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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 19.02.2003
Aktenzeichen: 9 UE 1731/98.A
Rechtsgebiete: AuslG


Vorschriften:

AuslG § 53 Abs. 6
1. Im Rahmen der Prüfung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 6 AuslG ist das Gericht unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Asylbewerbers auf das Land beschränkt, das in der Abschiebungsandrohung als Zielstaat einer möglichen Abschiebung bezeichnet ist.

2. Zu den Voraussetzungen, unter denen bei Personen mit mindestens einem aus dem Staatsgebiet des seit dem 24. Mai 1993 selbstständigen Staates Eritrea stammenden Elternteil der Erwerb der eritreischen und Verlust der äthiopischen Staatsangehörigkeit angenommen werden kann (Präzisierung der Rechtsprechung des Senats in seinen Urteilen vom 26. April 2002 - 9 UE 1508/99.A - und - 9 UE 915/98.A -).


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes Urteil

9 UE 1731/98.A

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Asylrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 9. Senat - durch Richter am VG Kassel Seggelke (abgeordneter Richter) als Berichterstatter auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 19. Februar 2003 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Beklagte wird zu der Feststellung verpflichtet, dass bei dem Kläger Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 6 AuslG hinsichtlich Äthiopien vorliegen.

Insoweit wird die Berufung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 20. Dezember 1996 (Az.: 5 E 40944/94.A[3]) zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am 2. Februar 1970 in Guredabo in der äthiopischen Provinz Gojjam geborene Kläger reiste am 23. Mai 1993 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 2. Juni 1993 seine Anerkennung als Asylberechtigter.

Am 3. Juni 1993 wurde der Kläger beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge im Rahmen der Vorprüfung zu seinen Asylgründen angehört. Dabei führte er im Wesentlichen aus, er habe sein Heimatland verlassen, weil er von der Regierung verfolgt worden sei. Er sei Mitglied der Partei der Oromos OLF gewesen und habe sich auch aktiv für diese Partei eingesetzt. Unter anderem habe er im Zusammenhang damit sogar einen anderen Menschen erschossen. Man habe ihn am 4. September 1992 festgenommen und anschließend für acht Monate inhaftiert. Darauf hin habe er mit Hilfe seiner Eltern, die schon alles organisiert gehabt hätten, Äthiopien auf dem Luftweg verlassen.

Mit Bescheid vom 22. Juni 1993 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass offensichtlich weder die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG, noch Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen. Darüber hinaus wurde der Kläger aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb eines Monats nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen und ihm für den Fall der Nichteinhaltung der Ausreisefrist die Abschiebung nach Äthiopien oder in einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht. Auf die Begründung dieses Bescheids wird Bezug genommen (vgl. Blatt 25 ff. der Bundesamtsakte).

Gegen den ihm am 3. Juli 1993 zugestellten Ablehnungsbescheid hat der Kläger am 9. Juli 1993 Klage erhoben und zugleich um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Zur Begründung wiederholte und vertiefte er im wesentlichen sein Vorbringen im Rahmen der Vorprüfungsanhörung und machte geltend, die Entscheidung des Bundesamtes sei offensichtlich rechtswidrig.

Mit Beschluss vom 30. September 1993 ordnete das Verwaltungsgericht Darmstadt die aufschiebende Wirkung der gegen den Ablehnungsbescheid erhobenen Klage an. Auf die Begründung dieses Beschlusses wird Bezug genommen (Az: 2 G 10693/93.A <3>).

Im Klageverfahren beantragte der Kläger,

die Beklagte unter vollumfänglicher Aufhebung ihres Bescheides vom 22. Juni 1993 zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten gemäß Art. 16a GG anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG sowie Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen.

Die Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Mit Gerichtsbescheid vom 20. Dezember 1996 verpflichtete das Verwaltungsgericht Wiesbaden die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 22. Juni 1993, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass für ihn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (im Tenor irrtümlich: AsylVfG) vorliegen. Zur Begründung heißt es im Wesentlichen, das Auswärtige Amt habe dem Verwaltungsgericht nicht alle Erkenntnisse und Informationen über die politischen Verhältnisse in Äthiopien, insbesondere über eine mögliche Gefahr für Mitglieder der oppositionellen AAPO mitgeteilt. Da nur solche Umstände ernsthaft verschweigenswürdig seien, die asylerheblich seien, würdige das Gericht das Verschweigen maßgeblicher, wenn nicht nahezu aller Informationen über die politische Lage der einzigen als Partei zugelassenen und zugleich größten oppositionellen Organisation in Äthiopien durch das Auswärtige Amt im Ergebnis dahingehend, dass jeder Äthiopier, der als möglicherweise oppositionell eingestellt oder tätig angesehen werde, ernsthaft und unmittelbar mit Verfolgung zu rechnen habe. Deswegen genüge schon die Asylantragstellung in der Bundesrepublik Deutschland, um - anknüpfend an die Verweigerung aussagekräftiger und fundierter Berichte des Auswärtigen Amtes - das Vorliegen von politischer Verfolgung festzustellen.

Mit Schriftsatz vom 23. Januar 1997 stellte der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten den Antrag, die Berufung zuzulassen. Diesem Antrag entsprach der 3. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs mit Beschluss vom 27. März 1998, weil das angefochtene Urteil im Hinblick auf die Verfolgungsgefährdung wegen Asylantragstellung in relevanter Weise nachträglich von der Entscheidung des Senats vom 18. Dezember 1997 - 3 UE 3402/97.A - abweiche.

Im Berufungsverfahren führt der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten aus, die Begründetheit des Rechtsmittels ergebe sich bereits aus der im Zulassungsbeschluss dargestellten Divergenz der angefochtenen Entscheidung von der Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs.

Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 20. Dezember 1996 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger hat schriftsätzlich zunächst beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 19. Februar 2003 hat der Kläger nach eingehender Erörterung der Sach- und Rechtslage die Klage zurückgenommen, soweit diese auf die Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 GG, die Gewährung von Abschiebungsschutz nach §§ 51 Abs. 1, 53 Abs. 1 bis 4 AuslG und die Aufhebung der Abschiebungsandrohung gerichtet war. Diesbezüglich wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Mit in der mündlichen Verhandlung verkündetem Beschluss hat der Senat darauf hin denjenigen Verfahrensteil, hinsichtlich dessen die Klage zurückgenommen wurde, zur gesonderten Entscheidung abgetrennt. Dieser wird seitdem unter dem Aktenzeichen 9 UE 471/03.A fortgeführt.

Der Kläger beantragt nunmehr,

die Berufung zurückzuweisen, soweit die Klage nicht zurückgenommen wurde und die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass hinsichtlich des Klägers Abschiebungshindernisse gemäß § 53 Abs. 6 AuslG bezüglich Äthiopien vorliegen.

Im Berufungsverfahren macht der Kläger geltend, er sei väterlicherseits oromischer und mütterlicherseits eritreischer Abstammung. Seine Mutter H. Z. sei in der auf dem Staatsgebiet des jetzigen Eritrea liegenden Ortschaft Adi Felesti geboren worden. Seine Eltern hätten in Addis Abeba geheiratet und seien dann zusammen in die Provinz Gojjam in seinen Geburtsort Guredabo gegangen. Sein Vater sei schon vor langer Zeit verstorben. Soweit ihm bekannt sei, seien seine Mutter und drei seiner Geschwister mit der "ersten Welle" der Abschiebungen nach Eritrea gebracht worden. Weitere Geschwister von ihm seien nach Südafrika bzw. über Kenia nach Kanada geflüchtet. Er - der Kläger - habe auch in Deutschland die OLF unterstützt und Mitglied der diese Partei hier repräsentierenden Organisation UOSE werden wollen. Er habe mehrfach mit einem Funktionär dieser Gruppe gesprochen, der ihm letztlich jedoch erklärt habe, er könne aufgrund seiner teilweise eritreischen Abstammung nicht Mitglied dieser Organisation werden. Trotz seiner Abstammung mütterlicherseits könne allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass er nunmehr unter Verlust der äthiopischen die eritreische Staatsangehörigkeit erworben habe. Gleichwohl müsse er gewärtigen, in Äthiopien als eritreischer Staatsangehöriger betrachtet und schlicht ausgebürgert oder ausgesperrt zu werden. Als eritreisch-oromischer Mischling habe er weder in Eritrea noch in Äthiopien die Möglichkeit, sich eine Existenzgrundlage zu schaffen und dort zu überleben. Dass er als eritreisch-stämmige Person in Äthiopien keinerlei Unterstützung finden könne, liege auf der Hand.

Die Beklagte stellt im Berufungsverfahren keinen Antrag.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 19. Februar 2003 hat der Berichterstatter des Senats durch Vernehmung des Klägers als Beteiligten Beweis erhoben. Im Hinblick auf das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.

Die Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (1 Hefter) betreffend den Kläger sind beigezogen und ebenso zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden, wie den Beteiligten gemeinsam mit der Ladungsverfügung bzw. terminsvorbereitend und in der mündlichen Verhandlung bekannt gegebenen Auskünfte und sonstigen Erkenntnisquellen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Gemäß §§ 125 Abs. 1, 87a Abs. 2 und Abs. 3 VwGO entscheidet im Einverständnis der Beteiligten der Berichterstatter anstelle des Senats.

Die zugelassene Berufung ist auch ansonsten zulässig; sie ist insbesondere in einer den Anforderungen des - auch in Asylstreitverfahren geltenden - § 124a Abs. 3 VwGO noch genügenden Weise begründet worden. Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten hat nach Zustellung des Zulassungsbeschlusses vom 27. März 1998 am 5. Mai 1998 mit Schriftsatz vom 20. Mai 1998 einen bestimmten Berufungsantrag gestellt und wegen der Begründung auf die Ausführungen im Zulassungsbeschluss Bezug genommen. Darin liegt eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung. Sie genügt den Anforderungen des § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO, da der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten mit der zulässigen Bezugnahme auf den Zulassungsbeschluss hinreichend deutlich dargelegt hat, warum das verwaltungsgerichtliche Urteil aus seiner Sicht keinen Bestand haben kann (vgl. zu den inhaltlichen Anforderungen an die Berufungsbegründung BVerwG, Urteil vom 30. Juli 1998 - BVerwG 9 C 6.08 -, BVerwGE 107, 117 = NVwZ 1998, S. 1311).

Soweit der angefochtene Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts mit Blick auf die teilweise Rücknahme der Klage und den Trennungsbeschluss des Senats vom 19. Februar 2003 im vorliegenden Rechtsmittelverfahren einer gerichtlichen Überprüfung unterliegt, erweist sich die Berufung jedoch als unbegründet.

Ziffer 3 des angefochtenen Bescheids des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 22. Juni 1993 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger kann sich in dem nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsentscheidung darauf berufen, dass in seiner Person Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 6 AuslG vorliegen, die seiner Abschiebung nach Äthiopien entgegenstehen. Aus diesem Grund hat die Berufung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten, soweit sie sich gegen die Aufhebung des angefochtenen Ablehnungsbescheids durch das Verwaltungsgericht - auch - in Ziffer 3 richtet, in der Sache keinen Erfolg.

Gemäß § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.

Die Gewährung von Abschiebungsschutz nach vorgenannter Regelung setzt grundsätzlich das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer lediglich auf allgemeine Gefahren im Sinne von § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG, die - wie beispielsweise die typischen Bürgerkriegsgefahren - nicht nur ihm persönlich, sondern zugleich der ganzen Bevölkerung oder einer Bevölkerungsgruppe drohen, wird Abschiebungsschutz ausschließlich durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 54 AuslG gewährt. § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG erfasst allgemeine Gefahren im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG grundsätzlich auch dann nicht, wenn sie den einzelnen Ausländer konkret und in individualisierbarer Weise betreffen (BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1995 - 9 C 15.95 -, NVwZ 1996, S. 476; Urteil vom 4. Juni 1996 - 9 C 134.95 -, InfAuslR 1996, S.289).

Allerdings ist § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG verfassungskonform dahin auszulegen und anzuwenden, dass von der Abschiebung eines unter diese Bestimmung fallenden Ausländers nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG abzusehen ist, wenn das Verfassungsrecht dies gebietet (BVerwG, Urteil vom 18. April 1996 - 9 C 77.95 -, InfAuslR 1996, S. 289, Urteil vom 12. Juli 2001 - 1 C 2/01 -, DVBl. 2001, S. 1531). Ein solcher Fall ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gegeben, wenn die oberste Landesbehörde trotz einer extremen allgemeinen Gefahrenlage, die jeden einzelnen Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausliefern würde, von ihrer Ermessensermächtigung nach § 54 AuslG keinen Gebrauch gemacht hat, einen generellen Abschiebestopp zu verfügen. Zu diesen extremen Gefahren für Leib und Leben gehören auch Gefahren, die infolge völliger Unterversorgung der Bevölkerung mit dem elementaren Bedarf des täglichen Lebens entstehen, denn auch ein solcher extremer Mangel kann die Existenz der davon Betroffenen in lebensbedrohlicher Weise gefährden (so auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25. September 1996 - A 16 S 2211/ 95 -, VBlBW 1997, Teil 1 B6). Liegen die genannten Voraussetzungen vor, gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, dem einzelnen Ausländer unabhängig von einer Ermessensentscheidung nach §§ 53 Abs. 6 Satz 2, 54 AuslG Abschiebungsschutz zu gewähren. Dabei kommt es nicht darauf an, von wem die Gefahr ausgeht oder wodurch sie hervorgerufen wird.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze beschränkt sich die vom Senat vorliegend im Rahmen des § 53 Abs. 6 AuslG vorzunehmende Prüfung in territorialer Hinsicht von vornherein auf Äthiopien als denjenigen Staat, der in der unter Ziffer 4 des Bescheids des Bundesamtes vom 22. Juni 1993 enthaltenen Abschiebungsandrohung als Zielland einer möglichen Abschiebung des Klägers bezeichnet ist. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob der Kläger möglicherweise mit Entstehung des eritreischen Staates dessen Staatsangehörigkeit erworben und/oder zwischenzeitlich die äthiopische Staatsangehörigkeit verloren hat. Die vom Kläger angegriffene negative Feststellung des Bundesamtes zu § 53 Abs. 6 AuslG in Ziffer 3 des vorgenannten Bescheids bezieht sich allein auf Äthiopien als das konkret bezeichnete Abschiebezielland. Damit geht eine entsprechende Beschränkung des Prüfungsumfangs im verwaltungsgerichtlichen Verfahren einher (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 2. Juni 1998 - 4 Bv 297/98.A -, Juris, m. w. N.). Zu einer Erstreckung der gerichtlichen Prüfung auf weitere, als Zielland einer Abschiebung möglicherweise ebenfalls in Betracht kommende Staaten nötigt auch nicht der Umstand, dass nach § 50 Abs. 2 AuslG in der Abschiebungsandrohung nicht nur der Zielstaat der Abschiebung bezeichnet, sondern der Ausländer - wie vorliegend geschehen - zudem darauf hingewiesen werden soll, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Dieser gesetzlich vorgesehene Hinweis in der Abschiebungsandrohung begründet weder eine Verpflichtung des Bundesamtes noch eine solche des angerufenen Gerichts, für eine - gegebenenfalls große Zahl - von Staaten, die neben dem in der Verfügung ausdrücklich genannten Zielstaat möglicherweise auch als Aufnahmeland für den vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer in Betracht kommen könnten, gewissermaßen prophylaktisch festzustellen, ob in Bezug auf jeden dieser Staaten gegebenenfalls Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 6 AuslG vorliegen könnten (vgl. OVG Hamburg, a. a. O.; VGH Mannheim, Urteil vom 30. Juli 1997 - 11 S 2807/96 -, InfAuslR 1998, S. 18 f.; OVG Koblenz, Beschluss vom 6. Februar 1998 - 11 A 10716/97 -, ZAR 1998, S. 135). Der Hinweis in § 50 Abs. 2 2. Halbsatz AuslG hat lediglich deklaratorischen Charakter und lässt eine Abschiebung in einen anderen als den genannten Zielstaat nicht zu (vgl. OVG Hamburg, VGH Mannheim und OVG Koblenz jeweils a. a. O.). Ob die Abschiebungsbehörde für den Fall, dass sie den vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer in einen anderen als den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Zielstaat abschieben will, diese Androhung abändern bzw. ergänzen oder aber vor Vollzug eine Abschiebungsanordnung erlassen muss, um dem Ausländer dadurch effektiven Rechtsschutz auch in Bezug auf den neuen Zielstaat zu ermöglichen (so OVG Koblenz, a. a. O.), bedarf im vorliegenden Zusammenhang keiner weiteren Erörterung.

Was die danach allein in die Betrachtung einzubeziehenden wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen in Äthiopien anbetrifft, verfügt der Senat aufgrund der vorliegenden Auskünfte, Stellungnahmen und sonstigen Quellen über die folgenden Erkenntnisse:

Schon in den vergangenen Jahren wurde Äthiopien von schweren Ernteausfällen getroffen. Nach Ausbleiben der notwendigen Regenfälle kam es zu Beginn des Jahres 2000 zu einer Zuspitzung der Situation. Auch anhaltende Trockenheit hatte seinerzeit dazu geführt, dass die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln nicht mehr in allen Landesteilen gesichert war. Zu diesem Zeitpunkt waren ca. 8 Mio. Menschen im Südosten Äthiopiens durch eine schwere Hungersnot bedroht (Auswärtiges Amt, Lagebericht Äthiopien vom 3. April 2000). Auch zum jetzigen Zeitpunkt ist die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln in Äthiopien nicht in allen Landesteilen und zu jeder Zeit gesichert. Die Existenzbedingungen in Äthiopien, einem der ärmsten Länder der Welt, sind für große Teile, insbesondere der Landbevölkerung äußerst hart und bei Ernteausfällen potentiell lebensbedrohend. In diesen Fällen ist das Land auf die Unterstützung internationaler Hilfsorganisationen angewiesen (Auswärtiges Amt, Lagebericht Äthiopien vom 15. Januar 2003). Dass sich an dieser Situation in jüngster Zeit etwas geändert haben könnte, ist nicht anzunehmen. Bereits in Presseberichten aus dem Sommer 2002 wird vielmehr darauf hingewiesen, dass Äthiopien aufgrund von Ernteausfällen erneut eine große Hungersnot droht, von der potentiell 4 Mio. Menschen unmittelbar bedroht sind. Der Grund für die drohende Katastrophe mit Schwerpunkt in der Afar-Region im Norden Äthiopiens ist wiederum in Ernteausfällen zu sehen, die ihre Ursache im völligen Ausbleiben des saisonbedingten Regens in den vergangenen zwei Jahren nach zehn Jahren mit ausgeprägten Dürrezeiten haben (vgl. Deutsche Presseagentur, Meldung vom 3. Juli 2002; Die Tageszeitung, Ausgabe vom 3. August 2002). In erstgenannter Meldung ist zudem die Rede davon, internationale Geber seien nach Auffassung äthiopischer Stellen den Appellen für Nahrungsmittelhilfe in diesem Jahr nicht ausreichend nachgekommen. Nur knapp die Hälfte der erbetenen rund 557.000 Tonnen seien bislang eingetroffen. Aktuellen Pressemitteilungen zufolge hat sich die Situation inzwischen weiter zugespitzt. So hat sich der äthiopische Premierminister Meles nochmals über den britischen Sender BBC an die Weltöffentlichkeit gewandt und vor einer sich anbahnenden Hungerkatastrophe mit den Worten gewarnt, wenn die Hungersnot von 1984 ein Alptraum gewesen sei, so sei das Kommende ein "Horror". Anfang 2003 könnten 15 Mio. Äthiopier von Hungersnot betroffen sein und damit ein Viertel der Gesamtbevölkerung, falls die internationale Gemeinschaft nicht helfe. Dieser Einschätzung stimmen humanitäre Verbände zu. Zwar bringe das UN-Welternährungsprogramm US-Getreide über den Hafen von Dschibuti nach Äthiopien. Die Hilfe sickere jedoch nur wie ein Tropf ein. Im Hafen von Dschibuti dauere es mindestens 10 Tage, bis beispielsweise das Schiff "Liberty Glory" mit 42.000 t Getreide entladen sei. Wagdi Othmann vom Welternährungsprogramm in Dschibuti bezifferte die Nothilfe, die Äthiopien in den ersten Monaten des Jahres 2003 brauche, auf 1,5 bis 2 Mio. Tonnen. Doch angesichts der Aufmerksamkeit, die die Dürreopfer im südlichen Afrika und in Westafrika auf sich zögen, zeigten große Geberländer eine gewisse Spendenmüdigkeit (vgl. dazu im Einzelnen: Frankfurter Rundschau, Ausgabe vom 13. November 2002).

Was die medizinische Versorgung in Äthiopien anbetrifft, so ist diese nur in der Hauptstadt Addis Abeba zufriedenstellend. Außerhalb der Hauptstadt ist eine akzeptable medizinische Versorgung, wenn überhaupt, nur punktuell gewährleistet. Abgelegene Gebiete sind kaum oder überhaupt nicht medizinisch versorgt (Auswärtiges Amt, Lageberichte Äthiopien vom 10. Januar 2001, vom 15. August 2001 und vom 20. Januar 2002).

Trotz der von der äthiopischen Regierung unternommenen Versuche, durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze den wirtschaftlichen Aufbau des Landes voranzutreiben, ist es in Äthiopien nach wie vor schwierig, einen Arbeitsplatz zu finden. Besondere Bedeutung bei der Suche nach einem Arbeitsplatz hat auch heute noch die familiäre Einbettung; ohne verwandtschaftliche Beziehungen ist es nach wie vor äußerst schwierig, wenn nicht gar unmöglich, eine Beschäftigung zu finden, die ein auch nur annähernd ausreichendes Einkommen garantiert (amnesty international, Auskünfte vom 13. Januar 1996 an VG Würzburg, vom 14. Juni 1999 an VG Wiesbaden und vom 13. Februar 2001 an Hess. VGH). Rückkehrer aus dem Ausland, die über besondere Qualifikationen und Sprachkenntnisse verfügen und die sich im Ausland Ersparnisse schaffen konnten, haben im Hinblick auf die relativ starke Kaufkraft von Devisen eine bessere Möglichkeit der Existenzgründung (Auswärtiges Amt, Lageberichte Äthiopien vom 20. Mai 1999, vom 10. Januar 2001, vom 15. August 2001 und vom 20. Februar 2002). Allerdings spielen auch insoweit nach wie vor geschlechtsspezifische Besonderheiten eine Rolle; insbesondere haben es alleinstehende Frauen schwer, sich ohne familiären Rückhalt eine Existenzgrundlage zu schaffen (amnesty international, Auskunft vom 14. Juni 1999 an VG Wiesbaden). Hinzu kommt, dass infolge der Hungersnot im großen Maße eine Landflucht eingesetzt hat, die sich aufgrund der aktuell drohenden Hungerskatastrophe beschleunigt (vgl. die genannten Pressemitteilungen ). Dieser Umstand führt auch in Addis Abeba in zunehmendem Maße zu sozialer Verelendung; die Anzahl der in Addis Abeba lebenden Straßenkinder hat sich in den vergangenen Jahren noch weiter erhöht (Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 10. Januar 2001 und vom 20. Februar 2002). Im Übrigen gibt es keine Organisationen, die zurückkehrenden ehemaligen Asylbewerbern aus Europa Wiedereingliederungshilfe leisten. Daraus schließt amnesty international, dass Rückkehrern nach Äthiopien ohne familiäre Unterstützung und finanzielle Mittel im Allgemeinen ein Leben nur unter dem Existenzminimum möglich sein wird (amnesty international an Hess. VGH vom 13. Februar 2001).

Unter Berücksichtigung dessen kann vorliegend von einer individuellen, d.h. dem Kläger als Einzelperson drohenden Gefahr - wie dies in § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG im Regelfall verlangt wird - nicht ausgegangen werden. Der Kläger träfe im Falle seiner Rückkehr in sein Heimatland auf fraglos äußerst beschwerliche Lebensumstände, denen aber in gleichem Maße die Bevölkerung in Äthiopien allgemein ausgesetzt ist. Es sind im Falle des Klägers auch keine Anhaltspunkte vorgetragen oder sonst erkennbar, die die Annahme rechtfertigen könnten, dass er aufgrund von persönlichen - etwa gesundheitlichen - Umständen in besonderem Maße stärker gefährdet wäre als die Vielzahl seiner in Äthiopien lebenden Landsleute.

Der Kläger hat indes Anspruch auf Abschiebungsschutz gemäß § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG in verfassungskonformer Auslegung wegen allgemeiner Gefahren im Sinne von § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG. Unter Berücksichtigung der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisse steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger aufgrund der allgemeinen Lage in Äthiopien akut an Leib und Leben gefährdet wäre.

Der Senat hat in früheren Entscheidungen (vgl. Urteil vom 11. Dezember 2000 - 9 UE 2200/98.A -) festgestellt, dass aufgrund der damaligen katastrophalen Versorgungslage junge alleinstehende Äthiopier, die als Jugendliche aus ihrem Heimatland geflohen sind, über kein eigenes Vermögen und über keinen familiären Rückhalt in Äthiopien mehr verfügen, bei einer Rückkehr in ihr Heimatland einer existenzbedrohenden Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt seien und daher den Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG in verfassungskonformer Auslegung beanspruchen könnten.

Die persönliche Situation, in der sich der Kläger befindet, ist dieser Fallkonstellation mit Blick auf die sich derzeit anbahnende Hungerkatastrophe erheblichen Ausmaßes und die dargestellte erneute Zuspitzung der seit jeher katastrophalen Versorgungslage in Äthiopien in jüngster Zeit vergleichbar.

Der Kläger verließ sein Heimatland Äthiopien bereits Mitte des Jahres 1993. Der Senat ist aufgrund der glaubhaften Angaben des Klägers während seiner Vernehmung als Beteiligter durch den Berichterstatter zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger bereits seit Jahren über keinerlei Kontakte nach Äthiopien mehr verfügt und dass in diesem Land weder Verwandte noch ansonsten ihm nahestehende Personen leben, von denen er für den Fall seiner Rückkehr dorthin eine erste Hilfestellung zur Sicherung seines Existenzminimums zu erwarten hätte. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, sein ehemals in Addis Abeba lebender Vater sei bereits im Jahr 1995 verstorben. Seine Mutter eritreischer Abstammung sei im Zuge der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Eritrea und Äthiopien im Jahr 1998 mit drei seiner Schwestern zunächst nach Eritrea deportiert worden. Zwischenzeitlich hielten sich diese Verwandten - wie er von seinen als Flüchtlinge in Südafrika lebenden Brüdern erfahren habe - offenbar in der Ortschaft Kessela im Sudan. Eine weitere Schwester von ihm sei zunächst nach Kenia gegangen und lebe inzwischen in Kanada. Das Fehlen familiärer Bande in Äthiopien würde sich für den Kläger um so schwerer auswirken, als er seinen Lebensmittelpunkt bereits seit mehr als neun Jahren außerhalb Äthiopiens verlegt und sich insofern immer weiter von den dortigen Lebensbedingungen, Sitten und Gebräuchen entfernt hat, was einen neuen Start ohne jede Hilfe zusätzlich erschweren würde. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger vor seiner Ausreise oder aber während seines Aufenthalts in Deutschland besondere berufliche Qualifikationen erworben hat, auf die er in Äthiopien unmittelbar existenzsichernd zurückgreifen könnte. Der Kläger hat in seinem Heimatland nach Abschluss der Schule eine Berufsausbildung nicht absolviert und nur Hilfstätigkeiten verrichtet. Nach seiner Einreise nach Deutschland lebte der Kläger bis zum Jahr 1997 zunächst von Sozialhilfe und war dann als Hilfsarbeiter bei einer Reinigungsfirma 14 Stunden pro Woche teilzeitbeschäftigt. Seit dem 1. Juli 1999 arbeitet der Kläger als Hilfskraft in einem Großhandel für Obst und Gemüse. Dass es dem Kläger im Rahmen seines Aufenthalts gelungen wäre, Rücklagen zu bilden oder sonstiges Vermögen zu erwirtschaften, das er mit Blick auf die hohe Kaufkraft von Devisen in seinem Heimatland dort zur Sicherung seines Lebensunterhalts einsetzen könnte, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang nachvollziehbar und glaubhaft dargelegt, sein aktuelles Einkommen belaufe sich derzeit - d.h. seit Aufnahme seiner Vollzeittätigkeit - auf 950,-- € netto pro Monat. Davon bestreite er seinen gesamten Lebensunterhalt. Das Anlegen von Ersparnissen sei ihm nicht möglich gewesen. Vielmehr müsse er jeden Monat den ihm bei der Bank eingeräumten Überziehungskredit in Anspruch nehmen und habe bei Freunden Schulden in Höhe von insgesamt 3.500,-- € gemacht. Dieses Geld habe er sich nach und nach geliehen, um seine nach Südafrika geflüchteten Brüder, denen es schlechter gehe als ihm, wenigstens geringfügig finanziell unterstützen zu können. Diese Angaben erscheinen nachvollziehbar, wenn man berücksichtigt, dass der Kläger für die von ihm bewohnte Wohnung, die er seit dem Auszug eines Mitbewohners vor kurzer Zeit allein bewohnt, Miete in Höhe von 460,-- € zu entrichten hat und sich die Kosten für die von ihm für die Fahrten zu seiner Arbeitsstätte benötigte Fahrkarte auf monatlich 92,-- € belaufen. Schließlich kann im Hinblick auf etwaige internationale Hilfeleistungen der Gebergemeinschaft in Äthiopien im Fall des Klägers nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass er hiervon auch profitieren könnte. Denn mit Blick auf die Verteilung von Hilfsgütern für notleidende Äthiopier durch staatliche Stellen dürfte dem Kläger zum Nachteil gereichen, dass er aufgrund der eritreischen Abstammung seiner Mutter dort nicht zu dem Personenkreis gehört, der unter den gegenwärtigen innenpolitischen Verhältnissen als wohlgelitten angesehen werden kann. Damit ist die Schwelle einer konkreten Existenzgefährdung erreicht.

Ob und inwieweit die gegenwärtige Versorgungslage in Eritrea mit derjenigen in Äthiopien vergleichbar erscheint, wofür nach dem Erkenntnisstand des Gerichts einiges spricht, bedarf angesichts des - wie einleitend dargestellt - beschränkten Prüfungsumfangs des Gerichts im Rahmen der Prüfung von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 6 AuslG aus Anlass des vorliegenden Falles keiner näheren Erörterung. Mit Blick auf die sich für die Beklagte ausgehend von den verwandtschaftlichen Beziehungen des Klägers mütterlicherseits möglicherweise gleichwohl stellende Frage nach einer Abänderung oder Ergänzung der in der Abschiebungsandrohung vom 22. Juni 1993 enthaltenen Zielstaatbestimmung und um etwaigen Missverständnissen vorzubeugen, die sich in Fallkonstellationen wie der vorliegenden aus der Formulierung des Leitsatzes der Grundsatzentscheidungen des Senats vom 26. April 2002 - 9 UE 1508/99.A - und - 9 UE 915/98.A - ergeben könnten, sieht sich das Gericht allerdings noch zu dem weiteren Hinweis veranlasst, dass der Kläger nach wie vor allein äthiopischer Staatsangehöriger ist.

Hierfür sind folgende Überlegungen maßgeblich:

Der Heimatstaat eines Asylbewerbers ist grundsätzlich nach dem jeweiligen Staatsangehörigkeitsrecht der infrage kommenden Staaten zu bestimmen, da Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit im allgemeinen durch innerstaatliche Rechtsvorschriften geregelt werden. In Betracht kommen hier Äthiopien und Eritrea, das mit Proklamation vom 24. Mai 1993 zur selbständigen Republik wurde.

Mit seiner Geburt in der Ortschaft Guredabo, die in der Provinz Gojjam auf äthiopischem Staatsgebiet liegt, hat der Kläger die äthiopische Staatsangehörigkeit erworben, da nach Art. 1 des Äthiopischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 22. Juli 1930, das auch bis zum heutigen Zeitpunkt in Äthiopien noch gilt (vgl. Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, 6. Aufl., Berlin 2002 "Äthiopien" S. 1 ff), "äthiopischer Untertan" und damit äthiopischer Staatsangehöriger ist, "wer als Kind eines äthiopischen Mannes oder einer äthiopischen Frau in Äthiopien oder außerhalb geboren ist". Nach dieser - mit der den Staatsangehörigkeitserwerb regelnden Vorschrift des Art. 6 der äthiopischen Verfassung korrespondierenden - Bestimmung erwerben Kinder äthiopischer Staatsangehöriger mithin mit ihrer Geburt die äthiopische Staatsangehörigkeit, wobei bei der Vermittlung der Staatsangehörigkeit durch die Eltern die ethnische Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe keine Rolle spielt (vgl. UNHCR, Stellungnahme vom 1. August 1999). Anhaltspunkte dafür, dass die Eltern des Klägers zum Zeitpunkt seiner Geburt nicht äthiopische Staatsangehörige waren, bestehen nicht.

Der Kläger hat aufgrund der Entstehung des neuen, selbständigen Staates Eritrea trotz seiner Abstammung mütterlicherseits die eritreische Staatsangehörigkeit nicht zusätzlich erhalten.

Die Voraussetzungen für den Erwerb der eritreischen Staatsangehörigkeit sind in der für den Staat Eritrea geltenden Verordnung Nr. 21/1992 über die eritreische Staatsangehörigkeit vom 6. April 1992 - StaatsangehörigkeitsVO - geregelt (vgl. Anlage zu Auswärtiges Amt, Auskunft vom 30. August 1994 an VG Berlin). Diese Verordnung ist nach wie vor in Kraft und wird in der Praxis von den mit Staatsangehörigkeitsfragen befassten eritreischen Stellen auch tatsächlich angewandt (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. November 2001 an VG Stuttgart; ai, Auskunft vom 19. September 2001 an Bay. VGH; Auswärtiges Amt, Auskunft vom 2. Februar 2001 an VG Gießen; UNHCR, Auskunft vom 1. August 1999). Dabei gelten zumindest nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes keine Besonderheiten im Zusammenhang mit der Behandlung von im Ausland lebenden Personen, so dass die StaatsangehörigkeitsVO auch auf solche eritreisch-stämmigen Personen Anwendung findet, die - wie der Kläger - vor der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland auf äthiopischem Staatsgebiet gelebt haben (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 2. Februar 2001 an VG Gießen).

Nach Art. 2 Abs. 1 StaatsangehörigkeitsVO ist eritreischer Staatsangehöriger durch Geburt, wer entweder in Eritrea oder aber im Ausland als Kind eines Vaters oder einer Mutter eritreischer Abstammung geboren ist. Nach Absatz 2 der Vorschrift ist "eritreischer Abstammung", wer 1933 seinen Aufenthalt in Eritrea hatte. Im Übrigen wird gemäß Art. 2 Abs. 3 StaatsangehörigkeitsVO bis zum Beweis des Gegenteils als eritreischer Staatsangehöriger durch Geburt betrachtet, wer in Eritrea als Kind unbekannter Eltern geboren ist. Diejenigen Personen, die danach durch Geburt oder Abstammung Eritreer sind, erhalten auf Antrag eine Staatsangehörigkeitsbescheinigung vom Ministerium des Innern (Art. 2 Abs. 4 StaatsangehörigkeitsVO; vgl. zur lediglich deklaratorischen Bedeutung dieser Bescheinigung für den Staatsangehörigkeitserwerb und der zugehörigen Verbalnote der eritreischen Regierung vom 30. September 1993: Hess. VGH, Urteil vom 26. April 2002 - 9 UE 1508/99.A -).

Aus dem Regelungszusammenhang des Art. 2 Abs. 1 und Abs. 3 StaatsangehörigkeitsVO lässt sich entnehmen, dass es sich bei der Belegenheit des Geburtsortes des Betreffenden auf eritreischem oder ausländischem Staatsgebiet um kein die Staatsangehörigkeit mitbestimmendes Merkmal handelt. Vielmehr bestimmt die StaatsangehörigkeitsVO insoweit die in Art. 2 Abs. 2 näher definierte "eritreische Abstammung" als stets maßgebliches Kriterium, wobei als Anknüpfungspunkt für deren Feststellung nicht die ethnische Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe oder die eritreische Volkszugehörigkeit festgelegt sind, sondern im Aufenthalt des betreffenden Elternteils in Eritrea im Jahr 1933 begründete Bande zum Staatsgebiet (vgl. dazu UNHCR, Auskunft vom 1. August 1999). Wäre nach Art. 2 Abs. 1 StaatsangehörigkeitsVO nämlich jede in Eritrea geborene Person allein deshalb als eritreischer Staatsangehöriger anzusehen, bedürfte es der in Art. 2 Abs. 3 StaatsangehörigkeitsVO getroffenen Regelung nicht.

Hieraus entnimmt der Senat, dass im Hinblick auf den Kläger ein Erwerb der eritreischen Staatsangehörigkeit durch Geburt nach Maßgabe der einschlägigen Regelungen der eritreischen StaatsangehörigkeitsVO nicht angenommen werden kann. Der Kläger, auf dessen Geburt auf dem Staatsgebiet des heutigen Äthiopien - d.h. im Sinne der Begrifflichkeit von Art. 2 Abs. 1 StaatsangehörigkeitsVO "im Ausland" - es nach Vorgesagtem nicht ankommt, hat kein Elternteil "eritreischer Abstammung" nach Maßgabe des Art. 2 Abs. 2 StaatsangehörigkeitsVO. Die in der auf dem Staatsgebiet des heutigen Eritrea liegenden Ortschaft Adi Feleste geborene Mutter des Klägers, die eritreischer Volkszugehörigkeit ist und von der ein Staatsangehörigkeitserwerb des Klägers durch Geburt allenfalls abgeleitet werden könnte, erfüllt die Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 2 StaatsangehörigkeitsVO nicht. Der Kläger führte in der mündlichen Verhandlung zu dem Geburtsdatum und dem jetzigen Alter seiner Mutter befragt aus, diese sei zum Zeitpunkt seiner Geburt ungefähr 27 Jahre alt gewesen und habe heute etwa ihr sechzigstes Lebensjahr erreicht. Damit kann die Mutter des Klägers im Jahr 1933 nicht ihren Aufenthalt in Eritrea gehabt haben. Ob sich die Großeltern des Klägers mütterlicherseits in diesem Jahr ständig auf dem Staatsgebiet des heutigen Eritrea aufhielten, bedarf im Zusammenhang mit der Anwendung vorgenannter Bestimmungen keiner näheren Erörterung. Denn Art. 2 Abs. 1 StaatsangehörigkeitsVO bezieht das Merkmal der "eritreischen Abstammung" des Betreffenden allein auf dessen Eltern und bietet aufgrund seines insoweit eindeutigen Wortlauts keinen Anknüpfungspunkt für eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der Vorschrift dahingehend, dass hinsichtlich des Staatsangehörigkeitserwerbs durch Geburt auch die etwaige "eritreische Abstammung" der Großeltern in die Betrachtung mit einbezogen werden könnte. Für eine insoweit vom Wortlaut der Bestimmung abweichende ständige Praxis der mit Staatsangehörigkeitsfragen befassten eritreischen Stellen lässt sich auch den in das Verfahren eingeführten Auskünften und sonstigen Erkenntnisquellen nichts entnehmen (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. November 2001 an VG Stuttgart und vom 21. November 2001 an VGH Baden-Württemberg).

Unabhängig davon erscheint dem Senat auch ausgeschlossen, dass der Kläger in direkter Anwendung der Staatsangehörigkeitsfragen regelnden Bestimmung der eritreischen Verfassung die eritreische Staatsangehörigkeit erworben hat. Zwar bestimmt Art. 3 Abs. 1 der eritreischen Verfassung, dass jede Person als Eritreer durch Geburt anzusehen ist, die als Kind eines eritreischen Vaters oder einer eritreischen Mutter geboren worden ist ("Any person born of an Eritrean father or mother is an Eritrean by birth"). Diese Verfassungsbestimmung würde ihrem Wortlaut nach mithin bei Besitz der eritreischen Staatsbürgerschaft auch nur eines Elternteils den betreffenden Status an die Nachkommen vermitteln (vgl. UNHCR, Auskunft vom 1. August 1999; Institut für Afrikakunde, Auskunft vom 12. Juli 2000 an OVG Sachsen-Anhalt). Selbst wenn jedoch die Mutter des Klägers - deren Eltern sich nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung im Jahr 1933 vermutlich auf dem Staatsgebiet des heutigen Eritrea aufhielten - die Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 StaatsangehörigkeitsVO erfüllen würde und deshalb als eritreische Staatsangehörige anzusehen wäre, könnte dies einen Staatsangehörigkeitserwerb des Klägers nach vorgenannter Verfassungsbestimmung allein deshalb nicht begründen, weil diese als Rechtsquelle nicht herangezogen werden kann. Denn die nach westlichem Vorbild geschaffene eritreische Verfassung, wurde nach ihrer Ausarbeitung von der Übergangsnationalversammlung Eritreas in ihrem endgültigen Text am 23. Mai 1997 lediglich verabschiedet, jedoch bis zum heutigen Zeitpunkt nicht in Kraft gesetzt. Die in ihr enthaltenen Bestimmungen stellen daher - so die Einschätzung des Auswärtigen Amtes - bestenfalls politische Programmatik dar (vgl. Auswärtiges Amt, Lageberichte Eritrea vom 2. Dezember 1997, vom 3. April 2000, vom 10. November 2000 und vom 14. Oktober 2001).

Schließlich kann im Hinblick auf den Kläger auch nicht davon ausgegangen werden, dass ihn der eritreische Staat - insofern über den durch das eritreische Staatsangehörigkeitsrecht rechtlich vorgegebenen Rahmen hinausgehend - entsprechend der tatsächlichen Handhabung des für Staatsangehörigkeitsfragen zuständigen Departments und der Passausstellungspraxis des eritreischen Generalkonsulats bzw. der eritreischen Botschaft in Deutschland als eritreischen Staatsangehörigen ansieht. Zwar ist diese Möglichkeit deshalb in Betracht zu ziehen, weil nach offiziellen eritreischen Verlautbarungen und dem Inhalt der Proklamation zu dem im Jahr 1993 durchgeführten Referendum für die Unabhängigkeit Eritreas all diejenigen Personen die eritreische Staatsangehörigkeit erworben haben, die seinerzeit als Teilnehmer zu dieser Volksabstimmung registriert worden sind. An der Abstimmung haben sowohl Personen eritreischer Abstammung, als auch eingebürgerte Personen eritreischer Volkszugehörigkeit, äthiopische Volkszugehörige sowie Personen mit Wohnsitz im Ausland, die möglicherweise eine fremde Staatsangehörigkeit besaßen, teilgenommen. Entsprechend der Proklamation zu dem Referendum wurde den Teilnehmern beim Registrierungsverfahren eine eritreische Identitätskarte ausgestellt, die sie als eritreische Staatsangehörige legitimiert und die nach wie vor als Grundlage für die Ausstellung eines Passes durch den nunmehr souveränen Staat Eritrea dient (vgl. ai, Auskunft vom 19. September 2002 an Bayerischen VGH, Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. November 2001 an VGH Baden-Württemberg; Institut für Afrikakunde, Auskunft vom 21. März 2001 an Bayerischen VGH, vom 12. Juli 2000 an OVG Sachsen-Anhalt und vom 15. November 1999 an VG Gießen). Die Praxis der Anerkennung der eritreischen Staatsangehörigkeit durch eritreische Stellen steht demnach bezüglich solcher Referendumsteilnehmer, die die Voraussetzungen für den Staatsangehörigkeitserwerb nach der eritreischen StaatsangehörigkeitsVO nicht erfüllen, in Widerspruch zu dem einschlägigen Staatsangehörigkeitsrecht (vgl. dazu UNHCR, Auskunft vom 1. August 1999). Auch hieraus ist jedoch für den Kläger allein deshalb nicht der Erwerb der eritreischen Staatsangehörigkeit abzuleiten, weil er nach seinen glaubhaften Bekundungen im Rahmen der Parteivernehmung an dem Unabhängigkeitsreferendum nicht teilgenommen hat.

Der Kläger hat auch die äthiopische Staatsangehörigkeit nicht verloren.

Anknüpfungspunkt für einen Verlust der äthiopischen Staatsangehörigkeit des Klägers ist nicht der Umstand, dass die äthiopischen Behörden bei im Exil lebenden Personen, die über keine gültigen Papiere verfügen, im Zusammenhang mit der Verlängerung oder Ausstellung von Pässen vor der Rückkehr nach Äthiopien eine Volks- und Staatsangehörigkeitsüberprüfung durchführen, bei der die Grundsätze des äthiopischen Staatsangehörigkeitsrechts in der nach wie vor gültigen Fassung von 1930 mit nicht näher definierten voluntativen Elementen verbunden werden (Auswärtiges Amt, Auskünfte vom 8. September 2000 an VG München und vom 8. Februar 2001 an VG Kassel). Diese Praxis ist vor dem Hintergrund des im Mai 1998 ausgebrochenen Grenzkriegs zwischen Äthiopien und Eritrea zu sehen, der ab Mai 2000 mit aller Härte ausgetragen wurde und erst mit Abschluss des Friedensvertrages von Algier am 12. Dezember 2000 endete (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Eritrea vom Oktober 2001 und Lagebericht Äthiopien vom 20. Februar 2002). Im Zuge des äthiopisch-eritreischen Grenzkonflikts kam es zu umfangreichen Deportationen von Personen eritreischer und halberitreischer Abstammung durch den äthiopischen Staat, von denen nach Schätzung des UNHCR im Jahr 2000 ca. 70.000 Personen betroffen waren (vgl. dazu im Einzelnen: Auswärtiges Amt, a.a.O.). Durch seine Passausstellungspraxis versucht der äthiopische Staat seither zu vermeiden, dass eritreische Volkszugehörige, die vor Konfliktausbruch vielfach mit äthiopischen Reisepapieren ausgestattet waren, ungehindert nach Äthiopien einreisen können. Hinsichtlich desjenigen Personenkreises, bei dem eine eritreische Abstammung festgestellt oder vermutet wird, ist deshalb eine willkürliche Behandlung in Form von Pass- oder Einreiseverweigerung festzustellen (Schröder, Stellungnahmen vom 24. Januar 2001 an VG Kassel und vom 25. April 2001 an VG Gelsenkirchen; Institut für Afrikakunde, Auskunft vom 15. Januar 2001 an VG Kassel; Auswärtiges Amt, Auskünfte vom 7. Februar 2001 und vom 8. Februar 2001 an VG Kassel und vom 6. Dezember 2000 an VG Würzburg). Im Ergebnis - so das Auswärtige Amt in seinem Lagebericht vom 20. Februar 2002 - führt die äthiopische Praxis der Verknüpfung von rechtlichen Aspekten aus dem Staatsangehörigkeitsgesetz von 1930 mit nicht klar definierten voluntativen Elementen bei der Feststellung des Vorliegens bzw. Nichtvorliegens der äthiopischen bzw. eritreischen Staatsangehörigkeit zu erheblichen Unklarheiten, die staatlicher Willkür Tür und Tor öffnen. Dabei ist der äthiopische Staat bezüglich solcher Personen, bei denen eine eritreische Staatsangehörigkeit festgestellt oder möglicherweise auch nur vermutet wird, von seiner jahrelangen Praxis abgerückt, die im äthiopischen Recht nicht vorgesehene doppelte Staatsangehörigkeit stillschweigend zu dulden (vgl. Auswärtiges Amt, a.a.O. und Lagebericht Äthiopien vom 20. Februar 2002). Allerdings hat sich die Lage seit Ende des äthiopisch-eritreischen Grenzkrieges deutlich entspannt. Das Auswärtige Amt stellt dazu fest, bezüglich der Behandlung von eritreisch-stämmigen Personen durch den äthiopischen Staat sei eine deutliche Liberalisierung spürbar und Deportationen nach Eritrea fänden nicht mehr statt (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 27. August 2002 an VG Regensburg). Das Institut für Afrikakunde teilt diese Einschätzung und weist darauf hin, bei fehlender Teilnahme am Unabhängigkeitsreferendum dürfte sich derzeit auch für Personen mit einem eritreischen Elternteil oder zwei eritreischen Elternteilen die Wahrscheinlichkeit verringert haben, von den äthiopischen Behörden als Eritreer betrachtet zu werden und es zeichne sich bezüglich der Bereitschaft, solchen Personen die Einreise zu gewähren, in Äthiopien derzeit ein Politikwechsel ab (Institut für Afrikakunde, Auskunft vom 19. September 2002 an VG Regensburg). Es könne - so das Institut für Afrikakunde in seiner Auskunft an das VG Aachen vom 19. September 2002 - nicht davon ausgegangen werden, dass etwa einer Person, die jedenfalls einen Vater amharischer Volkszugehöriger habe und die nicht am Unabhängigkeitsreferendum teilgenommen habe, die Ausstellung eines äthiopischen Reisepasses verweigert werde.

Vor diesem Hintergrund kann nicht angenommen werden, dass der Kläger von den äthiopischen Behörden zum heutigen Zeitpunkt nicht mehr als äthiopischer Staatsangehöriger akzeptiert würde. Der Kläger wurde als Sohn eines auf äthiopischem Staatsgebiet geborenen oromischen Volkszugehörigen in der in der äthiopischen Provinz Gojjam gelegenen Ortschaft Guredabo geboren und lebte bis zu seiner Ausreise nach Deutschland stets dort bzw. - etwa ab seinem 6. Lebensjahr - in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba. Er hat somit einen wesentlichen Teil seiner Sozialisation in Äthiopien erlebt. Die Sprache, die der Kläger am besten beherrscht, ist Amharisch. Wie dargelegt hat der Kläger - der sich selbst als äthiopischer Staatsangehöriger betrachtet und auf die Erörterung der betreffenden Problematik in der mündlichen Verhandlung mit großem Erstaunen reagierte - nicht am Unabhängigkeitsreferendum teilgenommen und erfüllt in seiner Person auch sonst keinerlei Merkmale, die im Hinblick auf die Verknüpfung rechtlicher und voluntativer Aspekte bei der Passausstellungspraxis äthiopischer Behörden für diese den Verdacht einer möglicherweise missbilligten Nähe zum eritreischen Staat und seiner Bevölkerung begründen könnten. Maßgeblich für diese Einschätzung ist nicht zuletzt auch, dass der äthiopische Staat im Zusammenhang mit der Ausgrenzung als eritreisch betrachteter Familien vornehmlich darauf abstellt, ob es sich bei dem (Familien-)Vater um einen eritreischen Staatsangehörigen bzw. um einen eritreischen Volkszugehörigen handelt (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 27. August 2002 an VG Regensburg), entsprechende Beziehungen des Klägers indes nur mütterlicherseits vorliegen bzw. vermutet werden könnten.

Mit der Einschätzung, wonach der Kläger nach wie vor allein äthiopischer Staatsangehörigkeit ist, setzt sich der Senat auch nicht in Widerspruch zu seinen Urteilen vom 26. April 2002 (- 9 UE 1508/99.A - und - 9 UE 915/98.A -). Zwar hat der Senat in bezug auf die Kläger jener Verfahren, die mit Geburt zunächst ebenfalls die äthiopische Staatsangehörigkeit erworben hatten, den Erwerb der eritreischen bei gleichzeitigem Verlust der äthiopischen Staatsangehörigkeit festgestellt und die im Rahmen des geltend gemachten Asylanspruchs und Abschiebungsschutzbegehrens nach § 51 Abs. 1 AuslG anzustellende Gefahrenprognose davon ausgehend allein auf Eritrea beschränkt. Dieser Einschätzung lag in tatsächlicher Hinsicht jedoch die Geburt der Kläger auf dem Staatsgebiet des heutigen Eritrea als Kind - unstreitig - eritreischer Eltern zugrunde, weshalb der Senat - anders als bei dem Kläger des vorliegenden Falles - das Vorliegen der Voraussetzungen für den Erwerb der eritreischen Staatsangehörigkeit nach Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 der eritreischen StaatsangehörigkeitsVO angenommen hat. Damit unterscheiden sich beide Fallkonstellationen in einem seinerzeit entscheidungserheblichen Gesichtspunkt. Zudem ergingen die genannten Urteile vor dem Hintergrund der dem Senat zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Auskünfte und sonstigen Erkenntnisquellen. Dementsprechend war die nach der heutigen Auskunftslage zu verzeichnende Entspannung der Lage in Bezug auf von voluntativen Aspekten mitgeprägte Ausgrenzungsmaßnahmen des äthiopischen Staates gegen eritreisch-stämmige Personen seinerzeit nicht in die Beurteilung mit einzubeziehen.

Damit bleibt nochmals festzuhalten, dass die in der Abschiebungsandrohung vom 22. Juni 1993 enthaltene Zielstaatbestimmung dem Land der Staatsangehörigkeit des Klägers entspricht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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