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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 02.08.2001
Aktenzeichen: 9 TZ 2007/01
Rechtsgebiete: VwGO, HessVwVfG, AuslG


Vorschriften:

VwGO § 70
VwGO § 70 Abs. 1
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 130 Abs. 1 Nr. 1
VwGO § 146 Abs. 5
HessVwVfG § 9
HessVwVfG § 41 Abs. 1
AuslG § 19 Abs. 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

9 TZ 2007/01 9 TG 2130/01

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Ausländerrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 9. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Teufel, Richter am Hess. VGH Dr. Fischer, Richter am Hess. VGH Mogk

am 2. August 2001 beschlossen:

Tenor:

1. Auf den Antrag der Antragstellerin wird die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 4. Juli 2001 (Az.: 1 G 2446/01 <1>) zugelassen. Das Antragsverfahren wird als Beschwerdeverfahren unter dem Aktenzeichen 9 TG 2130/01 fortgesetzt, ohne dass es der Einlegung einer Beschwerde bedürfte (§ 146 Abs. 6 Satz 2 VwGO i. V. m. § 124 a Abs. 2 Satz 4 VwGO).

Der Streitwert wird für das Verfahren auf Zulassung der Beschwerde auf 4.000,-- DM festgesetzt.

2. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 4. Juli 2001 (Az.: 1 G 2446/01 <1>) mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Entscheidung an das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren ebenfalls auf 4.000,-- DM festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag der Antragstellerin auf Zulassung der Beschwerde gegen den im Tenor der vorliegenden Entscheidung näher bezeichneten erstinstanzlichen Beschluss ist gemäß § 146 Abs. 5 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Der Antrag ist auch begründet. Die Antragstellerin rügt zu Recht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der im erstinstanzlichen Beschluss geäußerten Auffassung, einstweiliger Rechtsschutz könne nicht (mehr) gewährt werden, da die Verfügung der Antragsgegnerin vom 3. April 2001 bestandskräftig geworden sei. Die Antragstellerin beruft sich zutreffend darauf, dass die Verfügung vom 3. April 2001 nicht wirksam an die Rechtsanwälte ... und ... habe zugestellt werden können, da die diesen Anwälten erteilte Vollmacht erloschen gewesen sei. Insoweit wird auf die folgenden Ausführungen verwiesen.

Im Beschwerdeverfahren macht der Senat von der Möglichkeit der Zurückverweisung der Sache an das erstinstanzliche Gericht Gebrauch.

Auch in Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO kann die Sache zur erneuten Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen werden. Nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 VwGO setzt eine Zurückverweisung voraus, dass das Verwaltungsgericht noch nicht in der Sache selbst entschieden hat. Eine derartige Fallkonstellation liegt auch vor, wenn die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts zwar zur Sache ergangen ist, aber auf Gründe gestützt wurde, die nur formale Punkte betreffen (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 7. November 1989 - 5 TH 1841/89 -, NVwZ-RR 1990, 617). So liegt es hier.

Die Ablehnung des Antrags der Antragstellerin nach § 80 Abs. 5 VwGO erfolgte ausschließlich mit der Begründung, die angefochtene ausländerbehördliche Verfügung sei wegen Nichteinhaltung der Widerspruchsfrist bestandskräftig geworden, so dass keine geschützte Rechtsposition der Antragstellerin mehr bestehe, die zu sichern sei.

Diese Auffassung ist fehlerhaft. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgericht hat die Antragstellerin rechtzeitig Widerspruch gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 3. April 2001 eingelegt.

Gemäß § 70 Abs. 1 VwGO ist der Widerspruch innerhalb eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekannt gegeben worden ist, zu erheben. Die Bekanntgabe des Verwaltungsakts, die den Lauf der Widerspruchsfrist auslöst, ist die nach den jeweils maßgeblichen Vorschriften vorgesehene Art der Bekanntgabe (vgl. Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 12. Aufl., § 70 Rdnr. 6 a). Gemäß § 41 Abs. 1 HessVwVfG ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, so kann die Bekanntgabe ihm gegenüber vorgenommen werden. Hier konnte eine Bekanntgabe der Verfügung vom 3. April 2001 nicht gegenüber den Rechtsanwälten ... und ... erfolgen, da diese nicht in der Angelegenheit betreffend die am 23. November 2000 beantragte Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis von der Antragstellerin bevollmächtigt waren. Eine derartige Bevollmächtigung ergibt sich insbesondere nicht aus der von der Antragstellerin am 20. August 1999 den Rechtsanwälten ... und ... erteilten Vollmacht mit dem Betreff "Aufenthaltsrechtl. Angelegenheit ...". Denn umfänglich erstreckte sich diese Vollmacht nicht auf ein Tätigwerden im Zusammenhang mit der am 23. November 2000 beantragten Verlängerung der vormals erteilten Aufenthaltserlaubnis.

Die Antragstellerin hatte erstmals am 21. Juni 1999 persönlich beim Landrat des Main-Kinzig-Kreises die Verlängerung ihrer Aufenthaltsgenehmigung beantragt. In diesem Zusammenhang erteilte die Antragstellerin am 20. August 1999 den Rechtsanwälten ... und ... die vorbenannte Vollmacht, die mit Schreiben vom 23. August 1999 dem Landrat des Main-Kinzig-Kreises übersandt wurde. Am 24. November 1999 verlängerte der Landrat des Main-Kinzig-Kreises aus Härtegesichtspunkten die Aufenthaltserlaubnis in Anwendung des § 19 Abs. 1 Nr. 2 AuslG befristet bis zum 23. November 2000.

Am 23. November 2000 stellte die Antragstellerin persönlich sodann einen erneuten Verlängerungsantrag.

Die am 20. August 1999 erteilte Vollmacht deckt ein Tätigwerden der Rechtsanwälte ... und ... in der Angelegenheit betreffend den Verlängerungsantrag vom 23. November 2000 nicht. Eine Vollmacht wird - soweit sich aus dem Vollmachtsvertrag selbst nichts anderes ergibt - für ein (Verwaltungs-) Verfahren erteilt (vgl. § 14 Abs. 1 HessVwVfG). Unter Verwaltungsverfahren ist gemäß § 9 HessVwVfG die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf der Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtet ist, zu verstehen. Das Verwaltungsverfahren schließt den Erlass des Verwaltungsaktes ein, woraus folgt, dass das Verwaltungsverfahren bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes dauert, dessen Erlass das Ziel des Verfahrens ist (vgl. Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl., München 2000, § 9 Rdnr. 30).

Die am 20. August 1999 erteilte Vollmacht, die für das Verwaltungsverfahren betreffend die am 21. Juni 1999 beantragte Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis erteilt war, berechtigte die Vollmachtsempfänger mithin nicht zu einem Tätigwerden in dem selbstständigen Verwaltungsverfahren, das darauf gerichtet war, die am 24. November 1999 befristet erteilte Aufenthaltserlaubnis nochmals zu verlängern. Mangels Wirksamkeit der gegenüber den Rechtsanwälten ... und ... bewirkten Bekanntgabe der Verfügung vom 3. April 2001 begann die Widerspruchsfrist des § 70 VwGO daher nicht am 4. April 2001 zu laufen.

Da die Antragstellerin nach ihrem unwidersprochenen Vortrag in der Widerspruchsbegründung vom 13. Juni 2001 frühestens am 23. Mai 2001 von der ablehnenden Verfügung der Antragsgegnerin vom 3. April 2001 Kenntnis erlangt hat, war der am 15. Juni 2001 bei der Antragsgegnerin eingegangene Widerspruch nicht verfristet.

Die Entscheidung über die Kosten des Zulassungsverfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Der Streitwert wird für das Verfahren auf Zulassung der Beschwerde sowie für das Beschwerdeverfahren auf jeweils 4.000,-- DM festgesetzt (§§ 14 Abs. 1 und 3, 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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