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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 29.10.2001
Aktenzeichen: 9 UE 1702/98.A
Rechtsgebiete: GG, AsylVfG, AuslG


Vorschriften:

GG Art. 16 a Abs. 1
AsylVfG § 26 a
AsylVfG § 27 Abs. 1
AsylVfG § 28
AuslG § 51 Abs. 1
AuslG § 53 Abs. 4
AuslG § 53 Abs. 6 Satz 1
AuslG § 53 Abs. 6 Satz 2
1. Ehemalige Mitglieder, auch Offiziere der Armee des Mengistu-Regimes und ehemalige Mitglieder der Regierungspartei WPE, denen nicht der Vorwurf von Kapitalverbrechen gemacht wird und die nicht an Menschenrechtsverletzungen beteiligt waren, müssen im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien wegen ihrer Armee- oder Parteizugehörigkeit oder wegen eines Auslandsstudiums nicht mit der Gefahr politischer Verfolgung durch die EPRDF-Regierung rechnen.

2. Mitgliedern der AAPO oder ihrer Exilorganisation droht im Falle ihrer Rückkehr nach Äthiopien wegen ihrer Mitgliedschaft oder wegen niederer Funktionärstätigkeiten für die AAPO, einer in Äthiopien offiziell zugelassenen Oppositionspartei ohne das Hinzutreten weiterer Umstände keine politische Verfolgung durch die EPRDF-Regierung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit.

3. Die bloße Mitgliedschaft in der EFSU oder in einer ihrer Exilgruppen führt im Falle der Rückkehr nach Äthiopien nicht zu politischer Verfolgung durch den äthiopischen Staat.

4. Im Ausland lebende einfache Mitglieder der EPRP bzw. ihrer Exilorganisation oder eines ihrer Unterstützungskomitees haben bei einer Rückkehr nach Äthiopien ebenso wenig asylrechtlich relevante Verfolgungsmaßnahmen seitens der dortigen Staatsorgane mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten, wie bloße Teilnehmer an Demonstrationen oder sonstigen Veranstaltungen dieser Gruppen.

5. Die Mitgliedschaft in der äthiopischen Gemeinde Rhein-Main-Gebiet e.V. führt bei einer Rückkehr nach Äthiopien nicht zu politischen Verfolgungsmaßnahmen seitens der EPRDF-Regierung.

6. Aus der Asylantragstellung im Bundesgebiet können äthiopische Staatsangehörige weder einen beachtlichen Nachfluchtgrund herleiten noch führt dieser Umstand zur Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 51 AuslG.

7. Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 4 AuslG kann nur gewährt werden, wenn der Ausländer im Zielland der Abschiebung Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung durch den Staat oder einer staatsähnlichen Organisation unterworfen zu werden, wobei der Begriff der Behandlung ein geplantes, vorsätzliches, auf eine bestimmte Person gerichtetes Handeln voraussetzt.

8. Im Übrigen Einzelfall eines äthiopischen Asylbewerbers, dem Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG in analoger Anwendung nicht gewährt werden kann, weil er im Falle seiner Rückkehr über aufnahmebereite Verwandte verfügt.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes Urteil

9 UE 1702/98.A

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Asylrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 9. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Teufel, Richter am Hess. VGH Dr. Fischer, Richter am Hess. VGH Mogk, ehrenamtlichen Richter Lecke, ehrenamtlichen Richter Schlegel

ohne mündliche Verhandlung am 29. Oktober 2001 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten wird der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 20. Dezember 1996 (Az.: 5 E 31641/94.A <3>) aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger ist äthiopischer Staatsangehöriger und wurde am 24. August 1962 in W. in der Provinz Wollu geboren. Er ist väterlicherseits amharischer und mütterlicherseits zur Hälfte amharischer und zur Hälfte tigrinischer Volkszugehöriger. Er gehört der koptischen Kirche an.

Am 20. Januar 1992 reiste er mit einem gültigen äthiopischen Reisepass aus der ehemaligen Sowjetunion kommend über Polen in die Bundesrepublik Deutschland ein; am 29. Januar 1992 beantragte er seine Anerkennung als Asylberechtigter. Zur Begründung führte er aus, er sei früher Mitglied der äthiopischen Arbeiterpartei (WPE) und Offizier der äthiopischen Luftwaffe im Range eines Leutnants gewesen und habe für die Einheit seines Landes gekämpft. Frühere Parteimitglieder und Angehörige des Verteidigungsministeriums, wie er, hätten nicht die Möglichkeit, zu arbeiten und sich selbst zu ernähren. Außerdem sei ihnen das Versammlungsrecht und das aktive und passive Wahlrecht entzogen worden. Wenn er in dieser Situation nach Äthiopien zurückkehre, erwarte ihn das Schicksal seiner früheren Freunde, d. h., er werde inhaftiert oder getötet, oder er müsse ohne irgendwelche Rechte leben. Außerdem sei die jetzige Regierung gegen die Einheit des Landes. Die Nationalitäten, die lange Jahre friedlich zusammengelebt hätten, würden gespalten, und dadurch werde ihre gegenseitige Vernichtung herbeigeführt. Oppositionelle Kräfte, die für die Einheit des Landes einträten, würden inhaftiert, getötet oder von ihren Arbeitsplätzen vertrieben.

Im Rahmen seiner Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 10. August 1993 erklärte der Kläger, er habe bis 1976 zwölf Jahre die Schule besucht und anschließend ein Studium der Elektrotechnik in Debrezeit aufgenommen, das er mit dem Diplom im Jahre 1983 abgeschlossen habe. Nach Abschluss des Studiums sei er von 1983 bis 1987 bei der äthiopischen Luftwaffe in Asmara stationiert gewesen. Er habe den Rang eines Leutnants bekleidet und sei im technischen Dienst für die Wartung der MiG-23 zuständig gewesen. Ein Jahr vor seiner Ausreise in die ehemalige Sowjetunion habe er dann auch politische Schulungen durchgeführt, wobei er als Dozent 50 Soldaten unterrichtet habe. Bereits seit 1982 sei er Mitglied der äthiopischen Arbeiterpartei WPE gewesen. Am 26. August 1987 habe er Äthiopien verlassen, um in der ehemaligen UdSSR an der Militärakademie in Kiew Elektrotechnik zu studieren. Dieses Studium habe er am 23. Dezember 1991 mit dem Diplom abgeschlossen. Vor dem Machtwechsel in Äthiopien habe er in der ehemaligen UdSSR auch politische Schulungen durchgeführt. Von der damaligen äthiopischen Botschaft habe er Informationsmaterial der WPE bekommen. Dieses Informationsmaterial habe er an äthiopische Studenten in der ehemaligen Sowjetunion weitergegeben. Außerdem sei in Versammlungen auch über dieses Informationsmaterial diskutiert worden. In Kiew hätten 44 Studenten Ingenieurwissenschaften studiert, und er habe mit diesen Studenten in Versammlungen diskutiert. Als Mitglied der ehemaligen äthiopischen Armee und als WPE-Mitglied sei es ihm nach der Machtübernahme durch die EPRDF unmöglich gewesen, nach Äthiopien zurückzukehren. Des Weiteren sei er auch in der ehemaligen UdSSR politisch aktiv gewesen. Er habe versucht, dort Asyl zu beantragen, und zwar in Kiew. Man habe ihm jedoch gesagt, dass ihm in der Sowjetunion kein Asyl gewährt werden könne. Er und die anderen äthiopischen Studenten hätten sich mit einem Schreiben an Präsident Gorbatschow gewandt, das zunächst an das Außenministerium und danach an das Verteidigungsministerium weitergeleitet worden sei. Von dort sei ihnen am 18. September 1991 mitgeteilt worden, dass sie ihr Studium beenden dürften und danach in ein Drittland ausreisen könnten. Nach Abschluss seines Studiums am 23. Dezember 1991 sei er dann am 20. Januar 1992 über Polen in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Bei einer Rückkehr nach Äthiopien befürchte er, dort inhaftiert oder sogar getötet zu werden. Der Grund dafür sei, dass er Mitglied der ehemaligen äthiopischen Armee gewesen und gegen die Truppen der EPLF gekämpft habe. Es befänden sich noch etwa 40.000 EPLF-Kämpfer in Äthiopien. Er habe auch gegen die TPLF gekämpft, die jetzigen Machthaber in Äthiopien. Er sei überzeugter Kämpfer für die Einheit Äthiopiens und nach wie vor der Überzeugung, dass die jetzige Politik in Äthiopien falsch sei. Die neuen Machthaber seien gegen die Einheit Äthiopiens.

Mit Bescheid vom 19. August 1993 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Asylantrag des Klägers ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 AuslG nicht vorlägen und auch keine Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG gegeben seien. Außerdem wurde die Abschiebung des Klägers nach Äthiopien angedroht.

Gegen den ihm am 27. August 1993 zugestellten Bescheid erhob der Kläger am 8. September 1993 Klage. Zur Begründung führte er - ergänzend zu seinem bisherigen Vorbringen - aus, er sei zwar unverfolgt aus seinem Heimatland ausgereist, denn er sei von der damaligen Regierung zum Zwecke des Studiums in die ehemalige Sowjetunion entsandt worden, mit dem Ziel, als Offizier in technischen Angelegenheiten fortgebildet zu werden, um in höherer Stellung in der äthiopischen Armee weiterhin Verwendung zu finden. Während seines Studiums in der Sowjetunion habe die EPRDF in seinem Heimatland aber die Macht übernommen, indem sie den Bürgerkrieg gegen das DERG-Regime, dem er nahe gestanden habe, für sich entschieden habe. Daraufhin seien sämtliche in der Sowjetunion befindlichen Auslandsstudenten seitens der äthiopischen Behörden aufgefordert worden, nach Äthiopien zurückzukehren. Da jedoch ein Großteil der in der ehemaligen Sowjetunion studierenden Äthiopier dem alten Regime nahe gestanden habe, seien nur wenige dieser Aufforderung gefolgt. Ihm sei dann auf entsprechende Intervention, wie anderen Studenten auch, der Abschluss des Studiums in der ehemaligen Sowjetunion ermöglicht und die Ausreise in ein Drittland gestattet worden. Im Falle der erzwungenen Rückkehr nach Äthiopien werde er von den dortigen Behörden als Regimegegner festgenommen werden. Dies ergebe sich daraus, dass er nicht nur Mitglied der WPE gewesen, sondern auch als Agitator innerhalb der Armee für die damalige Regierungspartei tätig gewesen sei. Er habe auch nicht nur untergeordnete Funktionen in Partei und Militär ausgeübt. Vielmehr sei er als Leutnant der Luftwaffe einer Eliteeinheit des ehemaligen Regimes zugehörig gewesen und werde deshalb auch noch heute als Regimegegner seitens der neuen Machthaber in Addis Abeba angesehen. Er könne daher weder nach Eritrea noch nach Äthiopien zurückkehren. Nach den zunächst massiven Verfolgungen und Verhaftungen von ehemaligen WPE-Mitgliedern im Jahre 1991 sei 1992 zwar zunächst eine gewisse Entspannung eingetreten. Ende 1992 bzw. im Januar 1993 habe dann mit der zunehmenden Abwendung des neuen Regimes in Addis Abeba von den zunächst versprochenen demokratischen Ideen aber wieder eine massive Verfolgung von WPE-Mitgliedern eingesetzt. Die EPRDF-Regierung sei an einer rechtsstaatlichen Aufarbeitung der Vergangenheit Äthiopiens nicht interessiert. Vielmehr gehe es um die Unterdrückung möglicher Oppositioneller, die gegen die Vorherrschaft der Tigriner in Äthiopien seien. Dabei schreckten die Truppen der TPLF vor Verbrechen nicht zurück. Die Wahrscheinlichkeit, dass er verhaftet und ohne Gerichtsverhandlung bis auf weiteres festgenommen werde, sei angesichts seiner hervorgehobenen Position im alten Regime mehr als wahrscheinlich, insbesondere im Hinblick auf die von ihm in der ehemaligen Sowjetunion betriebene Agitation. Darüber hinaus habe er in Frankfurt am Main einen Verein ehemaliger Soldaten Äthiopiens (EFSU) mit gegründet. Er sei in diesem Verein auch weiterhin tätig.

Ohne Anhörung der Beteiligten zu dieser Verfahrensweise verpflichtete das Verwaltungsgericht Wiesbaden die Beklagte mit Gerichtsbescheid vom 20. Dezember 1996 unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass für ihn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Zur Begründung heißt es im Wesentlichen, das Auswärtige Amt habe dem Verwaltungsgericht nicht alle Erkenntnisse und Informationen über die politischen Verhältnisse in Äthiopien, insbesondere über eine mögliche Verfolgung von Mitgliedern der AAPO in Äthiopien mitgeteilt. Daraus müsse die Schlussfolgerung gezogen werden, dass nur solche Umstände ernsthaft verschweigenswürdig seien, die asylerheblich seien. Das Gericht würdige daher das Verschweigen maßgeblicher, wenn nicht nahezu aller Informationen über die politische Lage der einzigen als Partei zugelassenen und zugleich größten oppositionellen Organisation in Äthiopien durch das Auswärtige Amt im Ergebnis dahingehend, dass die verschwiegenen Informationen zu dem Ergebnis führen würden, dass Personen, die sich als Mitglieder der AAPO zu erkennen gäben oder sich in dieser Partei oppositionell betätigten, asylerheblich gefährdet seien. Mithin gehe das Gericht davon aus, dass jeder Äthiopier, der als möglicherweise oppositionell eingestellt oder tätig angesehen werde, ernsthaft und unmittelbar mit Verfolgung zu rechnen habe. Dies gelte auch für oppositionelle Bewegungen außerhalb der AAPO, so dass schon die Asylantragstellung in der Bundesrepublik genüge, um - anknüpfend an die Verweigerung aussagekräftiger und fundierter Berichte des Auswärtigen Amtes - das Vorliegen von politischer Verfolgung festzustellen.

Am 31. Januar 1997 beantragte der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten die Zulassung der Berufung. Mit Beschluss des 3. Senats vom 27. März 1998 ist die Berufung wegen nachträglicher Divergenz im Hinblick auf das Urteil dieses Senats vom 18. Dezember 1997 - 3 UE 3402/97.A - zugelassen worden. In diesem Urteil sei grundsätzlich entschieden worden, dass allein die Asylantragstellung in der Bundesrepublik Deutschland nicht ausreiche, um bei einem äthiopischen Staatsangehörigen, der als möglicherweise oppositionell eingestellt oder tätig angesehen werde, das Vorliegen politischer Verfolgung festzustellen.

Zur Begründung seiner Berufung weist der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten auf die im Zulassungsbeschluss dargestellte Abweichung hin.

Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 20. Dezember 1996 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger meint, die Berufung sei bereits unzulässig, da sie nicht ausreichend begründet worden sei. Die Berufungsbegründung genüge nicht den Anforderungen des § 124 a Abs. 3 VwGO. In der Sache wiederholt und vertieft er sein erstinstanzliches Vorbringen. Insbesondere verweist er auf seine bereits seit dem Jahre 1982 bestehende Mitgliedschaft in der WPE sowie seine Tätigkeit in der äthiopischen Luftwaffe als Leutnant in Asmara in der Zeit von 1983 bis 1987 und sein am 26. August 1987 begonnenes Studium an der Militärakademie in Kiew mit dem Ziel der Verwendung in höherer Stellung in der äthiopischen Luftwaffe sowie seine während seines Studienaufenthalts in der Sowjetunion entfalteten politischen Aktivitäten, insbesondere die von ihm durchgeführten Schulungen für die ebenfalls in Kiew studierenden äthiopischen Studenten der Ingenieurwissenschaften. Im Falle der erzwungenen Rückkehr nach Äthiopien werde er schon aufgrund dieses Sachverhalts als Regimegegner festgenommen werden. Dies ergebe sich daraus, dass er nicht nur einfaches Mitglied der WPE und Armeeangehöriger gewesen sei. Er sei vielmehr als Agitator innerhalb der Armee und später bei den Auslandsstudenten tätig gewesen. Er werde deshalb auch noch heute als Regimegegner seitens der neuen Machthaber in Addis Abeba angesehen. Von großer Bedeutung sei auch seine Entsendung in die Sowjetunion zur Ausbildung. Das frühere Regime habe nur solchen Personen ein Studium in der Sowjetunion gewährt, die es für besonders zuverlässig gehalten habe und die daher in Zukunft in besonders herausragenden Positionen hätten tätig werden sollen. Dass er in diesem Personenkreis darüber hinaus auch noch mit der Aufgabe der politischen Schulung betraut gewesen sei, müsse ihn in den Augen der derzeitigen Machthaber als umso gefährlicher erscheinen lassen. Die Gefahr der politischen Verfolgung bestehe in Äthiopien zumindest für solche Personen, die von den derzeitigen Machthabern aufgrund ihrer jetzigen oder früheren herausragenden Stellung als Gegner des Regimes angesehen würden. Aufgrund seiner exponierten Tätigkeit für das DERG-Regime werde er bei einer Rückkehr nach Äthiopien sofort in den Verdacht geraten, gegen die neuen Machthaber eingestellt zu sein. Ihm drohten daher bei einer Rückkehr erhebliche Gefährdungen für Leib und Leben sowie für seine persönliche Freiheit. Darüber hinaus lägen beachtliche subjektive Nachfluchtgründe vor, die ebenfalls einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter begründeten. Er habe nach seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland seine politischen Überzeugungen nicht aufgegeben, sondern nach ihnen gehandelt. So sei er Gründungsmitglied der EFSU. Er beteilige sich regelmäßig an Demonstrationen und anderen politischen Aktivitäten gegen die derzeitige Regierung. In der EFSU sei er mittlerweile Vorsitzender des Komitees für Öffentlichkeitsarbeit. Er halte ferner ständig Kontakt zu anderen Regimekritikern und anderen Organisationen. Dieses Verhalten entspreche seiner Einstellung, nach der eine wirksame Opposition gegen die derzeitigen Machthaber nur bei Zusammenarbeit sämtlicher oppositioneller Gruppierungen möglich sei. In der Zeit vom 24. Mai 1994 bis zum 20. August 1998 sei er Mitglied der AAPO gewesen. Aus dieser Partei sei er jedoch aufgrund verschiedener Differenzen wieder ausgetreten. Während seiner Mitgliedschaft sei sein Name jedoch oft in der Parteizeitung der AAPO erwähnt worden. Ferner habe er an verschiedenen Treffen der EPRP in Deutschland teilgenommen, so 1993 in Köln, am 21. Dezember 1996 in Dreieich und am 25. Januar 1998 in Frankfurt am Main, ohne jedoch Mitglied dieser Organisation zu sein. Des Weiteren sei er Mitglied der äthiopischen Gemeinde Rhein-Main-Gebiet e. V. Er gehöre dem siebenköpfigen Organisationskomitee dieser Organisation an. Die äthiopische Gemeinde habe am 17./18. Mai 1997 in Frankfurt am Main eine Konferenz durchgeführt, die auch von der deutschen und äthiopischen Öffentlichkeit wahrgenommen worden sei. An dieser Konferenz habe Herr Assefa Maru teilnehmen sollen. Dieser sei jedoch kurz vor Beginn der Konferenz von äthiopischen Polizeikräften erschossen worden. Er sei weiterhin Mitglied des Organisationskomitees einer am 15. August 1998 von der unabhängigen Zeitschrift RAI-J-Magazin veranstalteten Konferenz gewesen, an der zahlreiche äthiopische Oppositionspolitiker teilgenommen hätten. Er sei als herausragende Persönlichkeit der politischen Opposition in Deutschland aufgetreten und dem derzeitigen Regime in Äthiopien als solche bekannt. Der Geheimdienst überwache exilpolitische Aktivitäten seiner Staatsangehörigen, wie gegen die Regierung gerichtete Veranstaltungen und Demonstrationen, sehr genau. Es müsse daher befürchtet werden, dass sich auch unter den Teilnehmern der Konferenzen vom 17./18. Mai 1997 und 15. August 1998 Spitzel befunden hätten, die den äthiopischen Sicherheitsdiensten unter Weitergabe von Namen Bericht erstatteten. Die daraus resultierende Gefährdung ergebe sich für ihn umso mehr, als er nicht nur an diesen Konferenzen teilgenommen, sondern auch als Organisator maßgeblich an ihnen mitgewirkt habe. Ferner sei auch nicht auszuschließen, dass sich bei den Treffen der EPRP, an denen er als Gast teilgenommen habe, Spitzel befunden hätten.

Mit Schriftsatz vom 25. September 2001 hat der Kläger ergänzend vorgetragen, dass er der EPRP in Äthiopien bereits vor deren Zerschlagung durch das Mengistu-Regime vor ca. 20 Jahren als Jugendlicher angehört habe. Er sei damals als Schüler von der EPRP angeworben worden und deswegen für sechs Monate in der Provinz Wollo inhaftiert gewesen. Weiterhin hat er in diesem Schriftsatz auf die Vielzahl seiner politischen Aktivitäten sowohl in Äthiopien als auch in der Bundesrepublik Deutschland und in der ehemaligen Sowjetunion, in die er verwickelt gewesen sei, verwiesen. Zwar genieße er derzeit in keiner dieser Organisationen eine herausragende Stellung, doch habe er herausragende Stellungen innegehabt, sowohl in der ehemaligen Sowjetunion als auch nach der Gründung der EFSU. Auch innerhalb der AAPO sei er vorübergehend in hervorgehobener Position, wenn auch auf Seiten der innerparteilichen Opposition, tätig gewesen. All dies zeige eindeutig, dass seine Aktivitäten dem äthiopischen Regime nicht hätten unbekannt bleiben können. Da er in eine Vielzahl von Aktivitäten eingebunden gewesen sei, oft auch in hervorgehobener Stellung, drohe ihm heute im Falle seiner Rückkehr nach Äthiopien politische Verfolgung.

Die Beklagte stellt keinen Antrag.

Der Senat hat über die Asylgründe des Klägers Beweis erhoben durch dessen Vernehmung als Beteiligter. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Terminsniederschrift vom 7. August 2001 (Blatt 176 bis 181 der Gerichtsakten) Bezug genommen.

Die Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (1 Aktenhefter) sind beigezogen und zum Gegenstand der Beratung gemacht worden. Dasselbe gilt für die Dokumente, wie sie in den den Beteiligten bekannt gegebenen Erkenntnislisten Äthiopien sowie der Verfügung des Berichterstatters vom 10. Oktober 2001 enthalten sind; wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die Entscheidung konnte gemäß §§ 101 Abs. 2, 125 Abs. 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung ergehen, da die Beteiligten hierauf wirksam verzichtet haben.

Die zugelassene Berufung ist auch ansonsten zulässig; sie ist insbesondere in einer den Anforderungen des § 124 a Abs. 3 VwGO noch genügenden Weise begründet worden. Nach dieser Vorschrift, die auch in gerichtlichen Asylverfahren Anwendung findet und nicht durch § 78 AsylVfG verdrängt wird, reicht es zur ordnungsgemäßen Begründung einer Berufung aus, wenn in der Berufungsbegründung der Streitgegenstand aus der Sicht des Berufungsführers bezeichnet wird und die Berufungsbegründung einen bestimmten Antrag und die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung enthält. Insoweit genügt es, dass der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten auf seine im Berufungszulassungsverfahren dargelegten Gründe und deren Würdigung im Zulassungsbeschluss Bezug nimmt. Aus diesem Vortrag ergibt sich hinreichend deutlich, warum er den angefochtenen Gerichtsbescheid für unrichtig hält (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. August 1997 - BVerwG 9 B 690.97 -, DVBl. 1997, 1325).

B.

Die Berufung ist begründet, soweit das Verwaltungsgericht der auf die Verpflichtung zur Asylanerkennung nach Art. 16 a GG und auf Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG gerichteten Klage stattgegeben hat; daher war der angefochtene Gerichtsbescheid aufzuheben und die Klage, auch soweit § 53 AuslG und die Abschiebungsandrohung betroffen sind, abzuweisen. Denn der Asylantrag des Klägers wurde durch Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 19. August 1993 zu Recht abgelehnt. Der Kläger kann in dem nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht verlangen, dass die Beklagte ihn als Asylberechtigten nach Art. 16 a Abs. 1 GG anerkennt (I.) und feststellt, dass in seiner Person die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (II.) bzw. Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG (III.) vorliegen. Auch die Abschiebungsandrohung erweist sich als rechtmäßig (IV.). Daraus ergeben sich die zu treffenden Nebenentscheidungen (V.).

I.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16 a Abs. 1 GG.

Asylrecht als politisch Verfolgter im Sinne von Art. 16 a Abs. 1 GG genießt, wer bei einer Rückkehr in seine Heimat aus politischen Gründen Verfolgungsmaßnahmen mit Gefahr für Leib und Leben oder Beeinträchtigungen seiner persönlichen Freiheit zu erwarten hat (BVerfG, Beschluss vom 02. Juli 1980 - 1 BvR 147/80 -, BVerfGE 54, 341). Wer unverfolgt seinen Heimatstaat verlassen hat, ist gemäß § 28 AsylVfG nur dann als Asylberechtigter anzuerkennen, wenn ihm aufgrund eines beachtlichen Nachfluchttatbestandes politische Verfolgung droht (BVerfG, Beschluss vom 26. November 1986 - 2 BvR 1058/85 -, BVerfGE 74, 51).

Eine Verfolgung ist in Anlehnung an den Flüchtlingsbegriff des Art. 1 Abschnitt A Nr. 2 Genfer Konvention - GK - als politisch im Sinne von Art. 16 a Abs. 1 GG anzusehen, wenn sie auf die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder die politische Überzeugung des Betroffenen zielt (BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 1987 - 2 BvR 478/86 -, BVerfGE 76, 143; BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1984 - BVerwG 9 C 185.83 -, BVerwGE 69, 320). Diese spezifische Zielrichtung ist anhand des inhaltlichen Charakters der Verfolgung nach deren erkennbarem Zweck, nicht nach den subjektiven Motiven des Verfolgenden zu ermitteln (BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86 -, BVerfGE 80, 315). Werden nicht Leib, Leben oder die physische Freiheit gefährdet, sondern andere Grundfreiheiten wie etwa die Religionsausübung oder die berufliche und wirtschaftliche Betätigung, so sind nur solche Beeinträchtigungen asylrelevant, die nach Intensität und Schwere die Menschenwürde verletzen und über das hinausgehen, was die Bewohner des Heimatstaates aufgrund des dort herrschenden Systems allgemein hinzunehmen haben (BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 1987 - 2 BvR 478/86 -, a. a. O.).

Die Gefahr einer derartigen Verfolgung ist gegeben, wenn dem Asylsuchenden bei verständiger Würdigung aller Umstände seines Falles politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, wobei die insoweit erforderliche Zukunftsprognose auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung abstellt und auf einen absehbaren Zeitraum ausgerichtet sein muss (BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1985 - BVerwG 9 C 22.85 -, NVwZ 1986, 760). Die Prüfung der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erfordert eine qualifizierende Betrachtungsweise, die neben der Eintrittswahrscheinlichkeit auch die zeitliche Nähe des befürchteten Eingriffs berücksichtigt (BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1993 - BVerwG 9 C 45.92 -, EZAR 200 Nr. 30).

Einem Asylbewerber, der bereits einmal politisch verfolgt war, kann eine Rückkehr in seine Heimat nur zugemutet werden, wenn die Wiederholung von Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist (BVerfG, Beschluss vom 2. Juli 1980 - 1 BvR 147/80 -, a. a. O.). Allerdings kann die Asylanerkennung wegen anderweitigen Verfolgungsschutzes, insbesondere nach Einreise aus einem sicheren Drittstaat, ausgeschlossen sein (Art. 16 a Abs. 2 GG; §§ 26 a, 27, 29 Abs. 1 und 2 AsylVfG; vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1938/93 -, BVerfGE 94, 49).

Aufgrund der ihm obliegenden prozessualen Mitwirkungspflicht ist der Asylbewerber gehalten, von sich aus umfassend die in seine Sphäre fallenden Ereignisse substantiiert und in sich schlüssig zu schildern sowie eventuelle Widersprüche zu seinem Vorbringen in früheren Verfahrensstadien nachvollziehbar aufzulösen, so dass sein Vortrag insgesamt geeignet ist, den Asylanspruch lückenlos zu tragen (BVerwG, Urteil vom 23. Februar 1988 - BVerwG 9 C 32.87 -, EZAR 630 Nr. 25). Insbesondere muss das Vorbringen den politischen Charakter der Verfolgungsmaßnahmen deutlich hervortreten lassen (BVerwG, Urteil vom 22. März 1983 - BVerwG 9 C 68.81 -, Buchholz 402.24 Nr. 44 zu § 28 AuslG). Bei der Darstellung der allgemeinen Umstände im Herkunftsland genügt es dagegen, dass die vorgetragenen Tatsachen die nicht entfernt liegende Möglichkeit politischer Verfolgung ergeben.

Die Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung kann schließlich nur festgestellt werden, wenn sich das Gericht in vollem Umfang die Überzeugung von der Wahrheit des von dem Asylbewerber behaupteten individuellen Verfolgungsschicksals verschafft, wobei allerdings der sachtypische Beweisnotstand hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerstaat bei der Auswahl der Beweismittel und bei der Würdigung des Vortrags und der Beweise angemessen zu berücksichtigen ist (BVerwG, Urteil vom 12. November 1985 - BVerwG 9 C 27.85 -, InfAuslR 1986, 79).

Ausgehend von diesen Grundsätzen kann aufgrund der persönlichen Angaben des Klägers zu seinem Asylbegehren im Rahmen der Anhörung durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 10. August 1993, seiner Vernehmung in dem Berufungsverfahren am 7. August 2001 und seiner übrigen schriftsätzlichen Angaben im Rahmen des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens unter Berücksichtigung der in das Verfahren eingeführten Dokumente zur Überzeugung des Senats nicht festgestellt werden, dass der Kläger wegen bereits erlittener oder drohender Verfolgung Äthiopien verlassen hat und ihm bei Rückkehr politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.

Der aus der früheren Sowjetunion über Polen in das Bundesgebiet eingereiste Kläger ist von der Asylanerkennung nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil er in einem der Durchreiseländer bereits vor politischer Verfolgung sicher gewesen wäre (§ 27 Abs. 1 AsylVfG). Polen passierte der Kläger nach eigenem glaubhaftem Bekunden lediglich als Durchreiseland, in dem er sich nicht länger als reisebedingt notwendig aufhielt. Von einer Beendigung seiner Flucht in diesem Land kann daher nicht ausgegangen werden (vgl. BVerwG, Urteile vom 30. Mai 1989 - BVerwG 9 C 44.88 -, NVwZ 1990, 81 und vom 16. März 1990 - BVerwG 9 C 97.89 -, InfAuslR 1990, 206). Allerdings hat sich der Kläger nach dem Sturz des Mengistu-Regimes in Äthiopien Ende Mai 1991, also nach dem Ereignis, das für ihn nach eigenen Angaben die Gefahr politischer Verfolgung in seinem Heimatland herbeigeführt haben soll, noch bis zum Januar 1992, also mehr als drei Monate, in der ehemaligen Sowjetunion aufgehalten. Ob er sich insoweit die Vermutung des § 27 Abs. 3 AsylVfG entgegen halten lassen muss, mag indes dahinstehen, da sich die Klage - wie nachfolgend ausgeführt - aus anderen Gründen als unbegründet erweist.

Die Drittstaatenregelung in § 26 a AsylVfG ist auf den Kläger nicht anwendbar, da er vor dem 1. Juli 1993 einen Asylantrag gestellt hat (§ 87 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG; BVerfG, Beschluss vom 22. Juli 1993 - 2 BvR 668/93 -, NVwZ - Beil. 2/1993, 12).

Der Kläger ist nicht vorverfolgt.

Vorverfolgt sind nur Personen, bei deren Ausreise aus dem Heimatstaat politische Verfolgung schon eingetreten war oder denen bereits zu diesem Zeitpunkt politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohte (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1993 - BVerwG 9 C 45.92 -, Buchholz 402.25 AsylVfG § 1 Nr. 166).

Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht.

Der Kläger hat in Äthiopien bis zu seiner Ausreise im Jahre 1987 keine politische Verfolgung erlitten. Er ist im Jahre 1987 unverfolgt aus Äthiopien in die damalige UdSSR ausgereist, wobei er zudem gültige Ausweispapiere besaß und als Mitglied der damals regierenden äthiopischen Arbeiterpartei (WPE) von Präsident Mengistu und als Mitglied der äthiopischen Armee vom äthiopischen Staat keine Nachteile zu erwarten hatte. Der Kläger war vielmehr zur Durchführung eines Studiums in die Sowjetunion gereist, wobei er sogar vom äthiopischen Staat Zuschüsse und Unterstützung erhielt, was ihm erst die Ausbildung in der Sowjetunion ermöglichte. Hinzu kommt, dass der Kläger in der damaligen äthiopischen Armee nicht als einfacher Soldat diente, sondern die Offizierslaufbahn in der Luftwaffe der Mengistu-Armee eingeschlagen hatte, was ihn ebenfalls privilegierte, und er darüber hinaus im Rahmen seines Dienstes in der Armee politische Schulungen für die damalige Mengistu-Regierung abhielt. Mithin kommt für den Kläger auch der herabgesetzte Prognosemaßstab für Vorverfolgte, wonach eine Anerkennung als asylberechtigt schon dann in Betracht kommt, wenn bei Rückkehr in den Heimatstaat eine Wiederholung der politischen Verfolgung nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, nicht zur Anwendung.

Etwas anderes folgt auch nicht aus dem nachgereichten Schriftsatz vom 25. September 2001, in dem der Kläger u. a. vorträgt, dass er bereits als Jugendlicher vor ca. 20 Jahren der EPRP (Ethiopian People's Revolutionary Party) in Äthiopien angehört haben will bzw. als Schüler von der EPRP angeworben und nach Entdeckung für sechs Monate in der Provinz Wollo inhaftiert worden sei. Diesen Sachvortrag weist der Senat gemäß §§ 87 b Abs. 3, 125 Abs. 1 VwGO als verspätet zurück. Der Berichterstatter hat dem Kläger mit Verfügung vom 23. August 2001 eine Frist zum abschließenden Sachvortrag und zur Vorlage weiterer Beweismittel von zwei Wochen gesetzt. Die Berücksichtigung des oben im Einzelnen dargestellten Tatsachenvortrages der dem Gericht erst nach Ablauf der gesetzten Frist unterbreitet wurde, würde nach der freien Überzeugung des Senats zu einer Verzögerung der Erledigung des vorliegenden Rechtsstreits führen, denn der Kläger wäre hierzu in einem noch anzuberaumenden ergänzenden Beweisaufnahmetermin als Beteiligter erneut zu vernehmen, da er die oben angeführten Umstände bis zum Eingang des Schriftsatzes vom 25. September 2001 weder im Gerichts- noch im Verwaltungsverfahren angebracht hat und er sich hierzu insbesondere im Rahmen seiner Vernehmung als Beteiligter vor dem Berichterstatter im Beweisaufnahmetermin am 7. August 2001 nicht geäußert hat und daher eine erneute Vernehmung zur Herstellung einer entsprechenden Überzeugungsbildung durch den Senat geboten wäre. Darüber hinaus wäre auch die Einholung weiterer Auskünfte sachverständiger Stellen (Auswärtiges Amt, Institut für Afrika-Kunde, amnesty international) erforderlich, um dem Senat eine Überzeugungsbildung bezüglich des Umstandes zu ermöglichen, ob, wie vom Kläger vorgetragen, eine Mitgliedschaft in der EPRP, verbunden mit einer sechsmonatigen Inhaftierung, und daran anschließend eine Mitgliedschaft in der damaligen Regierungspartei WPE und eine Offizierslaufbahn in der Mengistu-Armee und ein sich daran anschließender mehrjähriger Auslandsaufenthalt in der ehemaligen Sowjetunion unter dem damals in Äthiopien herrschenden politischen Verhältnissen überhaupt möglich wäre. Da der Kläger die Verspätung in keiner Weise entschuldigt hat (§ 87 b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO) und er darüber hinaus über die Folgen einer Fristversäumnis belehrt worden ist, liegen die Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung des Senats dahingehend vor, das diesbezügliche Vorbringen des Klägers aus prozessökonomischen Gründen, da vorliegend ein erheblicher weiterer Ermittlungsaufwand erforderlich wäre (vgl. Kopp, VwGO, 12. Aufl., § 87 b Rdnr. 9 ff. m. w. N.), als verspätet zurückzuweisen.

Dessen ungeachtet hält der Senat das oben im Einzelnen aufgeführte Vorbringen des Klägers zu seiner angeblichen Mitgliedschaft in der EPRP vor seiner Ausreise aus Äthiopien und einer damit einhergehende sechsmonatige Inhaftierung für unglaubhaft. Der Kläger hat seine Asylanerkennung im Januar 1992 beantragt und hatte mithin mehr als neun Jahre Zeit, seine Asylgründe zunächst dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge im Verwaltungsverfahren und danach im gerichtlichen Verfahren umfassend vorzutragen, wozu er mehrfach, insbesondere im Rahmen seiner Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 10. August 1993 und im Rahmen der Beweisaufnahme vor dem erkennenden Senat im Termin am 7. August 2001, aufgefordert worden war. Der Kläger hat sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im Gerichtsverfahren detailliert vorgetragen. Sowohl vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge als auch im Rahmen des Beweisaufnahmetermins durch das erkennende Gericht hat er in Anwesenheit eines muttersprachlichen Dolmetschers jeweils erklärt, dass er über die von ihm geschilderten Beweggründe für sein Asylbegehren hinaus nichts Erhebliches mehr vorzubringen habe. Auch die vom Kläger unter dem 29. Januar 1992 eigenhändig verfasste, ergänzende Asylbegründung enthält keinerlei Hinweise auf den oben im Einzelnen näher dargelegten Sachvortrag, nämlich eine Mitgliedschaft des Klägers in der EPRP bereits in seinem Heimatland Äthiopien und eine damit einhergehende sechsmonatige Inhaftierung. Da dieses Vorbringen einen zentralen Aspekt seines Vortrages zur Vorverfolgung darstellt, ist es nach Überzeugung des Senats nicht ansatzweise nachvollziehbar, warum der Kläger diese Umstände erst zum jetzigen Zeitpunkt, also nach mehr als neun Jahren, dem Gericht, ohne hierzu irgendeine Erklärung abzugeben, unterbreitet. Die zuvor angeführten Umstände lassen vielmehr nur den Schluss zu, dass dieser Vortrag des Klägers frei erfunden ist. Denn wenn ein Asylbewerber sein Vorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, erst sehr spät ohne nachvollziehbare Erklärung in das Verfahren einführt, hat dies zur Folge, dass hieran die Glaubhaftmachung scheitert (vgl. BVerwG, Urteile vom 12. November 1985 - BVerwG 9 C 27.85 -, a.a.O. und vom 23. Februar 1988 - BVerwG 9 C 32.87 -, a.a.O.; Hailbronner, Ausländerrecht, Art. 16 a GG, Rdnr. 258 m. w. N.).

Im Übrigen hält es der Senat angesichts der Struktur der früheren äthiopischen WPE-Regierung und eines das ganze Land überziehenden Sicherheits- und Spitzelsystems für gänzlich unwahrscheinlich, dass ein ehemaliger EPRP-Anhänger und darüber hinaus noch inhaftierter EPRP-Aktivist, wie vom Kläger dargelegt, Luftwaffenoffizier verbunden mit entsprechenden politischen Schulungsaufgaben hätte werden und darüber hinaus auch noch in den Genuss eines Auslandsstipendiums hätte kommen können. Auch daher ist das Vorbringen des Klägers zu seiner EPRP-Mitgliedschaft und Inhaftierung mit erheblichen, nicht überzeugend aufgelösten Widersprüchen behaftet. Das Vorbringen eines Asylbewerbers ist aber als unglaubhaft zu beurteilen, wenn es - wie vorliegend - erhebliche, nicht überzeugend aufgelöste Widersprüche enthält (BVerwG, Urteil vom 23. Februar 1988 - BVerwG 9 C 273.86 -, DVBl. 1988, 653).

Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers von der von ihm vorgebrachten sechsmonatigen Inhaftierung wegen seiner angeblichen Mitgliedschaft in der EPRP vor seiner Ausreise aus Äthiopien durch das Mengistu-Regime ausgehen wollte, käme ihm der sog. herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab wegen erlittener Vorverfolgung nicht zugute. Ein innerer Zusammenhang zwischen der insoweit angeblich erlittenen Vorverfolgung und der mit dem Asylbegehren geltend gemachten Gefahr erneuter Verfolgung dergestalt, dass bei Rückkehr mit einem Wiederaufleben der ursprünglichen Verfolgung zu rechnen wäre und das erhöhte Risiko einer gleichartigen Verfolgung bestünde, ist vorliegend nicht gegeben. Das Mengistu-Regime ist untergegangen und wurde durch die jetzige EPRDF-Regierung ersetzt, die gerade als Oppositionsbewegung gegen das Mengistu-Regime entstanden ist und nach einem langjährigen Bürgerkrieg dessen Herrschaft in Äthiopien beseitigt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Februar 1997 - BVerwG 9 C 9.96 -, DVBl. 1997, 908).

Darüber hinaus wäre auch eine Verfolgungsbetroffenheit des Klägers wegen seiner bereits in Äthiopien bestehenden angeblichen EPRP-Mitgliedschaft und der daraus angeblich resultierenden sechsmonatigen Haft nicht gegeben, da die vom Kläger genannten Vorkommnisse seinem Vortrag zufolge 20 Jahre zurückliegen, also etwa Anfang der 80er Jahre stattgefunden haben müssten, der Kläger Äthiopien zwecks Studienaufnahme in der Sowjetunion aber erst im August 1987 verlassen hat. Je länger der Ausländer nach (angeblich) erlittener Verfolgung in seinem Heimatland unbehelligt verbleibt, umso mehr schwindet der objektive äußere Zusammenhang mit seiner Ausreise. Der insoweit erforderliche enge zeitliche Zusammenhang ist jedenfalls nicht mehr gegeben, wenn ein ursprünglich Verfolgter - wie vorliegend - erst mehrere Jahre nach Beendigung der Verfolgungssituation ausreist (BVerwG, Urteile vom 30. Oktober 1990 - BVerwG 9 C 60.89 -, BVerwGE 87, 52; und vom 20. November 1990 - BVerwG 9 C 72.90 -, BVerwGE 87, 141).

Der somit unverfolgt ausgereiste Kläger kann seine Anerkennung als Asylberechtigter nicht aufgrund eines im Sinne von § 28 AsylVfG beachtlichen Nachtfluchtgrundes verlangen.

Ein Nachfluchtgrund setzt voraus, dass dem Asylbewerber aufgrund von Umständen, die nach seiner Ausreise aus seinem Heimatland eingetreten sind, für den Fall seiner Rückkehr gegenwärtig und in absehbarer Zeit politische Verfolgung droht. Dabei ist zu unterscheiden zwischen objektiven Nachfluchtgründen, die durch Vorgänge im Heimatland des Asylbewerbers unabhängig von seiner Person ausgelöst wurden, und subjektiven Nachfluchtgründen, die der Asylbewerber nach Verlassen des Heimatstaates aus eigenem Entschluss geschaffen hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. November 1986 - 2 BvR 1058/85 -, a.a.O.). Letztgenannte sind, da das Asylgrundrecht grundsätzlich einen kausalen Zusammenhang zwischen Verfolgung und Flucht voraussetzt, ausnahmsweise nur dann beachtlich, wenn sie sich als Ausdruck und Fortführung einer schon während des Aufenthalts im Heimatstaat vorhandenen und erkennbar betätigten festen Überzeugung darstellen, mithin als notwendige Konsequenz einer dauernden, die eigene Identität prägenden und nach außen kundgegebenen Lebenshaltung erscheinen (BVerfG, Beschlüsse vom 26. November 1986 - 2 BvR 1058/85 -, a.a.O. und vom 17. Januar 1992 - 2 BvR 1587/90 -, InfAuslR 1992, 142; BVerwG, Urteil vom 19. Mai 1987 - BVerwG 9 C 184.86 -, BVerwGE 77, 258). Liegt danach ein beachtlicher Nachfluchttatbestand vor, kommt es für die Prognose der Verfolgungsgefahr darauf an, festzustellen, ob dem unverfolgt ausgereisten Asylbewerber politische Verfolgung bei einer Rückkehr in sein Heimatland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1985 - BVerwG 9 C 22.85 -, a.a.O.). Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit ist dann anzunehmen, wenn bei der im Rahmen der Prognose vorzunehmenden zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhaltes die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht als die dagegen sprechenden Tatsachen haben (BVerwG, Urteil vom 15. März 1988 - BVerwG 9 C 278.86 -, BVerwGE 79, 143). Die für eine Verfolgung sprechenden Umstände können dabei auch dann das größere Gewicht haben, wenn sie zwar eine mathematische Wahrscheinlichkeit von weniger als 50 % für eine politische Verfolgung ergeben, der befürchtete Eingriff aber besonders schwer, insbesondere lebensbedrohend ist und deshalb die Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint (BVerwG, Urteil vom 5. November 1991 - BVerwG 9 C 118.90 -, BVerwGE 89, 162).

Der Kläger kann nach der Sachlage im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats derzeit und auf absehbare Zukunft nach Äthiopien zurückkehren, ohne dort von politischer Verfolgung im Sinne von Art. 16 a Abs. 1 GG mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bedroht zu sein. Weder begründen die frühere Mitgliedschaft in der Armee des Mengistu-Regimes noch die Mitgliedschaft in der früheren Regierungspartei WPE oder sein Auslandsstudium in der ehemaligen Sowjetunion zur Zeit des Mengistu-Regimes mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einen objektiven Nachfluchtgrund noch kann sich der Kläger wegen seiner Asylantragstellung in der Bundesrepublik Deutschland oder wegen seiner exilpolitischen Betätigung für die EFSU oder die AAPO oder im Hinblick auf die sonstigen von ihm geschilderten exilpolitischen Tätigkeiten auf einen asylrechtlich erheblichen subjektiven Nachfluchtgrund berufen. Dies gilt auch bei einer Gesamtbetrachtung aller zuvor angeführten Einzelaspekte.

Dabei ist zunächst aufgrund der eingeholten Auskünfte und Stellungnahmen und der auf dieser Grundlage vom Senat gewonnenen Erkenntnisse bezüglich der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung in Äthiopien von folgenden Tatsachen auszugehen:

Äthiopien ist der älteste unabhängige Staat Afrikas und war - abgesehen von einer nur kurzen italienischen Besetzung zwischen 1936 und 1941 - niemals Kolonie. In Äthiopien leben derzeit ca. 61 Mio. Menschen unterschiedlicher ethnischer Herkunft. Diese ethnische Vielfalt war und ist neben den wirtschaftlichen und sozialen Faktoren eine der Hauptursachen für die bestehenden Konflikte. Die größten Bevölkerungsgruppen Äthiopiens sind die Oromo (ca. 40 v. H.), die Amharen (ca. 28 v. H.) und die Tigriner (ca. 9 v. H.), außerdem Somali, Afar, Benshangui, Gambella, Harrar und 45 Sudan-Völker (u.a. Niloten). Insgesamt leben in Äthiopien ca. 80 Ethnien.

Zwischen 1936 und 1941 war Äthiopien italienisch besetzt und wurde während dieser Zeit mit Eritrea und der Kolonie "Italienisch Somaliland" zu der italienischen Kolonie "Ostafrika" vereinigt. Während dieses Zeitraums befand sich der seit 1916 regierende Kaiser Haile Selassie im Exil. Nach Kriegsende erfolgte aufgrund eines Beschlusses der UN aus dem Jahre 1950 im Jahre 1952 die offizielle Ausrufung der Föderation zwischen Äthiopien und Eritrea. Der damit verbundene Sonderstatus Eritreas wurde nach und nach aufgehoben. Im Jahre 1962 wurde nach zuvor erzwungener Selbstauflösung des eritreischen Parlaments Eritrea von Äthiopien annektiert. Dies war der Auslöser eines bewaffneten Befreiungskrieges eritreischer Aufständischer, der zunächst gegen das Kaiserreich Äthiopien und später auch gegen das kommunistische Militärregime von Präsident Mengistu geführt wurde; der eritreische Freiheitskrieg führte im Mai 1991 schließlich zur Vertreibung des Mengistu-Regimes und im Mai 1993 letztlich zur Unabhängigkeit Eritreas.

Aufgrund einer im Jahr 1973 eskalierenden Hungerkatastrophe im Norden Äthiopiens und wegen der aufgestauten Unzufriedenheit in der Bevölkerung über verbreitete Korruption, Repression und Rückständigkeit, die durch die unzureichenden Reformansätze des Kaiserreichs Äthiopien verschärft wurden, kam es im September 1974 zum Putsch gegen den Kaiser Haile Selassie. Ein von jungen Offizieren gebildeter "provisorischer Militärverwaltungsrat" (amharisch: DERG) übernahm die Macht. Nach blutigen Machtkämpfen setzte sich im Februar 1977 Oberstleutnant Mengistu Haile Mariam durch, der das Land in den folgenden Jahren mit "Rotem Terror" überzog. Zwischen 1977 und 1978 sollen den so genannten Säuberungsaktionen des Mengistu-Regimes bis zu 15.000 Menschen zum Opfer gefallen sein. Mengistu ging daran, Äthiopien als sozialistischen Staat marxistisch-leninistischer Prägung umzugestalten, was mit der Verstaatlichung von Banken, Versicherungen und größeren Unternehmen begann und schließlich in einer neuen Arbeitsgesetzgebung sowie in einer Landreform, verbunden mit Vertreibungen und Zwangsumsiedlungen, mündete. Diese Sozialisierung war mit einer umfassenden staatlichen Überwachung nahezu aller Lebensbereiche, zunehmender Repression und Willkür verbunden (Schweizerische Zentralstelle für Flüchtlingshilfe - SFH - vom 1. Juli 1990; European Union an CJREA vom 5. August 1997).

Das Mengistu-Regime setzte den Kampf gegen die Freiheitsbewegungen, insbesondere in Eritrea, fort und lieferte sich einen blutigen Kampf vor allem mit der Eritrean People's Liberation Front (EPLF) und der 1975 gegründeten Tigray People's Liberation Front (TPLF), einer strikt marxistisch-leninistisch ausgerichteten Organisation. Im Jahre 1990 zeichnete sich allmählich die militärische Niederlage des Mengistu-Regimes ab; nachdem Verhandlungen mit den Widerstandsbewegungen gescheitert waren, siegten die von der EPLF und der TPLF angeführten Rebellenbewegungen schließlich im Mai 1991 über das DERG-Regime. Mengistu floh am 21. Mai 1991 nach Simbabwe, wo er sich seitdem aufhält. Mit der Einnahme der Hauptstadt Addis Abeba am 28. Mai 1991 endete der Bürgerkrieg (amnesty international vom 4. Juli 1991; Institut für Afrika-Kunde, Auskunft vom 2. April 1997 an VG Würzburg).

Die 1988 gegründete und aus der TPLF, der Ethiopian People's Democratic Movement (EPDM), der Oromo People's Democratic Organisation (OPDO) und der Ethiopian Democratic Offiziers Revolutionary Movement (EDORM) bestehende Koalition der Widerstandsgruppen formierte sich zur Ethiopian People's Revolutionary Democratic Front (EPRDF) und bildete eine Übergangsregierung unter dem Revolutionsführer Meles Zenawi (amnesty international vom 4. Juli 1991; Institut für Afrika-Kunde, Auskunft vom 26. September 1991 an VG Ansbach). Die TPLF nahm in der EPRDF von Anfang an eine Schlüsselposition ein und sorgte dafür, dass nach der Regierungsübernahme zunächst alle politischen Gefangenen des Mengistu-Regimes aus der Haft entlassen wurden.

An der von der EPRDF einberufenen Nationalkonferenz Anfang Juli 1991 nahmen 27 unterschiedliche Gruppen der Anti-Mengistu-Opposition teil; das dort beschlossene Übergangsparlament nahm sodann seine Arbeit auf. Die Übergangsregierung wurde aus einer 87 Sitze umfassenden Nationalversammlung gebildet, in der 32 Sitze von der EPRDF gehalten und 6 Sitze für den späteren Beitritt weiterer politischer Gruppierungen offen gehalten wurden. Im Übrigen wurden kleinere ethnische Gruppen aufgenommen. Als Übergangsverfassung wurde eine Nationalcharta verabschiedet, die freie Wahlen in spätestens zwei Jahren vorsah und neben der Garantie demokratischer Freiheitsrechte des Individuums und Grundsätzen einer künftigen Pressefreiheit den garantierten Zugang zu unabhängigen Gerichten enthielt. Die in Opposition zur EPRDF stehenden Gruppierungen wurden von der Nationalkonferenz ausgeschlossen. Der EPRDF soll es zu diesem Zeitpunkt noch nicht gelungen gewesen sein, die Kontrolle über das ganze Land zu übernehmen. Zum Staatspräsidenten wurde der Führer der EPRDF, Meles Zenawi, gewählt, der ab August 1991 das Land regierte (amnesty international vom 1. September 1991 und vom 5. November 1992; Institut für Afrika-Kunde, Auskunft vom 26. September 1991 an VG Ansbach). Anfang 1992 teilte die EPRDF das Land in 14 Verwaltungsregionen auf der Grundlage der ethnischen Vielfalt auf. Im Sommer 1992 trat die OLF (Oromo Liberation Front) aus der Regierung aus (European Union an CJREA vom 5. August 1997).

Bei den mit unlauteren Mitteln und militärischen Einschüchterungen manipulierten Distrikts- und Regionalwahlen im Juni 1992 erzielte die EPRDF ein schlechtes Ergebnis. Insbesondere sollen politische Mitbewerber bei den Wahlen und auch noch danach von den Sicherheitskräften behindert, bedroht, beschossen, vertrieben oder inhaftiert worden sein. Diese Wahlen wurden von der Oromo Liberation Front (OLF), der All Amharas Poeple's Organization (AAPO), der Islamic Front for the Liberation of Oromia (IFLO), der Oromo Abo Liberation Front (OALF), der Ethiopian Democratic Action Group (EDAG) und der Afar National Liberation Movement (ANLM) boykottiert. Diese Parteien sind der Opposition gegen die EPRDF zuzurechnen. Obwohl im gesamten Land die Wahlen für den 21. Juni 1992 vorgesehen waren, konnte dieser Termin letztlich nur in den Oromo- und Tigre-Regionen sowie in Addis Abeba eingehalten werden. In den anderen Regionen scheiterte die Durchführung der Wahlen entweder an organisatorischen oder an Sicherheitsgründen; insbesondere konnten Wahlbeobachter zahlreiche Unregelmäßigkeiten feststellen (amnesty international vom 1. Januar 1993 und vom 1. Oktober 1993; European Union an CJREA vom 5. August 1997).

Des Weiteren waren ab 1992 in zunehmendem Maße Menschenrechtsverletzungen zu verzeichnen. So wurden nach Angaben des Auswärtigen Amtes vor allem während der Regionalwahlen 1992 wiederholt standrechtliche Hinrichtungen und ungeklärte Morde an Oppositionellen durch die EPRDF-Truppen registriert. Bis in den Herbst 1993 wird auch von Todesfällen berichtet, die von der Regierung mit einem Vorgehen der Ordnungskräfte gegen kriminelle Elemente erklärt wurden. In einigen Fällen kam es zu Untersuchungen hierüber. Immer wieder erklärten Familien ihre Angehörigen als vermisst, nachdem diese verhaftet worden waren; weiterhin wurden vereinzelt Fälle von Folter und unmenschlicher Behandlung gemeldet. Es gab auch Berichte von standrechtlichen Erschießungen von Gefangenen, die die Regierung nicht bestritt. Allerdings soll sich nach Ansicht des Auswärtigen Amtes die allgemeine Menschenrechtssituation in Äthiopien im Gegensatz zu der Menschenrechtslage während des Mengistu-Regimes seit der Machtübernahme durch die EPRDF insgesamt verbessert haben (Auswärtiges Amt, Lagebericht Äthiopien vom 26. Oktober 1993). Auch heute hat die Zentralregierung insbesondere in den entfernten Regionen immer noch nicht die Möglichkeit, die Einhaltung der Menschenrechte sicherzustellen (Auswärtiges Amt, Lagebericht Äthiopien vom 3. April 2000).

Nachdem die Versammlungsfreiheit zunächst respektiert wurde und im Sommer 1991 verschiedene Demonstrationen der oppositionellen EPRP gegen die äthiopische Regierung in Äthiopien stattgefunden haben sollen, wurden vor allem im Januar 1993 einzelne Demonstrationen untersagt, eine wurde gewaltsam aufgelöst (Auswärtiges Amt, Lagebericht Äthiopien vom 26. Oktober 1993). Einer Exildelegation der EPRP wurde im Juli 1991 die Einreise verweigert, als diese an der Nationalkonferenz teilnehmen wollte. Amnesty international berichtete, dass oppositionelle Teilnehmer an der von den Oppositionsgruppen veranstalteten "Konferenz für Frieden und Versöhnung in Äthiopien" in Paris im März 1993 entweder keine Ausreiseerlaubnis erhielten oder nach Formulierung einer regierungskritischen Resolution aus dem Parlament ausgeschlossen wurden. Im Mai 1993 soll ein im Untergrund tätiges führendes EPRP-Mitglied von Regierungskräften erschossen worden sein, als es sich angeblich der Verhaftung widersetzte (amnesty international, vom 5. November 1992 und vom 1. Oktober 1993 sowie Auskunft vom 16. Mai 1994 an VG Ansbach).

Im Oktober 1993 planten verschiedene Oppositionsgruppen die Durchführung einer "Konferenz für Frieden und Versöhnung" in Addis Abeba; der Konferenztermin wurde auf Dezember 1993 verschoben. Die zur Teilnahme angereisten Vertreter der EPRP (Ethiopian People's Revolutionary Party), der CoEDF (Coalition of Ethiopian Democratic Forces) und anderer Oppositionsparteien wurden kurz nach ihrer Ankunft auf dem Flughafen in Addis Abeba am 16. Dezember 1993 festgenommen. Gegen die Festgenommenen wurde zunächst Anklage wegen Planung einer bewaffneten Revolte oder Rebellion gegen die Regierung erhoben; sie wurden dann jedoch in den Folgemonaten bis auf eine Person, die in Haft blieb und wegen Mitwirkung am sog. "Roten Terror" Ende der 70er Jahre angeklagt wurde, bis zum Februar 1994 schließlich freigelassen. Mitentscheidend hierfür war, dass die Oppositionskonferenz internationale Aufmerksamkeit erregt hatte und die Festnahme der aus dem Ausland eingereisten Delegierten zu großen Protesten diplomatischer Vertreter einiger westlicher Länder führte (Institut für Afrika-Kunde, Auskunft vom 30. Juni 1994 an VG Darmstadt; amnesty international, vom 1. August 1994).

Bis 1993 trat Äthiopien verschiedenen internationalen Pakten und Konventionen bei, u. a. dem VN-Pakt für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sowie dem für bürgerliche und politische Rechte.

Anfang Juni 1994 wurden die Wahlen zur konstituierenden (verfassunggebenden) Versammlung durchgeführt. Alle wichtigen Oppositionsparteien nahmen an dieser Wahl nicht teil. Die Wahlen endeten in einem nahezu vollständigen Monopol der EPRDF. Am 28. Oktober 1994 nahm die Versammlung mit der Erörterung des Verfassungsentwurfs ihre Tätigkeit auf (Auswärtiges Amt, Lageberichte Äthiopien vom 20. Dezember 1994 und vom 10. Juli 1995; European Union an CJREA vom 5. August 1997).

Im Dezember 1994 schloss die verfassunggebende Versammlung, die im Juni gewählt worden war - allerdings im Wesentlichen ohne Beteiligung der Opposition -, ihre Beratungen und Diskussionen über den Entwurf einer neuen Verfassung ab, und die neue Verfassung, die auf einem föderativen Viel-Parteien-System beruht und die grundlegenden Menschenrechte garantiert, wurde von der verfassunggebenden Versammlung auch angenommen und ratifiziert. Sie teilte das Land nach einem föderativen System auf ethnischer Basis in nunmehr 12 ethnisch bestimmte Verwaltungsprovinzen und zwei Stadtprovinzen mit jeweils eigenem Regionalparlament ein. Die Legislative des Staatenbundes liegt bei den zwei "Houses of Parliament"; das wichtigere Abgeordnetenhaus ist der "Council of People's Representatives" (Rat der Volksvertreter), dessen Mitglieder in den Provinzen per Stimmenmehrheit für fünf Jahre gewählt werden. Der Rat der Volksvertreter wählt aus seinen Mitgliedern den Premierminister. Daneben gibt es den "Federal Council" (Bundesrat), in dem jede ethnische Gruppe durch mindestens ein Mitglied mit einem zusätzlichen Vertreter für jede Million ihrer Angehörigen vertreten ist. Dem Bundesrat, der von den Provinzräten gewählt wird, obliegt die Prüfung der Gesetze auf ihre Verfassungsmäßigkeit. Beide Räte wählen auf einer gemeinsamen Sitzung mit Zweidrittelmehrheit den Präsidenten für eine Amtszeit von 6 Jahren (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 20. Dezember 1994; amnesty international vom 1. April 1995; European Union an CJREA vom 5. August 1997).

Am 7. Mai 1995 fanden die Parlaments- und Regionalwahlen technisch überwiegend korrekt statt, allerdings wiederum ohne die Beteiligung der Oppositionsparteien. Sie machten geltend, dass sie von der EPRDF und den mit ihr verbündeten regionalen Parteien bereits in der Vorwahlphase durch Verhaftungen von Mitgliedern und Anhängern, der Schließung von Parteibüros oder dem Verbot von Veranstaltungen behindert worden seien. Die EPRDF und die ihr zugeordneten regionalen Parteien erzielten einen Sieg. Sie erhielten 483 von insgesamt 550 zu verteilenden Sitzen. Zwar wurde der äthiopischen Regierung und der Wahlkommission von internationalen Beobachtern das Bemühen um technisch korrekte Wahlen bescheinigt; gleichwohl war die Behinderung von Oppositionsgruppen häufig festzustellen, ein Umstand, der auch heute noch zu verzeichnen ist, wobei die Regierung ihre Schritte regelmäßig mit allgemeinen strafrechtlichen Bestimmungen wie der Verhinderung terroristischer Aktivitäten zu begründen sucht (Auswärtiges Amt, Lageberichte Äthiopien vom 10. Juli 1995, 24. April 1997 und 10. Januar 2001; European Union an CJREA vom 5. August 1997). Im August 1995 wurde nach den Parlamentswahlen die Übergangsregierung durch die neue Regierung unter Premierminister Meles Zenawi abgelöst. Diese löste das Innenministerium auf, unterstellte die Polizei dem Justizministerium und schuf eine neue Behörde für Sicherheit, Einwanderung und Flüchtlinge, die unmittelbar dem Premierminister unterstellt war (Auswärtiges Amt, Lageberichte Äthiopien vom 10. Juli 1995 und vom 4. April 1996).

Mit der Einführung der neuen Verfassung, den Parlamentswahlen, der Bildung gewählter Parlamente auf zentralstaatlicher und regionaler Ebene und der neuen Regierung endete 1995 die Übergangsperiode, die mit der Machtübernahme der EPRDF 1991 begonnen hatte. Inzwischen haben sich die politischen Strukturen weiter konsolidiert. Dabei hat die regierende EPRDF ihren Einfluss auf alle Bereiche des öffentlichen Lebens ausgebaut (Auswärtiges Amt, Lageberichte Äthiopien vom 24. April 1997, vom 20. Mai 1999 und vom 10. Januar 2001).

An den Wahlen zum äthiopischen Parlament im Mai 2000 beteiligten sich neben der Regierungspartei EPRDF und ihr nahestehender Gruppierungen ein breites Spektrum von Oppositionsparteien. Im Vorfeld der Wahlen kam es teilweise zu gewalttätigen Zusammenstößen, Verhaftungen von Oppositionskandidaten und -anhängern sowie zu Schließungen von Parteibüros, aber auch zu in Äthiopien bisher nicht gekannten offenen politischen Diskussionen. In einzelnen Landesteilen wurde wegen massiver Wahlunregelmäßigkeiten nachgewählt. In dem traditionell schwer zu verwaltenden Somali-Bundesstaat wurden die Wahlen erst am 31. August 2000 durchgeführt. Die äthiopische Menschenrechtsorganisation Ethiopian Human Rights Council (EHRCO) bezeichnete die Wahlen in einem kritischen Bericht als weder fair noch frei, lastete das für die Opposition schlechte Wahlergebnis (EPRDF auf Bundesebene 90 %, auf lokaler Ebene 83 %) aber auch der Zersplitterung und dem Versagen der Oppositionsparteien bei der Präsentation von Kandidaten und Programmen an (Auswärtiges Amt, Lagebericht Äthiopien vom 10. Januar 2001).

Der Verlauf der Kommunalwahlen (Kebele- und Woredawahlen) im Februar/März 2001 wies nach übereinstimmender Auffassung internationaler Beobachter erhebliche demokratische Defizite auf. Während der eigentliche Wahlakt weitgehend korrekt verlief, kam es im Vorfeld zu massiven Problemen, Behinderungen der Oppositionsparteien bei der Kandidatenaufstellung, Einschüchterungen und Wahlbeeinflussungen. Die maßgeblichen Oppositionsparteien AAPO, EDP, ONC zogen daher nach den Kebele-Wahlen am 25. Februar 2001 die Konsequenz, nicht mehr bei den Woreda (Stadtbezirk/Kreis) -Wahlen am 4. März 2001 anzutreten (Auswärtiges Amt, Lagebericht Äthiopien vom 15. August 2001).

Das Ende des im Sommer 1998 begonnenen äthiopisch-eritreischen Grenzkrieges mit Unterzeichnung des Friedensvertrages in Algier am 12. Dezember 2000 setzte eine Zäsur. Anspannung und innenpolitische Solidarisierung zweier Kriegsjahre endeten. Verdeckte Spannungen in der EPRDF brachen auf und entluden sich in Richtungskämpfen, aus denen vorerst Premierminister Meles Zenawi siegreich hervorging. Chancengleichheit und Handlungsspielraum der Oppositionsparteien werden seitdem zunehmend eingeengt. Die Menschenrechtslage hat sich nach Studentenprotesten im April 2001, die in Straßenkrawallen mit zahlreichen Toten ausuferten und von Regierungsseite mit der Verhaftung von Oppositionspolitikern und Menschenrechtsaktivisten beantwortet wurde, verschlechtert (Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 20. Mai 1999 und vom 15. August 2001).

Die fortschreitende Übertragung der staatlichen Befugnisse auf die Regionen entsprechend dem föderativen Prinzip der äthiopischen Verfassung ist in der Praxis auch heute noch mit Problemen verbunden. Zwischen den Regionen bestehen erhebliche Unterschiede bezüglich der Qualität und Effizienz ihrer Regierungen, weil viele Regionen noch nicht in der Lage sind, die ihnen übertragenen Aufgaben sachgerecht wahrzunehmen. Zentralregierung und zentrale Rechtsprechung tun sich schwer bei der Aufgabe, die für die Gewährleistung einer rechtsstaatlichen Entwicklung weiterhin erforderliche Kontrolle über die Regierungen auszuüben, dabei gleichzeitig die Menschenrechte zu wahren und der Opposition eine faire Chance, auch zum Machtwechsel, zu geben. Auch hier hat sich die Lage durch die gewaltsame Unterdrückung der Opposition, insbesondere im Südwesten des Landes, verschärft (Auswärtiges Amt, Lagebericht Äthiopien vom 15. August 2001).

Die Aufgaben der Polizei übernahmen, da viele Polizisten aus der DERG-Zeit entlassen wurden, vor allem auf dem Land zunächst EPRDF-Streitkräfte. Da die Organisationsstruktur aus der Kaiserzeit nicht mehr zeitgemäß war, wurde im Jahre 1994 im Rahmen eines britischen Ausbildungsprojekts eine Neuorganisation eingeleitet. Auch die von der TPLF dominierten EPRDF-Streitkräfte wurden schrittweise demobilisiert. Durch Rekrutierung von Soldaten aller ethnischen Gruppen wurde mit dem Aufbau einer nationalen Armee begonnen, wobei auch eine Entpolitisierung der Streitkräfte beabsichtigt war (Auswärtiges Amt, Lagebericht Äthiopien vom 20. Dezember 1994 und 10. Juli 1995).

Die Neuorganisation der Polizei ist inzwischen nahezu abgeschlossen; zu ihr gehört auch, dass die Polizei sich nicht mehr nur als Vollstreckungsorgan einer traditionell autoritären, rückständigen Verwaltung, sondern als wesentlicher Teil des neuen rechtsstaatlichen Systems betrachtet. Hierbei sind Fortschritte erzielt worden, die allerdings durch das unverhältnismäßig brutale Vorgehen bei den Studentenprotesten und nachfolgenden Straßenschlachten im April 2001 wieder in Frage gestellt sind. Mit Hilfe der USA und der EU finden Schulungsprogramme zu Themen wie Demokratie, Rechtsstaat, etc. statt. Andererseits ist nach wie vor festzustellen, dass sich die Sicherheitsorgane teilweise über Gerichtsurteile hinwegsetzen. Bei der Bundespolizei ist die Einhaltung von Menschenrechtsstandards stärker ausgeprägt, während in den Regionen dies nicht durchgängig der Fall ist (Auswärtiges Amt, Lageberichte Äthiopien vom 3. April 2000, vom 10. Januar 2001 und vom 15. August 2001).

Die Unabhängigkeit der Gerichte ist verfassungsmäßig garantiert. Erschien die Justiz bisher als das schwächste Glied in der angestrebten rechtsstaatlichen Ordnung, ist in jüngster Zeit eine gewisse Tendenz hin zu größerer Unabhängigkeit zu erkennen, die sich in Freisprüchen am Ende langer politischer Prozesse äußert. Das Gerichtswesen musste nach dem Ende des Mengistu-Regimes von Grund auf neu aufgebaut werden; es hat sich hinsichtlich des Ausbildungsstandes der Richter und der personellen Ausstattung der Gerichte noch nicht von den massenhaften Entlassungen von Richtern nach dem Ende der DERG-Zeit erholt. Das Problem wurde dadurch verschärft, dass die Regierung in jüngerer Zeit erneut eine große Zahl von Richtern entließ und durch wiederum unerfahrene, schlecht ausgebildete Richter ersetzte. Es kommt auch immer wieder vor, dass sich Regionalregierungen und Verwaltungen über Gerichtsurteile hinwegsetzen und z. B. Freigesprochene nicht aus der Haft entlassen.

Das Strafgesetzbuch für kriminelle Vergehen sieht vor, dass Verhaftete innerhalb von 48 Stunden nach ihrer Verhaftung vor Gericht gestellt werden müssen und dann von einem Richter für 14 Tage in Untersuchungshaft genommen werden können. Diese Untersuchungshaft kann ohne Zeitbegrenzung erneuert werden. Nach Abschluss der Untersuchungen muss der Verhaftete innerhalb von 15 Tagen entweder angeklagt oder freigelassen werden (amnesty international vom 1. April 1995). Angesichts des nach wie vor desolaten Zustandes der äthiopischen Justiz sieht die Praxis aber so aus, dass auch heute noch Tausende von Untersuchungsgefangenen keine Chance haben, in vorgeschriebener Frist einem Richter vorgeführt zu werden. So war im August 2000 gegen 75 % der einsitzenden Untersuchungshäftlinge noch kein Verfahren eröffnet. Das in der äthiopischen Verfassung niedergeschriebene Recht auf rechtliches Gehör sowie die Möglichkeit der Verteidigung werden in der Praxis regelmäßig stark behindert, indem viele Untersuchungsgefangene überhaupt nicht oder erst nach längerer Wartezeit einem Richter vorgeführt werden oder ihnen aus materiellen Gründen kein eigener Verteidiger zur Verfügung steht; zwei Juristenvereinigungen, die insbesondere Frauen und mittellosen Personen Rechtsbeistand gewähren, können das Problem nur partiell lindern (Auswärtiges Amt, Lageberichte Äthiopien vom 20. Mai 1999, vom 3. April 2000, vom 10. Januar 2001 und vom 15. August 2001).

Staatlich angeordnete Folter und erniedrigende und unmenschliche Behandlungen durch äthiopische Behörden sind dem Auswärtigen Amt bis auf einen unklaren Fall möglicherweise erniedrigender Behandlung mehrerer AAPO-Anhänger bis Ende 1994 nicht bekannt geworden (Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 20. Dezember 1994 und vom 10. Juli 1995). Im äthiopischen Strafrecht gibt es aber die Todesstrafe, die mit zunehmender Tendenz verhängt wird. Systematische Menschenrechtsverletzungen in Äthiopien sind dem Auswärtigen Amt ebenfalls nicht bekannt geworden, wohl aber solche, die aus Rückständigkeit der Verwaltung vor allem in den Regionen, sowie der mangelnden Demokratieerfahrung und der noch nicht ausgebildeten Rechtsstaatlichkeit resultieren. Die äthiopische Verfassung untersagt Folter; gleichwohl kommt es zu Misshandlungen von Personen in der Untersuchungshaft, zumeist durch Schläge oder Handfesseln, die die Durchblutung stören und damit auch bleibende Schäden verursachen. In Einzelfällen wurde auch der Vorwurf der Versagung möglicher medizinischer Hilfe erhoben. Der äthiopische Staat bemüht sich, Misshandlungen oder Foltermaßnahmen als kriminelle Straftaten zu ahnden, was bislang jedoch nur in Einzelfällen geschehen ist. Abgesehen von der Todesstrafe sind in Äthiopien keine unmenschlichen oder erniedrigenden Strafen vorgesehen. Die Haftbedingungen in äthiopischen Gefängnissen sind allgemein sehr hart und teilweise unmenschlich; es kommt vor, dass Inhaftierte dauerhaft gefesselt oder in Einzelhaft in dunklen Verliesen untergebracht werden. Zudem sind Verhaftungen ohne gerichtliche Anordnung weit verbreitet, auch mehrjährige Inhaftierungen ohne Anklageerhebung und ohne richterliche Anordnung sind keine Seltenheit (Auswärtiges Amt, Lageberichte Äthiopien vom 3. April 2000, vom 10. Januar 2001 und vom 15. August 2001).

Geschlechtsspezifische Menschenrechtsverletzungen gibt es u. a. in Form von Genitalverstümmelung, die in vielen Landesteilen weit verbreitet und weiterhin nicht strafbar ist, auch wenn die Regierung ihr mit Aufklärung entgegenzuwirken versucht. Vor allem auf dem Land werden Frauen noch zur Frühehe gezwungen und es gibt keinen Schutz vor Gewalt gegen Frauen in der Ehe oder Familie. Den äthiopischen Frauen fällt ein großer Anteil der schweren körperlichen Arbeit des Alltags zu, ohne dass sie deshalb politischen Einfluss haben (Auswärtiges Amt, Lageberichte Äthiopien vom 3. April 2000 und 10. Januar 2001). Faktisch fehlt in vielen Lebensbereichen damit die Gleichberechtigung der Frau. Diese ist allerdings ein von der Regierung nachdrücklich propagiertes Ziel. In der weitgehend noch traditionell geprägten Gesellschaft Äthiopiens, insbesondere bei der Landbevölkerung, ist die Realität jedoch weit von diesem Ziel entfernt. Gewalt gegen Frauen, die in den Städten inzwischen erheblich zurückgegangen ist, ist auf dem Lande noch häufig anzutreffen (Auswärtiges Amt, Lageberichte Äthiopien vom 10. Januar 2001 und vom 15. August 2001).

Amnesty international berichtet unter Schilderung von Einzelfällen auch von inoffiziellen Haftzentren, in denen die Gefahr von Folter bestehe; außerdem sollen die politischen Häftlinge vermehrt dem Militär unterstellt worden sein und sich zum Teil in Inkommunikado-Haft befinden (amnesty international, Auskunft vom 6. September 1995 an VG Schleswig). Auch nach den Parlamentswahlen von 1995 soll es laut amnesty international zu weiteren Menschenrechtsverletzungen gekommen sein; danach sind willkürliche Festnahmen ohne Anklagen und Gerichtsverfahren an der Tagesordnung; es sollen auch Berichte über Folterungen, Tod in der Haft, Fälle von Verschwindenlassen von Personen und über extralegale Hinrichtungen vorliegen. Die äthiopische EPRDF-Regierung duldete laut amnesty international auch in der Folgezeit der Parlamentswahlen von 1995 keinerlei Kritik und Opposition (amnesty international, Auskunft vom 3. Juni 1996 an VG Wiesbaden und vom 4. Juni 1997 an VG Ansbach). Das Auswärtige Amt bestätigt inzwischen diese Darstellungen von amnesty international und berichtet ebenfalls, dass ein entsprechender Verdacht des Verschwindenlassens von Personen aufkam, als eine größere Zahl Oromos festgenommen und an einen unbekannten Ort gebracht wurde, an dem sie - wie sich später herausstellte - verwarnt und politisch geschult wurden; auch haben die Festnahmen von eritreisch-stämmigen Personen zur Deportation und die Verweigerung des freiwilligen Militärdienstes zum Abtauchen von gefährdeten Personen geführt und Nachfragen wegen möglichen Verschwindenlassens ausgelöst (Auswärtiges Amt, Lageberichte Äthiopien vom 3. April 2000 und vom 15. August 2001).

Zu Jahresbeginn 1993 soll es ca. 2000 inhaftierte ehemalige Mitglieder sowie 1500 inhaftierte "hohe Vertreter" des Mengistu-Regimes gegeben haben (Auswärtiges Amt, Lagebericht Äthiopien vom 26. Oktober 1993). Aufgrund der Tätigkeit des im August 1992 ernannten Sonderstaatsanwalts, der die von den Mitarbeitern des Mengistu-Regimes begangenen Verbrechen untersuchte, wurden 1993 ca. 1000 Angehörige der früheren Regierung, der Streitkräfte und der vormals herrschenden Arbeiterpartei Äthiopiens (WPE) ebenso wie 900 Offiziere der ehemaligen äthiopischen Streitkräfte freigelassen (amnesty international, Auskunft vom 1. September 1994 an VG Schleswig). Nachdem die Beweiserhebung in den übrigen Fällen abgeschlossen worden war, begannen am 13. Dezember 1994 die so genannten "DERG-Prozesse", die auch heute teilweise noch nicht abgeschlossen sind. In Abwesenheit der Angeklagten wurden im November 1999 die ersten Todesurteile gefällt (Auswärtiges Amt, Lageberichte Äthiopien vom 20. Dezember 1994, vom 4. April 1996, vom 3. April 2000 und vom 10. Januar 2001).

Repressionen allein wegen des Innehabens öffentlicher Ämter oder wegen besonderer Vergünstigungen (z. B. Stipendien) in der Zeit der DERG-Diktatur finden nicht statt. Strafrechtlich verfolgt werden dagegen auch heute noch Repräsentanten der früheren Regierung, denen schwere Straftaten in der DERG-Zeit angelastet werden. Mitläufer des früheren Regimes werden nicht belangt, jedoch werden Denunziationen, die zu Folter und Tötung geführt haben, zumindest teilweise strafrechtlich geahndet. Mit weiteren Ermittlungsverfahren ist beim Vorwurf von Kapitalverbrechen zu rechnen. Fälle strafrechtlicher Sippenhaft können in abgelegenen Regionen nicht völlig ausgeschlossen werden. Im Amhara-Regionalstaat wurde Bauern Land mit der Begründung weggenommen, dass sie oder ihre Eltern mit dem DERG zusammengearbeitet hätten (Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 10. Januar 2001 und vom 15. August 2001).

Bewaffnete Aktivitäten gegen die Regierung kommen weiterhin sporadisch vor, allerdings fast ausschließlich in Oromia und in der Somali-Region. Dort kam und kommt es wiederholt zu Zusammenstößen mit radikal-islamischen Gruppen (z. B. OLF, AlIttihad). Nach Ausbruch des Konflikts mit Eritrea haben die in der EUF zusammengeschlossenen, überwiegend amharischen Oppositionsgruppen, eine einseitige und seitdem auch eingehaltene Einstellung ihrer bewaffneten Aktionen gegen die Regierung verkündet (Auswärtiges Amt, Lageberichte Äthiopien vom 3. April 2000 und vom 10. Januar 2001).

Zu den innenpolitischen Herausforderungen und Problemen sind der latente Konflikt mit dem Sudan und insbesondere der Krieg mit Eritrea hinzugekommen, die mit bewaffneten Operationen der südsudanesischen Widerstandsbewegung SPLA (Sudanese People's Liberation Army) von äthiopischem Boden aus bei Kurmuk und Quizzan im Januar 1997 sowie dem äthiopisch-eritreischen Grenzkrieg, der im Sommer 1998 begann und immer wieder zu neuen Kampfhandlungen führte, jeweils einen Höhepunkt erreichten (Auswärtiges Amt, Lageberichte Äthiopien vom 24. April 1997, vom 20. Mai 1999 und vom 3. April 2000). Im Zuge des äthiopisch-eritreischen Grenzkonflikts ist es zu umfangreichen Deportationen von Personen eritreischer und halberitreischer Abstammung gekommen. Den Abschiebungen gingen meist kurzzeitige Internierungen voraus. Über den Umfang der Deportationen gibt es widersprüchliche Aussagen. Eine unbestimmte Anzahl von Eritreern war seinerzeit in Lagern und Gefängnissen interniert, andere (überwiegend Geschäftsleute) hatten sich ins Ausland abgesetzt. Der äthiopischen Regierung zufolge sollen von den Deportationen ausschließlich Personen betroffen sein, die nicht die äthiopische Staatsangehörigkeit besitzen (Auswärtiges Amt, Lageberichte Äthiopien vom 10. Januar 2001 und 15. August 2001).

Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die Mitgliedschaft des Klägers in der äthiopischen Armee des Mengistu-Regimes als denkbarer objektiver Nachfluchtgrund im Hinblick auf den in Äthiopien eingetretenen Regimewechsel nicht zu einer beachtlichen politischen Verfolgung des Klägers bei einer Rückkehr nach Äthiopien führt. Lediglich Personen, denen schwere Straftaten in der Zeit des Mengistu-Regimes angelastet werden, müssen mit Anklagen rechnen; dabei ist die Anklage von Kapitalverbrechen während der Zeit der Mengistu-Diktatur entgegen der Aussage des dafür zuständigen Special Prosecutor's Office mit den Anklageerhebungen im Januar 1997 nicht abgeschlossen; vielmehr ist es im Zuge der weiteren Ermittlungen zu etlichen neuen Verhaftungen gekommen. Voraussetzung hierfür ist aber in jedem Fall, dass den Betreffenden der Vorwurf von Kapitalverbrechen zu Zeiten des Mengistu-Regimes gemacht werden kann. Allein die Zugehörigkeit zur Armee des Mengistu-Regimes reicht hierfür nicht aus (Auswärtiges Amt, Lageberichte Äthiopien vom 9. April 1998, vom 3. April 2000 und vom 15. August 2001). Da der Kläger bis zu seiner Ausreise aus Äthiopien während seines Einsatzes bei einer Luftwaffeneinheit in Asmara in der Zeit von 1983 bis 1987 weder an Kampfhandlungen beteiligt noch in sonstige Aktionen der äthiopischen Armee verwickelt war, sondern lediglich im Rahmen von Wartungseinsätzen für Luftwaffenflugzeuge eingesetzt war, droht ihm allein wegen seiner Zugehörigkeit zur Armee des Mengistu-Regimes keine politische Verfolgung. Auch die seinen Angaben zufolge von ihm durchgeführten politischen Schulungen bei der Luftwaffeneinheit, der er angehörte, führen zu keiner anderen Einschätzung. Auch hieraus lassen sich keine Anhaltspunkte ableiten, die geeignet wären, den Kläger dem Vorwurf von Menschenrechtsverletzungen während der Zeit der Mengistu-Regierung auszusetzen.

Die frühere Mitgliedschaft des Klägers in der WPE, der Partei des Mengistu-Regimes, begründet ebenfalls keine Gefahr politischer Verfolgung.

Das Institut für Afrika-Kunde geht in seiner Stellungnahme vom 24. November 1998 an den Hess. VGH davon aus, dass die frühere Mitgliedschaft in der WPE keinen Straftatbestand darstelle und als solche, soweit sie bekannt werde, nicht Gegenstand staatlicher Maßnahmen sei. Diese Einschätzung deckt sich mit den Stellungnahmen des Auswärtigen Amtes zu dieser Frage, zuletzt in den Lageberichten vom 3. April 2000, vom 10. Januar 2001 und vom 15. August 2001, und von amnesty international, das in seiner Stellungnahme vom 9. Februar 1999 an den Hess. VGH mitteilt, die frühere Zugehörigkeit zur WPE führe heute nicht mehr zu politischer Verfolgung.

Etwas anderes gilt - ebenso wie bei ehemaligen Militärangehörigen - nur für Personen, denen schwere Straftaten in der Zeit des Mengistu-Regimes angelastet werden, diese müssen mit Anklagen rechnen; dabei ist die Anklage von Kapitalverbrechen während der Mengistu-Diktatur, wie bereits oben ausgeführt, mit den Anklageerhebungen im Januar 1997 nicht abgeschlossen; vielmehr ist es im Zuge der weiteren Ermittlungen zu etlichen neuen Verhaftungen gekommen (Auswärtiges Amt, Lageberichte Äthiopien vom 9. April 1998 und vom 20. Mai 1999). Voraussetzung hierfür ist aber in jedem Fall, dass dem Betreffenden der Vorwurf von Kapitalverbrechen zu Zeiten des Mengistu-Regimes gemacht wird (Auswärtiges Amt, Lageberichte Äthiopien vom 10. Januar 2001 und vom 15. August 2001). Allein die Mitgliedschaft in der WPE reicht hierfür nicht aus (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 29. November 2000 an Hess. VGH; Lageberichte Äthiopien vom 3. April 2000 und vom 15. August 2001).

Da der Kläger bis zu seiner Ausreise aus Äthiopien dort lediglich einfaches Mitglied in der WPE war und er in Äthiopien weder in Menschenrechtsverletzungen der WPE noch in sonstige vergleichbare Aktionen der Partei verwickelt war, droht ihm allein wegen seiner bloßen Mitgliedschaft in der WPE nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung.

Das Auslandsstudium des Klägers zur Zeit des Mengistu-Regimes, das nach dessen Sturz im Jahre 1991 einen objektiven Nachfluchtgrund bilden könnte, ist ebenfalls kein Anknüpfungspunkt für politische Verfolgung. Bei Studenten, die unter dem Mengistu-Regime ein Auslandsstudium aufnehmen konnten, handelt es sich in aller Regel um damals privilegierte Personen, die zumindest nach außen hin in Übereinstimmung mit der Politik Mengistus standen. Trotz dieser Tatsache haben zurückkehrende Studenten allein aufgrund ihrer früheren Privilegierung aber heute keine Verfolgung durch die EPRDF-Regierung zu befürchten (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 11. September 1998 an VG Neustadt; amnesty international, Auskunft vom 9. Februar 1999 an Hess. VGH). Die gegenwärtige äthiopische Regierung hat im Gegenteil ein Interesse an der Rückkehr qualifizierter Kräfte (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 7. September 1995 an VG Meiningen). Eine Verfolgung wegen besonderer Vergünstigungen, z. B. des Erhalts von Stipendien oder Bekleidung öffentlicher Ämter in der Zeit der Mengistu-Diktatur, findet nicht statt (Auswärtiges Amt, Lageberichte Äthiopien vom 24. April 1997 und vom 15. August 2001; amnesty international, Auskunft vom 9. Februar 1999 an Hess. VGH).

Aus seiner exilpolitischen Betätigung für die AAPO bzw. seiner Mitgliedschaft in der EFSU und der übrigen von ihm vorgetragenen exilpolitischen Betätigungen kann der Kläger keinen asylrechtlich beachtlichen subjektiven Nachfluchtgrund herleiten. Die vorgetragenen exilpolitischen Betätigungen stellen sich nicht als Fortsetzung einer festen, bereits in Äthiopien erkennbar betätigten oppositionellen Überzeugung dar. Die politische Grundhaltung, die der Kläger heute durch seine Zugehörigkeit zur Exil-AAPO sowie zu weiteren Exilgruppierungen zum Ausdruck bringt, steht in keinem inneren sachlichen Bezug zu der politischen Betätigung des Klägers in Äthiopien vor seiner Ausreise. Insbesondere verfolgte die WPE, der der Kläger in seinem Heimatland angehörte, seinerzeit gänzlich andere politische Ziele als die Exilorganisationen, für deren politische Absichten sich der Kläger nach seiner Flucht einsetzte bzw. heute einsetzt.

Ob die Asylantragstellung im Bundesgebiet einen beachtlichen subjektiven Nachfluchtgrund (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Januar 1989 - BVerwG 9 C 56.88 -, BVerwGE 81, 170) darstellt, mag dahinstehen. Der Senat ist jedenfalls aufgrund der vorliegenden amtlichen Auskünfte des Auswärtigen Amtes (z. B. in den Auskünften vom 11. September 1998 an VG Neustadt, vom 3. Januar 2000 an VG Ansbach und im Lagebericht Äthiopien vom 15. August 2001) sowie der Stellungnahmen und Berichte von amnesty international (vom 17. August 1999 an Hess. VGH und vom 13. August 2001 an OVG Magdeburg), und des Instituts für Afrika-Kunde (z. B. vom 9. November 1999 an VG Wiesbaden und vom 10. November 1999 an Hess. VGH) zu der Überzeugung gelangt, dass der äthiopische Staat zwar die Tätigkeiten oppositioneller Gruppen und Bewegungen genau beobachtet und dass sich diese Beobachtungen nicht nur auf Äthiopien beschränken, sondern dass auch im Ausland die Tätigkeit oppositioneller Gruppen aufmerksam registriert wird, dass aber eine hinreichend wahrscheinliche Gefahr, allein wegen der Asylantragstellung im Bundesgebiet in Äthiopien durch den äthiopischen Staat oder eine staatsähnliche Organisation in menschenrechtswidriger Weise behandelt oder ansonsten politisch verfolgt zu werden, nicht droht. Die bloße Asylantragstellung ohne nach außen hin dokumentierte und manifestierte gewaltbereite oppositionelle Einstellung wird vom äthiopischen Staat nicht zum Anlass genommen, gegen den Betreffenden in asylrechtlich relevanter Weise vorzugehen.

II.

Dem Kläger kann auch nicht der ausländerrechtliche Abschiebungsschutz für politisch Verfolgte nach § 51 Abs. 1 AuslG gewährt werden. Für die Feststellung dieses Anspruchs gilt der gleiche Prognosemaßstab wie für Art. 16 a Abs. 1 GG (BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1994 - BVerwG 9 C 1.94 -, Buchholz 402.25 AsylVfG § 1 Nr. 173).

Dem Kläger droht zunächst wegen seiner seit 1994 bestehenden Mitgliedschaft in der Exil- AAPO in der Bundesrepublik Deutschland, die nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme aufgrund seiner insoweit glaubhaften Angaben im Rahmen seiner Vernehmung als Beteiligter durch den Senat auch heute noch andauert, bei einer Rückkehr nach Äthiopien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung. Zwar hat sich der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland der Exil-AAPO angeschlossen und sich darüber hinaus in diesem Zusammenhang auch politisch bis hin zur Teilnahme an einer innerparteilichen Oppositionsgruppe engagiert. Außerdem ist in diesem Zusammenhang auch sein Name in der Zeitschrift der Partei, dem Magazin Morshe, erwähnt worden. Zur Überzeugung des Senats kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass einfachen Mitgliedern, sonstigen Unterstützern oder Sympathisanten der AAPO wegen nicht herausgehobener Aktivitäten für diese Partei oder eine ihrer Exilorganisationen im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien staatliche Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.

Für die Beurteilung der asylrechtlichen Verfolgungsrelevanz von exilpolitischen Aktivitäten ist zunächst auf das Verhalten des äthiopischen Staates gegenüber der AAPO in Äthiopien näher einzugehen.

Die All Amhara People's Organization (AAPO), die Ende 1991 erstmals an die Öffentlichkeit trat, Anfang 1992 gegründet und im April 1994 offiziell als nationale Partei zugelassen wurde, steht in offener Opposition zur Politik der EPRDF-Regierung (Institut für Afrika-Kunde, Auskunft vom 22. April 1996 an VG Wiesbaden). Sie lehnt die föderale Gliederung Äthiopiens nach ethnischen Kriterien und das in der Verfassung von 1995 verankerte prinzipielle Recht der Volksgruppen auf Austritt aus dem Staatsverband ab und tritt insbesondere dafür ein, dass Amharen in allen Teilen des äthiopischen Staatsgebietes ungehindert und in Sicherheit leben und arbeiten können. Folge dieser politischen Grundauffassung der AAPO ist des Weiteren, dass die Unabhängigkeit Eritreas nicht anerkannt wird. Obwohl die Vertreter der AAPO wiederholt betont haben, dass die Partei ihre Ziele nur mit friedlichen Mitteln verfolge, die Anwendung von Gewalt weder befürworte noch aktiv betreibe und für ein friedliches Zusammenleben aller Volksgruppen in einem gemeinsamen äthiopischen Staat eintrete, wird ihr von der EPRDF häufig "Kriegstreiberei" und "Anstachelung zu ethnischem Hass" vorgeworfen. Während des Grenzkrieges mit Eritrea haben Teile der AAPO eine Annäherung zur Regierung der EPRDF vollzogen; andere Repräsentanten übten aber nach wie vor heftige Kritik an der äthiopischen Regierung (amnesty international, Auskunft vom 10. Februar 2000 an VG München).

Die politische Arbeit der AAPO in Äthiopien wird im Wesentlichen dadurch behindert, dass mehr als die Hälfte der Mitglieder des Exekutivkomitees, d. h. des Parteivorstandes, zumindest zeitweise inhaftiert war, lokale Aktivisten - zum Teil unter ungeklärten Umständen - von Sicherheitskräften getötet wurden, Mitglieder ohne formelle Anklageerhebung inhaftiert sind und Parteibüros durchsucht und - insbesondere in den ländlichen Regionen - geschlossen wurden (Institut für Afrika-Kunde, Auskunft vom 22. April 1996 an VG Wiesbaden). Bereits zum Zeitpunkt der Zulassung der Partei befanden sich Parteimitglieder einschließlich Mitglieder der Parteiführung in Haft. Die Berichte der äthiopischen Menschenrechtsorganisation "Ethiopian Human Rights Council" (EHRCO) führen regelmäßig Personen auf, die durch Sicherheitskräfte extralegal getötet worden sein sollen, sowie Fälle von illegal inhaftierten und verschwundenen Personen, deren Verbleib nach der Festnahme nicht festgestellt werden konnte. Derartige Berichte gibt es insbesondere für die Jahre 1992 und 1993 (Institut für Afrika-Kunde, Auskünfte vom 22. April 1996 an VG Wiesbaden).

Im Jahr 1994 wurde Prof. Asrat Woldeyes, der damalige Parteivorsitzende der AAPO, wegen der angeblichen Planung eines bewaffneten Aufstandes gegen die Regierung zusammen mit vier mitangeklagten Parteimitgliedern zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Zu einem früheren Zeitpunkt befand er sich unter der Anschuldigung, zur Gewalt zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen angestiftet zu haben, schon einmal in Haft (Institut für Afrika-Kunde, Auskunft vom 20. Dezember 2000 an VG München; amnesty international, Auskunft vom 13. April 1995 an VG Würzburg). Seitens der äthiopischen Behörden soll eine Solidaritätskundgebung von Mitgliedern und Unterstützern der AAPO für den inhaftierten Vorsitzenden Prof. Woldeyes als illegale Demonstration bezeichnet und aufgelöst worden sein; rund 500 Teilnehmer sollen festgenommen worden und später mehrheitlich gegen Zahlung einer Kaution wieder entlassen worden sein. Gegen ca. 100 Personen soll Anklage wegen Abhaltung einer ungenehmigten Demonstration erhoben worden sein (Institut für Afrika-Kunde, Auskunft vom 16. November 1998 an Hess. VGH). Amnesty international berichtet davon, dass von insgesamt 500 festgenommenen Personen 250 nach mehr als drei Wochen ohne Anklage wieder freigelassen wurden, 250 vor Gericht gestellt und der Teilnahme an einer nicht genehmigten Demonstration beschuldigt wurden und nur gegen Zahlung einer Kaution vorläufig freikamen, soweit sie zur Zahlung einer Kaution in der Lage waren. Den Festgenommenen ist der Kontakt zu Familienangehörigen, Anwälten und Ärzten verweigert worden. Sie sind auch nicht innerhalb der vorgeschriebenen 48-Stunden-Frist einem Richter vorgeführt worden (amnesty international vom 1. April 1995 und Auskunft vom 5. September 1996 an VG Wiesbaden). Prof. Woldeyes wurde im Dezember 1998 aus medizinischen Gründen aus der Haft entlassen und starb kurz darauf im politischen Exil in den USA (Auswärtiges Amt, Lagebericht Äthiopien vom 10. Januar 2001).

In weiteren, amnesty international vorliegenden Quellen wird von 33 als verschwunden geltenden und 34 extralegal getöteten AAPO-Funktionären berichtet (amnesty international, Auskunft vom 10. März 1999 an VG Wiesbaden). Im Jahre 1997 soll es nach Studentendemonstrationen zu Festnahmen von etwa 200 Personen sowie zu Misshandlungen an den Verhafteten gekommen sein; 41 Personen seien in Haft geblieben, weil sie für Anführer gehalten worden seien oder weil sie sich geweigert hätten, ein Schuldeingeständnis zu unterschreiben (amnesty international, Auskunft vom 27. August 1998 an Hess. VGH).

Mitglieder der AAPO-Führung, die bereits 1994 nach allgemeinen Vorschriften des Strafgesetzbuches mit der Begründung verhaftet worden waren, sie hätten eine bewaffnete Aktion gegen die Regierung geplant, befinden sich nach wie vor in Haft; 20 von ihnen, darunter zwei Mitglieder des Zentralkomitees, wurden Ende März 1999 zu Haftstrafen zwischen 3 und 20 Jahren verurteilt. Vier Mitglieder sind inzwischen freigelassen worden, drei Mitglieder des Zentralkomitees befinden sich weiterhin ohne Verurteilung in Haft (Auswärtiges Amt, Lageberichte Äthiopien vom 20. Mai 1999 und vom 10. Januar 2001).

Die von der EPRDF gelenkten staatlichen Maßnahmen gegen Mitglieder, Anhänger und Einrichtungen der AAPO sind darauf gerichtet, den Aufbau landesweiter lokaler Parteistrukturen zu behindern und die öffentlich sichtbaren Aktivitäten in der Tendenz auf die Hauptstadt Addis Abeba zu beschränken (Institut für Afrika-Kunde, Auskunft vom 22. April 1996 an VG Wiesbaden). So sollen auf dem Land zeitweise fast alle Parteibüros der AAPO geschlossen worden sein (Auswärtiges Amt, Lagebericht Äthiopien vom 20. Mai 1999). Zum Umgang mit Angehörigen der AAPO ist ferner zu berücksichtigen, dass für die ersten allgemeinen Wahlen nach dem Machtwechsel in Äthiopien (Wahlen für die Regional- und Bezirksräte im Juni 1992) die AAPO zunächst Kandidaten aufgestellt hatte, die sie jedoch kurz vor dem Wahltag mit der Begründung zurückzog, ihre Arbeit werde massiv behindert. Dieser Vorwurf, der auch von anderen Parteien und Organisationen gegen die EPRDF erhoben wurde, konnte in der Tendenz von internationalen Wahlbeobachtern bestätigt werden. Auch an den Wahlen zur verfassunggebenden Versammlung im Juni 1994 sowie zu den Bundes- und Länderwahlen im Mai 1995 nahm die AAPO nicht teil. Sie begründete dies u. a. damit, dass acht Führungsmitglieder der Partei inhaftiert seien und die Regierung Parteibüros geschlossen habe (Institut für Afrika-Kunde, Auskunft vom 22. April 1996 an VG Wiesbaden). An den Wahlen im Mai 2000 hat die AAPO teilgenommen (Auswärtiges Amt, Lagebericht Äthiopien vom 10. Januar 2001). An den Kommunalwahlen im Februar/März 2001 hat sie sich nur an den Kebelewahlen am 25. Februar 2001 beteiligt und ist zu den Woredawahlen (Stadtbezirk/Kreis)-Wahlen am 4. März 2001 nicht mehr angetreten. Grund hierfür sollen Behinderungen der Oppositionsparteien bei der Kandidatenaufstellung, Einschüchterungen und Wählerbeeinflussungen im Vorfeld der Wahlen gewesen sein (Auswärtiges Amt, Lagebericht Äthiopien vom 15. August 2001).

Die AAPO ist in Äthiopien nach wie vor offiziell zugelassen und konnte zumindest in Addis Abeba und seit 1999 insgesamt in Äthiopien bis zu Beginn des Jahres 2001 relativ unbehindert arbeiten (Auswärtiges Amt, Lageberichte Äthiopien vom 20. Mai 1999, 10. Januar 2001 und vom 15. August 2001). Ungeachtet bestimmter Einschränkungen ist ihr immer ein gewisser Raum für die Artikulation ihrer politischen Ziele in der Öffentlichkeit verblieben. Dies zeigt sich etwa darin, dass es der AAPO Ende 1994 möglich war, ihre Gründungssitzung als politische Partei im Nationaltheater von Addis Abeba, das der staatlichen Verwaltung unterliegt, ungestört durchzuführen; ferner konnte sie in jenem Gebäude auch ihren sechsten Geburtstag im Januar 1998 uneingeschränkt und unbehelligt von staatlichen Kontrollen feiern.

Die Gefahr der politischen Verfolgung von in Äthiopien aktiven AAPO-Mitgliedern wird von den verschiedenen auskunftgebenden Stellen wie folgt beurteilt:

Das Auswärtige Amt hat früher generell eine Verfolgungsgefahr für AAPO-Mitglieder verneint und ausgeführt, die Arbeit der AAPO in Äthiopien sei jedenfalls in den größeren Städten uneingeschränkt möglich. Die Partei unterhalte in nahezu allen größeren Städten Parteibüros, ihre Schriften seien dort frei erhältlich. Mitglieder und Unterstützer der AAPO müssten wegen ihres politischen Engagements weder mit staatlicher Strafverfolgung noch mit sonstigen Repressalien rechnen (Auswärtiges Amt, Auskünfte vom 20. Juni 1996 an VG Wiesbaden und vom 24. Juli 1996 an VG Würzburg). In seinem Lagebericht zu Äthiopien vom 20. Mai 1999 hat das Auswärtige Amt diese Ansicht jedoch eingeschränkt und ausgeführt, die AAPO arbeite nur noch in Addis Abeba relativ unbehindert; auf dem Lande sei zu hören, dass fast alle Parteibüros geschlossen worden seien und die Anhänger in ihrer Parteiarbeit massiv behindert würden. Nach Verurteilungen von 20 führenden AAPO-Mitgliedern habe sich die Hoffnung, die Lage würde sich für die AAPO zumindest klimatisch verbessern, nicht bestätigt. Für niedere Funktionäre und einfache Parteimitglieder bestehe innerhalb der Hauptstadt aber nach wie vor keine Verfolgungsgefahr.

In der Folgezeit hat das Auswärtige Amt in seinen Lageberichten vom 3. April 2000 und vom 10. Januar 2001 wieder von einer seit 1999 bestehenden relativ unbehinderten landesweiten Entfaltungsmöglichkeit der AAPO berichtet. Seit dieser Zeit hätten auf dem Lande auch viele Büros der AAPO wieder geöffnet werden können. Nach dem Tode des früheren Parteivorsitzenden, Prof. Asrat Woldeyes, sei die Partei einem Spaltungsprozess ausgesetzt. An den Wahlen im Mai 2000 habe die AAPO teilgenommen. In seinem neuesten Lagebericht vom 15. August 2001 teilt das Auswärtige Amt mit, neuer Parteivorsitzender der AAPO sei im Jahre 2000 nach schwierigen Diskussionen Heilu Shawel geworden. Generell sei festzustellen, dass Oppositionsgruppen wie die AAPO in ihrer Parteiarbeit erheblich, etwa durch Schließung bzw. Nichtbewilligung von lokalen Parteibüros, Verhaftung und Einschüchterung von Funktionären und Kandidaten bis hin zur Ermordung von Funktionären, Benachteiligung von Oppositionsanhängern bei der Vergabe von Wohnungen, Arbeitsplätzen, Agrarland und Düngemitteln behindert würden. Die Regierung begründe ihre Schritte regelmäßig mit strafrechtlichen Bestimmungen wie z. B. jenen zur Verhinderung terroristischer Aktivitäten oder der Nichtzahlung von Steuern. Im April/Mai 2001 seien in Addis Abeba 150 Mitglieder der Oppositionsparteien AAPO und EDP, darunter viele Kommunalwahlkandidaten verhaftet worden. Anfang Juni 2001 sei die Mehrzahl von ihnen noch immer ohne Anklageerhebung und anwaltliche Betreuung an unbekanntem Ort in Haft gewesen.

Amnesty international führt seit einigen Jahren aus, Mitglieder und Funktionäre der AAPO müssten in Äthiopien sowohl mit Strafverfolgungsmaßnahmen als auch mit politischer Verfolgung rechnen (amnesty international, Auskünfte vom 14. November 1996 an VG Würzburg und vom 13. August 2001 an OVG Magdeburg). Die äthiopische Regierung betrachte die AAPO als politischen Gegner, und die Mitglieder würden dementsprechend als Feinde des Regimes behandelt (amnesty international, Auskunft vom 10. März 1999 an VG Wiesbaden). Die Ausschaltung oppositioneller Kräfte erfolge nicht nur durch die Verhaftung von Führungsmitgliedern, sondern auch durch Festnahmen weniger bedeutender Mitglieder, Funktionäre und Personen, die es wagten, Opposition oder Kritik gegenüber der Regierung zu üben, so dass es nicht von entscheidender Bedeutung sei, ob jemand eine herausgehobene Position innerhalb der AAPO innehabe (amnesty international, Auskunft vom 18. November 1996 an VG Wiesbaden). Vor dem Hintergrund neuerer Berichte über die Behinderung der Aufstellung von Kandidaten für die Wahlen im Mai 2000 könne nicht ausgeschlossen werden, dass im Vorfeld dieser Wahlen wieder Mitglieder von Oppositionsparteien in größerem Umfang verhaftet würden, um den Machterhalt der EPRDF zu sichern (amnesty international, Auskunft vom 10. Februar 2000 an VG München). Die äthiopische Regierung sehe Kritik an ihrer Politik und Regierungsführung als eine Kampfansage und als Aufforderung zum Umsturz an. Am 17. und 18. April 2001 sei es in Addis Abeba zu den heftigsten Ausschreitungen seit vielen Jahren gekommen. In diesem Zusammenhang seien auch 30 Mitglieder der AAPO verhaftet worden, von denen sechs AAPO Mitglieder nach wie vor inhaftiert worden seien (amnesty international, Auskunft vom 13. August 2001 an OVG Magdeburg).

Das Institut für Afrika-Kunde führt aus, Teilnehmer von Demonstrationen und Kundgebungen, die ohne offizielle Genehmigung nach den äthiopischen gesetzlichen Bestimmungen abgehalten würden, müssten mit ihrer Verhaftung rechnen, dies gelte insbesondere auch für AAPO-Mitglieder (Auskunft vom 16. November 1998 an Hess. VGH). Die vorliegenden Informationen wiesen darauf hin, dass sowohl einfache Mitglieder als auch Funktionäre der AAPO mit politisch begründeten Maßnahmen zu rechnen hätten, wobei einfache Mitglieder und örtliche Aktivisten anscheinend eher von außergerichtlichen als von gerichtlichen Maßnahmen betroffen seien. Alles deute darauf hin, dass die AAPO in Äthiopien trotz ihres offiziell legalen Status Ziel staatlicher Maßnahmen der EPRDF-Regierung sei (Institut für Afrika-Kunde, Auskunft vom 17. September 1996 an VG Würzburg).

Eine Zweigniederlassung der Exil-AAPO wurde in Deutschland am 1. Mai 1993 offiziell gegründet. Darüber hinaus besitzt die AAPO in Amerika sowie in einigen anderen europäischen Staaten so genannte Unterstützungskomitees. Im Jahre 1997 verfügte die AAPO in Deutschland über ca. 1.080 Mitglieder, wobei es Parteibüros in sieben verschiedenen Städten, darunter in Frankfurt, gab (VG Gießen, Verhandlungsniederschrift vom 17. Juni 1997).

Die im vorliegenden Fall bedeutsame Frage der Verfolgungsgefahr von nach Äthiopien zurückkehrenden Mitgliedern oder Unterstützern der Exil-AAPO wird von den auskunftgebenden Stellen unterschiedlich beurteilt.

Das Auswärtige Amt berichtet, da die im Ausland aktiven Splittergruppen die äthiopische Regierung kaum ernsthaft gefährden könnten, stünden sie nicht im Zentrum geheimdienstlicher Aufklärung; die Betätigung für eine solche Organisation - wie die Auslandsorganisation der AAPO - führe bei einer Rückkehr nach Äthiopien nicht automatisch und in jedem Fall zu staatlichen Repressionen. Grundsätzlich komme es darauf an, ob eine Organisation von den äthiopischen Behörden als terroristisch eingestuft werde und welcher Grad exilpolitischer Aktivitäten festgestellt werde. Von Bedeutung sei auch, ob und wie sich eine Person bei Rückkehr nach Äthiopien dort weiterhin betätige (Auswärtiges Amt, Lageberichte Äthiopien vom 10. Januar 2001 und vom 15. August 2001). Gefährdet könnten demnach führende Exilpolitiker sein, aber auch Personen, denen ein strafrechtlicher Vorwurf gemacht werde (Auswärtiges Amt, Lageberichte Äthiopien vom 9. April 1998, 20. Mai 1999 und 3. April 2000). Einfache Mitglieder der AAPO, die sich im Ausland für die Partei engagierten, müssten bei ihrer Rückkehr nach Äthiopien demgegenüber nicht mit politischer Verfolgung rechnen (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 20. November 1996 an VG Ansbach). Im Übrigen sei dem äthiopischen Staat bekannt, dass bei einigen Exilgruppen nicht das Hauptmotiv sei, den äthiopischen Staat zu verändern, sondern den geltend gemachten Asylanspruch der Gruppenangehörigen zu untermauern (Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 9. April 1998 und 20. Mai 1999).

Den Stellungnahmen von amnesty international lässt sich eine eindeutige Einschätzung zur Rückkehrgefährdung von AAPO-Mitgliedern und -Unterstützern nicht entnehmen. So wird einerseits ausgeführt, die äthiopische Regierung sei offenbar sehr daran interessiert, sich der im Exil befindenden Opponenten zu bemächtigen; sie dulde keinerlei Opposition, Oppositionelle und Kritiker der EPRDF seien staatlicher Verfolgung ausgesetzt, was auch für exilpolitische Opposition und Kritik, die im Ausland geäußert werde, gelte (amnesty international, Auskunft vom 14. November 1996 an VG Würzburg). An anderer Stelle heißt es, ein AAPO-Mitglied, dessen oppositionelle Einstellung durch seine exilpolitischen Aktivitäten bekannt geworden sei, werde bei Rückkehr nach Äthiopien mit Sicherheit unter Beobachtung gestellt; falls der Betreffende dann weiterhin politische Aktivitäten für die AAPO entfalte, müsse er mit seiner Inhaftierung rechnen (amnesty international, Auskunft vom 5. September 1996 an VG Wiesbaden). Schließlich wird berichtet, Mitglieder und Sympathisanten der AAPO seien unter Umständen in Gefahr, in Äthiopien inhaftiert und möglicherweise misshandelt zu werden; falls die betreffende Person durch die Teilnahme an Demonstrationen und Kundgebungen ihre oppositionelle Einstellung zur äthiopischen Regierung und ihre Unterstützung für die AAPO öffentlich bekundet habe und zusätzlich noch eine offizielle Funktion innerhalb dieser Organisation bekleide, müsse sie möglicherweise damit rechnen, bei Rückkehr nach Äthiopien politischer Verfolgung ausgesetzt zu sein (amnesty international, Auskunft vom 8. November 1995 an VG Frankfurt). Im Falle eines früheren Kommunikationsoffiziers der 8. Division der äthiopischen Armee, der zudem Sekretär der WPE gewesen und nunmehr Mitglied der AAPO sei, hielt amnesty international eine an die AAPO-Zugehörigkeit anknüpfende Rückkehrgefährdung für schwer einschätzbar (Auskunft vom 10. Februar 2000 an VG München). Nunmehr geht amnesty international davon aus, dass die Funktion eines Sekretärs einer AAPO-Gruppe und die Mitgliedschaft in der AAPO bei Rückkehr nach Äthiopien zur Inhaftierung führen könnten, insbesondere wenn diese Person öffentlich Kritik an der EPRDF-Regierung geübt habe. Die äthiopische Regierung sehe Kritik an ihrer Politik und Regierungsführung als eine Kampfansage und als Aufforderung zum Umsturz an (amnesty international, Auskunft an OVG Magdeburg vom 13. August 2001).

Auch das Institut für Afrika-Kunde trifft keine eindeutige Aussage zum Verfolgungsrisiko von nach Äthiopien zurückkehrenden AAPO-Mitgliedern und Aktivisten. Danach erscheine es zumindest möglich, dass ein exilpolitisch aktives Mitglied der AAPO nach der Rückkehr staatliche Maßnahmen zu befürchten habe, die über eine sicherheitsdienstliche Beobachtung hinausgehen. Es sei als wahrscheinlich anzusehen, dass den äthiopischen Behörden die exilpolitischen Aktivitäten der in Deutschland lebenden äthiopischen Staatsangehörigen bekannt seien, da die exilpolitisch aktiven Mitglieder der AAPO die gleichen Positionen und Anliegen unterstützten, die die AAPO in Äthiopien vertrete (Auskunft vom 17. September 1996 an VG Würzburg). Die Verfolgungswahrscheinlichkeit hänge davon ab, welcher Art die exilpolitischen Aktivitäten seien, ob ihnen bereits politische Aktivitäten vorausgegangen seien, ob nach der Rückkehr weiterhin eine aktive Mitarbeit oder eine Unterstützung der AAPO erfolge und wo die betreffende Person nach der Rückkehr in Äthiopien ihren Wohnsitz nehme (Institut für Afrika-Kunde, Auskunft vom 22. April 1996 an VG Wiesbaden).

Hinsichtlich des Bereichs der nur untergeordneten exilpolitischen Tätigkeiten, z. B. der bloßen Teilnahme an Demonstrationen, des Verteilens von Werbematerial, der Entrichtung von Mitgliedsbeiträgen oder der Zahlung von Spenden, kann den Auskünften ebenfalls kein eindeutiges Bild entnommen werden. Weder enthalten sie eine ausdrückliche Aussage zum Bekanntwerden auch solcher untergeordneter Exilaktivitäten noch äußern sie sich näher substantiiert zu Art und Umfang der Auslandsüberwachung durch die äthiopischen Behörden oder eingeschaltete Informanten. Allein die Mitteilung von amnesty international, die Organisation habe mehrfach Berichte erhalten, wonach z. B. Demonstrationsteilnehmer fotografiert worden seien (Auskunft vom 17. August 1999 an Hess. VGH), bildet keine hinreichende Grundlage für die Annahme, dass jeder äthiopische Staatsangehörige, der sich an einer solchen Demonstration beteiligt, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von den äthiopischen Behörden als Teilnehmer identifiziert und damit als Regimegegner erkannt wird.

Im Ergebnis ist danach festzuhalten, dass die dargestellten Stellungnahmen der auskunftgebenden Stellen zur Rückkehrgefährdung von AAPO-Mitgliedern und -Unterstützern eine sichere Prognose nicht zulassen. Es kann aber festgestellt werden, dass jedenfalls eine beachtlich wahrscheinliche Gefährdung niederer Funktionäre und einfacher Parteimitglieder den Stellungnahmen der genannten auskunftgebenden Stellen im Sinne einer eindeutigen Prognose nicht entnommen werden kann. Die sachkundigen Äußerungen weisen vielmehr nur auf die bloße Möglichkeit von Verfolgungsmaßnahmen wegen untergeordneter exilpolitischer Betätigung für die AAPO hin.

Bei der vorliegend festgestellten Gefährdungslage hängt die Reaktion des äthiopischen Staates weiterhin von Art und Umfang der Kenntniserlangung der jeweiligen exilpolitischen Aktivitäten ab.

Zu Art und Umfang der Auslandsüberwachung der exilpolitischen Tätigkeiten äthiopischer Staatsangehöriger stellt das Auswärtige Amt fest, dass der äthiopische Staat die Aktivitäten der exilpolitischen Organisationen beobachte. Danach verfüge der äthiopische Geheimdienst über ein teilweise funktionsfähiges Informantensystem im Ausland. Es könne davon ausgegangen werden, dass der äthiopischen Regierung bekannt sei, wer tatsächlich eine führende Position innerhalb einer wichtigen Exilpartei einnehme und wer nicht (Auswärtiges Amt, Lagebericht Äthiopien vom 9. April 1998 und vom 10. Januar 2001).

Amnesty international äußert sich dahingehend, dass der äthiopische Geheimdienst sehr genau die exilpolitischen Aktivitäten seiner Staatsangehörigen in Deutschland beobachte, wozu auch gegen die Regierungspolitik gerichtete Demonstrationen und Veranstaltungen gehörten. Die EPRDF-Regierung habe früheres Geheimdienstpersonal des Mengistu-Regimes übernommen, das noch vom Staatssicherheitsdienst der DDR ausgebildet worden sei. Bei exilpolitischen Veranstaltungen müsse befürchtet werden, dass sich unter den Teilnehmern Spitzel der EPRDF befänden, die dem äthiopischen Sicherheitsdienst Bericht erstatteten und Namen weitergäben. Außerdem sei bekannt, dass Telefongespräche abgehört und das Briefgeheimnis verletzt würden (amnesty international, Auskünfte vom 17. August 1999 an Hess. VGH und vom 13. August 2001 an OVG Magdeburg).

Das Institut für Afrika-Kunde geht davon aus, dass im Allgemeinen exilpolitische Aktivitäten äthiopischer Staatsangehöriger sicherheitsdienstlich mit den üblichen Methoden beobachtet würden; hierbei öffentlich in Erscheinung tretende Personen würden registriert (Auskunft vom 16. November 1998 an Hess. VGH). Nach Einschätzung des UNHCR ist vor dem Hintergrund der als vom Ausland gesteuert wahrgenommenen Opposition anzunehmen, dass äthiopische Behörden die Aktivitäten der hauptsächlich im Ausland aktiven Oppositionsparteien sehr genau verfolgen. Deshalb müsse gefolgert werden, dass die äthiopischen Behörden jedenfalls von den Aktivitäten einer Person Kenntnis erlangten, die sich in höherer Funktion an mehreren öffentlichen Veranstaltungen einschließlich Demonstrationen vor der Äthiopischen Botschaft in der Bundesrepublik Deutschland beteiligt und Informationsmaterial verteilt hätte (UNHCR, Auskunft vom 23. Februar 1996 an OVG Koblenz).

Zusammenfassend kann damit hinsichtlich der Auslandsüberwachung exilpolitischer Aktivitäten durch die äthiopischen Behörden festgestellt werden, dass die auskunftgebenden Stellen in der aktuellen Beobachtung des Exilgeschehens übereinstimmen. Das Bekanntwerden öffentlichkeitswirksamer, hervorgehobener exilpolitischer Tätigkeit ist danach überwiegend wahrscheinlich.

Angesichts dieser Situation der AAPO gelangt der Senat bei der Beurteilung der Verfolgungswahrscheinlichkeit nach Äthiopien zurückkehrender Mitglieder der AAPO nach zusammenfassender Würdigung aller dem Senat vorliegenden Erkenntnisquellen zu dem Ergebnis, dass die EPRDF-Regierung nur diejenigen Mitglieder und Unterstützer der AAPO als gefährliche Gegner einstufen wird, die auch nach außen hin erkennbar auf eine Beseitigung der EPRDF-Regierung hinarbeiten und dafür wesentliche Beiträge leisten. Selbst wenn nach Äthiopien zurückkehrende AAPO-Mitglieder und -Sympathisanten zum Zwecke eines Verhörs vorübergehend festgenommen werden sollten, könnte hierin keine staatliche Maßnahme, die über der asylrechtlichen Erheblichkeitsschwelle liegt, gesehen werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn - wie im Falle des Klägers - aus den exilpolitischen Aktivitäten keine ernst zu nehmende Bedrohung hervorgeht, die darauf angelegt ist, in Äthiopien mit dem Ziel der Herbeiführung eines politischen Umsturzes fortgesetzt zu werden. Zwar sind rechtlich erhebliche Verfolgungsmaßnahmen bei exilpolitischen Aktivitäten, durch die sich ein Rückkehrer nicht durch hervorgehobene Tätigkeiten oder sonst öffentlichkeitswirksam als Regimegegner exponiert hat, nicht auszuschließen, sie sind jedoch nicht überwiegend wahrscheinlich.

Mit dieser Einschätzung der Beurteilung der Verfolgungswahrscheinlichkeit von Mitgliedern und Unterstützern der AAPO befindet sich der Senat auch in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Thüringischen Oberverwaltungsgerichts (Urteil vom 13. April 2000 - 3 KO 987/97 -) und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. Beschluss vom 5. Januar 2000 - 9 BA 96.34830 -), so dass an der zuletzt mit Urteil des Senats vom 26. September 2000 (9 UE 1662/98.A) getroffenen Einschätzung zur Verfolgungswahrscheinlichkeit von AAPO-Mitgliedern im Ergebnis festgehalten werden kann.

Daraus folgt, dass dem Kläger als einfachem Mitglied und mithin zu dem Kreis der Unterstützer der AAPO zu zählenden Personenkreis bei einer Rückkehr nach Äthiopien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht. Auch die vom Kläger vorgetragene kurzfristige Betätigung in einer innerparteilichen Oppositionsgruppe der Exil-AAPO, die zudem bereits längere Zeit zurückliegt, ändert an dieser Einschätzung nichts, denn die diesbezüglichen Aktivitäten heben den Kläger nicht aus dem Kreis eines einfachen Mitgliedes und Unterstützers der Exil-AAPO heraus.

Auch soweit die Klage auf die frühere - nach Erklärung des Klägers in der Beweisaufnahme vor dem Senat heute nicht mehr bestehende - Mitgliedschaft in der Exil-EFSU gestützt wird, kann eine beachtliche, d. h. überwiegende Wahrscheinlichkeit, deshalb bei der Rückkehr nach Äthiopien von asylrechtlich erheblichen Maßnahmen getroffen zu werden, nicht festgestellt werden.

Bei der EFSU handelt es sich um eine kleine oppositionelle Exilorganisation ehemaliger Soldaten und Offiziere des Mengistu-Regimes.

Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes liegen Berichte, die zuverlässige Rückschlüsse auf Repressalien gegen nach Äthiopien zurückkehrende EFSU-Mitglieder zuließen, nicht vor (Auswärtiges Amt, Auskünfte vom 8. Juni 1995 an VG Frankfurt am Main und vom 30. Oktober 1995 an VG Ansbach). Nennenswerte Aktivitäten der EFSU in Äthiopien sind nicht bekannt geworden. Vielmehr ist die EFSU überwiegend im Ausland aktiv (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 15. Juli 1998 an den Hess. VGH). Dem Auswärtigen Amt ist ebenfalls nicht bekannt, dass die EFSU Hilfe bei der militärischen Ausbildung von Angehörigen der EUF (Ethiopian Unity Front) leisten würde. Erkenntnisse darüber, dass die EFSU ein Kontaktnetz der ehemaligen Soldaten des Mengistu-Regimes innerhalb Äthiopiens und zu Auslandsgruppen betreiben würde, lägen ebenfalls nicht vor. Dies gelte auch für eine Betätigung der EFSU bei der Verbreitung von Informationen über die Lage in Äthiopien. Erkenntnisse darüber, dass die Mitgliedschaft in der EFSU zu asylrelevanten Maßnahmen führen könnte, liegen dem Auswärtigen Amt ebenfalls nicht vor. Eine Verfolgung könne sich allerdings möglicherweise an konkrete Strafvorwürfe im Hinblick auf Handlungen während der Zeit der DERG-Diktatur anschließen. Auch sei dem Auswärtigen Amt über eine Inhaftierung von EFSU-Mitgliedern nichts bekannt, so dass auch nicht bestätigt werden könne, dass sich eine solche Inhaftierung auf die Mitgliedschaft in der EFSU gründen könnte (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 29. November 2000 an den Hess. VGH). Außerdem lägen keine Erkenntnisse darüber vor, dass sich die Lage für Angehörige der EFSU in Äthiopien mit dem Ausbruch des Konflikts mit Eritrea verschlechtert hätte (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 29. November 2000 an den Hess. VGH).

Amnesty international beantwortete die Frage bezüglich eventueller Verfolgungsmaßnahmen wegen Mitgliedschaft und Funktion in der EFSU zunächst pauschal dahingehend, dass diesbezügliche Aktivitäten, sofern sie den äthiopischen Sicherheitsbehörden bekannt geworden seien, bei einer Rückkehr in die Heimat zu staatlichen Maßnahmen führen könnten (amnesty international, Auskunft an VG Würzburg vom 28. April 1997). Mittlerweile geht es bei Beantwortung der oben angegebenen Fragestellung davon aus, dass bisher keine Fälle von Personen bekannt geworden seien, die nur wegen ihrer Zugehörigkeit zur EFSU in Äthiopien staatlichen Zwangsmaßnahmen ausgesetzt seien. Eine Gefährdung könne sich aber ergeben, wenn bei Aktivitäten zugunsten der EFSU Aufrufe zum bewaffneten Kampf veröffentlicht worden seien (amnesty international, Auskunft vom 9. Februar 1999 an den Hess. VGH). In seiner neuesten Auskunft vom 13. Februar 2001 an den Hess. VGH teilt amnesty international mit, dass keine Erkenntnisse über Aktivitäten der EFSU in Äthiopien vorlägen und damit keine Kenntnis über staatliche Verfolgungsmaßnahmen gegenüber Mitgliedern der EFSU vorhanden sei (amnesty international, Auskunft vom 13. Februar 2001 an Hess. VGH).

Das Institut für Afrika-Kunde hat die Frage eventueller Verfolgungsmaßnahmen wegen Mitgliedschaft und Funktionärstätigkeit in der EFSU dahingehend beantwortet, dass Informationen über nach Äthiopien zurückgekehrte Mitglieder der EFSU und deren weiteren Verbleib nicht vorlägen. Über Verhaftungen von Mitgliedern der EFSU sei nichts bekannt. Auch lägen dem Institut für Afrika-Kunde keine Informationen darüber vor, inwieweit die EFSU in die Ausbildung von EUF-Kämpfern involviert sei und ob sie dadurch den kämpfenden Truppen zugerechnet werde (Auskünfte vom 2. April 1997 an VG Würzburg und vom 5. Dezember 2000 an Hess. VGH).

Diese Auskünfte belegen keinerlei Referenzfälle einer vom äthiopischen Staat ausgehenden politischen Verfolgungstätigkeit gegenüber Mitgliedern oder Funktionsträgern der EFSU. Sie lassen im Ergebnis vielmehr nur die Schlussfolgerung zu, dass eine hinreichend konkrete Gefahr, politisch verfolgt zu werden, wegen der Mitgliedschaft in der EFSU und jedenfalls nicht gänzlich herausgehobener Funktionstätigkeiten mangels konkreter Aussagen über etwaige Repressalien der EPRDF-Regierung ausscheidet. Hinzu kommt, dass die EFSU schon wegen ihrer politischen Forderung nach der Einheit Äthiopiens und Eritreas realpolitisch bedeutungslos ist; zudem rekrutiert sich ihr Mitglieder- und Unterstützerkreis in erster Linie aus den Angehörigen der ehemaligen äthiopischen Armee des Mengistu-Regimes, was ebenfalls dafür spricht, dass diese Organisation in dem politischen Bewusstsein der äthiopischen Bevölkerung heute keine besondere Rolle mehr spielt und auch von der EPRDF-Regierung nicht als ernsthafte Gefahr angesehen wird. Soweit die im Exil lebenden EFSU-Mitglieder durch entsprechende Aufrufe, wie vom Kläger mit Schriftsatz vom 19. Dezember 1994 vorgelegt (Bl. 44, 45 der Gerichtsakte), den Eindruck zu erwecken versuchen, man unterstütze bzw. betreibe den bewaffneten Kampf gegen die in Äthiopien herrschende EPRDF-Regierung, dürfte dies zu den typischen Aufgaben des im Exil lebenden Teils einer Partei gehören, um auf diese Weise weniger für eine aktive Veränderung der Verhältnisse in Äthiopien, als vielmehr dafür zu sorgen, den geltend gemachten Asylanspruch der Gruppenangehörigen zu untermauern (Auswärtiges Amt, Lagebericht Äthiopien vom 9. April 1998). Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass der Kläger mittlerweile nicht mehr Mitglied der Exil-EFSU ist, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt kein Interesse der äthiopischen Sicherheitsorgane an der Person des Klägers wegen der diesbezüglichen Aktivitäten (mehr) bestehen dürfte. Dies gilt auch im Hinblick auf die vom Kläger vorgetragenen Umstände, Gründungsmitglied der EFSU und Vorsitzender eines Komitees für Öffentlichkeitsarbeit gewesen zu sein. Auch diese teilweise schon lange Zeit zurückliegenden Betätigungen sind nicht geeignet, ihn dem Kreis der herausgehobenen oder gar gänzlich herausgehobenen Funktionsträger zugehörig erscheinen zu lassen.

Auch der Vortrag des Klägers, er habe von 1993 bis 1998 an mehreren Veranstaltungen der EPRP (Ethiopian People's Revolutionary Party) in Deutschland teilgenommen, ohne allerdings Mitglied dieser Organisation geworden zu sein, führt nicht zu der Annahme, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Äthiopien politisch relevante Verfolgungsmaßnahmen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen.

Bei der EPRP, deren Vorsitzender Yosef Mersha ist (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 30. Juni 1999 an Hess. VGH), handelt es sich um eine aus der Studentenbewegung hervorgegangene, im Jahre 1972 gegründete Organisation (Schweizerische Zentralstelle für Flüchtlingshilfe [SFH] vom 1. Juli 1990; amnesty international, Auskunft vom 6. Juli 1992 an VG Köln). Ihre Anhängerschaft setzt sich weitgehend aus amharischen Intellektuellen zusammen (amnesty international vom 1. August 1994). Der bewaffnete Arm der EPRP kämpfte nach der Ablösung des Mengistu-Regimes Mitte 1991 in den Provinzen Gojam und Gondar gegen die Truppen der bis heute regierenden EPRDF (amnesty international, Auskunft vom 3. Juni 1996 an VG Wiesbaden; Institut für Afrika-Kunde, Auskunft vom 27. März 1996 an VG Wiesbaden). Die Guerilla-Kräfte der EPRP wurden Ende 1991 von der damaligen Übergangsregierung bzw. den bewaffneten Verbänden der EPRDF weitgehend zerschlagen oder aufgerieben (Institut für Afrika-Kunde, Auskunft vom 17. November 1998 an VG Berlin und vom 27. März 1996 an VG Wiesbaden; amnesty international, Auskunft vom 3. Juni 1996 an VG Wiesbaden). Die ins Exil geflüchtete Führung der EPRP engagierte sich stark für die Einheit Äthiopiens unter Einschluss Eritreas (amnesty international, Auskunft vom 3. Juni 1996 an VG Wiesbaden). Sie war im April 1991 in den USA am Zusammenschluss verschiedener äthiopischer Organisationen beteiligt, woraus die "Coalition of Ethiopian Democratic Forces" (CoEDF) hervorging, die in Opposition zur EPRDF stand (Institut für Afrika-Kunde, Auskunft vom 27. März 1996 an VG Wiesbaden; amnesty international, Auskunft vom 3. Juni 1996 an VG Wiesbaden). Im Juni 1992 wurden 24 Flüchtlinge, die der EPRP angehörten oder ihr zugerechnet wurden, im Sudan festgenommen und an Äthiopien ausgeliefert; 20 Mitglieder sollen nach einigen Monaten freigelassen worden sein, die übrigen 4 wurden nach Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nach vier Jahren aus der Haft entlassen (amnesty international vom 1. April 1995 und Auskunft vom 28. Mai 2001 an OVG Weimar; Institut für Afrika-Kunde, Auskunft vom 27. März 1996 an VG Wiesbaden). Im Dezember 1993 reisten Vertreter der CoEDF legal mit Einreisevisa nach Äthiopien ein, um als Delegierte an einer Konferenz von oppositionellen Parteien und Organisationen in Addis Abeba teilzunehmen; einer dieser Teilnehmer gehörte der EPRP an. Sie wurden bei der Ankunft festgenommen (Institut für Afrika-Kunde, Auskunft vom 27. März 1996 an VG Wiesbaden; Auswärtiges Amt, Auskunft vom 22. März 1996 an VG Wiesbaden; amnesty international, Auskunft vom 3. Juni 1996 an VG Wiesbaden). Nach massiven Protesten diplomatischer Vertreter der Geberländer Äthiopiens wurden die Festgenommenen, bis auf eine Person, im Februar 1994 freigelassen (Institut für Afrika-Kunde, Auskunft vom 27. März 1996 an VG Wiesbaden). Verschiedene EPRP-Führer sind seit Anfang der 90er Jahre in Haft, ohne dass über den Verlauf von Gerichtsverhandlungen etwas bekannt geworden ist (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 24. September 1998 an VG Berlin). Berichte über konkrete Fälle staatlicher (polizeilicher, strafrechtlicher, sonstiger) Maßnahmen gegen tatsächliche, mutmaßliche oder vermeintliche Mitglieder und/oder Unterstützer der EPRP ab 1996 liegen nicht vor, abgesehen von den Angaben der SoCEPP (Solidarity Committee for Ethiopian Political Prisoners). Anklageerhebungen oder Gerichtsurteile wegen der Beschuldigung, Mitglied oder Unterstützer der EPRP zu sein, sind nicht bekannt (Institut für Afrika-Kunde, Auskunft vom 17. November 1998 an VG Berlin). Die EPRP ist eine in Äthiopien nach wie vor nicht legale Organisation (Institut für Afrika-Kunde, Auskunft vom 17. November 1998 an das VG Berlin). Die Regierung verfolgt die EPRP vielmehr weiterhin als terroristische Vereinigung (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 5. Februar 1999 an VG Ansbach). Es liegen keine Informationen über das Bestehen und ggf. die Reichweite und die Aktionsmöglichkeiten einer (Untergrund-) Struktur vor (Institut für Afrika-Kunde, Auskunft vom 17. November 1998 an VG Berlin). Als Untergrundorganisation gibt die EPRP weder Mitgliederzahlen noch die Größe des Unterstützungsfeldes bekannt. Sie findet vorwiegend in den amharischen (Grenz-) Regionen Unterstützung; ihre Operationsweise sind bewaffnete Anschläge und Informationsverbreitung durch Flugblätter (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 24. September 1998 an VG Berlin). Im Frühjahr/Sommer 1996 gründeten die - EPRP-dominierte - CoEDF und andere Exilgruppen die Ethiopian Unity Front (EUF), eine bewaffnete Guerillagruppe, die Ende 1996 oder Anfang 1997 in geringem Umfang bewaffnete Aktionen gegen die äthiopische Regierung unternommen haben soll (Auswärtiges Amt, Auskünfte vom 30. Juni 1999 an den Hess. VGH und vom 24. September 1998 an das VG Berlin; Institut für Afrika-Kunde, Auskünfte vom 7. Januar 1999 an VG Wiesbaden, vom 17. November 1998 an VG Berlin und vom 23. November 1998 an VGH Baden-Württemberg). In jüngerer Zeit soll die EPRP angekündigt haben, ihren bewaffneten Kampf gegen die äthiopische Regierung einzustellen, um die Regierung nicht im Grenzkonflikt mit Eritrea zu schwächen (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 5. Februar 1999 an VG Ansbach).

Vor diesem Hintergrund wird die Frage, ob bereits die einfache Mitgliedschaft in der EPRP und eine Teilnahme an Demonstrationen und Veranstaltungen der EPRP in der Bundesrepublik Deutschland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu einer Gefährdung bei einer Rückkehr nach Äthiopien führen kann, unterschiedlich beurteilt.

Amnesty international geht davon aus, dass bereits die Mitgliedschaft in der EPRP in Deutschland oder in ihrer Exilorganisation bei einer Rückkehr nach Äthiopien die Gefahr der Inhaftierung auf unbestimmte Zeit ohne Anklage und Gerichtsverfahren hervorrufe, wenn die Mitgliedschaft bekannt geworden sei (amnesty international, Auskünfte vom 13. Januar 1996 an VG Würzburg, vom 3. Juni 1996 an VG Wiesbaden, vom 12. Juni 1996 an VG Frankfurt/Oder, vom 4. Juni 1997 an VG Ansbach, vom 18. Juni 1998 an VGH Baden-Württemberg und vom 17. August 1999 an Hess. VGH). Referenzfälle, die aus Deutschland nach Äthiopien abgeschobene oder sonst zurückkehrende Mitglieder der EPRP betreffen, vermochte amnesty international indes nicht zu benennen (amnesty international, Auskünfte vom 17. August 1999 an Hess. VGH und vom 28. Mai 2001 an OVG Weimar). Die Einschätzung von amnesty international beruht offenbar im Wesentlichen auf den oben bereits genannten wenigen Fällen der Verhaftung prominenter Mitglieder (überwiegend) Anfang/Mitte der 90er Jahre, wenngleich die der EPRP nahestehende Organisation SoCEPP (Solidarity Committee of Ethiopian Political Prisoners) auch von vereinzelten Vorkommnissen (Tod in der Haft, extralegale Hinrichtung) in jüngerer Zeit (1999/2001) berichtet (amnesty international an OVG Weimar vom 28. Mai 2001). Auf die Frage, ob zurückkehrende Asylbewerber wegen ihrer exilpolitischen Betätigung bei der Einreise nach Äthiopien oder später politischer Verfolgung ausgesetzt gewesen seien, berichtete amnesty international (amnesty international, Auskunft an Hess. VGH vom 17. August 1999) lediglich von einem Fall, in dem ein aus Deutschland freiwillig über Kenia nach Äthiopien zurückgekehrter ehemaliger Asylbewerber einem eigenen Bericht zufolge zunächst festgenommen, allerdings nach Intervention seiner italienischen Ehefrau bei den Botschaften der Bundesrepublik Deutschland und Italiens wieder freigelassen worden sein soll. Die übrigen von amnesty international benannten Fälle betreffen Mitglieder verschiedener oppositioneller Gruppen, die aus Nachbarländern Äthiopiens abgeschoben worden sein sollen.

Das Institut für Afrika-Kunde hält es für möglich, dass auch im Ausland lebende einfache Mitglieder der EPRP im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien mit Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen hätten, und zwar zum einen wegen der Mitgliedschaft und zum anderen wegen der durch die Mitwirkung an Aktivitäten der Partei und der durch Zahlung von Beiträgen ausgedrückten Unterstützung ihrer Ziele (Auskünfte des Instituts für Afrika-Kunde vom 21. September 1995 an OVG Rheinland-Pfalz, vom 28. Oktober 1996 an VG Ansbach, vom 17. November 1998 an VG Berlin und vom 23. November 1998 an VGH Baden-Württemberg). Wie wahrscheinlich die Verfolgung sei, könne jedoch - mangels entsprechender Referenzfälle - nicht beurteilt werden (Institut für Afrika-Kunde, Auskunft vom 23. November 1998 an VGH Baden-Württemberg).

Nach Auffassung des UNHCR (UNHCR, Auskunft vom 23. Februar 1996 an OVG Koblenz) kann es zu Verfolgungsmaßnahmen bei einer Rückkehr nach Äthiopien infolge exilpolitischer Aktivitäten kommen, soweit diese - was bei Personen in höherer Funktion anzunehmen sei - der äthiopischen Regierung bekannt würden.

Das Auswärtige Amt hielt es zunächst für unwahrscheinlich, dass die einfache Demonstrationsteilnahme und bloße Mitgliedschaft in der EPRP in Deutschland zu Verfolgungsmaßnahmen bei einer Rückkehr nach Äthiopien führten (Auswärtiges Amt, Auskünfte vom 15. Dezember 1995, vom 23. Oktober 1996 und vom 7. Januar 1998 an VG Ansbach). Mittlerweile geht es in neueren Auskünften von einer höheren Gefährdungswahrscheinlichkeit aus. In seiner Auskunft vom 24. September 1998 an das VG Berlin gibt es an, dass bei aus dem Ausland zurückkehrenden Anhängern von Organisationen, die der bewaffneten Opposition zugerechnet würden, mit Untersuchungen und ggf. Untersuchungshaft auf unbestimmte Zeit zu rechnen sei, wenn der Verdacht materieller Unterstützung des bewaffneten Kampfes bestehe, wobei sich eventuelle Anklagen auf die relevanten Strafrechtsbestimmungen stützten. Von staatlicher Stelle werde betont, dass Strafverfolgungsmaßnahmen sich nicht auf die einfache Mitgliedschaft in Organisationen stützten, sondern im Einzelfall konkrete strafrechtlich relevante Vorwürfe vorliegen müssten. Andererseits werde auch von den Sicherheitsbehörden bestätigt, dass die einfache Mitgliedschaft in einer als terroristisch eingestuften Organisation ausreichen könne, Strafverfahren auszulösen. Dabei sei ein Ermessensspielraum der Sicherheitsbehörden anzunehmen. In einer weiteren Auskunft vom 5. Februar 1999 an VG Ansbach geht das Auswärtige Amt davon aus, dass der Kläger jenes Verfahrens (bei unterstellter Vorverfolgung) nach seiner Rückkehr nach Äthiopien, seine Mitgliedschaft in der EPRP unterstellt, wegen Zugehörigkeit zu einer terroristischen Vereinigung strafrechtlich verfolgt würde. Die Frage, ob ein Mitglied oder Unterstützer der EPRP in den Augen der äthiopischen Regierung stets und generell als Terrorist angesehen werde, der jederzeit auch zu den Waffen greife und gewaltsam einen Umsturz herbeiführe, ist dahingehend beantwortet worden, dass dies nach Aussagen der Regierung bei Mitgliedern der Oromo Liberation Front (OLF) der Fall sei, es aber nicht auszuschließen sei, dass die Mitgliedschaft in der EPRP ähnlich bewertet werde. Referenzfälle lägen indes nicht vor. In seiner Auskunft vom 30. Juni 1999 an den Hess. VGH schließlich hält das Auswärtige Amt eine Gefährdung von Mitgliedern der EUF, die im Ausland erkennbar für die Auslandsflügel einer dieser Mitgliedsorganisationen, z. B. die EPRP, in Erscheinung getreten seien, für wahrscheinlich, soweit die äthiopische Regierung Kenntnis von den Aktivitäten erhalte. Der Kontakt zu einer der Mitgliedsgruppen der EUF als solche reiche indes nicht aus.

Unter Würdigung dieser Auskunftslage lässt sich nach Überzeugung des Senats jedenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit feststellen, dass die bloße Mitgliedschaft in der EPRP bzw. ihrer Exilorganisation oder einem ihrer Unterstützungskomitees asylrechtlich relevante Verfolgungsmaßnahmen seitens der dortigen Sicherheitsorgane zur Folge hat. Dies gilt erst recht für die bloße Teilnahme an Demonstrationen oder sonstigen Veranstaltungen dieser Gruppe. Selbst unter Zugrundelegung der neueren Auskünfte lässt sich nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit feststellen, dass eine Verfolgung von Rückkehrern stattfindet, die der EPRP oder einem ihrer Unterstützungskomitees angehören oder mit der EPRP sympathisieren. Gegen die Annahme, diesem Personenkreis drohe im Fall der Rückkehr nach Äthiopien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung, spricht entscheidend, dass die auskunftgebenden Stellen über keine Referenzfälle berichten können, in denen aus der Bundesrepublik Deutschland zurückgekehrte Mitglieder solcher Gruppen asylrechtlich relevanten Verfolgungshandlungen seitens der äthiopischen Staatsorgane unterlagen (amnesty international, Auskunft vom 18. Juni 1998 an VGH Baden-Württemberg; Institut für Afrika-Kunde vom 23. November 1998 an VGH Baden-Württemberg; Auswärtiges Amt, Auskunft vom 5. Februar 1999 an VG Ansbach). Dass bisher noch keine Fälle asylrechtlich relevanter Verfolgungsmaßnahmen gegen aus der Bundesrepublik Deutschland zurückkehrende bzw. rückgeführte Angehörige der EPRP bzw. ihrer Exilorganisation oder eines ihrer Unterstützungskomitees den auskunftgebenden Stellen bekannt geworden sind, ist ein wesentliches Indiz für ein nur sehr geringes Verfolgungsinteresse des äthiopischen Staates gegenüber diesem Personenkreis. Daher erscheint es wenig wahrscheinlich, dass die äthiopischen Sicherheitsbehörden die bloße Mitgliedschaft in der EPRP bzw. ihrer Exilorganisation oder einem ihrer Unterstützungskomitees oder die bloße Teilnahme an Veranstaltungen oder Demonstrationen solcher Gruppen zum Anlass nehmen könnten, bei einer Rückkehr strafrechtliche oder sonstige asylrechtlich relevante Verfolgungsmaßnahmen einzuleiten.

Aus dem oben Gesagten folgt, dass nach Überzeugung des Senats im Ausland lebende einfache Mitglieder der EPRP bzw. ihrer Exilorganisation oder eines ihrer Unterstützungskomitees bei einer Rückkehr nach Äthiopien ebenso wenig asylrechtlich relevante Verfolgungsmaßnahmen seitens der dortigen Staatsorgane mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten haben, wie bloße Teilnehmer an Demonstrationen oder sonstigen Veranstaltungen dieser Gruppen (wie hier OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 13. April 2000 - A 2 S 123/98 -; Bay. VGH, Urteil vom 21. März 2000 - 9 BA 96.31665 -).

Auch die vom Kläger vorgetragene Mitgliedschaft in der äthiopischen Gemeinde Rhein-Main-Gebiet e. V. seit deren Gründung, seine Mitgliedschaft im Organisationskomitee sowie die übrigen im Zusammenhang mit dieser Organisation vorgetragenen Aktivitäten, sind ebenfalls nicht geeignet, Anhaltspunkte für eine beachtliche Wahrscheinlichkeit zu begründen, dass ihm bei einer Rückkehr nach Äthiopien asylrechtlich relevante Verfolgungsmaßnahmen seitens der äthiopischen Staatsorgane drohen.

Bei der äthiopischen Gemeinde handelt es sich wie schon ihre Bezeichnung verdeutlicht um eine ausschließlich auf regionaler Basis in Deutschland operierende Organisation, die anders als eine auch in Äthiopien vertretene Exilpartei den Machtanspruch der in Äthiopien herrschenden EPRDF-Regierung nicht in Frage zu stellen vermag. Dies lässt sie aus Sicht des äthiopischen Staates in keinem Fall gefährlicher erscheinen als andere Organisationen und Parteien der Exilopposition, die zum Teil in Äthiopien selbst vertreten sind und die Macht von der EPRDF - auch mit militärischen Mitteln - übernehmen wollen. Mitglieder solcher Organisationen, wie etwa der AAPO oder der EPRP werden, wie oben im Einzelnen ausgeführt, nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit verfolgt. Nichts anderes kann vor dem Hintergrund dieser Ausführungen, auf die zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen Bezug genommen wird, für eine Betätigung innerhalb der äthiopischen Gemeinde gelten. All diese oben im Einzelnen wiedergegebenen Erwägungen sprechen nicht für ein besonderes Interesse des äthiopischen Staates an der Beobachtung oder gar Verfolgung von Mitgliedern und Sympathisanten solcher äthiopischen Gemeinden und Kulturtreffs. Keinesfalls ist ihre Verfolgung gar wahrscheinlicher als die Verfolgung von Gruppen, die den Machtanspruch der EPRDF-Regierung auch durch eine eigene Opposition im Land selbst angreifen.

Für die äthiopische Gemeinde im Rhein-Main-Gebiet e. V., der der Kläger angehört, ist zudem festzustellen, dass sie sich offenbar auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit befindet. Nach den Angaben des Klägers im Rahmen seiner Vernehmung als Beteiligter im Termin vom 7. August 2001 (S. 5, 6 der Niederschrift) hat die äthiopische Gemeinde Rhein-Main-Gebiet e. V. bereits seit 1997, also seit mittlerweile ca. vier Jahren, nach außen keinerlei Aktivitäten mehr entfaltet. Damit besteht unabhängig von den vorstehend dargestellten Erwägungen keine Veranlassung für den äthiopischen Staat, diese Gruppierung systematisch zu beobachten oder gar ihre Angehörigen bei einer Rückkehr zu verfolgen. Die vom Kläger selbst aufgezeigte Entwicklung, nämlich zunächst die Durchführung mehrerer Veranstaltungen im Zeitraum von 1995 bis 1997 und nunmehr die Einstellung sämtlicher nach außen gerichteter Aktivitäten, belegt auch, dass die äthiopische Gemeinde Rhein-Main-Gebiet e. V. gerade nicht in der Lage ist, einen großen und weiten Kreis von Exiläthiopiern anzusprechen; wäre dies der Fall, hätte sie nicht sämtliche nach außen gerichtete Veranstaltungen seit vier Jahren eingestellt.

Der Kläger, der seit 1995 Mitglied des Organisationskomitees ist, gehörte auch zu keiner Zeit zu den herausgehobenen Personen der äthiopischen Gemeinde Rhein-Main-Gebiet e. V. Er ist und war weder Vorsitzender noch stellvertretender Vorsitzender, sondern lediglich Mitglied im Organisationskomitee. Auch bei Gründung der äthiopischen Gemeinde Rhein-Main-Gebiet e. V., der er seitdem angehören will, kam ihm bereits nach seinem eigenen Sachvortrag keine herausgehobene Rolle zu. All dies spricht dagegen, dass der äthiopische Staat den Kläger wegen seiner diesbezüglichen Aktivitäten verfolgen könnte. Die Tätigkeit des Klägers im Bereich der Organisation rechtfertigt es jedenfalls nicht, ihn zu den herausgehobenen Funktionären der äthiopischen Gemeinde oder gar der Exilopposition in der Bundesrepublik zu zählen.

Dies gilt auch unter Berücksichtigung der vom Kläger vorgetragenen Aktivitäten im Zusammenhang mit einer von der äthiopischen Gemeinde Rhein-Main-Gebiet e. V. mitorganisierten Veranstaltung am 17./18. Mai 1997. Auch hierdurch hat er sich weder als herausgehobener Funktionär dieser Organisation noch gar der gesamten Exilopposition in der Bundesrepublik gezeigt.

Nichts anderes gilt letztlich auch für seine Teilnahme und Mitwirkung an einer von der unabhängigen Zeitschrift RAI-J organisierten Veranstaltung am 15. August 1998. Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass derartige begrenzte Betätigungen, die den Kläger nicht zum Kreis der führenden Vertreter der Exilopposition in der Bundesrepublik Deutschland zählen lassen, weder vom äthiopischen Staat zur Kenntnis genommen noch gar mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit verfolgt werden.

Letztendlich führt auch eine Gesamtwürdigung des oben im Einzelnen dargestellten persönlichen und politischen Werdegangs des Klägers zusammengenommen nach Überzeugung des Senats nicht zu der Annahme, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatland Äthiopien derzeit und auf absehbare Zeit politisch relevante Verfolgungsmaßnahmen seitens der äthiopischen Staatsorgane mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Die politischen Aktivitäten des Klägers vor seiner Ausreise in die ehemalige Sowjetunion, nämlich seine Mitgliedschaft in der früheren Regierungspartei WPE von Präsident Mengistu und seine Stellung als Leutnant der äthiopischen Luftwaffe, weisen ihn als typischen Nutznießer und Mitläufer des früheren Mengistu-Regimes aus, ohne dass er sich aus der Masse der Unterstützer und Anhänger der früheren Mengistu-Regierung abhebt. Auch der vom Kläger in diesem Zusammenhang vorgebrachte politische Schulungsunterricht, der schon seinem eigenen Vortrag folgend lediglich für seine eigene Militäreinheit, eine kleine Gruppe von Soldaten erfolgte, hebt ihn insoweit in keiner Weise heraus. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des von ihm absolvierten Studiums in der Sowjetunion und der in diesem Zusammenhang von ihm vorgebrachten Aktivitäten. Hieraus folgt zwar ein weiteres Indiz, um ihn dem Kreis der Symphantisanten und Nutznießer des früheren Mengistu-Regimes zuzuordnen, mehr indes nicht. Auch die vom Kläger geschilderten Aktivitäten nach seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland, nämlich sein Eintreten für die EFSU, der er im Übrigen mittlerweile auch nicht mehr angehört und der weiteren diesbezüglichen Aktivitäten (Gründungsmitglied, Komitee für Öffentlichkeitsarbeit), seine Mitgliedschaft in der Exil-AAPO und seine kurzfristigen, mittlerweile längere Zeit zurückliegenden Aktivitäten innerhalb einer innerparteilichen Oppositionsgruppe der Exil-AAPO und seine Mitgliedschaft und seine Tätigkeit im Organisationskomitee der äthiopischen Gemeinde im Rhein-Main-Gebiet e. V. heben ihn nicht aus der Vielzahl der in der Bundesrepublik Deutschland lebenden und politisch aktiven Exil-Äthiopier besonders heraus, geschweige denn geben sie Anlass zu der Annahme, dass sich aus diesen Aktivitäten ein irgendwie geartetes Interesse äthiopischer Sicherheitsdienste an der Person des Klägers ableiten ließe. Dies gilt letztlich auch für die übrigen vom Kläger vorgetragenen politischen Aktivitäten, wie die Teilnahme an mehreren EPRP-Veranstaltungen sowie einer von der Zeitschrift RAI-J veranstalteten Konferenz bzw. der Mitwirkung im Rahmen der Organisation der selben. Alle diese vorgenannten Umstände heben den Kläger, wie bereits ausgeführt, nicht aus der Masse der in der Bundesrepublik Deutschland lebenden politisch aktiven Exil-Äthiopier heraus. Sie begründen keine Anhaltspunkte, die es nahelegen würden, dass in der Bundesrepublik Deutschland tätige äthiopische Sicherheitsdienste ein besonderes Interesse an den durchgängig untergeordneten politischen Aktivitäten des Klägers haben könnten. Erst recht liefern diese Umstände in ihrer Gesamtschau keine Indizien dafür, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Äthiopien mit politischen Verfolgungsmaßnahmen seitens der dortigen Regierung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu rechnen hätte.

III.

Dem Kläger steht ferner kein Anspruch auf die begehrte Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 4 AuslG i. V. m. Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK - vom 4. November 1950 (BGBl. II 1952 S. 686) zu. Nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand des Senats droht dem Kläger keine im Sinne der genannten Vorschrift hinreichend wahrscheinliche Gefahr, dass die Behörden in Äthiopien ihn mittels schwerer Eingriffe in elementare Rechtsgüter unmenschlich oder erniedrigend behandeln werden.

Nach § 53 Abs. 4 AuslG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung von Art. 3 EMRK, die der deutsche Gesetzgeber bereits mit Zustimmungsgesetz vom 7. August 1952 (BGBl. II, 685) in innerstaatliches deutsches Recht transformiert hat und die seitdem in der Bundesrepublik Deutschland im Range eines einfachen Bundesgesetzes gilt, ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (grundlegend: Urteil vom 17. Oktober 1995 - BVerwG 9 C 15.95 -, NVwZ 1996, 476; bestätigt durch Urteile vom 4. Juni 1996 - BVerwG 9 C 134.95 -, InfAuslR 1996, 289, vom 19. November 1996 - BVerwG 1 C 6.95 -, NVwZ 1997, 685, vom 8. April 1997 - BVerwG 1 C 12.94 -, NVwZ 1997, 1112, vom 11. November 1997 - BVerwG 9 C 13.96 -, DVBl. 1998, 282 und vom 25. November 1997 - BVerwG 9 C 58.96 -, DVBl. 1998, 284) geht auch der erkennende Senat davon aus, dass Art. 3 EMRK ebenso wie das Asylrecht nicht vor den allgemeinen Folgen von Naturkatastrophen, Bürgerkriegen und anderen bewaffneten Konflikten schützt, sondern dass eine Verantwortlichkeit des Vertragsstaates grundsätzlich nur für die Folgen unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung besteht. Dabei setzt der Begriff der Behandlung ein geplantes, vorsätzliches, auf eine bestimmte Person gerichtetes Handeln voraus. Diese Begrenzung des Schutzbereichs des Art. 3 EMRK ergibt sich, wie das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 17. Oktober 1995 - BVerwG 9 C 15.95 -, a. a. O., ausführlich dargelegt hat, aus der Entstehungsgeschichte sowie aus Sinn und Zweck der Europäischen Menschenrechtskonvention. In Fällen der Abschiebung ist ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK mithin nur dann in Betracht zu ziehen, wenn ernsthafte Gründe für die Annahme bestehen, dass der Abgeschobene im aufnehmenden Land einer von Art. 3 EMRK verbotenen Behandlung unterworfen wird, was bei allgemeinen Folgen von Naturkatastrophen, Bürgerkriegen, nachteiligen Auswirkungen eines unterentwickelten Gesundheitssystems und anderen bewaffneten Konflikten offensichtlich nicht zutrifft, sondern vielmehr grundsätzlich nur eine vom Staat ausgehende oder zumindest von ihm zu verantwortende Misshandlung eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK sein kann.

Auch im Hinblick auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - EGMR - vom 17. Dezember 1996 (Nr. 71/1995-577- 663 - Ahmed gegen Österreich - InfAuslR 1997, 279) ist mit dem Bundesverwaltungsgericht (vgl. Urteil vom 15. April 1997 - BVerwG 9 C 38.96 -, NVwZ 1997, 1127 - und vom 2. September 1997 - BVerwG 9 C 40.96 -, BVerwGE 105, 187) an dieser Auslegung von § 53 Abs. 4 AuslG festzuhalten. Danach ist auch weiterhin davon auszugehen, dass Abschiebungsschutz nach dieser Bestimmung nur gewährt werden kann, wenn der Kläger im Zielland der Abschiebung (hier Äthiopien) Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung durch den Staat oder einer staatsähnlichen Organisation unterworfen zu werden.

Überträgt man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall, wird deutlich, dass dem Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Äthiopien weder wegen seines persönlichen und politischen Verhaltens vor seiner Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland noch wegen seiner exilpolitischen Betätigungen eine im Sinne des § 53 Abs. 4 AuslG i. V. m. Art. 3 EMRK hinreichend wahrscheinliche Gefahr droht, in Äthiopien durch staatliche Organe oder durch Dritte, für die der Staat verantwortlich ist, mittels schwerer Eingriffe in elementare Rechtsgüter unmenschlich behandelt zu werden. Zur Begründung kann insoweit auf die obigen Ausführungen zu Art. 16 a GG und § 51 Abs. 1 AuslG verwiesen werden.

Der Kläger kann sich auch nicht auf Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG berufen.

Die Gewährung von Abschiebungsschutz nach dieser Vorschrift setzt grundsätzlich das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer lediglich auf allgemeine Gefahren im Sinne von § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG, die - wie beispielsweise die typischen Bürgerkriegsgefahren - nicht nur ihm persönlich, sondern zugleich der ganzen Bevölkerung oder einer Bevölkerungsgruppe drohen, wird Abschiebungsschutz ausschließlich durch eine generelle Regelung der obersten Ausländerbehörden nach § 54 AuslG gewährt. § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG erfasst allgemeine Gefahren im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 2 grundsätzlich auch dann nicht, wenn sie den einzelnen Ausländer konkret und in individualisierbarer Weise betreffen (BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1995 - BVerwG 9 C 15.95 - a. a. O.; Urteil vom 4. Juni 1996 - BVerwG 9 C 134.95 - a. a. O.).

Allerdings ist § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG verfassungskonform dahingehend auszulegen und anzuwenden, dass von der Abschiebung eines unter diese Bestimmung fallenden Ausländers nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG abzusehen ist, wenn das Verfassungsrecht dies gebietet (BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1996 - BVerwG 9 C 134.95 - a. a. O.). Ein solcher Fall ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gegeben, wenn die oberste Landesbehörde trotz einer extremen allgemeinen Gefahrenlage, die jeden einzelnen Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausliefern würde, von ihrer Ermessensermächtigung nach § 54 AuslG keinen Gebrauch gemacht hat, einen generellen Abschiebestopp zu verfügen. Zu diesen extremen Gefahren für Leib und Leben gehören auch Gefahren, die infolge völliger Unterversorgung der Bevölkerung mit dem elementaren Bedarf des täglichen Lebens entstehen, denn auch ein solcher extremer Mangel kann die Existenz der davon Betroffenen in lebensbedrohlicher Weise gefährden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25. September 1996 - A 16 S 2211/95 - VBlBW 1997, Teil 1, B6). Liegen die genannten Voraussetzungen vor, gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, dem einzelnen Ausländer unabhängig von einer Ermessensentscheidung nach §§ 53 Abs. 6 Satz 2, 54 AuslG Abschiebungsschutz zu gewähren. Dabei kommt es nicht darauf an, von wem die Gefahr ausgeht oder wodurch sie hervorgerufen wird.

Von einer individuellen, d. h. dem Kläger als Einzelperson drohenden Gefahr - wie dies in § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG im Regelfall verlangt wird - kann nicht ausgegangen werden. Der Kläger träfe im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland auf fraglos beschwerliche Lebensumstände, denen aber in gleichem Maße die Bevölkerung in Äthiopien allgemein ausgesetzt ist. Es sind im Falle des Klägers auch keine Anhaltspunkte vorgetragen oder erkennbar, die die Annahme rechtfertigen könnten, dass er auf Grund von persönlichen - etwa gesundheitlichen - Umständen stärker gefährdet wäre als die Vielzahl seiner in Äthiopien lebenden Landsleute.

Dem Kläger kann aber auch Abschiebungsschutz gemäß § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG in verfassungskonformer Auslegung wegen allgemeiner Gefahren im Sinne von § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG nicht gewährt werden. Der Senat geht unter Berücksichtigung der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisse davon aus, dass der Kläger auf Grund der allgemeinen Lage in Äthiopien bei einer Rückkehr nicht akut an Leib und Leben gefährdet wäre.

In den vergangenen Jahren wurde Äthiopien von schweren Ernteausfällen getroffen. Nach Ausbleiben der notwendigen Regenfälle ist es zu Beginn des Jahres 2000 zu einer Zuspitzung der Situation gekommen. Auch anhaltende Trockenheit hat dazu geführt, dass die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln nicht mehr in allen Landesteilen gesichert ist. Zu diesem Zeitpunkt waren ca. 8 Mio. Menschen im Südosten Äthiopiens durch eine schwere Hungersnot bedroht (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 3. April 2000). Auch zum jetzigen Zeitpunkt ist die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln in Äthiopien nicht in allen Landesteilen und zu jeder Zeit gesichert. Die Existenzbedingungen in Äthiopien, einem der ärmsten Länder der Welt, sind für große Teile, insbesondere der Landbevölkerung äußerst hart und bei Ernteausfällen potentiell lebensbedrohend. In diesen Fällen ist das Land auf die Unterstützung internationaler Hilfsorganisationen angewiesen. Die medizinische Versorgung ist nur in Addis Abeba zufriedenstellend. Außerhalb der Hauptstadt ist eine akzeptable medizinische Versorgung wenn überhaupt nur punktuell gewährleistet. Abgelegene Gebiete sind kaum oder überhaupt nicht medizinisch versorgt (Auswärtiges Amt, Lageberichte Äthiopien vom 10. Januar 2001 und vom 15. August 2001).

Trotz der von der äthiopischen Regierung unternommenen Versuche, durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze den wirtschaftlichen Aufbau des Landes voranzutreiben, ist es in Äthiopien nach wie vor schwierig, einen Arbeitsplatz zu finden. Besondere Bedeutung bei der Suche nach einem Arbeitsplatz hat auch heute noch die familiäre Einbettung; ohne verwandtschaftliche Beziehungen ist es nach wie vor äußerst schwierig, wenn nicht gar unmöglich, eine Beschäftigung zu finden, die ein auch nur annähernd ausreichendes Einkommen garantiert (amnesty international, Auskünfte vom 13. Januar 1996 an VG Würzburg, vom 14. Juni 1999 an VG Wiesbaden und vom 13. Februar 2001 an Hess. VGH). Rückkehrer aus dem Ausland, die über besondere Qualifikationen und Sprachkenntnisse verfügen und die sich im Ausland Ersparnisse schaffen konnten, haben im Hinblick auf die relativ starke Kaufkraft von Devisen eine bessere Möglichkeit der Existenzgründung (Auswärtiges Amt, Lageberichte Äthiopien vom 20. Mai 1999, 10. Januar 2001 und vom 15. August 2001). Allerdings spielen auch insoweit nach wie vor geschlechtsspezifische Besonderheiten eine Rolle; insbesondere haben es alleinstehende Frauen schwer, sich ohne familiären Rückhalt eine Existenzgrundlage zu schaffen (amnesty international, Auskunft vom 14. Juni 1999 an VG Wiesbaden). Hinzu kommt, dass infolge der Hungersnot im großen Maße eine Landflucht eingesetzt hat, was dazu führt, dass auch in Addis Abeba in zunehmendem Maße soziale Verelendung zu beobachten ist; die Anzahl der in Addis Abeba lebenden Straßenkinder hat sich in den vergangenen Jahren noch weiter erhöht (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 10. Januar 2001).

Der Senat hat in früheren Entscheidungen (vgl. zuletzt Urteil vom 11. Dezember 2000 - 9 UE 2200/98.A -) festgestellt, dass auf Grund der damaligen katastrophalen Versorgungslage junge alleinstehende Äthiopier, die als Jugendliche aus ihrem Heimatland geflohen sind, über kein eigenes Vermögen und über keinen familiären Rückhalt in Äthiopien mehr verfügen, bei einer Rückkehr in ihr Heimatland einer existenzbedrohenden Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt seien und daher den Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG in verfassungskonformer Auslegung beanspruchen könnten.

Zu diesem Personenkreis gehört der Kläger des vorliegenden Verfahrens ersichtlich nicht.

Er verfügt bei einer Rückkehr nach Äthiopien nämlich über aufnahmebereite Familienangehörige, die bereit und in der Lage sind, ihm nach einem langjährigen Aufenthalt im Ausland über die daraus resultierenden Startschwierigkeiten hinwegzuhelfen. Seinen Angaben im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 10. August 1992 zu Folge verfügt er in Äthiopien über engste Verwandte, nämlich seine Mutter sowie zwei Geschwister. Auch im Rahmen seiner Vernehmung durch den erkennenden Senat im Termin zur Beweisaufnahme hat er auf entsprechende Nachfrage durch das Gericht erklärt, dass seine Mutter, sein Bruder und seine Schwester in Äthiopien lebten. Er habe auch bis in das Jahr 1998 noch Kontakt zu ihnen gehabt und sie hätten zu diesem Zeitpunkt noch in seinem Heimatdorf gelebt. Angesichts dieser Tatsache wird es ihm bei einer Rückkehr in sein Heimatland möglich sein, wieder Kontakt zu seinen immerhin engsten Verwandten aufzunehmen und die erforderliche Hilfe zur elementaren Existenzsicherung jedenfalls für eine Übergangszeit von diesen zu erhalten. Im Übrigen ist auch nach der Überwindung entsprechender Anfangsschwierigkeiten, davon auszugehen, dass der Kläger, der über eine akademische Ausbildung verfügt und bei dem keinerlei Leistungseinschränkungen festzustellen sind, in der Lage sein wird, seine Existenz auf Grund eigener Erwerbstätigkeit zu sichern.

Damit ist die Schwelle einer konkreten, lebensbedrohlichen Existenzgefährdung jedenfalls nicht erreicht.

IV.

Die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sind rechtmäßig (§ 34 Abs. 1 AsylVfG i. V. m. § 50 AuslG). Die damit verbundene Ausreisefrist von einem Monat entspricht der gesetzlichen Regelung gemäß § 37 Abs. 1 AsylVfG.

V.

Da der Kläger mit seiner Klage in vollem Umfang unterlegen ist, hat er gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus §§ 167 VwGO i. V. m. 708 Nr. 11, 711 ZPO entsprechend.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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