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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 08.10.2007
Aktenzeichen: 1 SHa 3/07
Rechtsgebiete: ZPO, ArbGG, GVG


Vorschriften:

ZPO § 12
ZPO § 17
ZPO § 29
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3
ArbGG § 48 Abs. 1
GVG § 17 a
1) Den Antrag auf Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kann nur die klagende Partei stellen, nicht eine beklagte Partei (in Anschluss an BGH Beschluss vom 09.10.1986 - 1 ARZ 487/86 - NJW 1986, 439)

2) Bei dem Antrag ist anzugeben, welches Gericht als örtlich zuständig bestimmt werden soll.

3) Der Antrag ist unzulässig, wenn ein besonderer Wahlgerichtstand - hier der des Erfüllungsortes gemäß § 29 ZPO - besteht und das Wahlrecht durch Klageerhebung zu diesem Gericht ausgeübt worden ist.


Tenor:

Der Antrag der Beklagten zu 1 und 3, in dem Rechtsstreit 17 Ca 5916/07 Arbeitsgericht Frankfurt a. M. das örtlich zuständige Gericht zu bestimmen, wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die Klägerin war auf Grund eines Vertrages vom 15. Juli 2005, den die Klägerin bisher nicht vorgelegt hat, wohl bei der Beklagten zu 1 in den Postleitzahlen-Gebieten 6... und 95.. - 98.. als reisende Produktberaterin im Vertrieb ästhetischer Produkte tätig. Die Zahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer hat die Klägerin bisher genauso wenig vorgetragen wie die Höhe der gezahlten Vergütung. Zum 1. Juli 2007 sollen das Unternehmen der Beklagten zu 1 überwiegend an die Beklagte zu 3, bezüglich der Unternehmenssparte Ästhetik auf die Beklagte zu 2 veräußert worden sein. Mit einem Schreiben vom 22. Juni 2007, der Klägerin zugegangen am 28. Juni 2007, kündigte die Beklagte zu 1 das Rechtsverhältnis mit der Klägerin ordentlich zum 31. August 2007. Mit der am 20. Juli 2007 bei dem Arbeitsgericht Frankfurt a. M. eingegangenen Klageschrift - diese war per Telefax am 18. Juli 2007 an eine unzutreffende Anschrift und Fax-Nummer übermittelt worden - wendet sich die Klägerin gegen die Wirksamkeit der Kündigung.

Die Klägerin behauptet, betriebsbedingte Gründe lägen nicht vor. Sie habe unter ihrer Wohnanschrift eine Büroadresse unterhalten. Sie kündigt den Antrag an, festzustellen, dass der Arbeitsvertrag vom 15. Juli 2005 nicht durch die Kündigung zum 31. August 2007 endet und das Arbeitsverhältnis unverändert fortbesteht.

Die Beklagten haben den Mangel der örtlichen Zuständigkeit gerügt, die Beklagte zu 2 darüber hinaus auch die fehlende "sachliche Zuständigkeit" (gemeint ist wohl: den Mangel des Rechtswegs).

Die Beklagten zu 1 und 3 beantragen,

dass das Hessische Landesarbeitsgericht gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 ZPO das örtlich zuständige Gericht bestimmt.

II. Der Antrag der Beklagten zu 1 und 3, gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO das örtlich zuständige Gericht zu bestimmen, ist zurückzuweisen, weil er unzulässig ist.

1. Zwar ist der Antrag auf Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO auch noch nach Klageerhebung zulässig, wenn der Rechtsstreit noch nicht zu weit fortgeschritten ist; das ist vor dem ersten Termin zur streitigen Verhandlung und erst recht vor der Güteverhandlung regelmäßig noch nicht der Fall (BGH Beschl. v. 07.10.1977 - I AZR 513/77 - NJW 1978, 321; BayObLG Beschl. v. 20.04.1993 - 1Z AR 5/93 - NJW-RR 1994, 890; BAG Beschl. v. 25.04.1996 - 5 AS 1/96 - AP Nr. 1 zu § 59 ZPO = NZA 1996, 1062; HessLAG Beschl. v. 04.03.2003 - 1 AR 4/03 -; v. 06.04.06 - 1 Sha 11/06 - ). Die Beklagten zu 1 bis 3 stehen der Klägerin auch als Streitgenossen gegenüber. Dabei ist im Verfahren der Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts nicht zu prüfen, ob die Klage zulässig und begründet ist, auch wenn - wie hier - angesichts des völlig unzureichenden Tatsachenvortrags der Klägerin schon bezüglich der Zulässigkeit gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, erst recht aber hinsichtlich der Begründetheit vielfältige erhebliche Zweifel bestehen; das gilt insbesondere auch in Hinblick auf die möglicherweise von der Klägerin versäumte Klagefrist gem. § 4 S. 1 KSchG und die Passivlegitimation der Beklagten zu 2 und 3. Die Beklagten haben schließlich keinen gemeinsamen allgemeinen Gerichtsstand, da gem. § 17 ZPO allgemeiner Gerichtsstand der Beklagten zu 1 Bamberg, der Beklagten zu 2 das für Ettlingen und der Beklagten zu 3 das für Überlingen zuständige Arbeitsgericht ist.

Endlich ist es in diesem Stadium des Verfahrens unerheblich, dass die Beklagte zu 2 auch den Mangel des nicht gegebenen Rechtswegs gerügt hat. Es ist gleichgültig, in welcher Reihenfolge über die örtliche Zuständigkeit und den zulässigen Rechtsweg entschieden wird; falls die Beklagte zu 2 die Rüge des Rechtswegs aufrechterhält, wird das - ggf. jeweils - örtlich zuständige Arbeitsgericht darüber noch gem. §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17 a GVG zu befinden haben.

2. Die Bestimmung des Gerichtsstandes durch das dem angegangenen Gericht zunächst höhere Gericht, hier das Hessische Landesarbeitsgericht, gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO (BAG Beschl. v. 14.07.1998 - 5 AS 22/98 - NZA 1998, 1189, 1190) ist aber nur auf Antrag der Klagepartei zulässig. Für einen Antrag einer beklagten Partei besteht auch in einem schon anhängigen Verfahren kein schützenswertes Interesse. Diesem wird dadurch genügt, dass eine beklagte Partei den Mangel der örtlichen Zuständigkeit rügen kann (BGH Beschl. v. 09.10.1986 - 1 ARZ 487/86 NJW 1986, 439), worauf das angegangene Gericht zwingend in die Prüfung einzutreten und seine örtliche Zuständigkeit entweder bejahen oder den Rechtsstreit auf Antrag der Klagepartei an das zuständige Gericht verweisen muss, §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17 a Abs. 3 GVG. Darüber hinaus haben die Beklagten zu 1 und 3 es versäumt, ein Gericht anzugeben, an das verwiesen werden soll.

Daran ändert auch die Überlegung des Arbeitsgerichts nichts, dass die Klägerin sich zur örtlichen Zuständigkeit werde erklären müssen. Ein Antrag der Klagepartei gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ist nur zulässig, wenn sie mehrere Beklagte als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand in Anspruch nehmen will oder - bei schon erhobener Klage - nehmen wollte. Für die Bestimmung ist kein Raum mehr, wenn die Klägerin - wie hier - die beklagten Streitgenossen nicht im allgemeinen Gerichtsstand gem. §§ 12, 17 ZPO verklagen will oder bereits verklagt hat, sondern gem. § 35 ZPO unter mehreren wahlweise in Betracht kommenden Gerichtsständen - hier den allgemeinen Gerichtsständen und dem des Erfüllungsortes gem. §§ 29 ZPO, 611, 268 BGB - ihr Wahlrecht durch Klageerhebung zu Letzterem ausgeübt hat, weil sie damit selbst vorträgt, dass ein besonderer Gerichtsstand begründet ist. Bei aller Unzulänglichkeit kann die Erwiderung der Klägerin auf die Rüge unter Hinweis auf ein Büro an ihrem Wohnort A nicht anders verstanden werden. Ob der diesbezügliche Tatsachenvortrag der Klägerin ausreicht, wird das Arbeitsgericht, wenn die Klägerin die Klage nicht zurücknimmt, festzustellen haben.

Ende der Entscheidung

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