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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 20.05.2003
Aktenzeichen: 9 UE 2956/02
Rechtsgebiete: Aufenthaltsgesetz/EWG, AuslG


Vorschriften:

Aufenthaltsgesetz/EWG § 7
AuslG § 17 Abs. 1
AuslG § 26 Abs. 1
AuslG § 96 Abs. 2
AuslG § 96 Abs. 3
1. Auch die Zeit des Besitzes einer nach § 7 Aufenthaltsgesetz/EWG zum Zwecke des Zuzugs zu einem Familienangehörigen erteilten Aufenthaltserlaubnis-EU kann im Rahmen des § 26 Abs. 1 AuslG, der die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis an den achtjährigen Besitz eines Aufenthaltstitels knüpft, berücksichtigt werden.

2. Zur Erfüllung des Zeitraums von acht Jahren im Rahmen des § 26 Abs. 1 AuslG sind auch die Zeiten nach § 96 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 AuslG, die als Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltsgenehmigung anzurechnen sind, heranzuziehen.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes Urteil

9. Senat 9 UE 2956/02

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Ausländerrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 9. Senat - durch Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Teufel

ohne mündliche Verhandlung am 20. Mai 2003 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 19. Juni 2001 (Az.: 13 E 847/01 [3]) abgeändert.

Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheids vom 18. November 1999 und des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 24. Januar 2001 verpflichtet, dem Kläger eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

Die Beklagte hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1975 geborene Kläger, dessen Familienname in den Behördenvorgängen in unterschiedlicher Schreibweise wiedergegeben ist (teilweise A., teilweise C.) ist pakistanischer Staatsangehöriger. Er reiste am 30. August 1990 nach Deutschland mit der von ihm bekundeten Absicht ein, sich bei seinem Vater M. S. C. aufzuhalten, der ausweislich einer Bestätigung der Hauseigentümerin vom 8. Juli 1991 in Frankfurt am Main, in einer 65 qm großen Dreizimmerwohnung wohnte, wo sich der Kläger in der Folgezeit ebenfalls mit Hauptwohnung anmeldete. Als Mutter gab der Kläger in seinem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis eine (verstorbene) Frau M. C. an. Er legte die Fotokopie eines Auszugs aus dem Geburtsregister vor, in der diese beiden Personen als seine Eltern aufgeführt sind. Ferner überreichte der Kläger der Ausländerbehörde der Beklagten die beglaubigte Übersetzung einer englischsprachigen Sterbeurkunde, nach der eine Frau M. B. als Ehefrau des M. S. C. am 8. März 1980 im Alter von 35 Jahren in Pakistan an den Folgen eines Unfalls verstorben sei.

In der Behördenakte der Beklagten befindet sich unter dem Datum des 22. November 1990 und des 10. Juli 1991 handschriftliche Vermerke, wonach der Vater des Klägers seit 15. April 1983 mit einer Irin verheiratet sei. Er habe die irische Staatsangehörigkeit angenommen und sei im Besitz einer EG-Karte, gültig bis 25. September 1994. Demnach finde (sc. auf den Kläger) § 7 Aufenthaltsgesetz/EWG Anwendung.

Am 10. Juli 1991 wurde dem Kläger eine bis 25. September 1994 gültige Aufenthaltserlaubnis-EG erteilt.

Unter dem 10. August 1994 beantragte der Kläger die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis.

In einem behördeninternen handschriftlichen Vermerk vom 23. August 1994 wird erneut auf die irische Staatsangehörigkeit des Vaters des Klägers und auf das Einreisdatum 30. August 1990 hingewiesen und sodann ausgeführt, dass eine "AE-u" (offenbar unbefristete Aufenthaltserlaubnis) nach " 26 Abs. 1" (offenbar Ausländergesetz) erst im August 1998 möglich sei. Der Kläger erhielt sodann ausweislich einer in den Behördenakten enthaltenen Bearbeitungsverfügung am 2. November 1994 eine bis 30. August 1998 gültige Aufenthaltserlaubnis in Form einer "EG-Karte" (Original Bl. 51 der Behördenakte).

In der Folgezeit gingen bei der Ausländerbehörde der Beklagten mehrere anonyme Schreiben ein, in denen - im Wesentlichen zusammengefasst - die Behauptung aufgestellt wurde, dass S. M. C. nicht der Vater des Klägers sei, sondern ein Bruder des Vaters. Letzterer lebe nach wie vor in Pakistan. Auch die Mutter des Klägers lebe dort. Anders lautende Urkunden seien gefälscht.

Unter dem 29. Juli 1998 beantragte der Kläger die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis.

Mit Schreiben vom 5. Januar 1999 teilte die deutsche Botschaft in Islamabad der Beklagten das Ergebnis ihrer auf Bitten der Beklagten durchgeführten Nachforschungen mit. Danach sei der Kläger nicht der Sohn, sondern der Neffe des M. S. C. Sein Vater sei A. Q., ein Bruder des Mohammad S. C. M. B. sei die Mutter des Klägers, die aber nie mit M. S. C. verheiratet gewesen sei, sondern ausschließlich mit dessen vorgenanntem Bruder. Eine anderslautende Heiratsurkunde sei gefälscht. M. B. sei auch nicht im Jahre 1980 verstorben, sondern lebe noch heute in Rawalpindi. Auch die Sterbeurkunde sei daher gefälscht.

Nach Anhörung des Klägers lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18. November 1999 dessen "Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung" vom 29. Juli 1999 ab. Zur Begründung verwies sie im Wesentlichen auf das Ergebnis ihrer Nachforschungen, die ergeben hätten, dass sich der Kläger seinen Aufenthalt durch unrichtige Angaben erschlichen habe. Auf die weiteren Ausführungen wird Bezug genommen.

Den Widerspruch des Klägers gegen die vorgenannte Verfügung wies das Regierungspräsidium in Darmstadt mit Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2001 zurück.

Am 28. Februar 2001 erhob der Kläger Klage beim Verwaltungsgericht A-Stadt mit dem Ziel der Aufhebung der genannten Bescheide und Verpflichtung der Beklagten, seine Aufenthaltsgenehmigung zu verlängern.

Er bestritt, nicht der Sohn des M. S. C. zu sein. Die von ihm vorgelegten Urkunden seien echt. Zumindest habe er reinen Gewissens gehandelt. Wenn die Vorwürfe der Beklagten wirklich zutreffend sein sollten, sei er Opfer von Manipulationen seiner Familie geworden. Er sei als Jugendlicher nach Deutschland verbracht worden und habe hier ein vollkommen neues Leben angefangen. Durch den Zeitablauf, seine schulische Ausbildung, seine guten Deutschkenntnisse und seine schon mehrjährige Arbeit sei er hier vollkommen integriert. Mit Pakistan verbinde ihn nichts. Er habe mittlerweile auch versucht, Unterlagen aus Pakistan zu bekommen, die die Behauptung der Ausländerbehörde, sein Vater sei in Wirklichkeit sein Onkel, widerlegen könnten. Er habe zu seinem Vater - dem angeblichen Onkel - Kontakt aufgenommen, und dieser habe bestätigt, dass er, der Kläger, sein Sohn sei. Hierüber sei eine beglaubigte eidesstattliche Versicherung in englischer Sprache angefertigt worden, die der Kläger in Fotokopie zu den Gerichtsakten reichte. Im Übrigen regte der Kläger die Klärung der Familienverhältnisse durch einen Gentest an.

Der Kläger beantragte,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 18. November 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 24. Januar 2001 zu verpflichten, ihm die Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen.

Die Beklagte beantragte unter Bezugnahme auf die angegriffenen Bescheide,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 19. Juni 2001 wies das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der Kläger habe keinen Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis. Ein solcher Anspruch ergebe sich nicht aus dem Aufenthaltsgesetz/EWG. Der Kläger selbst sei nicht EU-Bürger. Sein angeblicher Vater, der vorübergehend als irischer Staatsangehöriger anzusehen gewesen sei, mache jedenfalls aktuell keinen Gebrauch von einem aus Europarecht abgeleiteten Freizügigkeitsrecht und halte sich mittlerweile nicht mehr in Europa auf, so dass weder die Verlängerung noch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Familienzusammenführung vom Vater des Klägers abgeleitet werden könne. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nach Maßgabe des Ausländergesetzes. Ihm könne die begehrte unbefristete Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nicht nach § 26 AuslG erteilt werden, denn diese Vorschrift setze den Besitz der Aufenthaltserlaubnis für mindestens acht Jahre voraus. Dem Kläger sei aber eine Aufenthaltserlaubnis zur Familienzusammenführung insgesamt nur für die Zeit vom 10. Juli 1991 bis zum 30. August 1998, das heißt für etwas über sieben Jahre, erteilt worden. Die unbefristete Verlängerung könne auch nicht auf § 24 AuslG gestützt werden, weil der Kläger als Kind nach Deutschland gezogen sei und § 24 AuslG durch § 26 AuslG verdrängt werden.

Auf Antrag des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 25. Oktober 2002 die Berufung gegen das vorgenannte Urteil zugelassen.

Zur Begründung des zugelassenen Rechtsmittels trägt der Kläger vor, ihm müsse eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach § 26 Abs. 1 Satz 2 AuslG erteilt werden. Im Zeitpunkt des Ablaufs seiner letzten Aufenthaltserlaubnis am 30. August 1998 sei er bereits acht Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gewesen. Als erforderliche Aufenthaltszeit zähle dabei nicht nur der Zeitraum seit Erteilung der ersten Aufenthaltserlaubnis-EG am 10. Juli 1991, wie es das Verwaltungsgericht annehme, sondern bereits der Zeitraum ab seiner Einreise am 30. August 1990, denn er habe damals noch nicht das 16. Lebensjahr vollendet, habe visumsfrei einreisen können und sei vor Vollendung des 16. Lebensjahres nicht aufenthaltserlaubnispflichtig gewesen. Sein Aufenthalt sei daher seit August 1990 rechtmäßig, und die Aufenthaltszeit ab August 1990 sei als fiktive Besitzzeit einer Aufenthaltserlaubnis anzurechnen (§ 96 Abs. 3 Satz 1 AuslG), wobei unerheblich sei, zu welchem Zweck die Einreise erfolgt sei. Im Übrigen habe er von Anfang an bestritten, nicht der leibliche Sohn des irischen Staatsangehörigen M. S. C. zu sein. Er habe zum Nachweis des Verwandtschaftsverhältnisses Beweis durch Einholung eines Abstammungsgutachtens angeboten. Die Beklagte habe bislang keine stichhaltigen Gründe für ihre Behauptung vorgelegt, der Vorgenannte sei nicht sein Vater, sondern sein Onkel.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Verwaltungsgerichts A-Stadt vom 19. Juni 2001 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 18. November 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 24. Januar 2001 zu verpflichteten, ihm eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach § 26 AuslG zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie weist darauf hin, dass der Kläger nach dem im Zeitpunkt seiner Einreise am 30. August 1990 geltenden Ausländerrecht bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres von dem Erfordernis einer Aufenthaltsgenehmigung befreit gewesen sei. Erst mit Inkrafttreten des neuen Ausländergesetzes am 1. Januar 1991 sei er aufenthaltsgenehmigungspflichtig geworden. Allerdings sehe die Übergangsregelung des § 96 Abs. 2 AuslG zur Stellung eines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung eine Übergangsfrist von einem Jahr vor. Der Kläger habe am 14. Februar 1991 die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung beantragt. Dieser Zeitpunkt liege sowohl vor Vollendung des 16. Lebensjahres (28. März 1991) als auch innerhalb der Übergangsfrist. Gemäß § 96 Abs. 3 AuslG wäre dieser Zeitraum bei der Berechnung der Frist somit anzurechnen, sofern auch die folgenden Zeiten (Erteilung der Aufenthaltserlaubnis-EG) Anrechnung finden sollten. Mit Verfügung vom 18. November 1999 sei zwar die Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung abgelehnt, nicht jedoch die Aufenthaltserlaubnis zurückgenommen worden. Der hierfür vorgesehene Zeitrahmen von einem Jahr (§ 48 Abs. 3 VwVfG) sei nunmehr überschritten. Maßnahmen hierauf basierend könnten nicht mehr eingeleitet werden. Der erforderliche Besitz der Aufenthaltserlaubnis von acht Jahren wäre somit exakt erfüllt, da die Aufenthaltserlaubnis bis zum 30. August 1998 erteilt worden sei. § 26 Abs. 1 Satz 2 AuslG setzte jedoch voraus, dass die Aufenthaltserlaubnis zu dem in § 17 Abs. 1 AuslG bezeichneten Zweck erteilt worden sei. Es erscheine fraglich, ob dies vorliegend tatsächlich der Fall sei. Fakt sei, dass die Aufenthaltserlaubnis-EG in der Annahme erteilt worden sei, dass es sich um eine Familienzusammenführung zu dem hier lebenden Vater handele. Das Zusammenleben wäre sodann auch den Anforderungen des § 17 Abs. 1 AuslG gerecht geworden. Die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Vater sei jedoch nie aufgenommen worden, da der Nachzug nicht zum Vater, sondern zum Onkel erfolgt sei. Hierfür sei die Aufenthaltserlaubnis jedoch nicht erteilt worden.

Beide Beteiligte haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet und sich mit einer Entscheidung durch den Vorsitzenden des Senats einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Behördenvorgänge und Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil erster Instanz, über die der Vorsitzende des Senats mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§§ 87a Abs. 2, 101 Abs. 2, 125 Abs. 1 VwGO), ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 26 Abs. 1 Satz 2 AuslG.

Danach ist eine Aufenthaltserlaubnis, die einem minderjährigen Ausländer zu dem in § 17 Abs. 1 AuslG bezeichneten Zweck erteilt wurde, unbefristet zu verlängern, wenn der Ausländer volljährig und seit acht Jahren im Besitz der Aufenthaltserlaubnis ist (§ 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AuslG) und wenn darüber hinaus in seiner Person die Voraussetzungen der Nummern 2 und 3 des § 26 Abs. 1 Satz 2 AuslG vorliegen.

Dass der Kläger die tatbestandlichen Voraussetzungen der Nummern 2 und 3 des § 26 Abs. 1 Satz 2 AuslG erfüllt, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig und bedarf keiner Erörterung. Entgegen der Ansicht der Beklagten und des Gerichts erster Instanz kann sich der - volljährige - Kläger aber auch mit Erfolg darauf berufen, seit acht Jahren im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne des § 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. § 26 Abs. 1 Satz 1 AuslG zu sein, also einer Aufenthaltserlaubnis, die ihm zu dem in § 17 Abs. 1 AuslG bezeichneten Zweck, nämlich zur Wahrung einer unter dem Schutz des Art. 6 GG stehenden familiären Lebensgemeinschaft mit einem in Deutschland lebenden Ausländer erteilt wurde.

Die Beklagte erteilte dem Kläger unter dem 10. Juli 1991 eine bis zum 25. September 1994 gültige Aufenthaltserlaubnis, wobei den Behördenakten zu entnehmen ist, dass diese Entscheidung auf § 7 des Gesetzes über Einreise und Aufenthalt von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (Aufenthaltsgesetz/EWG - AufenthG) gestützt wurde. Nach Absatz 1 dieser Vorschrift erhalten Familienangehörigen im Sinne des § 1 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz/EWG auf Antrag eine Aufenthaltserlaubnis-EG, wenn die Person, deren Familienangehörige sie sind, eine Aufenthaltserlaubnis-EG besitzt und weitere Voraussetzungen erfüllt sind, auf die es im vorliegenden Zusammenhang nicht entscheidend ankommt. Diese Entscheidung der Beklagten beruhte - dies folgt zweifelsfrei aus den Behördenvorgängen - auf ihrer damaligen aus den Angaben des Klägers gewonnenen Einschätzung, dass der Kläger zu seinem in Deutschland lebenden Vater M. S. C. nachgezogen sei, der seinerseits - nach den damals gewonnenen Erkenntnissen der Beklagten - als irischer Staatsangehöriger im Besitz einer - ebenfalls bis zum 25. September 1994 befristeten - Aufenthaltserlaubnis-EG war. Die dem Kläger erteilte Aufenthaltserlaubnis-EG wurde somit zu dem in §§ 26 Abs. 1, 17 Abs. 1 AuslG genannten Zweck erteilt, denn diese tatbestandliche Voraussetzung für die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach dem Ausländergesetz kann auch mit Blick auf einen vorhergehenden, nach dem Aufenthaltsgesetz/EWG erteilten Aufenthaltstitel erfüllt sein (vgl. z.B. Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl. 1999, § 26 AuslG, Rdn. 2; Hailbronner, Ausländerrecht, § 7a AufenthG/EWG, Rdn. 15; vgl. auch Fischer, Zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes/EWG, ZAR 1991, 3 [8]).

Der Aufenthaltstitel des Klägers wurde sodann im November 1994 - wiederum als Aufenthaltserlaubnis-EG - bis zum 30. August 1998 verlängert.

Ob die Aufenthaltserlaubnisse nach dem Aufenthaltsgesetz/EWG in den Jahren 1991 und 1994 zu Recht erteilt wurden oder ob sie nicht hätten erteilt werden dürfen, weil der Kläger - wie die Beklagte heute meint - nicht zu seinem Vater, sondern zu einem Onkel nachgezogen sei, bedarf keiner Erörterung, da dieser Umstand - selbst wenn er vorläge - am Bestand der jeweiligen Aufenthaltserlaubnis und an dem Zweck, zu dem sie erteilt wurde, nichts ändern würde. Die Beklagte hat auch zu keinem Zeitpunkt den Versuch unternommen, aus den von ihr gewonnenen Erkenntnissen über die vermeintlich wahren Verwandtschaftsverhältnisse Konsequenzen in Bezug auf den Bestand der dem Kläger in den Jahren 1991 und 1994 erteilten Aufenthaltserlaubnisse zu ziehen.

Der Kläger hat auch - nach Maßgabe der folgenden Ausführungen - das weitere Tatbestandsmerkmal des § 26 Abs. 1 Satz 2 AuslG erfüllt, nämlich den achtjährigen Besitz einer Aufenthaltserlaubnis.

Zutreffend ist allerdings - dies stellt das Verwaltungsgericht in den Mittelpunkt seiner die Klageabweisung tragenden Überlegungen - dass der Kläger eine ihm ausdrücklich erteilte Aufenthaltserlaubnis-EG nur im Zeitraum vom 10. Juli 1991 - Datum der erstmaligen Erteilung - bis zum 30. August 1998 besaß, also insgesamt keine acht Jahre. Dies erweist sich indes als unschädlich, weil der Kläger sich mit Erfolg auf die Regelung in §§ 96 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 AuslG berufen kann. Danach sind - soweit für den Erwerb einer ausländerrechtlichen Rechtsposition die Dauer des Besitzes einer Aufenthaltsgenehmigung maßgebend ist - bei Ausländern, die vor Vollendung des 16. Lebensjahres eingereist sind, der rechtmäßige Aufenthalt vor Inkrafttreten des Ausländergesetzes ("dieses Gesetzes") und der rechtmäßige Aufenthalt nach Absatz 2 Satz 2 des § 96 AuslG als Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltsgenehmigung anzurechnen.

Das geltenden Ausländergesetz vom 9. Juli 1990 ist am 1. Januar 1991 in Kraft getreten. Im Zeitraum zwischen seiner Einreise nach Deutschland am 30. August 1990 und dem In-Kraft-Treten des Ausländergesetzes benötigte der Kläger, da er das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, nach damaliger Rechtslage keine Aufenthaltsgenehmigung. Sein auf diesen Zeitraum entfallender Aufenthalt war somit rechtmäßig. Er blieb auch über den 1. Januar 1991 hinaus rechtmäßig, da der Kläger innerhalb der in § 96 Abs. 2 Satz 1 AuslG genannten, ab 1. Januar 2001 laufenden Jahresfrist die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung mit der Folge beantragt hatte, dass für ihn die Befreiung vom Erfordernis der Aufenthaltserlaubnis, die vor In-Kraft-Treten des Ausländergesetzes bestanden hatte, zunächst fortgalt.

Unter Beachtung des § 96 Abs. 3 Satz 1 AuslG kann sich der Kläger daher, was die Dauer des Besitzes einer Aufenthaltsgenehmigung im Sinne des § 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AuslG angeht, mit Erfolg nicht nur auf den Zeitraum vom 10. Juli 1991 bis zum 30. August 1998 berufen, sondern darüber hinaus auch auf den Zeitraum zwischen seiner Einreise am 30. August 1990 und der (erstmaligen) Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis am 10. Juli 1991, so dass er die Voraussetzung des achtjährigen Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis erfüllt (vgl. hierzu Renner, a.a.O., Rdn. 4).

Da die Beklagte in diesem Rechtsstreit unterlegen ist, hat sie die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten folgt aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4000 € festgesetzt (§§ 14 Abs. 1, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG)

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 GKG, 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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