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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 14.03.2006
Aktenzeichen: 9 TG 512/06
Rechtsgebiete: AufenthG, SGB II, VwGO


Vorschriften:

AufenthG § 2 Abs. 3
AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 1
SGB II § 11 Abs. 2
SGB II § 30
VwGO § 146 Abs. 4 S. 6
1. Ist es dem Beschwerdeführer gelungen, mit der Beschwerdebegründung die tragenden Gründe einer zu seinem Nachteil ergangenen erstinstanzlichen Entscheidung erfolgreich in Zweifel zu ziehen, ist das Beschwerdegericht durch § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nicht gehindert und - soweit der Fall dazu Anlass bietet - sogar gehalten, zu prüfen, ob sich die angegriffene Entscheidung zwar nicht mit der Begründung des Verwaltungsgerichts, wohl aber aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig erweist (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung des Senats).

2. Die Berechnung des zur Sicherung des Lebensunterhalts eines erwerbsfähigen Ausländers notwendigen Bedarfs im Sinne der §§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 2 Abs. 3 AufenthG ist an den einschlägigen Bestimmungen des Sozialgesetzbuches 2. Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2954) - SGB II - zu orientieren.

3. Im Falle der Erwerbstätigkeit eines solchen Ausländers scheidet bei der Bedarfsermittlung zum Zwecke der Feststellung des Vorliegens der Erteilungsvoraussetzung nach §§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 2 Abs. 3 AufenthG eine Reduzierung des zur Verfügung stehenden Einkommens um die nach §§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 in Verbindung mit 30 SGB II abzusetzenden Freibeträge aus.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

9 TG 512/06

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Ausländerrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 9. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Teufel, Richter am Hess. VGH Prof. Dr. Fischer, Richter am Hess. VGH Seggelke

am 14. März 2006 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 13. Februar 2006 - 4 G 1977/05(4/1) - abgeändert.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 21. November 2005 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,-- € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den im Tenor der vorliegenden Entscheidung näher bezeichneten erstinstanzlichen Beschluss ist nach § 146 Abs. 1 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg, da das Gericht erster Instanz das Eilrechtsschutzgesuch des Antragstellers nach § 80 Abs. 5 VwGO zu Unrecht zurückgewiesen hat.

Das Verwaltungsgericht führt zur Begründung des angefochtenen Beschlusses aus, die Antragsgegnerin habe die Ablehnung der von dem Antragsteller beantragten Aufenthaltserlaubnis mit Bescheid vom 21. November 2005 nicht allein auf die Erwägung gestützt, dass der Lebensunterhalt des Antragstellers und seiner Ehefrau nicht gesichert erscheine, was nach den zwischenzeitlich vorgelegten Unterlagen möglicherweise so nicht mehr aufrechterhalten werden könne. Die Ablehnungsentscheidung der Antragsgegnerin beruhe vielmehr auch auf der Nichtvorlage eines gültigen Reisepasses durch den Antragsteller. Dies sei nach wie vor der Fall. Der Antragsteller habe weder gegenüber der Behörde, noch gegenüber dem Gericht in den anhängigen Verfahren den Nachweis über die Erfüllung seiner Passpflicht geführt. Er habe lediglich eine Bescheinigung des Generalkonsulats der Republik Kroatien vom 22. Juli 2005 vorgelegt, nach der er die Ausstellung eines Reisepasses beantragt habe. Da sein Pass am 21. Mai 2005 abgelaufen sei, erfülle er seitdem seine Passpflicht nicht mehr. Gründe, die ein Absehen von dieser Erteilungsvoraussetzung (§§ 5 Abs. 1, 3 Abs. 1 AufenthG) rechtfertigten, seien nicht vorgetragen.

Dem ist der Antragsteller mit der Beschwerdebegründung unter Verweis darauf entgegengetreten, er sei entgegen den Ausführungen in den Beschlussgründen im Besitz eines gültigen Reisepasses. Dieser Gesichtspunkt sei durch die Antragsgegnerin erst viel später aufgegriffen worden, so dass hierauf noch keine Vorlage des Reisepasses erfolgt sei. Abgesehen davon seien seine Lebensverhältnisse aufgrund des Arbeitsvertrages seiner Gattin gesichert.

Mit diesen Ausführungen in der Beschwerdebegründung, nach denen sich der Umfang der rechtlichen Prüfung durch den Senat im Beschwerdeverfahren zunächst bestimmt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), ist die Richtigkeit der maßgeblichen Erwägungen, die das Verwaltungsgericht zu seiner ablehnenden Entscheidung über das Eilrechtsschutzgesuch bewogen haben, entscheidend in Frage gestellt.

Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 5 Abs. 1 AufenthG setzt - neben weiteren gesetzlichen Anforderungen - in der Regel voraus, dass die Passpflicht nach § 3 AufenthG erfüllt wird. Nach Absatz 1 der letztgenannten Regelung dürfen Ausländer nur in das Bundesgebiet einreisen oder sich darin aufhalten, wenn sie einen anerkannten oder gültigen Pass oder Passersatz besitzen, sofern sie von der Passpflicht nicht durch Rechtsverordnung befreit sind. Vorliegend verfügte der Antragsteller zwar zeitweilig über keinen gültigen Reisepass, da das ihm am 4. August 2000 ausgestellte entsprechende Dokument lediglich bis zum 4. August 2005 gültig war (vgl. die Passkopie Blatt 155 der Ausländerakte). Auf seinen am 22. Juli 2005 bei dem Generalkonsulat seines Heimatlandes gestellten Antrag auf Ausstellung eines neuen Reisepasses wurde ihm jedoch am 6. September 2005 ein neues Reisedokument mit einer Gültigkeitsdauer bis zum 6. September 2010 ausgestellt. Dies ergibt sich aus der Niederschrift über die am 22. Februar 2006 im Hauptsacheverfahren 4 E 1976/05 durchgeführte öffentliche Sitzung (vgl. dort Seite 2 unten) sowie der von dem Bevollmächtigten des Antragstellers am 15. Februar 2006 in diesem Verfahren übermittelten Ablichtung des betreffenden Dokuments (vgl. Blatt 51 der Gerichtsakte).

Ist es dem Antragsteller danach gelungen, die tragenden Gründe der zu seinem Nachteil ergangenen erstinstanzlichen Entscheidung erfolgreich in Zweifel zu ziehen, erweist sich die angegriffenen Entscheidung auch nicht aus anderen - von dem Gericht erster Instanz bei seiner Entscheidungsfindung nicht berücksichtigten - Gründen als jedenfalls im Ergebnis richtig.

Zu einer Prüfung dieses Aspekts sieht sich der Senat ungeachtet der durch § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO bewirkten Beschränkung des gerichtlichen Prüfungsumfangs gehalten. Zwar prüft das Beschwerdegericht nach dieser Regelung grundsätzlich nur die vom Beschwerdeführer dargelegten Gründe, die sich im Regelfall (nur) mit den in der angefochtenen Entscheidung zum Ausdruck kommenden rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen befassen und sich - wie auch vorliegend - nicht oder jedenfalls nicht vertieft auf Aspekte beziehen, die in der Entscheidung erster Instanz nicht angesprochen wurden. § 146 Abs.4 Satz 6 VwGO begrenzt im Interesse der Beschleunigung des Beschwerdeverfahrens den Kontrollumfang des Beschwerdegerichts in verbindlicher Weise allerdings nur insoweit, als das Gericht über die vom Beschwerdeführer dargelegten Gründe hinaus zu dessen Gunsten keine weiteren Gesichtspunkte in die Rechtsprüfung einbeziehen darf. Selbst wenn es dem Beschwerdeführer gelingt, die tragenden Gründe einer zu seinem Nachteil ergangenen erstinstanzlichen Entscheidung erfolgreich in Zweifel zu ziehen, ist das Beschwerdegericht indes nicht gehindert und - soweit der Fall dazu Anlass bietet - sogar gehalten, zu prüfen, ob sich die angegriffene Entscheidung zwar nicht mit der Begründung des Verwaltungsgerichts, wohl aber aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig erweist. Es kann nämlich vom Gesetz nicht gewollt sein, dass das Beschwerdegericht - wenn wie vorliegend die Möglichkeit einer Zurückverweisung an das Verwaltungsgericht in entsprechender Anwendung des § 130 Abs.2 VwGO oder auch gemäß § 123 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 572 Abs. 3 ZPO ausscheidet (vgl. dazu im Einzelnen Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 146 Rdnr. 43) - eine dem Beschwerdeführer nachteilige Entscheidung wegen deren unzutreffender Begründung aufheben müsste, obgleich erkennbar ist, dass sich diese Entscheidung aus anderen als den ausdrücklich angegebenen Gründen als richtig erweist (st. Rspr. des Senats, vgl. zuletzt Beschluss vom 2. Januar 2006 - 9 TG 3043/05 -).

Entgegen der von der Antragsgegnerin in dem angefochtenen Bescheid im Einzelnen begründeten Auffassung steht der Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels an den Antragsteller nicht das Fehlen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG entgegen. Aus diesem Rechtsgrund kann mithin eine (Ergebnis-) Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses erster Instanz nicht abgeleitet werden.

Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG setzt die Erteilung eines Aufenthaltstitels neben der Erfüllung der Passpflicht und der in Nr. 1 a bis Nr. 3 der Vorschrift aufgeführten weiteren Erteilungsvoraussetzungen in der Regel die Sicherung des Lebensunterhalts voraus. Nach der Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist der Lebensunterhalt eines Ausländers gesichert, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Bei der Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug werden Beiträge der Familienangehörigen zum Haushaltseinkommen berücksichtigt (Satz 3 der Regelung).

Von der Erfüllung dieses Erfordernisses ist zu dem maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats auszugehen.

Im Hinblick auf die Berechnung des zur Sicherung des Lebensunterhalts eines Ausländers notwendigen Bedarfs orientiert sich der Senat in ständiger Rechtsprechung regelmäßig an den Bestimmungen des Sozialgesetzbuches 2. Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2954) - SGB II (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 2. Januar 2006 - 9 TG 2719/05 und 9 TP 2720/05 -). Für den Antragsteller und seine mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebende Ehefrau ergäbe sich aus den einschlägigen Bestimmungen dieses Gesetzes eine monatliche Regelleistung für die Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 621,-- € (= 90 % der doppelten Regelleistung pro Monat für Alleinstehende i. H. v. 345,-- €; vgl. dazu §§ 20 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 und 7 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Nr. 3 a SGB II). Durch diese Regelleistung wird der gesamte Bedarf zur Sicherung des notwendigen Lebensunterhalts mit Ausnahme der Unterkunfts- und Heizkosten gemäß § 22 SGB II sowie der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung (§ 26 SGB II) beziffert. Ein gesonderter Zuschlag für einen unregelmäßig entstehenden Bedarf entfällt (vgl. dazu auch OVG Berlin, Beschluss vom 10. März 2005 - OVG 2 M 70.04 -, AuAS 2005, 110). Da der Antragsteller und seine Ehefrau monatliche Aufwendungen für Miete und Unterkunft in Höhe von 200 € nachgewiesen haben, beträgt der zur Deckung des Lebensunterhalts notwendige monatliche Bedarf in ihrem Fall insgesamt 821,-- €.

Das nach näherer Bestimmung des § 2 Abs. 3 Satz 3 AufenthG anrechenbare Einkommen der Ehefrau des Antragstellers aus unselbständiger Erwerbstätigkeit reicht aus, um diesen Bedarf der Eheleute im Fall der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an den Antragsteller ohne die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel zu decken.

Der Antragsteller hat durch Vorlage eines von seiner Ehefrau mit der Firma L. Warenhaus AG am 20. Oktober 2005 geschlossenen Arbeitsvertrages und von Verdienstabrechnungen für die Monate November und Dezember 2005 sowie Januar 2006 im Hauptsacheverfahren nachgewiesen, dass seine Ehefrau aus diesem Beschäftigungsverhältnis ein monatliches Bruttoeinkommen von 1.403,26 € erzielt, von dem ihr im Januar 2006 ein monatliches Nettoeinkommen von 1.091,73 € verblieb. Soweit die Antragsgegnerin in dem angefochtenen Bescheid und auch noch im Hauptsacheverfahren die Auffassung vertreten hat, die Einkommensverhältnisse der Ehefrau des Antragstellers seien als ungeklärt anzusehen und es sei nicht einmal nachgewiesen, dass diese ihre Arbeitsstelle bei der Firma L. nach Abschluss des Arbeitsvertrages überhaupt angetreten habe, ist dieser Einwand mit Vorlage der genannten Verdienstbescheinigungen ausgeräumt.

Zur Feststellung des zu berücksichtigenden Einkommens und eines etwaigen Mehrbedarfs ist von diesem der Ehefrau des Antragstellers mithin zur Verfügung stehenden Nettoeinkommen in Höhe von 1.091,73 € gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II ein Betrag von 100,-- € abzusetzen (pauschalisierte Berücksichtigung der nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 5 SGB II vom Einkommen abzurechnenden Beträge). Damit verbleibt dem Antragsteller und seiner Ehefrau ein anrechenbares Familieneinkommen von 991,73 €, das den familiären Lebensbedarf abdeckt.

Dagegen scheidet nach Auffassung des Senats im Zusammenhang mit der Bedarfsermittlung zum Zwecke der Feststellung der Erfüllung der Erteilungsvoraussetzung nach §§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 2 Abs. 3 AufenthG eine weitere Einkommensreduzierung um die nach §§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 i. V. m. 30 SGB II vom Einkommen abzusetzenden Freibeträge aus. Die Unterschreitung des monatlichen Mindestbedarfs um 11,44 €, die sich im Falle einer Berücksichtigung dieser Beträge vorliegend ergeben würde (991,73 € abzüglich 179,17 € [= 20 % von 800,-- € zuzüglich 10 % 191,73 €]; vgl. dazu § 30 Satz 2 SGB II), erweist sich danach in Bezug auf das Vorliegen dieses Erfordernisses als unschädlich. Es bedarf folglich auch keiner weiteren Erörterung, ob eine Diskrepanz zwischen Mindestbedarf und anrechenbarem Einkommen in dieser geringen Höhe geeignet ist, die an das Nichtvorliegen des Merkmals der Sicherung des Lebensunterhalts im Regelfall anknüpfende Rechtsfolge der Erlaubnisversagung auszulösen.

Maßgeblich für die Auslegung vorgenannter aufenthaltsrechtlicher Bestimmungen in diesem Sinne spricht schon die unterschiedliche Zielrichtung, die der Gesetzgeber mit der Pauschalierungsregelung des § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II einerseits und der Berücksichtigung von Freibeträgen nach §§ 11 Abs. 2 Nr. 6, 30 SGB II andererseits verfolgt. Im ersten Fall handelt es sich nämlich um die - pauschale - Anrechnung solcher Beträge, in denen sich ein konkreter Bedarf ausdrückt, weil sie zur Vorsorge aufgewendet werden müssen und das zur Sicherung des Lebensunterhalts zur Verfügung stehende Erwerbseinkommen deshalb tatsächlich schmälern. Demgegenüber geht der Sinn und Zweck der Minderung des zur Deckung des Existenzminimums an sich ausreichenden Erwerbseinkommens nach letztgenannter Bestimmung dahin, für erwerbstätige Hilfsbedürftige einen finanziellen Anreiz zur Aufnahme oder Beibehaltung von - auch nicht bedarfsdeckender - Erwerbstätigkeit zu schaffen. Derjenige, der arbeitet, soll mehr Geld zur Verfügung haben als derjenige, der trotz Erwerbsfähigkeit nicht arbeitet (vgl. die Gesetzesbegründung zu § 30 SGB II, BT-Drs. 15/1638, 59 f.). Würde die danach eine Begünstigung beabsichtigende Norm im Rahmen der gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gebotenen Prognose fiktiv einkommensmindernd berücksichtigt, würde für den die Verfestigung seines Aufenthalts erstrebenden Ausländer statt der intendierten Besserstellung im Bereich des Ausländerrechts eine nachteilige Wirkung herbeigeführt. Dass der Gesetzgeber mit der Aufnahme der Freibetragsregelung in das SGB II eine solche erhebliche Verschärfung der Anforderungen an die Erlangung eines Aufenthaltstitels für erwerbstätige Ausländer in den Blick genommen oder gar beabsichtigt hat, ist nicht erkennbar (vgl. dazu zutreffend auch VG Berlin, Urteil vom 23. September 2005 - VG 25 A 329.02 -, InfAuslR 2006, 21 ff.).

Eine andere Betrachtung gebietet auch nicht das von § 5 Abs. 1 Nr. 1 verfolgte gesetzgeberische Ziel, neu entstehende Soziallasten für die öffentliche Hand zu verhindern. Diesem bedeutsamen öffentlichen Interesse der Bundesrepublik Deutschland wird ausreichend bereits dadurch entsprochen, dass der Nachzug nur bei Sicherung des tatsächlich notwendigen materiellen Bedarfs durch eigene Mittel gewährt wird. Dem steht auch nicht entgegen, dass der die Erlaubniserteilung begehrende Ausländer aus der Freibetragsregelung der §§ 11 Abs. 2 Nr. 6, 30 SGB II für sich einen sozialrechtlichen Vorteil ableiten kann, wenn ihm rein rechnerisch ein Anspruch auf ergänzende öffentliche Sozialleistungen in Höhe der sich insoweit ergebenden Unterdeckung des familiären Mindestbedarfs zusteht (vorliegend in Höhe von 11,44 €). Sollte der Betreffende solche Leistungen ungeachtet faktisch zu bejahender Bedarfsdeckung tatsächlich in Anspruch nehmen, kann dem oben dargelegten Gesetzeszweck rechtlich bei der Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels ausreichend durch den Verweis des Ausländers auf das Nichtvorliegen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach §§ 5 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. 55 Nr. 6 und 7 AufenthG Rechnung getragen werden. Aus dem Regelungszusammenhang von § 55 Abs. 2 Nr. 6 und 7 AufenthG mit Absatz 1 der Regelung ist zu schließen, dass der Gesetzgeber bei Bezug öffentlicher Sozialleistungen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland erheblich beeinträchtigt sieht. Dies dürfte auch für ein längerfristigen Bezug von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II gelten (so zutreffend auch VG Berlin, a.a.O.).

Die Tatsache, dass es sich bei dem von der Ehefrau des Antragstellers abgeschlossenen Arbeitsvertrag um ein bis zum 30. Oktober 2006 befristetes Arbeitsverhältnis handelt, steht der Prognose, dass der Lebensunterhalt - auch - des Antragstellers im Falle der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gesichert ist, schließlich ebenfalls nicht entgegen. Bei dieser Einschätzung stützt sich der Senat maßgeblich auf den Inhalt einer von dem Antragsteller ebenfalls im Hauptsacheverfahren vorgelegten eidesstattlichen Versicherung des seit 1980 in dem Unternehmen tätigen Personal- und Organisationsleiters der L. AG in A-Stadt J. A. vom 29. November 2005. In dieser handschriftlich verfassten Erklärung führt der Betreffende aus, die Ehefrau des Antragstellers habe als Aushilfe in dem Unternehmen begonnen und sehr schnell sehr gute Anlagen im Umgang mit den Kunden gezeigt. Daraufhin sei sie auf ein Jahr befristet eingestellt worden. Werde sie sich im Arbeitsverhalten weiter so positiv zeigen, werde sie im Anschluss daran in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen (vgl. dazu Blatt 14 der Gerichtsakte). Dass sich hinsichtlich der dieser Beurteilung zugrunde liegenden Umstände inzwischen Änderungen ergeben haben könnten, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

Auch die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die in der angegriffenen Verfügung enthaltene Abschiebungsandrohung ist anzuordnen. Da die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Versagung der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis bewirkt, dass der Antragsteller nicht mehr gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vollziehbar ausreisepflichtig ist, fehlt es derzeit an den Voraussetzungen für den Erlass einer Abschiebungsandrohung (§§ 58 Abs. 1, 59 AufenthG).

Da die Antragsgegnerin unterlegen ist, hat sie gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG und folgt der Streitwertfestsetzung erster Instanz.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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