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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 22.08.2001
Aktenzeichen: 9 TZ 860/00
Rechtsgebiete: BauGB, BauNVO, GG, HGO, VwGO


Vorschriften:

BauGB § 12
BauGB § 30
BauGB § 34
BauGB § 36 Abs. 1
BauNVO § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1
GG Art. 28 Abs. 1
HGO § 5 Abs. 4
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 146 Abs. 4
Ein Bebauungsplan, der lediglich Änderungen eines früheren nichtigen Bebauungsplans beinhaltet, die für sich betrachtet keine vollständige planerische Konzeption ergeben, sondern nur einen unvollständigen Torso darstellen, den der Plangeber in Kenntnis der Nichtigkeit des Ursprungsplans nicht beschlossen hätte, kann nicht als rechtswirksam betrachtet werden.

Eine unter Umgehung der verfahrensrechtlichen Anforderungen gemäß § 36 Abs. 1 BauGB erteilte Baugenehmigung kann die Gemeinde grundsätzlich unabhängig davon anfechten, ob sie bei zutreffender rechtlicher Beurteilung verpflichtet wäre, das Einvernehmen zu erteilen.

Die Berufung einer Gemeinde auf die ihr durch § 36 Abs. 1 BauGB gesetzlich verliehene verfahrensrechtliche Position kann ausnahmsweise dann rechtsmissbräuchlich sein, wenn die Gemeinde ihre bauplanungsrechtlichen Vorstellungen durch Erlass eines - wenn auch wegen eines Verkündungsmangels nichtigen - Bebauungsplans umfassend geäußert hat, sie nicht zu erkennen gibt, dass sie abweichende Festsetzungen herbeiführen möchte und das von der Gemeinde angegriffene Vorhaben den Festsetzungen des - wegen eines Verkündungsmangels nichtigen - Bebauungsplans und auch der Regelung des § 34 BauGB entspricht.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

9 TZ 860/00

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Baurechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 9. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Teufel, Richter am Hess. VGH Igstadt, Richter am Hess. VGH Dr. Fischer

am 22. August 2001 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Antragstellerin auf Zulassung der Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 13. Januar 2000 (Az.: 2 G 1506/99 <1>) wird abgelehnt.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für dieses Antragsverfahren auf 8.000,-- DM festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag der Antragstellerin auf Zulassung der Beschwerde gegen den im Tenor der vorliegenden Entscheidung näher bezeichneten erstinstanzlichen Beschluss ist gemäß § 146 Abs. 5 VwGO statthaft, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg. Keiner der in der Antragsschrift der Antragstellerin vom 1. März 2000 geltend gemachten Zulassungsgründe vermag die angestrebte Zulassung des Rechtsmittels herbeizuführen.

Erfolglos beruft sich die Antragstellerin zunächst darauf, die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung begegne ernstlichen Zweifeln im Sinne von § 146 Abs. 4 Satz 4 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

Die Antragstellerin beanstandet allerdings zu Recht die Ansicht des Verwaltungsgerichts in der Begründung des angefochtenen Beschlusses, eines Einvernehmens der Antragstellerin gemäß § 36 Abs. 1 BauGB vor Erteilung der Baugenehmigung an die Beigeladene zur Umwandlung eines Teils der Lagerfläche im Gebäude des Grundstücks Gemarkung M , Flur , Flurstück ( ) mit Bescheid des Antragsgegners vom 20. August 1999 habe es deshalb nicht bedurft, weil diese Baugenehmigung auf der Grundlage des wirksamen Bebauungsplans "M -Ost/Industriegebiet - 1. Änderung" gemäß § 30 Abs. 1 BauGB erteilt worden und eine Befreiung von den Festsetzungen des vorgenannten Bebauungsplans nicht erforderlich gewesen sei.

Dieser rechtliche Ausgangspunkt des Verwaltungsgerichts, auf dessen Grundlage die Vorinstanz die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung als offensichtlich rechtmäßig betrachtet und ein überwiegendes Interesse der Antragstellerin an einer Aussetzung der Baugenehmigung gemäß § 80 a Abs. 3 i. V. m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO verneint hat, ist, wie die Antragstellerin in ihrem Zulassungsantrag zutreffend darlegt, rechtlich nicht tragfähig. Die von dem Verwaltungsgericht herangezogene Regelung in § 30 Abs. 1 BauGB scheidet als Grundlage für die Beurteilung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens der Beigeladenen deshalb aus, weil es an einem rechtsgültigen Bebauungsplan fehlt und das Bauvorhaben folglich nach § 34 BauGB zu beurteilen ist mit der Folge, dass für die Erteilung der Baugenehmigung gemäß § 36 Abs. 1 BauGB grundsätzlich das Einvernehmen der Antragstellerin erforderlich ist.

Allerdings ist die Vorinstanz im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der ursprüngliche Bebauungsplan Nr. 33 "M -Ost/Industriegebiet" vom 12. März 1968, der dem von dem Antragsgegner als Grundlage für die Beurteilung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens der Beigeladenen herangezogene Bebauungsplan Nr. 33.5 "M -Ost/Industriegebiet - 1. Änderung -" vom 24. September 1996 vorangegangen ist, deshalb unwirksam ist, weil dieser Bebauungsplan an einem nicht gemäß §§ 214 und 215 BauGB unbeachtlichen Bekanntmachungsfehler leidet.

Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung der von ihm konstatierten Ungültigkeit des oben erwähnten Bebauungsplans Nr. 33 "M -Ost/Industriegebiet" in den Gründen seiner Entscheidung im Einzelnen ausgeführt, die Bekanntmachung dieses Bebauungsplanes habe deshalb nicht den damals geltenden einschlägigen Bestimmungen entsprochen, weil die Hauptsatzung der damaligen Gemeinde M in der anzuwendenden Fassung vom 17. November 1964 nicht, wie von § 12 BBauG in der Fassung vom 23. Juni 1960 (BGBl. I S. 341) i. V. m. § 5 Abs. 4 HGO in der Fassung vom 1. Juli 1960 (GVBl. S. 103) gefordert, die Art der Hinweisbekanntmachung und den Ort und die Dauer der Auslegung von Bebauungsplänen hinreichend bestimmt festgelegt habe. Aus der maßgeblichen Regelung in § 10 der Hauptsatzung ergebe sich weder der Ort noch die Dauer der Auslegung von Bebauungsplänen. Es bleibe - so das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss - für den Einzelfall unklar, ob Bebauungspläne "wegen ihres großen Umfangs nicht an den sieben genannten Tafeln angebracht werden können", und ob sie aus diesem Grund "mit einem Exemplar an der besonders großen Tafel im Bürgermeisteramt" ausgehängt werden müssen. Der Ort der Bekanntmachung hänge also davon ab, ob es sich bei dem Bebauungsplan um einen solchen mit kleinem oder großem Umfange handele, wobei weiterhin nicht geregelt sei, von wem dies zu definieren sei. Überdies sei die Dauer der Auslegung in der Bestimmung der Hauptsatzung überhaupt nicht geregelt.

Dieser Argumentation vermag der Senat jedenfalls insoweit nicht zu folgen, als die Vorinstanz eine Regelung über die Dauer der Auslegung von Bebauungsplänen in der von ihr herangezogenen Regelung in § 10 der Hauptsatzung der ehemaligen Gemeinde M vermisst. Das Verwaltungsgericht hat bei dieser Feststellung ersichtlich die am 25. März 1966 beschlossene Änderung der Hauptsatzung vom 17. November 1964 ins Auge gefasst, die in der Tat keine Regelung über die Dauer der Auslegung enthält. Die genannte Änderungssatzung enthält jedoch lediglich eine Änderung von § 10 Abs. 1 der Hauptsatzung vom 17. November 1964 bezüglich Gegenstand und Form der öffentlichen Bekanntmachung, lässt also die entsprechende Regelung über die Dauer der Auslegung in § 10 Abs. 2 der ursprünglichen Fassung der Hauptsatzung vom 17. November 1964 unberührt.

Ob sich ein die Nichtigkeit des ursprünglichen Bebauungsplans Nr. 33 nach sich ziehender Verkündungsmangel weiterhin daraus entnehmen lässt, dass - wie das Verwaltungsgericht in seinem angefochtenen Beschluss meint - § 10 der Hauptsatzung auch keine zureichend bestimmte Regelung über den Ort der Bekanntmachung von Bebauungsplänen enthält, mag dahinstehen. Die Feststellung der Vorinstanz, dass der Bebauungsplan Nr. 33 wegen eines Bekanntmachungsfehlers unwirksam ist, erweist sich nämlich jedenfalls deshalb im Ergebnis als richtig, weil der Bebauungsplan ausweislich der Bekanntmachung des Gemeindevorstands der Gemeinde M vom 8. Oktober 1968 in der Weise öffentlich bekannt gemacht wurde, dass er in der Zeit vom 8. Oktober bis 18. Oktober 1968 "im Rathaus Zimmer 13 (Stadtbauamt) während der Dienststunden" öffentlich ausgelegt wurde. Diese Vorgehensweise entspricht offensichtlich nicht den Vorschriften über die öffentliche Bekanntmachung von Satzungen nach der bereits mehrfach erwähnten Regelung in § 10 der Hauptsatzung in der Fassung der Änderungssatzung vom 25. März 1966, wonach die öffentliche Bekanntmachung durch Aushang an bestimmten Bekanntmachungstafeln oder an der (besonders großen) Tafel am Bürgermeisteramt erfolgt.

Dieser auf der Missachtung landesrechtlicher Bestimmungen beruhende Bekanntmachungsfehler wird durch die Regelungen in §§ 214, 215 und 244 Abs. 1 BauGB über die Unbeachtlichkeit von Verfahrens- und Formvorschriften nach dem BauGB bzw. nach dem BBauG nicht erfasst.

Die Unwirksamkeit des Bebauungsplans Nr. 33 "M -Ost/Industriegebiet" führt auch zur Nichtigkeit des der Erteilung der Baugenehmigung an die Beigeladene zugrunde gelegten Bebauungsplans Nr. 33.5 "M -Ost/Industriegebiet - 1. Änderung". Bei diesem Bebauungsplan handelt es sich nicht, wie von dem Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung angenommen, um einen eigenständigen, in seiner Rechtswirksamkeit unabhängig von dem Bebauungsplan Nr. 33 zu beurteilenden Bebauungsplan, sondern - wie schon aus der Bezeichnung des Bebauungsplans deutlich wird - um einen den ursprünglichen Bebauungsplan Nr. 33 lediglich ergänzenden Bebauungsplan. Ein derartiger Bebauungsplan, der lediglich Änderungen eines früheren nichtigen Bebauungsplanes beinhaltet, die für sich betrachtet keine vollständige planerische Konzeption ergeben, sondern nur einen unvollständigen Torso darstellen, den der Plangeber in Kenntnis der Nichtigkeit des Ursprungsplans nicht beschlossen hätte, kann nicht als rechtswirksam betrachtet werden (Hess. VGH, Urteil vom 22. März 2001 - 4 UE 4867/96 -, mit weiteren Nachweisen).

Die Ansicht der Vorinstanz, die Stadtverordnetenversammlung der Antragstellerin habe bei der Beschlussfassung über den Bebauungsplan Nr. 33.5 am 24. September 1996 nicht lediglich eine Änderung von § 2 der textlichen Festsetzungen zur Einschränkung der Art der baulichen Nutzung im Industriegebiet herbeiführen, sondern vielmehr sämtliche in dem ursprünglichen Bebauungsplan enthaltene Festsetzungen erneut in ihren Willen als Satzungsgeberin aufnehmen und den Bebauungsplan folglich nochmals voll inhaltlich als Satzung beschließen wollen, findet in dem für den Senat im vorliegenden Eilverfahren ersichtlichen Sachverhalt keine Grundlage.

Aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerin für die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 33.5 nicht das vereinfachte Verfahren nach § 13 BauGB gewählt, sondern den Bebauungsplan unter Beachtung auch der Verfahrensbestimmungen in §§ 3 und 4 BauGB entwickelt hat, lässt sich für die Auffassung des Verwaltungsgerichts nichts herleiten. Die Regelung in § 13 BauGB stellt keine zwingende Verfahrensregelung für die Grundzüge der Planung nicht berührende Änderungen oder Ergänzungen eines Bauleitplans dar. Vielmehr kann die Gemeinde auch dann, wenn die Änderung oder Ergänzung des Bauleitplans die Grundzüge der Planung nicht berührt, den Plan im vollständigen Verfahren mit Beteiligung der Bürger und der Träger öffentlicher Belange aufstellen.

Auch die Tatsache, dass der Stadtverordnetenversammlung der Antragstellerin bei der Beschlussfassung über den Bebauungsplan Nr. 33.5 eine synoptische Zusammenfassung der textlichen Festsetzungen des ursprünglichen Bebauungsplans Nr. 33 mit den durch den Bebauungsplan Nr. 33.5 herbeigeführten Änderungen in den §§ 2 und 7 vorlag, rechtfertigt nicht die Schlussfolgerung der Vorinstanz, die Stadtverordnetenversammlung der Antragstellerin habe über sämtliche in dieser synoptischen Übersicht enthaltenen Festsetzungen erneut beschließen wollen. Vielmehr ergibt sich aus der vorliegenden Begründung zum Bebauungsplan Nr. 33.5 mit Deutlichkeit, dass hierdurch - insbesondere mit Blick auf die durch den Bauantrag der Beigeladenen vom 4. Juli 1996 zum Ausdruck kommenden Absicht, die vorhandene Lagerfläche in einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb in Form eines Factory Outlet Center umzuwandeln - lediglich eine Anpassung an die Neufassung der Baunutzungsverordnung vom 23. Januar 1990 (BGBl. I S. 132) erfolgen sollte, die in § 11 Abs. 3 Einkaufszentren und großflächige Einzelhandelsbetriebe mit nicht nur unwesentlichen Auswirkungen auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung Sondergebieten zuweist.

In der Begründung zum Bebauungsplan Nr. 33.5 wird auf Seite 5 unter dem Abschnitt "Anlass" ausdrücklich auf die "Rechtskräftigkeit" des ursprünglichen Bebauungsplans Nr. 33 sowie auf die Notwendigkeit verwiesen, den Bebauungsplan "in diesem Verfahren" an die Baunutzungsverordnung von 1990 anzupassen, um auf diese Weise eine sukzessive Umwandlung des Industriegebietes zu einem Sondergebiet "Einzelhandel" zu verhindern. An anderer Stelle, nämlich auf Seite 6 unter dem Abschnitt "Bebauungsplanung von 1968", wird zudem dargelegt, dass die Grundzüge der damaligen Planung mit dem Anpassungsverfahren nicht geändert würden. Die zeichnerischen Festsetzungen des Bebauungsplans blieben für den aktualisierten Geltungsbereich bestehen. Unverändert blieben darüber hinaus die Industriegebietsnutzung, das Maß der Nutzung, das Erschließungssystem, die Gestaltung und die Pflanzfestsetzungen.

Der in der Begründung zum Bebauungsplan Nr. 33.5 enthaltene ausdrückliche Bezug auf die - aus Sicht der Antragstellerin gegebene - "Rechtskräftigkeit" des ursprünglichen Bebauungsplans Nr. 33, der in der Begründung unmissverständlich geäußerte Wille, die Grundzüge der damaligen Planung nicht zu ändern und das hieraus folgerichtig resultierende Fehlen jeglicher Anzeichen für eine erneute Entscheidung über diese textlichen Festsetzungen unter Abwägung eventuell nachträglich eingetretener gegenläufiger Entwicklungen, lässt die von dem Verwaltungsgericht vorgenommene Deutung, dass mit dem Änderungsbebauungsplan Nr. 33.5 eine erneute Beschlussfassung auch über die nicht geänderten Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 33 getroffen worden sei, nicht zu. Vielmehr sind danach Gegenstand des Bebauungsplans Nr. 33.5 ausschließlich die in der synoptischen Zusammenstellung als "Aktualisierte Fassung" hervorgehobenen textlichen Festsetzungen in den §§ 2 und 7 über die Art der baulichen Nutzung und die Anzahl der Stellplätze nach der städtischen Stellplatzsatzung. Der von dem Verwaltungsgericht zur Begründung seiner Rechtsauffassung weiterhin angeführte Umstand, dass bei der Beschlussfassung der Geltungsbereich des ursprünglichen Bebauungsplans Nr. 33 in den Plan aufgenommen wurde, belegt unter diesen Umständen gerade, dass dieser als rechtswirksam betrachtete Bebauungsplan mit seinen übrigen zeichnerischen und textlichen Festsetzungen unverändert fortgelten sollte.

Da es nach alledem an einem wirksamen Bebauungsplan fehlt, ist die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens der Beigeladenen nicht nach § 30 Abs. 1 BauGB, sondern - worauf die Antragstellerin in ihrem Zulassungsantrag zu Recht hinweist - nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilen. Ebenso zutreffend ist der Hinweis der Antragstellerin in ihrer Antragsschrift, dass die Erteilung der Baugenehmigung an die Beigeladene auf dieser rechtlichen Grundlage gemäß § 36 Abs. 1 BauGB grundsätzlich ihr vorheriges Einvernehmen erfordert hätte. Ihrer an diese zutreffenden Feststellungen knüpfenden Rechtsauffassung, durch die Erteilung der Baugenehmigung unter fälschlicher Heranziehung von § 30 Abs. 1 BauGB durch den Antragsgegner sei sie - die Antragstellerin - in ihrer Planungshoheit verletzt worden, vermag sich der Senat indessen nicht anzuschließen. Die Berufung der Antragstellerin auf die im Baugenehmigungsverfahren unterbliebene Einholung ihres Einvernehmens und auf eine aus diesem Verfahrensmangel resultierende Verletzung der Planungshoheit, erweist sich aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles als rechtsmissbräuchlich. Der Antragstellerin fehlt im Hinblick hierauf für ihren Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 20. August 1999 das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Auf ein rechtlich schützenswertes Interesse an der Rechtsverfolgung kann sich nämlich derjenige nicht berufen, der Rechtsschutz missbräuchlich in Anspruch nimmt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl., Vorbemerkung zu § 40 VwGO, Rdnr. 30, m. w. N.).

Das rechtsmissbräuchliche Verhalten der Antragstellerin, welches das für die Zulässigkeit des Rechtsschutzantrages notwendige Rechtsschutzbedürfnis ausschließt, ergibt sich - wie der Antragsgegner und die Beigeladene zutreffend annehmen - daraus, dass die Antragstellerin auf der Beachtung des gesetzlichen Beteiligungserfordernisses nach § 36 Abs. 1 BauGB beharrt, obwohl sie die durch diese Beteiligung im Baugenehmigungsverfahren ermöglichten bauplanungsrechtlichen Instrumentarien bereits zuvor durch den Erlass der Bebauungspläne Nr. 33 und Nr. 33.5 sowie durch den Erlass einer Veränderungssperre am 12. November 1996 im Zuge der Aufstellung des Änderungsbebauungsplans Nr. 33.5 ausgeschöpft hatte, ohne in der Zwischenzeit dem genehmigten Vorhaben entgegen stehende planerische Vorstellungen entwickelt zu haben, und auf der Grundlage von § 34 BauGB zur Erteilung des Einvernehmens verpflichtet wäre.

Durch die Einvernehmensregelung in § 36 BauGB soll zum Schutze der gemäß Art. 28 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich geschützten Planungshoheit der Gemeinden sichergestellt werden, dass im Baugenehmigungsverfahren keine den planerischen Absichten der Gemeinde zuwiderlaufenden Vorhaben genehmigt und verwirklicht werden. Die Regelung trifft Vorsorge dafür, dass die Gemeinde als sachnahe und fachkundige Behörde in Ortsteilen, in denen sie noch nicht geplant hat, bei der Erteilung einer Baugenehmigung auf der Grundlage der §§ 34 und 35 BauGB bzw. bei Abweichung von bestehenden Bebauungsplänen im Wege der Befreiung nach § 31 BauGB an der Beurteilung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen mitentscheidend beteiligt wird (BVerwG, Urteile vom 14. April 2000 - BVerwG 4 C 5.99 -, Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 342 und vom 7. Februar 1986 - BVerwG 4 C 43.83 -, Buchholz 406.11 § 36 BauGB Nr. 35). Sie soll darüber hinaus im Hinblick auf einen den Anforderungen in § 34 oder § 35 BauGB genügenden Bauantrag noch die Möglichkeit erhalten, die Aufstellung eines Bebauungsplans zu beschließen, aufgrund dessen gemäß § 15 BauGB die Zurückstellung des Baugesuchs zu beantragen, eine Veränderungssperre zu erlassen (§ 14 BauGB) und durch den Erlass des Bebauungsplans gemäß § 12 BauGB im Ergebnis die rechtlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Vorhabens oder die rechtliche Grundlage für die Ablehnung des Baugesuchs zu schaffen (BVerwG, Urteil vom 27. Februar 1986 - BVerwG 4 C 43.83 -, a. a. O., m. w. N.). Ohne Beteiligung der Gemeinde nach § 36 Abs. 1 BauGB darf die Baugenehmigungsbehörde die Baugenehmigung nicht erteilen. Eine unter Umgehung der verfahrensrechtlichen Anforderungen gemäß § 36 Abs. 1 BauGB erteilte Baugenehmigung kann die Gemeinde unter Hinweis auf eine Verletzung ihrer Planungshoheit grundsätzlich unabhängig davon anfechten, ob sie bei zutreffender rechtlicher Beurteilung zur Erteilung des Einvernehmens, das gemäß § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB nur aus den in §§ 31, 33, 34 und 35 BauGB ergebenden Gründen versagt werden darf, verpflichtet wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. April 2000 - BVerwG 4 C 5.99 -, a. a. O.).

Ungeachtet dessen erweist sich das Beharren der Antragstellerin auf der ihr durch § 36 Abs. 1 BauGB gesetzlich verliehenen verfahrensrechtlichen Position ausnahmsweise deshalb als rechtsmissbräuchlich, weil ihr als Folge der Beteiligung im Baugenehmigungsverfahren keine rechtlichen Möglichkeiten erwachsen würden, um das Vorhaben der Beigeladenen zu verhindern bzw. im Hinblick auf das Baugesuch planungsrechtliche Maßnahmen in die Wege zu leiten. Ihre bauplanungsrechtlichen Vorstellungen für das hier in Frage stehende Gebiet hat die Antragstellerin durch Erlass der erwähnten Bebauungspläne Nr. 33 und 33.5 bereits umfassend verwirklicht. Diese Bebauungspläne stellen sich zwar aus den dargelegten verfahrensrechtlichen Gründen als unwirksam dar. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die von dem aufgetretenen Verkündungsmangel unberührten zeichnerischen und textlichen Festsetzungen dieser Bebauungspläne auch den gegenwärtigen planerischen Vorstellungen und Absichten der Antragstellerin entsprechen. Sie hat nämlich zu keinem Zeitpunkt zu erkennen gegeben, dass sie - im Hinblick auf das Baugesuch der Beigeladenen oder aus anderen Gründen - von den Festsetzungen der beiden Bebauungspläne abweichende Regelungen herbeiführen möchte. Da somit davon auszugehen ist, dass die Antragstellerin die Festsetzungen in den Bebauungsplänen 33 und 33.5 in unveränderter Form erneut erlassen wird, könnte sie auf ihre Beteiligung im Baugenehmigungsverfahren nicht anders als durch Erteilung des Einvernehmens zu dem Bauvorhaben der Beigeladenen reagieren.

Die Verweigerung des Einvernehmens mit Blick auf die künftigen, den gegenwärtigen Bestimmungen in § 2 der textlichen Festsetzungen im unwirksamen Bebauungsplan entsprechenden Festsetzungen zu dem Ausschluss von Einkaufszentren und Einzelhandelsbetrieben mit einer Geschossfläche von über 700 qm käme unter keinem denkbaren Gesichtspunkt in Betracht. Die von der Beigeladenen mit dem hier in Frage stehenden Baugesuch vom 16. August 1998 bezweckte Nutzungsänderung von Lagerflächen in Einzelhandelsverkaufsflächen auf dem Flurstück ( ) entspricht, da dieses Vorhaben eine Brutto-Geschossfläche von 661,883 qm umfasst, der Regelung in § 2 Nr. 2 in der Fassung des Änderungsbebauungsplans Nr. 33.5 vom 24. September 1996.

Die gegenteilige Ansicht der Antragstellerin, die Baugenehmigung könne im Falle der Wirksamkeit der Festsetzungen im Bebauungsplan nur im Wege der Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB erteilt werden, weil mit der Verwirklichung des Vorhabens ein im Industriegebiet nicht zulässiges Einkaufszentrum im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO 1990 entstehe bzw. zu entstehen drohe, findet im vorliegenden Sachverhalt keine Grundlage.

Ein Einkaufszentrum im Sinne der vorgenannten Bestimmung in § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO 1990 ist dann anzunehmen, wenn eine räumliche Konzentration von Einzelhandelsbetrieben verschiedener Art und Größe - zumeist in Kombination mit verschiedenartigen Dienstleistungsbetrieben - vorliegt, die entweder einheitlich geplant ist oder sich in anderer Weise als "gewachsen" darstellt. Ein "gewachsenes" Einkaufszentrum setzt außer der erforderlichen räumlichen Konzentration weiter voraus, dass die einzelnen Betriebe aus der Sicht der Kunden als aufeinander bezogen, also durch ein gemeinsames Konzept und durch Kooperation miteinander verbunden in Erscheinung treten. Diese Zusammenfassung kann sich aus organisatorischen oder betrieblichen Gemeinsamkeiten, wie etwa in gemeinsamer Werbung oder einer verbindenden Sammelbezeichnung, dokumentieren. Nur durch solche äußerlich erkennbaren Merkmale ergibt sich für die Anwendung des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO 1990 die notwendige planvolle Zusammenfassung mehrerer Betriebe zu einem "Zentrum" und zugleich die erforderliche Abgrenzung zu einer beliebigen Häufung von jeweils für sich planungsrechtlich zulässigen Läden auf mehr oder weniger engem Raum (BVerwG, Beschluss vom 15. Februar 1995 - BVerwG 4 B 84.94 -, m. w. N.).

Legt man diese Merkmale zugrunde, kann hier weder von dem Vorliegen noch etwa von der Gefahr des Entstehens eines Einkaufszentrums die Rede sein. Auch unter Einbeziehung des von dem Antragsgegner genehmigten Vorhabens erlangen die auf den Grundstücken der Beigeladenen angesiedelten Betriebe keinen nach außen erkennbaren Zusammenhang, der aus der maßgeblichen Sicht des Kunden den Eindruck eines von vornherein geplanten oder aber sukzessiv entstandenen gewachsenen Einkaufszentrums vermitteln könnte. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beigeladenen in ihrem Schriftsatz vom 13. April 2000 besteht keine nach außen tretende räumliche, organisatorische oder betriebliche Gemeinsamkeit zwischen den auf den einzelnen Grundstücken vorhandenen Betrieben. Weder sind diese Betriebe unter einem gemeinsamen Namen nach außen hin als Einheit zusammengefasst, noch finden etwa gemeinsame Werbeveranstaltungen statt. Auch eine nach außen tätige gemeinsame Organisation der verschiedenen Nutzer ist nicht vorhanden. Eine solche Zusammenfassung unter dem gemeinsamen Dach eines Einkaufszentrums ist unter Berücksichtigung der Eigenart der bestehenden Betriebe auch überhaupt nicht möglich, da der größte Teil dieser Betriebe zum produzierenden Gewerbe gehört und somit dem Endverbraucher überhaupt nicht zugänglich ist. Gerade aus der maßgeblichen Sicht des Kunden stellen sich die auf den Grundstücken der Beigeladenen tätigen Betriebe auch unter Berücksichtigung der im vorliegenden Verfahren in Streit stehenden Nutzungsänderung als selbständige, bauplanungsrechtlich jeweils eigenständig zu beurteilende Betriebe dar.

Aus dem Vorstehenden folgt zugleich, dass die Antragstellerin auch mit Blick auf § 34 BauGB ihr Einvernehmen zu dem Vorhaben nicht versagen könnte. Dass sich dieses Vorhaben angesichts der in der näheren Umgebung bereits anzutreffenden zahlreichen Betriebe vor allem nach Art und Maß der baulichen Nutzung nicht im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB einfügen sollte, ist auch nicht in Ansätzen zu erkennen. Auch der Vortrag der Antragstellerin enthält nichts, was auch nur Anhaltspunkte für einen Widerspruch des genehmigten Vorhabens zu der näheren Umgebung erbringen könnte.

Steht somit schon nach summarischer Überprüfung im vorliegenden Eilverfahren fest, dass die Antragstellerin ihr Einvernehmen zu dem genehmigten Vorhaben unter keinem denkbaren Gesichtspunkt verweigern dürfte und die Beteiligung der Gemeinde im Baugenehmigungsverfahren auch nicht zur Klärung unterschiedlicher Rechtsstandpunkte im Hinblick auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens führen könnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. August 1988 - BVerwG 4 C 20.84 -, Buchholz 406.11 § 36 BBauG/BauGB Nr. 40), ist eine Verletzung der Planungshoheit der Antragstellerin durch Missachtung ihres Beteiligungsrechts gemäß § 36 Abs. 1 BauGB unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt zu erkennen. Unter diesen besonderen Gegebenheiten erweist sich das Festhalten an der durch § 36 Abs. 1 BauGB gewährleisteten verfahrensrechtlichen Position ausnahmsweise als rechtsmissbräuchlich und schließt das für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erforderliche Rechtsschutzbedürfnis aus.

Da die Vorinstanz trotz nicht tragfähiger Begründung den Eilantrag der Antragstellerin im Ergebnis zu Recht abgelehnt hat, kommt eine Zulassung der Beschwerde nach §§ 146 Abs. 4, 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht in Betracht. Allein wegen der Fehlerhaftigkeit der von dem Gericht erster Instanz gegebenen Begründung kann die Beschwerde nämlich unter dem Gesichtspunkt ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung nicht zugelassen werden (Hess. VGH, Beschluss vom 15. Juli 1997 - 13 TZ 1947/97 -, AuAS 1998, 6).

Auch die von der Antragstellerin in ihrer Antragsschrift weiterhin behaupteten Zulassungsgründe vermögen die angestrebte Zulassung des Rechtsmittels nicht herbeizuführen. Der Zulassungsantrag entspricht insoweit bereits nicht den Anforderungen, die gemäß § 146 Abs. 5 Satz 3 VwGO an eine hinreichende Darlegung des geltend gemachten Zulassungsgrundes zu stellen sind.

Soweit sich die Antragstellerin auf besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Sinne des Zulassungstatbestandes gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO beruft, fehlt jegliche nähere Begründung dazu, worin diese besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art begründet sein sollen. Der Hinweis darauf, dass sich besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten bereits aus erheblichen Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung ergäben, genügt zur Darlegung des Zulassungsgrundes gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO schon deshalb nicht, weil aus den umfassend dargelegten Gründen solche ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses erster Instanz nicht bestehen.

Soweit die Antragstellerin schließlich eine gemäß §§ 146 Abs. 4, 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zur Zulassung der Beschwerde führende Abweichung des Beschlusses erster Instanz von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Dezember 1969 - BVerwG 4 C 105.66 -, BVerwGE 34, 301, und von der Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs in dessen Beschluss vom 19. Januar 1988 - 4 N 4/83 -, BRS Band 48, Nr. 3, behauptet, wird in der Antragsschrift lediglich eine Missachtung der in den vorgenannten ober- bzw. höchstrichterlichen Entscheidungen aufgestellten Rechtsgrundsätze gerügt. Dies ist für die ausreichende Darlegung einer zur Zulassung des Rechtsmittels führenden Divergenz im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO nicht ausreichend. Insoweit bedarf es nämlich der Darlegung, dass das Verwaltungsgericht seinerseits Rechtssätze aufgestellt hat, die mit Rechtssätzen in ober- oder höchstrichterlichen Entscheidungen in einem unvereinbaren Widerspruch stehen.

Da die Antragstellerin mit ihrem Zulassungsantrag erfolglos bleibt, hat sie die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.

Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwerts für das Antragsverfahren folgt aus §§ 14 Abs. 1 und 3, 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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