der rechtswidrigen Sicherheitsfreigabe auszugehen ist.

Die Rücknahme der Freigabe scheitert auch nicht an der in § 48 Abs. 4 VwVfG geregelten Frist von einem Jahr, seitdem die Behörde "von Tatsachen Kenntnis" erhalten hat, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts rechtfertigen. Als Kenntniserlangung in diesem Sinne ist auch die nachträgliche Erkenntnis fehlerhafter Rechtsanwendung und die dadurch ermöglichte Neubewertung bekannter Tatsachen anzusehen (vgl. BVerwG, Großer Senat, Beschluss vom 19.12.1984, BVerwGE 70, 356, sowie, dieser Entscheidung zustimmend, Knack, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Auflage 2004, § 48 Rn. 77). Die Erkenntnis, den im Falle der Klägerin auszusprechenden Sicherheitsverfall zu Unrecht auf 15 % beschränkt zu haben, ist der BALM als der seinerzeit zuständigen Behörde erst durch die Rechtsauskunft der EG-Kommission vom 31. Mai 1990 vermittelt worden. Hiervon ausgehend war bei der Rücknahme der Sicherheitsfreigabe durch den Bescheid vom 10. Oktober 1990 die Jahresfrist noch nicht abgelaufen.

Die Rücknahme der Sicherheitsfreigabe erweist sich auch nicht deshalb als rechtswidrig, weil die BALM - wie das Verwaltungsgericht annimmt - ein ihr zustehendes Ermessen fehlerhaft nicht ausgeübt hätte. Soweit nach einer Verneinung der Voraussetzungen für die Gewährung von Vertrauensschutz die Kann-Formulierung der gesetzlichen Ermächtigung in § 48 Abs. 1 VwVfG noch Raum dafür belässt, von der Rücknahme des rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts abzusehen (dazu: Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 48 Rn. 49 und 112), handelt es sich um ein "Zweckmäßigkeits-" oder "Opportunitätsermessen", welches nach den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts bei der Rückgängigmachung zu Unrecht gewährter Leistungen aus Gemeinschaftsmitteln von vornherein ausscheidet. Aus Art. 8 der Verordnung (EWG) Nr. 729/70 des Rates vom 21. April 1970 über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik ergibt sich die zwingende Verpflichtung der Mitgliedsstaaten, "die infolge von Unregelmäßigkeiten oder Versäumnissen abgeflossenen Beträge wieder einzuziehen". Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist mit dieser Verpflichtung nicht zu vereinbaren "die Ausübung eines Ermessens hinsichtlich der Frage, ob die Rückforderung der zu Unrecht oder vorschriftswidrig gewährten Gemeinschaftsmittel zweckmäßig ist" (Urteil vom 21.09.1983 - Az. 205/82 -, Ziff. 22 der Gründe). Der Europäische Gerichtshof lässt zwar, wie oben bereits dargelegt, die in § 48 Abs. 2 VwVfG vorgesehene Einschränkung der Rücknahmemöglichkeit durch Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes zu, schließt aber - in klarer Abgrenzung hierzu - ein darüber hinausgehendes Ermessen bei der Rücknahme oder Rückforderung als mit Gemeinschaftsrecht unvereinbar aus. Das ist auch bei der hier streitigen Rücknahme einer zu Unrecht erfolgten Sicherheitsfreigabe zu beachten, weshalb es für den vom Verwaltungsgericht angenommenen Ermessensfehler des Ermessensnichtgebrauchs keine tragfähige Grundlage gibt. Das Verwaltungsgericht ist zu seiner davon abweichenden Auffassung ganz offensichtlich deshalb gelangt, weil es zwischen der Prüfung, ob der Rücknahme der Sicherheitsfreigabe Vertrauensschutz entgegensteht, und einer danach noch verbleibenden Ermessensprüfung nicht unterschieden hat. Deutlich zeigt sich dies auf Seite 13 des erstinstanzlichen Urteils, wo das Vorliegen eines Ermessensfehlers damit begründet wird, dass den angegriffenen Bescheiden "irgendwelche Überlegungen zum Vertrauensschutz der Klägerin" nicht zu entnehmen seien.

Ist aus den dargelegten Gründen die Freigabe der Sicherheit rechtmäßig zurückgenommen worden, so hat auch die in dem Bescheid der BALM vom 10. Oktober 1990 ausdrücklich ausgesprochene Heranziehung der Klägerin zur Zahlung des davon erfassten Betrages der Sicherheit Bestand. Die diesbezügliche Forderung findet ihre Grundlage in § 49 a VwVfG, wonach eine bereits erbrachte Leistung unter anderem dann "zu erstatten" ist, wenn ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist. Dass die mit der Freigabe der Sicherheit verbundene Leistung nicht ihrerseits in einer Zahlung, sondern unmittelbar darin bestand, das bürgende Kreditinstitut aus seiner selbstschuldnerischen Bürgenhaftung und als deren Folge wiederum die Klägerin aus ihrer eigenen Verpflichtung dem Kreditinstitut gegenüber zu entlassen, steht einer "Erstattung" über eine Geldzahlung, wie sie der Klägerin auferlegt worden ist, nicht entgegen. Eine Erstattung "in natura" scheidet nach der Art der der Klägerin gewährten Leistung aus, denn die - durch die Freigabe bewirkte - Entlassung des Kreditinstituts aus seiner Bürgenhaftung ist nicht in dem Sinne "umkehrbar", dass die Klägerin diese Entlassung aus eigener Kraft - d. h. ohne Mitwirkung und entsprechende Bereitschaft ihres Kreditinstituts - wieder rückgängig machen könnte. In einem solchen Fall finden auf Grund der Verweisung in § 49 a Abs. 2 VwVfG die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung entsprechende Anwendung. Nach § 818 Abs. 2 BGB hat der Empfänger der Leistung, soweit ihm die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich oder er aus einem anderen Grunde zur Herausgabe außer Stande ist, "den Wert zu ersetzen". Der Wertersatz für das durch die rechtswidrige Freigabe der Sicherheit bewirkte Freiwerden von der Haftung besteht aber in nichts anderem, als dass die Klägerin nunmehr den Betrag der Sicherheit zahlt, denn in eben diesem Betrag schlägt sich der Wert der von ihrer Bank übernommenen selbstschuldnerischen Bürgschaft nieder. Die Schuldnerstellung eines Kreditinstituts, welches sich selbstschuldnerisch verbürgt und damit auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat (§ 773 Abs. 1 Nr. 1 BGB), steht, was ihren "Wert" angeht, hinter einer "Barsicherheit" (Hinterlegung einer Geldsumme) nicht zurück. Als prinzipiell gleichwertig werden die Barsicherheit und die Sicherheitsleistung durch selbstschuldnerische Bürgschaft auch in § 3 der Verordnung des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 24. Oktober 1988, BGBl. I S. 2092, behandelt. Dem entspricht es wiederum, dass die Bekanntmachung Nr. 55/87/31 der BALM "über die allgemeinen Bedingungen für den Verkauf von Rindfleisch aus Interventionen" vom 8. September 1987 (BAnz. Nr. 172 vom 16.09.1987) unter der Ziffer 8.8 unterschiedslos - d. h. sowohl auf die Barsicherheit als auch auf das Sicherungsmittel der selbstschuldnerischen Bürgschaft bezogen - die Rückforderung des entsprechenden Geldbetrages vorsieht, soweit eine Sicherheit zu Unrecht freigegeben worden ist.

Das durch § 49 a VwVfG gestützte Zahlungsverlangen der Beklagten scheitert nicht etwa gem. § 49 a Abs. 2 in Verbindung mit § 818 Abs. 3 BGB an einem Wegfall der Bereicherung. Die Klägerin beruft sich in diesem Zusammenhang darauf, sie habe den mit dem günstigen Einkauf des Rindfleischs verbundenen Preisvorteil an ihre Kunden "weitergegeben". Darauf kommt es hier aber nicht an. Entscheidend ist vielmehr die Bereicherung der Klägerin, die als Folge der rechtswidrigen Sicherheitsfreigabe darin liegt, dass sie selbst gegenüber ihrem Kreditinstitut aus ihrer Haftung bei verfallsbedingtem Zugriff auf die selbstschuldnerische Bürgschaft entlassen worden ist. Dass diese Bereicherung entfallen sei, macht die Klägerin selbst nicht geltend.

Da insgesamt der Bescheid der BALM vom 10. Oktober 1990 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 16. Januar 1996 nicht zu beanstanden ist, muss das stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen werden.

Als unterliegende Partei hat die Klägerin die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils im Kostenpunkt findet seine Grundlage in § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO.

Ein Anlass, das Verfahren auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof gem. Art. 234 Abs. 1 Satz 2 des EG-Vertrages die von der Beklagten aufgeworfene europarechtliche Frage zur Beantwortung vorzulegen, besteht nicht.

Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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