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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 21.03.2007
Aktenzeichen: 9 UE 1676/06.A
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 60 Abs. 1
Der eritreische Staat registriert jedwede regierungsfeindliche, exilpolitische Tätigkeit im Bundesgebiet (wie Urteil des Senats vom 27. März 2006 - 9 UE 705/05.A -, ZAR 2006, 374 [Ls]; Bay. VGH, Urteil vom 14. August 2006 - 9 B 04.30627 -, juris).

Einfache Mitglieder der ENSF (früher: ELF-NC/ELF-RC) haben im Falle der Rückkehr nach Eritrea auch dann mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen, wenn sie sich in der Bundesrepublik lediglich in untergeordneter Weise für die Partei betätigen (Änderung der Rechtsprechung im Urteil vom 26. April 2002 - 9 UE 915/98.A -).


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 UE 1676/06.A

Verkündet am 21. März 2007

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Asylrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 9. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Teufel, Richter am Hess. VGH Prof. Dr. Fischer, Richter am Hess. VGH Seggelke, ehrenamtlichen Richter Herrn Eckhardt, ehrenamtlichen Richter Herrn Jung

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. März 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 24. August 2005 - 8 E 2901/03.A(3) - aufgehoben, soweit darin die Klage mit dem Antrag, die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 28. Mai 2003 zu verpflichten, festzustellen, dass in der Person der Klägerin die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen, abgewiesen wurde und der Klägerin die Kosten des Verfahrens auferlegt wurden.

Die Beklagte wird unter Aufhebung der Nummern 2 und 4 des Bescheids des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 28. Mai 2003 verpflichtet, festzustellen, dass in der Person der Klägerin die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben die Beklagte und die Klägerin je zur Hälfte zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin, die nach ihren eigenen Angaben am ... 1961 in Asmara geboren wurde, stellte am 21. Januar 2003 beim damaligen Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge - Außenstelle Gießen - einen Asylantrag.

Während ihrer Anhörung im Rahmen der Vorprüfung gemäß § 25 AsylVfG, die am 31. Januar 2003 in Gießen stattfand, gab die Klägerin an, sie spreche außer Tigrinisch noch etwas Englisch. Einen Reisepass habe sie nicht. Zum Zeitpunkt ihrer Einreise sei sie zwar im Besitz eines Visums für Deutschland gewesen, das auf einen anderen als ihren eigenen Namen ausgestellt gewesen sei. Nach ihrer Einreise habe ihr Reisebegleiter dieses Visum sowie die anderen Reiseunterlagen aber an sich genommen. Sie sei nicht verheiratet und habe keine Kinder. Ihre Mutter, ihr Vater und fünf Halbgeschwister lebten noch in Asmara. Ein Halbbruder halte sich in Deutschland auf, zwei Halbbrüder lebten in Norwegen und einer in Kanada. Sie habe in Asmara die allgemeinbildende Schule bis zur 10. Klasse besucht. Eine Berufsausbildung habe sie nicht absolviert. Sie habe auch nie eine Arbeitnehmertätigkeit ausgeübt, sondern ihre Eltern gepflegt. Die im Ausland lebenden Geschwister hätten sie finanziell unterstützt. Ihren nationalen Dienst habe sie noch nicht abgeleistet. Sie sei nicht einberufen worden, weil sie ihre Eltern habe pflegen müssen. Derzeit kümmere sich ihre verheiratete ältere Schwester um ihre Eltern. Sie - die Klägerin - habe Asmara am 24. November 2002 in einem Pkw verlassen und sei nach Tesseney gefahren. Von dort aus habe sie die Grenze zum Sudan überschritten. Am 28. November 2002 sei sie in Khartum angekommen, wo sie sich bis zum 28. Dezember 2002 bei Verwandten ihres Vaters aufgehalten habe. Am 28. Dezember 2002 habe sie Khartum mit einem Flugzeug einer ägyptischen Fluggesellschaft verlassen und sei am 29. Dezember 2002 in A-Stadt angekommen. Bei der Ausreise habe ihr ein Schlepper geholfen, der von einer Verwandten mit 4500 US-Dollar bezahlt worden sei. In Eritrea sei sie seit dem Jahre 2000 Mitglied der ELF gewesen. Sie habe sich mit anderen Mitgliedern getroffen und an Versammlungen teilgenommen. Als eines dieser Mitglieder am 23. November 2002 verhaftet worden sei, habe sie aus Angst die Flucht ergriffen. Sie habe befürchtet, dass der Verhaftete die Namen der anderen Gruppenmitglieder preisgebe. Eine besondere Funktion habe sie innerhalb der ELF nicht bekleidet. Ihre Aufgabe sei es beispielsweise gewesen, Flugblätter zu verteilen und an Diskussionen teilzunehmen.

Mit Bescheid vom 28. Mai 2003 lehnte das damalige Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Asylantrag der Klägerin ab und stellte fest, dass weder die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG noch Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen. Gleichzeitig wurde die Klägerin aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der Nichtbefolgung wurde ihr die Abschiebung nach Eritrea oder in einen anderen Staat angedroht, in den sie einreisen darf oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet ist. Zur Begründung des vorgenannten Bescheids führte das Bundesamt aus, eine Asylanerkennung komme nicht in Betracht, da davon auszugehen sei, dass die Klägerin auf dem Landweg und somit über einen sicheren Drittstaat eingereist sei. Es bestehe auch kein Abschiebungsverbot im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG. Mitglieder der ELF würden in Eritrea nur dann verfolgt, wenn sie der Führungsebene angehörten.

Mit Schriftsatz vom 13. Juni 2003, eingegangen bei Gericht am selben Tage, erhob die Klägerin Klage beim Verwaltungsgericht Frankfurt a. M., zu deren Begründung sie sich zunächst auf ihr Vorbringen während der Vorprüfungsanhörung berief. Ergänzend wies sie darauf hin, dass sie aus einer "alten ELF-Familie" stamme. Zwei ihrer Brüder seien im Befreiungskampf gefallen. Sie selbst sei über ihren Onkel zur ELF-RC gekommen. Sie habe sich auch im Bundesgebiet erneut der ELF-RC angeschlossen. Am ersten Wochenende im August 2003 habe sie an einem Festival in B-Stadt teilgenommen und dort mit anderen Mitgliedern der Veranstaltung aufgeräumt und geputzt. Sie habe auf diesem Festival eine kurze Rede über die Rolle der eritreischen Frauen im Kampf für die Unabhängigkeit Eritreas und im Widerstand gegen die derzeitigen Verhältnisse gehalten. Des Weiteren sei sie in A-Stadt/Höchst im März 2004 während des Festes zum Frauentag zusammen mit einer Musikgruppe der ELF-RC aufgetreten. Anlässlich dieses Festes habe sie auch organisatorische Arbeiten verrichtet. Sie sei seit August 2004 Mitglied der ELF-NC. In dieser Eigenschaft habe sie am ersten Festival und Kongress der Eritrean Democratic Alliance (EDA) am letzten Wochenende im Juli 2005 in B-Stadt teilgenommen. Am 26. August 2005 sei sie Teilnehmerin einer Demonstration vor dem eritreischen Generalkonsulat in A-Stadt gewesen. Anlass für diese Demonstration sei die Hinrichtung von 161 jungen Eritreern im "WIA-Gefängnis" gewesen.

Während des Termins zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 6. September 2005 erklärte die Klägerin, dass sie der ELF-NC angehöre. In Frankfurt träfen sie sich in ihrem Club. Es handele sich um eine Gruppe von circa 30 bis 50 Personen. Die Treffen würden von einem Herrn M. geleitet. Überörtliche Treffen mit anderen Gruppen leite ein Herr I. Zu ihren - der Klägerin - Aufgaben innerhalb der ELF-NC gehöre es, Gäste zu empfangen sowie Essen und Getränke zu verkaufen.

Die Klägerin beantragte,

den Bescheid der Beklagten vom 28. Mai 2003 teilweise aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG sowie Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten beteiligte sich am erstinstanzlichen Verfahren nicht.

Mit Urteil vom 24. August 2005 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab und führte zur Begründung aus, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG. Sie sei unverfolgt ausgereist. Als einfachem Mitglied der ELF-RC bzw. der ELF-NC drohe ihr auch im Falle der Rückkehr nach Eritrea nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung. Die vorliegenden Auskünfte des Auswärtigen Amtes, des Bundesnachrichtendienstes und des Instituts für Afrika-Kunde, die übereinstimmend davon ausgingen, dass auch die Tätigkeit einfacher Mitglieder oppositioneller Organisationen bekannt und verfolgt würden, erschienen spekulativ. Keine der Auskünfte könne Referenzfälle benennen. Folglich bestehe kein Anlass, von der bisherigen Rechtsprechung abzuweichen, wonach die alleinige Mitgliedschaft in einer oppositionellen Partei in Deutschland für einfache Mitglieder nicht zu einer Verfolgung im Falle der Rückkehr nach Eritrea führe. Es bestünden auch keine Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 7 AufenthG.

Mit Beschluss vom 14. Juli 2006 - 9 UZ 2613/05.A - hat der Senat auf Antrag der Klägerin die Berufung gegen das vorgenannte Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, soweit die Klage darauf gerichtet ist, unter entsprechender Aufhebung des Bescheids des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 28. Mai 2003 die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen. Der darüber hinausgehende Zulassungsantrag wurde abgelehnt.

Mit Schriftsatz vom 14. August 2006, eingegangen bei Gericht am selben Tage, hat die Klägerin die Berufung begründet. Sie wiederholt zunächst ihr Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren und weist ergänzend darauf hin, dass sie im März 2006 an einem Treffen der ENSF - Eritrean National Salvation Front - in A-Stadt - Griesheim teilgenommen habe. Bei der ENSF handele es sich um einen Zusammenschluss der ELF-NC, der EDRF und der EPM. Ferner habe sie in der Zeit vom 27. Juli 2006 bis 31. Juli 2006 das Festival der ENSF in B-Stadt besucht. Am 3. Februar 2007 habe sie an der Vollversammlung der ENSF in A-Stadt/Nied teilgenommen. Des Weiteren überreicht sie einen Ausweis der ELF-NC, gültig vom 10. April 2006 bis 9. April 2007.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 24. August 2005 - 8 E 2901/03.A(3) - sowie unter entsprechender Aufhebung des Bescheids des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 28. Mai 2003 zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte und der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten haben sich im Berufungsverfahren weder zur Sache geäußert noch einen Antrag gestellt.

Am 12. Oktober 2006 hat der Senat beschlossen, über die Verfolgungsgefährdung von Mitgliedern der ELF-RC/ELF-NC Beweis zu erheben durch Einholung einer Auskunft des Auswärtigen Amtes sowie von Gutachten des Instituts für Afrika-Kunde und des Sachverständigen G. Schröder. Insoweit wird auf die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21. Dezember 2006, das Gutachten des Instituts für Afrika-Kunde vom 2. November 2006 und das Gutachten des Sachverständigen G. Schröder verwiesen, die sich in der Gerichtsakte befinden. Am 28. Februar 2007 hat der Senat darüber hinaus beschlossen, über die Asylgründe der Klägerin und deren exilpolitische Betätigung durch Vernehmung der Klägerin als Beteiligte und des Herrn A. als Zeugen Beweis zu erheben. Hinsichtlich des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 21. März 2007 verwiesen.

Die Verwaltungsvorgänge des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (ein Hefter) sind beigezogen und ebenso zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden wie die den Beteiligten mit Begleitverfügung vom 2. März 2007 bekannt gegebenen Erkenntnisquellen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie zur Ergänzung des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Akten dieses Verfahrens, die ebenfalls Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zugelassene Berufung ist auch im Übrigen zulässig.

Sie ist insbesondere in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 6 in Verbindung mit Abs. 3 Satz 4 VwGO genügenden Weise begründet worden. Die Klägerin hat nach der am 19. Juli 2006 erfolgten Zustellung des Zulassungsbeschlusses mit Schriftsatz vom 14. August 2006, eingegangen bei Gericht am selben Tage, einen bestimmten Berufungsantrag gestellt und diesen im Einzelnen begründet.

Die Berufung der Klägerin ist auch begründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Verpflichtungsklage zu Unrecht abgewiesen, soweit die Klägerin die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG, des früheren § 51 Abs. 1 AuslG, begehrt. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, denn sie hat in dem nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsentscheidung Anspruch darauf, dass die Beklagte feststellt, dass in ihrer Person die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen.

Nach der vorgenannten Bestimmung darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) - Genfer Flüchtlingskonvention - nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. z. B. BVerwG, Urteil vom 18. Februar 1997 - BVerwG 9 C 9.96 -, BVerwGE 104, 97 = NVwZ 1997, 1134), die auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu der vergleichbaren Problematik bei Art. 16a GG zurückgeht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. Juli 1980 - 1 BvR 147, 181, 182/80 -, BVerfGE 54, 341), darf einem ausländischen Antragsteller, der bereits einmal politische Verfolgung erlitten hat, der Schutz der Genfer Flüchtlingskonvention nur dann versagt werden, wenn bei einer Rückkehr in den Verfolgerstaat eine Wiederholung von Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist (sogenannter herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab). War der Flüchtling dagegen zum Zeitpunkt seiner Ausreise nicht verfolgt oder von Verfolgungsmaßnahmen bedroht, kommt es für die Prognose der Verfolgungsgefahr darauf an, festzustellen, ob politische Verfolgung bei einer Rückkehr in das Heimatland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. September 1993 - BVerwG 9 C 205.93 -, DVBl. 1994, 68 = DÖV 1994, 662).

Eines Eingehens auf die Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 (ABl. L 304/12) - Qualifikationsrichtlinie -, die wegen des Ablaufs der Umsetzungsfrist des Art. 38 Qualifikationsrichtlinie am 10. Oktober 2006 unmittelbare Anwendung findet (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 1. Februar 2007 - BVerwG 1 C 24.06 -), bedarf es hier bereits deshalb nicht, weil diese Richtlinie der Klägerin im konkreten Fall keine weitergehenden Rechte als § 60 Abs. 1 AufenthG einräumt.

Der Klägerin droht bereits wegen ihrer exilpolitischen Betätigung als einfaches Mitglied der ELF-NC bzw. der ENSF, das im Rahmen der Parteiarbeit aktiv ist, im Falle der Rückkehr nach Eritrea auch in Anwendung des strengeren Prognosemaßstabs der beachtlichen Wahrscheinlichkeit Verfolgung im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG. Insoweit bedarf das Vorliegen etwaiger - die Anwendung des herabgestuften Prognosemaßstabs rechtfertigender - Vorfluchtgründe im Rahmen des geltend gemachten Abschiebungsschutzanspruchs, der anders als der Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte noch Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, keiner weiteren Erörterung.

Der Senat ist zunächst davon überzeugt, dass dem eritreischen Staat einfache Mitglieder der ELF-NC bzw. der ENSF, die sich - wenn auch nur in untergeordneter Form - an der Parteiarbeit beteiligen, bekannt sind.

Bereits in seiner Entscheidung vom 27. März 2006 (- 9 UE 705/05 -, ZAR 2006, 374 [Ls] = juris), in welcher es um die Frage der Verfolgungsgefährdung einfacher Mitglieder der EDP ging, hat der Senat ausgeführt, dass Eritrea auch im Ausland über ein außerordentlich gut funktionierendes Spitzelsystem verfügt, dass jegliche Betätigung bei einer oppositionellen Organisation registriert und die entsprechenden Informationen an die Sicherheitsdienste weiterleitet (so auch Bayerischen VGH, Urteil vom 14. August 2006 - 9 B 04.30627 -, juris).

Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 27. März 2006 dazu folgendes ausgeführt:

"Nachdem die "Eritrean People's Liberation Front" (EPLF) am 24. Mai 1991 die heutige eritreische Hauptstadt Asmara erobert hatte, war der Unabhängigkeitskrieg zwischen Äthiopien und Eritrea beendet und die faktische Herauslösung Eritreas aus dem äthiopischen Staatsverband vollzogen. Im Anschluss daran erfolgte die Bildung der provisorischen Regierung Eritreas, an deren Spitze der EPLF-Generalsekretär Issayas Afeworki stand. Im April 1993 fand ein Referendum über die Unabhängigkeit Eritreas von Äthiopien statt, das fast einstimmig Zustimmung fand und den Weg für einen friedlichen Austritt aus dem äthiopischen Staatsverband ebnete. Am 24. Mai 1993 wurde Eritrea nach dreißigjährigem Unabhängigkeitskampf mit Äthiopien selbstständig und im Juni 1993 Issayas Afeworki von der Nationalversammlung zum Staatspräsidenten gewählt. Die provisorische Regierung wurde allein von der EPLF gestellt, andere politische Parteien wurden nicht zugelassen (amnesty international an VG Würzburg vom 8. Oktober 2002). Seit dieser Zeit wird die Staatsgewalt in Eritrea uneingeschränkt und allein von der EPLF ausgeübt, die 1994 in "People's Front for Democracy and Justice" (PFDJ) umbenannt wurde.

Die EPLF war eine politische Kampforganisation, die sich seit ihrer Entstehung zu Beginn der siebziger Jahre in einem Zwei-Fronten-Konflikt befand. Zum einen führte sie gegen die Organe der äthiopischen Staatsmacht in Eritrea einen bewaffneten Befreiungskampf und zum anderen stand sie mit weiteren eritreischen Unabhängigkeitsbewegungen in intensivem Konflikt um die politische und militärische Vorherrschaft in der eritreischen Unabhängigkeitsbewegung. Dies erklärt, dass die EPLF einen starken Nachrichtendienst und eine starke Sicherheitsabteilung entwickelt hat. Nach dem Selbstverständnis der EPLF stand politische Dissidenz stets in Verdacht, mit dem äthiopischen Gegner und/oder der gegnerischen eritreischen Opposition im Bunde zu sein. Beide Dienste entwickelten im Laufe der Jahre eine hohe Professionalität und Effizienz. Die in den langen Jahren des Kampfes innerhalb der EPLF entstandene Überwachungsmentalität und -kultur und die im Zusammenhang damit entwickelten Strukturen setzten sich auch nach Erlangung der Unabhängigkeit im Jahre 1991 fort.

Mit dem Ausbruch des Grenzkonflikts mit Äthiopien im Mai 1998 (Auswärtiges Amt, Lagebericht Eritrea vom 14. Oktober 2001) und der Zusammenarbeit von Teilen der eritreischen Auslandsopposition mit der äthiopischen Seite verschärfte sich für die eritreische Regierung die bereits vorher erkannte Notwendigkeit, die Tätigkeit der eritreischen Opposition weltweit zu überwachen. Das Aufbrechen interner Auseinandersetzungen innerhalb der PFDJ nach Ende des Krieges am 18. Juni 2001 (Auswärtiges Amt, Lagebericht Eritrea vom 14. Oktober 2001) und die seit September 2001 innerhalb Eritreas betriebene Ausschaltung der Kritiker des eritreischen Präsidenten und seiner Politik unter dem Vorwurf des Hoch- und Landesverrats (Auswärtiges Amt, Lagebericht Eritrea vom 11. April 2005) haben aus Sicht der Regierung die weitere Verschärfung der internen Überwachung und der nachrichtendienstlichen Aufklärung unter der eritreischen Diaspora zwingend notwendig gemacht. Bereits im Januar 2001 soll nach Angaben eritreischer Oppositionskreise speziell zur Bekämpfung der politischen Dissidenz in den Reihen der PFDJ von Präsident Issayas Afeworki ein neues Sicherheitskomitee geschaffen worden sein. In diesem Zusammenhang wurde auch davon berichtet, dass verstärkt loyale Aktivisten aus der Diaspora in den eritreischen Botschaften und Konsulaten eingesetzt werden sollen.

Ende 2001/Anfang 2002 formierten sich die politischen Gegner des Präsidenten Issayas Afeworki, die aus den Reihen der EPLF/PFDJ stammten, als EPLF-DP. Wegen der Bedrohungspotentiale, die eritreische Oppositionsorganisationen im Ausland seit dieser Zeit aus der Sicht der eritreischen Regierung verkörpern (Institut für Afrika-Kunde an Bayerischen VGH vom 2. November 2005), ist davon auszugehen, dass gegenwärtig die nachrichtendienstlichen Netzwerke der Regierung in der Diasporabevölkerung jegliche Betätigung bei einer der oppositionellen Organisationen registrieren und die entsprechenden Informationen über die bestehenden Berichtsketten auch den Zentralbüros der verschiedenen Sicherheitsdienste in Eritrea zugeleitet werden. Als Teil des Kampfes gegen die EPLF-DP hat die eritreische Regierung seit Frühjahr 2002 die Aktivitäten ihrer Sicherheitsdienste in der eritreischen Diaspora erheblich verstärkt und hierfür auch zusätzliches Personal ins Ausland entsandt (Schröder an Bayerischer VGH vom 8. Juli 2005). Angesichts der tiefen Polarisation der eritreischen Diaspora zwischen Anhängern und Gegnern der eritreischen Regierung hat die eritreische Regierung keine Schwierigkeiten, für ihre geheime Nachrichtendiensttätigkeit in großer Zahl Freiwillige zu finden.

Aufgrund dieser historischen Entwicklung (vgl. dazu auch Schröder an VG Köln vom 8. November 2002) ist der Senat unter Berücksichtigung der in das Verfahren eingeführten Quellen davon überzeugt, dass die eritreische Regierung Aktivitäten regimekritischer Art im Ausland ausgiebig beobachten und aufzeichnen lässt (Auswärtiges Amt an VG Aachen vom 9. Dezember 2004). Insbesondere das eritreische Konsulat in A-Stadt betreibt ein engmaschiges Überwachungsnetz und registriert alle regierungskritischen Aktivitäten genauestens (Institut für Afrika-Kunde an VG Aachen vom 31. Januar 2005). Es ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass Spitzel eingesetzt werden, um herauszufinden, wer mit oppositionellen Gruppen sympathisiert (amnesty international an VG München vom 23. März 2005). Bei Mitgliedern in leitenden und Führungspositionen findet - im Unterschied zu einfachen und passiven Mitgliedern - zum Teil eine gezielte Überwachung statt (Auswärtiges Amt an VG Magdeburg vom 30. Juni 2004). Aber selbst die Aktivitäten einfacher Mitglieder werden von Spitzeln des eritreischen Staates zur Kenntnis genommen und weitergeleitet. Somit muss angenommen werden, dass auch die exilpolitische Betätigung einfacher Mitglieder bekannt wird. Die Beschaffung von Erkenntnissen wird dadurch begünstigt, dass die Zahl der Eritreer im Bundesgebiet recht klein ist und man sich untereinander kennt. Oppositionelle Organisationen werden ständig beobachtet. Wenn eritreische Stellen durch ihre Sicherheitsbehörden Kenntnis von Mitgliedern und deren Tätigkeit innerhalb regierungsoppositioneller Organisationen (Parteien) erhalten, werden diese registriert (Auswärtiges Amt an VG Magdeburg vom 30. Juni 2004 und an Bayerischen VGH vom 2. November 2005)."

Die vorgenannte Einschätzung wird auch durch neuere - insbesondere im vorliegenden Verfahren eingeholte - Auskünfte und Gutachten bestätigt.

Personen, die sich in Deutschland für regierungsfeindliche oder -kritische Exilorganisationen betätigen, werden hierbei überwacht und registriert (Auswärtiges Amt an Hessischen VGH vom 21. Dezember 2006 sowie an Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 20. Dezember 2006; Institut für Afrika-Kunde an Hessischen VGH vom 2. November 2006; Schröder an Hessischen VGH vom 30. Oktober 2006). Die staatlichen eritreischen Sicherheitsdienste haben seit dem Jahre 2001 die geheimdienstliche Überwachung der gesamten eritreischen Diaspora erheblich intensiviert, sodass davon auszugehen ist, dass diese weltweit mit einem dichten Netz von geheimen Mitarbeitern und Zuträgern dieser Dienste durchsetzt ist, die die Aufgabe haben, alle oppositionellen Aktivitäten von Angehörigen der Diaspora, seien sie auch noch so geringfügig, festzuhalten und weiterzuleiten. In der Bundesrepublik wird diese Bewachung über die eritreische Botschaft in Berlin und das eritreische Konsulat in A-Stadt organisiert (Institut für Afrika-Kunde an Hessischen VGH vom 2. November 2006; Schröder an Hessischen VGH vom 30. Oktober 2006). Schon allein weil die eritreische Diaspora eine bedeutende finanzielle Einkommensquelle darstellt, ist der eritreischen Regierung daran gelegen, möglichst viele im Ausland lebende Eritreer an die Regierung zu binden. Unterstützer der Opposition werden eher versucht sein, die finanzielle Unterstützung des Staates zu umgehen. Auch dies erklärt, warum die Regierung bemüht ist, in Deutschland lebende Eritreer durch Einschüchterung von der Teilnahme an oppositionellen Veranstaltungen abzuschrecken (Institut für Afrika-Kunde an Hessischen VGH vom 2. November 2006).

Bezogen auf die Mitgliedschaft und die Teilnahme an Veranstaltungen der ELF-RC/ELF-NC/ENSF ist das Beobachtungsinteresse des eritreischen Staates auch deshalb als besonders hoch anzusiedeln, weil die ELF-RC/ELF-NC/ENSF die bedeutendste eritreische Oppositionspartei im Exil darstellt. Selbst man davon ausgeht, dass es den Regierungsorganisationen nicht möglich sein sollte, alle Namen von Personen zu erfassen, die beispielsweise an einem Festival teilnehmen, ist es doch wahrscheinlich, dass eine Person, die sich im Rahmen des Festivals öffentlich profiliert - sei es durch die Ausgabe von Essen, die Teilnahme an künstlerischen Darbietungen, einer Funktion als Saalordner etc. -, registriert wird. Das Erfragen des Namens einer Person ist aufgrund der Überschaubarkeit der eritreischen Auslandsgemeinden ohne Schwierigkeiten möglich (Institut für Afrika-Kunde an Hessischen VGH vom 2. November 2006).

Bei der Teilnahme an den regierungskritischen Demonstrationen, die sich gegen die Menschenrechtsverletzungen in Eritrea richten, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Teilnehmer durch Botschaftsangehörige beobachtet und nach Möglichkeit registriert werden. Da die Teilnehmerzahl bei derartigen Demonstrationen meist überschaubar ist, muss davon ausgegangen werden, dass die Teilnehmer den Regierungsorganen namentlich bekannt werden (Institut für Afrika-Kunde an Hessischen VGH vom 2. November 2006).

Schließlich sichtet die Auslandsaufklärung regelmäßig auch die "Web-Seiten" der Opposition und widmet dem dort veröffentlichten Bildmaterial besondere Aufmerksamkeit. Die Gefahr des Bekanntwerdens wird somit signifikant dadurch erhöht, dass während oppositioneller Veranstaltungen aufgenommene Fotos im Internet veröffentlicht werden (VG Wiesbaden, Urteil vom 20. September 2006 - 5 E 140/05.A(V) - juris; Institut für Afrika-Kunde an Hessischen VGH vom 2. November 2006; Schröder an Hessischen VGH vom 30. Oktober 2006).

Die Einschätzung, dass die eritreischen Sicherheitskräfte jegliche nach außen gerichtete oppositionelle Betätigung beobachten und registrieren, wird auch nicht durch die Auskunft des Auswärtigen Amtes in Frage gestellt, wonach Maßstab für das Ausmaß der Beobachtung - und gegebenenfalls der staatlichen Verfolgung - das Ausmaß der oppositionellen Betätigung und damit die Gefährlichkeit des Betroffenen für das gegenwärtige Regime sein dürfte, wobei die Kriterien, die eritreischen Behörden bei einer solchen Bewertung des Gefährdungspotentials anlegten, nicht bekannt seien (Auswärtiges Amt an Hessischen VGH vom 21. Dezember 2006 sowie an Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 20. Dezember 2006). Denn wie die obigen Ausführungen belegen, wird jegliche oppositionelle Betätigung - insbesondere für die ELF-NC, die zwischenzeitlich in der ENFS aufgegangen ist (Schröder an Hessischen VGH vom 30. Oktober 2006) - vom eritreischen Staat als gefährlich eingestuft.

Einfache Mitglieder der ELF-NC/ENFS, die sich - wenn auch nur in untergeordneter Form - an der Parteiarbeit beteiligen, haben nicht nur mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass ihr regimekritisches Verhalten dem eritreischen Staat bekannt wird, sondern auch damit, dass sie im Falle ihrer Rückkehr nach Eritrea mit ebensolcher Wahrscheinlichkeit verfolgt werden.

Die ELF (Eritrean Liberation Front) begann 1961 im westlichen Tiefland Eritreas (Regionen Gosh, Setit und Barka) den bewaffneten Kampf gegen die damalige äthiopische Herrschaft in Eritrea. Anfang der siebziger Jahre spaltete sich die später siegreiche und bis heute staatstragende EPLF (heute PFDJ) von der ELF ab. In zwei blutigen Bürgerkriegen wurde die ELF von der EPLF militärisch zerschlagen und spielte seither im Kampf gegen die äthiopische Regierung keine nennenswerte Rolle mehr. Viele Anhänger der ELF blieben bei ihrer ablehnenden Haltung gegenüber der EPLF und hielten sich deshalb weitestgehend im Ausland auf (Auswärtiges Amt, Lagebericht Eritrea vom 14. August 1996). Nach ihrer Vertreibung aus Eritrea und der Abdrängung in den benachbarten Sudan durch die EPLF im Jahre 1981 spaltete sich die ELF in eine Vielzahl von Nachfolgeorganisationen (Splittergruppen) auf, die dem Namen in der Regel einen besonderen, sie kennzeichnenden Zusatz beifügten (National Council - NC -, United Organisation - UO -, Revolutionary Council - RC -).

Die ELF wird von der eritreischen Regierung verdächtigt, mit dem Mengistu-Regime in Äthiopien kollaboriert zu haben (amnesty international vom 1. Mai 1994). Die ELF-RC war die im Exil zahlenmäßig am stärksten vertretene, multi-ethnische und bikonfessionell zusammengesetzte Gruppierung. Sie ist durch ihre Veröffentlichungen von allen Oppositionsgruppen am ehesten in Erscheinung getreten und beschuldigte die derzeitige eritreische Regierung, Angehörige der politischen Opposition, die anderen Parteien als der PFDJ angehörten (amnesty international vom 1. Mai 1994), zu verfolgen.

Die ELF und ihre zahlreichen Splitterfraktionen sind in Eritrea nicht als politische Parteien zugelassen. Auch nach der Änderung der eritreischen Verfassung im Jahre 1997, die zwar grundsätzlich die Gründung politischer Parteien erlaubt, wurde von keiner der ELF-Fraktionen der Versuch unternommen, dort offiziell als Partei registriert zu werden.

Am 5. März 1999 trafen sich in der sudanesischen Hauptstadt Khartum elf eritreische Oppositionsgruppen und schlossen sich zu einer gemeinsamen Front (Union of Eritrean National Forces Alliance - ENFA) zusammen mit dem Ziel, die herrschende Regierungspartei PFDJ zu stürzen. Die ENFA soll enge Beziehungen zur äthiopischen Regierung und zur äthiopischen Staatspartei EPRDF unterhalten. Wenige Tage nach Gründung des Bündnisses sollen bewaffnete Kräfte der Opposition schwere Angriffe im Norden Eritreas gegen Regierungstruppen geführt haben (amnesty international an VG Gießen vom 7. Juni 1999). Unklar war ursprünglich, ob die ELF-RC dem Bündnis ENFA beigetreten ist. Während das Auswärtige Amt hierzu mitteilt, die ELF-RC habe sich einem Beitritt wegen der deutlich islamischen Orientierung der ENFA verweigert (Auswärtiges Amt, Lagebericht Eritrea vom 10. November 2000 und an VG Kassel 8. Juni 2001), soll sie anderen Berichten zufolge diesen Zusammenschluss der oppositionellen Gruppen mittragen (amnesty international an VG Köln vom 28. Februar 2000 und Institut für Afrika-Kunde an VG Kassel vom 8. Dezember 2000). Nach übereinstimmenden Angaben sämtlicher auskunftgebenden Stellen hat die ELF-RC jedenfalls im Verlaufe des äthiopisch-eritreischen Konflikts Unterstützung durch die äthiopische Regierung gefunden. Infolge einer politischen Annäherung zwischen Eritrea und dem Sudan, von dessen Gebiet aus die ELF und ihre Splitterfraktionen ursprünglich operiert hatten, verlegten diese im Jahr 2000 ihren Stützpunkt nach Äthiopien und bildeten während des Krieges mit Eritrea eine strategische Allianz mit Äthiopien (Institut für Afrika-Kunde an OVG Magdeburg vom 12. Juli 2000). Dementsprechend hat die äthiopische Regierung während und auch noch nach diesem Krieg versucht, die eritreische Opposition für einen Sturz der eritreischen Regierung zu instrumentalisieren (Bundesnachrichtendienst an VG München vom 11. Oktober 2000). Die Existenz dieses Zweckbündnisses wird nicht nur dadurch manifestiert, dass die ELF-RC in Äthiopien als eritreische Exiloppositionspartei anerkannt ist und zwischen ihr und der äthiopischen Regierung eine Vereinbarung zum gemeinsamen Kampf gegen die gegenwärtig in Eritrea amtierende Regierung besteht, sondern auch, dass sie in Addis Abeba ein offizielles Büro betreibt (Auswärtiges Amt an VG Köln vom 2. Dezember 1999). Demzufolge werden schon seit Sommer 1998 Mitglieder der ELF-RC in Äthiopien nicht länger verfolgt und ELF-Mitglieder konnten aus laufenden Deportationen nach Eritrea herausgeholt werden. Im Februar 1999 wurden Erklärungen der ELF-RC zum äthiopisch-eritreischen Konflikt sogar durch die äthiopische Regierungspresse veröffentlicht (Auswärtiges Amt an VG Gießen vom 6. August 1999).

Vorsitzender der ELF-RC war im Jahre 2000 Ibrahim Mohammed Ali. Im Jahre 2001 wurde Ahmed Nasser erneut - er hatte diese Funktion bereits bis 1995 inne - zum Vorsitzenden gewählt. Zu tiefgreifenden Differenzen zwischen den Anhängern Nassers und seinem Nachfolger kam es schließlich 2002 als Seyoum Ogbamichael, der im Januar 2006 verstorben ist, zum neuen Vorsitzenden gewählt wurde. Diese Differenzen führten zu der im August 2003 im Verlauf des ELF-RC Festivals in B-Stadt verkündeten Spaltung der ELF-RC. Der Flügel um Ahmed Nasser etablierte sich daraufhin ab dem Jahre 2004 unter dem Namen ELF-NC. Nach der Spaltung der ELF-RC führten beide neu entstandenen Teilorganisationen ein eigenes Festival durch, der ELF-RC unter Ogbamichael im Sommer 2005 in Frankfurt, die ELF-NC unter Nasser in B-Stadt. Das Festival in B-Stadt wird zwischenzeitlich offiziell von der EDA (Eritrean Democratic Alliance) organisiert. Bei der EDA handelt es sich um einen Zusammenschluss verschiedener Oppositionsparteien, dem sowohl die ELF-RC als auch die ELF-NC angehören (Institut für Afrika-Kunde an Hessischen VGH vom 2. November 2006).

Die ELF-NC besteht seit Jahresende 2005 nicht mehr als eigenständige Organisation. Ab diesem Zeitpunkt ist die ELF-NC gemeinsam mit der EPM (Eritrean People' s Movement - Abdalla Adem-Flügel) und die ERDF (Eritrean Revolutionary Democratic Front) als ENSF (Eritrean National Salvation Front) aufgetreten (vgl. dazu auch die Aussage des Zeugen A. im Termin zur mündlichen Verhandlung am 21. März 2007). Die ENSF hat ihren offiziellen Vereinigungskongress im August 2006 in Addis Abeba abgehalten. Als Vorsitzender wurde Dr. Beyene Kidane gewählt, der zuletzt Vorsitzender der ELF-NC gewesen ist. Die vorgenannten Gruppierungen (ELF-NC, EPM und ERDF) sind Mitglieder der von der äthiopischen Regierung unterstützten EDA (Eritrean Democratic Alliance), die Anfang 2005 gegründet worden ist. Durch ihren Zusammenschluss zur ENSF ist ihre Position innerhalb der EDA gestärkt worden (Schröder an Hessischen VGH vom 30. Oktober 2006).

Einfache Mitglieder der ELF-NC/ENSF, die sich - wenn auch nur in untergeordneter Form - an der Parteiarbeit beteiligen und dadurch nach außen in Erscheinung treten, haben im Falle ihrer Rückkehr nach Eritrea mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung zu befürchten.

Zwar ist der Senat in seinem Grundsatzurteil vom 26. April 2002 - 9 UE 915/98.A - zur Verfolgungsgefährdung von Mitgliedern der damaligen ELF-RC aufgrund der damals bestehenden Auskunftslage zu der anders lautenden Einschätzung gelangt, dass einfache Mitglieder nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit verfolgt würden, und hat dazu ausgeführt:

"Unter Würdigung der Auskunftslage lässt sich nach Überzeugung des Senats jedenfalls nicht feststellen, dass die bloße Mitgliedschaft in der ELF-RC oder einer ihrer "Massenorganisationen" asylrechtlich relevante Verfolgungsmaßnahmen seitens der Sicherheitsorgane in Eritrea mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zur Folge hat. Übereinstimmend weisen die auskunftgebenden Stellen darauf hin, dass die Auswirkungen exilpolitischer Tätigkeit auf die Behandlung im Falle einer Rückkehr nach Eritrea differenziert betrachtet werden müssen. Gegen bloße Unterstützer oder Aktivisten von Oppositionsparteien, die sich auf unterer oder mittlerer Ebene, wie z. B. durch Verteilen von Flugblättern, Betreuung von Büchertischen oder Übernahme sonstiger organisatorischer Aufgaben anlässlich von exilpolitischen Treffen der ELF oder die bloße Teilnahme daran, betätigen, sind staatliche Maßnahmen bislang nicht bekannt geworden (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 8. Juni 2001 an VG Kassel; amnesty international, Auskunft vom 18. Juli 2001 an VG Regensburg; Institut für Afrika-Kunde, Auskunft vom 24. Januar 2002 an VG Darmstadt). Indes steigt die Verfolgungsgefahr, je umfangreicher und exponierter sich die exilpolitischen Aktivitäten gestalten. Amnesty international hat bereits vor Jahren Fälle dokumentiert, in denen politische Gegner des Regimes des Präsidenten Afewerki kein rechtsstaatliches Verfahren erhalten haben, sondern incommunicado, ohne Anklageerhebung und auf unbestimmte Zeit an geheimen Orten gefangen gehalten worden sind (amnesty international, Auskunft vom 1. März 1996 an VG Ansbach). Verfolgungsmaßnahmen sind jedenfalls dann zu befürchten, wenn ein Mitglied der ELF für die eritreische Regierung als gefährlicher bzw. besonders hartnäckiger Oppositioneller oder Kritiker erscheint (Auswärtiges Amt, Auskünfte vom 2. Februar 2001 an VG Regensburg und vom 7. Februar 2001 an VG Kassel; amnesty international, Auskunft vom 18. Juli 2001 an VG Regensburg). Die vorliegenden Auskünfte gehen im Übrigen auch übereinstimmend davon aus, dass angesichts der relativ kleinen, überschaubaren Gruppe der Eritreer in der Bundesrepublik Deutschland dem eritreischen Staat bekannt ist, welcher Eritreer sich in welcher Form exilpolitisch engagiert. Bei der hier zu treffenden Prognose der Verfolgungsgefahr ist nach Auffassung des Senats entscheidend, dass sich die Aufmerksamkeit der Regierung in Eritrea insbesondere auf diejenigen richtet, die während des äthiopisch-eritreischen Krieges eine Allianz mit dem Kriegsgegner eingegangen sind. Diese gelten bei der derzeitigen Stimmung in Eritrea, die durch den hohen Verlust an Menschen und dem wirtschaftlichen Niedergang geprägt ist, als Landesverräter und ihnen wird Zusammenarbeit mit dem Feind unterstellt. Als gesichert kann nämlich allen Auskünften entnommen werden, dass sich das innenpolitische Klima in Eritrea nach Beendigung des äthiopisch-eritreischen Grenzkrieges verschärft hat. Kritiker aus dem Regierungslager, die sich kritisch gegenüber dem Staatspräsidenten geäußert und ihm vorgeworfen haben, er übe seine Macht nicht verfassungsgemäß, sondern illegal aus, wurden ihres Postens enthoben, elf von ihnen wurden inhaftiert und befinden sich seitdem ohne Gerichtsverfahren in Haft. Auch der Präsident des Obersten Gerichtshofs wurde wegen kritischer Äußerungen seines Postens enthoben (amnesty international, Auskunft vom 19. September 2001 an Bayerischen VGH). Insgesamt geht die eritreische Regierung verschärft gegen kritische Stimmen vor, was auch das Auswärtige Amt in seinem Lagebericht vom 14. Oktober 2001 darstellt, in dem es darauf hinweist, dass die eritreische Regierung in ihrem Bestreben um Machterhalt und Festigung ihrer Alleinherrschaft keinerlei Opposition dulde, Eritrea sich vielmehr anstelle der erhofften gesellschaftlichen und politischen Öffnung weiter in Richtung einer autoritären Einparteiendiktatur entwickle.

Aus alledem folgt, dass nach Überzeugung des Senats im Ausland lebende einfache Mitglieder der ELF oder ihrer "Massenorganisationen" bei einer Rückkehr nach Eritrea asylrechtlich relevante Verfolgungsmaßnahmen seitens der dortigen Sicherheitsorgane nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten haben, das Verfolgungsrisiko aber für diejenigen exponierten Oppositionellen steigt, die von der eritreischen Regierung als gefährliche bzw. hartnäckige Kritiker angesehen werden (so auch OVG Saarland, Urteil vom 7. Juni 2001 - 1 R 2/01 -, OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19. April 2002 - A 2 S 203/98 -)."

Aufgrund einer seit Beginn des Jahres 2002 zu beobachtenden - sich in den obigen Ausführungen des Senats bereits andeutenden - veränderten Einstellung der eritreischen Regierung zu jeglicher oppositioneller Betätigung hält der Senat aber an dieser Einschätzung nicht mehr fest.

Wie oben bereits ausgeführt wurde, formierten sich Ende 2001/Anfang 2002 die aus der EPLF/PFDJ und somit aus den eigenen Reihen stammenden Gegner des eritreischen Präsidenten in der EPLF-DP. Damit hat sich aus der Sicht der eritreischen Regierung das Bedrohungspotential von im In- und Ausland agierenden Oppositionsparteien signifikant erhöht (Institut für Afrika-Kunde an Bayerischen VGH vom 2. November 2005). Die Menschenrechtslage in Eritrea wird seit dieser Zeit als besorgniserregend bezeichnet (Institut für Afrika-Kunde an Hessischen VGH vom 2. November 2006). Es herrschen keinerlei rechtsstaatliche Kriterien bei der Verhaftung von Personen, die als regierungskritisch angesehen werden (Institut für Afrika-Kunde an Hessischen VGH vom 2. November 2006; Auswärtiges Amt an Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 20. Dezember 2006; Schröder an Hessischen VGH vom 30. Oktober 2006). Die eritreische Regierung stuft derzeit jede Tätigkeit bzw. Mitgliedschaft im Rahmen einer von der eritreischen Regierung eingestuften oppositionellen Organisation als staatsschädigend ein, wobei nicht zwischen einzelnen Organisationen unterschieden wird. Mitglieder der ELF sind nicht mehr oder weniger von Verfolgungsmaßnahmen betroffen als Mitglieder anderer regierungskritischer Gruppen (Auswärtiges Amt an VG Magdeburg vom 30. Juni 2004). Zwar führt eine untergeordnete oppositionelle Betätigung im Ausland nicht zwangsläufig zu staatlichen Verfolgungsmaßnahmen, das Risiko einer Verfolgung bei einer Rückkehr nach Eritrea kann aber auch nicht ausgeschlossen werden (Auswärtiges Amt an Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 20.12.2006 und an Hessischen VGH vom 21. Dezember 2006). Bei Mitgliedern oder Sympathisanten regierungsfeindlicher Exilorganisationen, die - sei es freiwillig oder gegen ihren Willen - nach Eritrea zurückkehren, ist eine staatliche Verfolgung aber wahrscheinlich (Auswärtiges Amt an Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 20. Dezember 2006; Institut für Afrika-Kunde an Hessischen VGH vom 2. November 2006; Schröder an Hessischen VGH vom 30. Oktober 2006). Das Auswärtige Amt stützt seine Einschätzung ausdrücklich auf einen ihm im November 2005 bekannt gewordenen Fall eines Deutsch-Eritreers, der 1993 nach der Unabhängigkeit Eritreas dorthin zurückgekehrt war. Im Anschluss an eine Besuchsreise nach Deutschland wurde er bei seiner Wiedereinreise in Eritrea unter dem Vorwurf verhaftet und zu vier Jahren Haft verurteilt, er habe in Deutschland an einer Veranstaltung der Opposition teilgenommen. Angesichts dieses Referenzfalles hält das Auswärtige Amt an seiner gegenüber dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof am 31. Oktober 2005 abgegeben Stellungnahme, dass "einfache" aktive Oppositionsmitglieder zwar registriert und deren Aktivitäten als staatsschädigend eingestuft würden, anderseits aber nur eine herausgehobene Betätigung zu staatlichen Verfolgungsmaßnahmen führe, ausdrücklich nicht mehr fest (Auswärtiges Amt an Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 20. Dezember 2006).

Dass im Übrigen keine weiteren Referenzfälle bekannt geworden sind, spricht - entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts - nicht gegen die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefährdung. In Eritrea finden Festnahmen häufig ohne Anwesenheit von Zeugen statt. Die Verhafteten werden nach der Verhaftung an unbekannte Orte verbracht. Angehörige erhalten keine Auskunft über den Verbleib der betroffenen Person, es erfolgt keine (öffentliche) Anklageerhebung und die Betroffenen haben auch keinen Zugang zu einem Rechtsanwalt (Bundesnachrichtendienst an VG München vom 11. April 2005). Das Institut des Haftrichters ist unbekannt. Freilassungen erfolgten oftmals ohne die Angabe von Gründen für die Verhaftung. Es spricht somit vieles dafür, dass das Fehlen von Referenzfällen auf der Praxis nicht rechtsstaatskonformer Verhaftungen von nach Eritrea zurückkehrenden Mitgliedern oder Sympathisanten von Oppositionsorganisationen beruht (Auswärtiges Amt an Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 20. Dezember 2006; Institut für Afrika-Kunde an Hessischen VGH vom 2. November 2006).

Für Mitglieder der ELF-NC/ENSF - wie die Klägerin - wirkt sich als die Verfolgungsgefahr im Falle der Rückkehr erhöhend aus, dass insbesondere die ELF-RC und auch die ELF-NC unter Ahmed Nasser, der für die eritreische Regierung als Schlüsselperson innerhalb der ELF - Organisationen gilt, von der Regierung als bedeutsamste Oppositionspartei und damit als potentielle Gefährdung ihrer Machtbasis angesehen werden (Institut für Afrika-Kunde an Hessischen VGH vom 2. November 2006). Ferner ist aus Sicht der eritreischen Regierung allen mit Äthiopien zusammenarbeitenden oppositionellen Organisationen - zu denen die ELF-NC/ESNF zählt - und damit auch deren Mitgliedern und Sympathisanten, die als Landes- und Hochverräter angesehen werden, mit aller Härte zu begegnen (Schröder an Hessischen VGH vom 30. Oktober 2006).

Bei den einfachen aktiven Mitgliedern der ELF-NC/ENSF drohenden Sanktionen in Form von Verhaftungen und länger andauernden Inhaftierungen handelt es sich auch um politische Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG.

Eine Verfolgung ist dann politisch, wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale gezielte Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung und der staatlichen Einheit ausgrenzen. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin "wegen" eines Asylmerkmals erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (BVerfG, Beschlüsse vom 4. April 1991 - 2 BvR 1497.90 -, InfAuslR 1991, 262, vom 11. Februar 1992 - 2 BvR 1155/91 -, InfAuslR 1992, 152 und vom 11. Mai 1993 - 2 BvR 1989/92 u. a. -, InfAuslR 1993, 310).

Da die der Klägerin drohenden Repressalien an ihre Mitgliedschaft in einer politischen Partei und die Aktivitäten für diese Partei anknüpfen, ist deren politischer Charakter gegeben.

Der Senat ist auch davon überzeugt, dass die Klägerin zu dem Kreis der verfolgungsgefährdeten Personen im oben umschriebenen Sinne zählt, weil sie einfaches Mitglied der in der Bundesrepublik exilpolitisch tätigen ELF-NC/ENSF ist und sich für diese Partei schon längere Zeit - wenn auch nur untergeordnet - betätigt.

Die Klägerin hat bereits unmittelbar nach ihrer Einreise ins Bundesgebiet während ihrer Vorprüfungsanhörung am 30. Januar 2003 angegeben, dass sie in Eritrea Mitglied der ELF gewesen sei. Sie hat diese Angabe in der Klagebegründung dahingehend präzisiert, dass sie aus einer "alten ELF - Familie" stamme. Die Mitgliedschaft der Klägerin in der ELF-RC/ELF-NC/ENSF in der Bundesrepublik wird durch verschiedene Dokumente nachgewiesen, an deren Echtheit zu zweifeln, sich dem Senat kein Anlass bietet. Im Einzelnen handelt es sich um eine Bescheinigung der "Eritreischen Demokratischen Jugendunion e.V. (EDJU)/ E.L.F. in Deutschland" vom 11. Mai 2003, aus welcher sich ergibt, dass die Klägerin seit dem 17. Januar 2003 Mitglied der ELF-RC und der EDJU im Ortsverein A-Stadt ist. Nach den Angaben des im Termin zur mündlichen Verhandlung gehörten Zeugen A. handelt es sich bei der EDJU e.V. um den Vereinsnamen, unter welchem früher die RLF-RC/ELF-NC und heute die ENSF offiziell auftreten. Gleichzeitig wird der Klägerin in dem Dokument vom 17. Januar 2003 bescheinigt, dass sie an politischen Versammlungen und Veranstaltungen teilnimmt, die gegen die eritreische Regierung gerichtet sind, und einen monatlichen Beitrag leistet, um die Organisation zu stärken. Ferner legt die Klägerin eine Bescheinigung der "Eritreischen Demokratischen Jugendunion e.V./ELF-NC in Deutschland" vom 13. August 2005 vor, wonach sie seit August 2004 Mitglied der ELF-NC ist. Schließlich hat sie einen mit ihrem Passbild und ihren Personalien versehenen Ausweis der ELF-NC zur Akte gereicht, der am 10. April 2006 - mithin vor dem offiziellen Vereinigungskongress im August 2006 - ausgestellt wurde und der vom 10. April 2006 bis zum 9. April 2007 gültig ist. Auch der im Termin zur mündlichen Verhandlung am 21. März 2007 gehörte Zeuge A., der Vorsitzender der Ortsgruppe Frankfurt und Umgebung der ENSF ist, hat bekundet, dass er die Klägerin als eingetragenes Mitglied der ENSF kenne.

Die Klägerin hat sich auch in einer Weise für die ELF-RC/ELF-NC/ENSF betätigt, die eine Registrierung durch die eritreischen Sicherheitsbehörden beachtlich wahrscheinlich macht. Der vorgenannte Zeuge A. hat glaubhaft angegeben, dass die Klägerin an fast allen Parteiveranstaltungen teilnehme. Dies gelte auch für die an jedem ersten Samstag im Monat stattfindenden Veranstaltungen. Die Teilnahme an der Veranstaltung vom 3. Februar 2007, an der gleichzeitig Delegierte aus dem gesamten Bundesgebiet zugegen waren, wird durch die Veröffentlichung eines Fotos auf der Internetseite "togoruba.org" nachgewiesen (Bl. 301 der Gerichtsakte). Soweit die Klägerin an den stattfindenden Parteiveranstaltungen nicht teilgenommen habe - so der Zeuge A., sei sie entweder krank oder sonstwie entschuldigt gewesen. Sie sei zwar kein Vorstandsmitglied, übernehme aber bei bestimmten Veranstaltungen oder in bestimmten Arbeitsgruppen jeweils Aufgaben. Die Klägerin habe auch an Demonstrationen in Frankfurt, Bonn und Berlin teilgenommen. Auf Befragen konnte er bestätigen, dass die Klägerin an einer Demonstration vor dem eritreischen Generalkonsulat in A-Stadt teilgenommen habe, die gegen die Ermordung von 161 jungen Eritreern im "WIA-Gefängnis" gerichtet gewesen sei. Die Teilnahme der Klägerin an dieser Demonstration wird auch durch ein Foto belegt, das auf der Internetseite "nharnat.com" veröffentlicht ist (Bl. 69 der Gerichtsakte). Dass diese Demonstration stattgefunden hat, wird im Übrigen vom Institut für Afrika-Kunde (an Hessischen VGH vom 2. November 2006) bestätigt.

Die Klägerin hat auf dem Festival der ELF-RC in B-Stadt im August 2003 eine kurze Rede über die Rolle der eritreischen Frauen im Kampf um die Unabhängigkeit und den Widerstand gegen die gegenwärtige Regierung gehalten. Dies ergibt sich aus einem Schreiben der "Eritreischen Demokratischen Jugendunion e.V. E.L.F. in Deutschland" vom 10. Juni 2004. Während des Festes zum Frauentag in Frankfurt/Höchst im März 2004 ist die Klägerin mit einer Musikgruppe der ELF-RC aufgetreten. Ferner hat sie im Juli 2005 in B-Stadt an dem 1. Festival und Kongress der Eritrea Democratic Alliance (EDA) teilgenommen. Die Teilnahme an dieser Veranstaltung wird durch die Veröffentlichung eines Fotos, auf welchem auch die Klägerin zu erkennen ist, auf der Internetseite "eritreana.com" belegt (Bl. 67 der Gerichtsakte). In der Zeit vom 27. Juli 2006 bis zum 31. Juli 2006 war die Klägerin auf dem in B-Stadt stattfindenden Festival der ENSF. Dies wird durch ein auf der Internetseite "toguruba.org" veröffentlichtes Foto (Bl. 131 der Gerichtsakte) dokumentiert.

Die Mitgliedschaft der Klägerin in der ELF-RC/ELF-NC/ENSF und ihre Aktivitäten für diese Partei sind zur Überzeugung des Senats hinlänglich durch Bescheinigungen, an deren Echtheit zu zweifeln, kein Anlass besteht, durch Fotos, die auf oppositionellen Internetseiten veröffentlicht wurden, und durch die Angaben des im Termin zur mündlichen Verhandlung gehörten Zeugen A., dessen in sich widerspruchsfreie Angaben insgesamt glaubhaft sind, nachgewiesen.

Die Klägerin hat nach alledem einen Anspruch auf Feststellung des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 AufenthG.

Die Abschiebungsandrohung im angegriffenen Bescheid vom 28. Mai 2003 ist aufzuheben, weil sie den Anforderungen des § 60 Abs. 10 Satz 2 AufenthG nicht genügt. Mangels Bezeichnung eines Staates, in den die Klägerin abgeschoben werden könnte, wird das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bei Erlass des die Feststellung nach § 60 Abs. 1 AufenthG treffenden Bescheids zu prüfen haben, ob eine Abschiebung der Klägerin in einen Drittstaat, in dem ihr keine Überstellung in den Verfolgerstaat droht, in Betracht kommt. Gibt es keinen solchen Staat, unterbleibt die Abschiebungsandrohung (BVerwG, Urteil vom 5. Oktober 1999 - BVerwG 9 C 31.99 -, InfAuslR 2000, 99).

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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