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Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 16.02.2007
Aktenzeichen: 10 Sa 2262/05
Rechtsgebiete: TVG


Vorschriften:

TVG § 1
Die Errichtung von Gewächshäusern bzw. die Mitwirkung an ihrer Erstellung ist Teil der Urproduktion und wird vom Geltungsbereich des VTV nicht erfasst.
Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 29. September 2005 - 4 Ca 3177/03 - wird das Versäumnisurteils vom 21. März 2005 aufgehoben, das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 29. September 2005 abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch darüber, ob der Auskunftsanspruch des Klägers gegen den Beklagten nach den Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes durch Erteilung der Auskunft in der Hauptsache erledigt ist sowie im Wege der Anschlussberufung des Klägers über Beitragsansprüche des Klägers gegen den Beklagten.

Der Kläger ist die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes. Er ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Der Kläger hat den Beklagten erstinstanzlich mit dem Beklagten am 05. Dezember 2003 zugestellter Klageschrift auf Zahlung von Mindestbeiträgen für gewerbliche Arbeitnehmer für den Zeitraum Dezember 1998 bis November 1999 in Anspruch genommen und in weiteren ursprünglich sieben getrennten Verfahren, die zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung vom Arbeitsgericht miteinander verbunden worden sind, den Beklagten auf Auskunft nebst bedingter Entschädigungszahlung für den Zeitraum Dezember 1999 bis Dezember 2004 in Anspruch genommen. Mit dem Beklagten am 31. Dezember 2004 zugestelltem Schriftsatz ist der Kläger hinsichtlich des Zeitraums Dezember 1999 bis November 2001 auf die Zahlung von Mindestbeiträgen übergegangen. Am 21. März 2005 ist gegen den Beklagten in dem Verfahren zum Az. 4 Ca 3529/04, in welchem es um Auskunft hinsichtlich der gewerblichen Arbeitnehmer für den Zeitraum Juli 2004 bis September 2004 nebst bedingter Entschädigung gegangen ist, ein Versäumnisurteil erlassen worden, gegen welches der Beklagte rechtzeitig Einspruch eingelegt hat.

Ausweislich der Gewerbeanmeldung des Beklagten vom 17. April 1991 verrichtet er Montagearbeiten an Gewächshäusern (verl. Bl. 50 d.A.). Nach den Feststellungen des Hauptzollamts Emden vom 31. Oktober 2000 übt der Beklagte folgende Tätigkeiten aus: Abbau - Wiederaufbau von Gewächshäusern, Fundamentarbeiten, Umrüstung, Scheibenreparatur, Überkittung, Neuverglasung, Lüftungsschäden, Schattierungsreparatur, Abriss (vgl. Bl. 38 d.A.). Im Stammblatt gab der Beklagte am 16. Mai 2001 als gewerbeamtlich gemeldete Tätigkeiten an: Einbau genormter Baufertigteile (vgl. Bl. 52 d.A.). In der Gewerbekarte für handwerksähnliche Betriebe ist der Beklagte unter dem 25. Januar 2001 mit den Gewerben: Einbau von genormten Baufertigteilen (z.B. Fenster, Türen, Zargen, Regale) eingetragen (vgl. Bl. 53 d.A.). In der Anlage zur Prüfniederschrift des Arbeitsamts Leer vom 08. Februar 2002 ist zu den vom Beklagten verrichteten Tätigkeiten Folgendes vermerkt:

"Die Firma A verrichtet folgende baufremde Tätigkeiten an Gewächshäusern:

- Gewächshäuser montieren (vorgefertigte Alu-Teile für die Dachkonstruktion werden zusammengesteckt. Anschließend werden Glas- bzw. Acrylplatten eingesetzt. Die Untergerüste werden zu 90% von anderen Firmen aufgestellt. Diese schrauben die Stahlstände auf die Fundamente.)

- Scheibenreparatur (Scheiben aus Glas bzw. Acryl austauschen, kitten)

- Schattierungsarbeiten (Anhängen von Sonnenschutzrollos)

- H-Böcke (Tische auf Rollen) zusammenstecken und zusammenschrauben

- Zahnstangen (bei Lüftungsfenster) montieren

- Lüftungsschäden beheben (Motoren austauschen, Lagerwellen montieren, Zahnstangen säubern und fetten)

- Alu-Schiebetüren montieren und reparieren

- Stegdoppelplatten verlegen

- Umrüstarbeiten an Gewächshäusern, Austausch von Teilen, Erweiterungen etc.

Alle Teile sind vorgefertigt. Sie werden nur zusammengesteckt bzw. geschraubt. Das verwendete Material besteht zu 70% aus Aluminium, der Rest aus Kunststoff und Stahl.

Als Arbeitsmittel werden Schraubenschlüssel, Schraubendreher, Akkuschrauber, Kittmesser verwandt ..."

Wegen des gesamten Inhalts dieser Prüfungsniederschrift wird auf Bl. 22 - 26 d.A. Bezug genommen. Zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, dass sämtliche Montage- und sonstige Tätigkeiten, die im Betrieb des Beklagten anfallen, an und in Gewächshäusern verrichtet werden.

Der Kläger hat behauptet, in den Kalenderjahren 1998 bis 2004 sei zu mehr als 50% der persönlichen Gesamtarbeitszeit der beschäftigten Arbeitnehmer die Montage von Gewächshäusern, d.h. das Anschrauben von Sockelelementen an Fundamente sowie anschließend das Zusammenstecken vorgefertigter Aluteile für die Gewächshauskonstruktion erbracht worden. Er hat die Ansicht vertreten, dass es sich bei einem Gewächshaus um ein Bauwerk im tariflichen Sinne handele, weshalb der Beklagte zur Auskunftserteilung und Abführung von Beiträgen verpflichtet sei. Entgegen den Behauptungen des Beklagten habe dieser auch in erheblichem Umfang Aluteile für die Gewächshauskonstruktion selbst montiert.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagtenseite zu verurteilen,

1. dem Kläger auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen, wie viele gewerbliche Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten Dezember 2001 bis Juni 2004 und Oktober 2004 bis Dezember 2004 in dem Betrieb der Beklagtenseite beschäftigt wurden, welche Bruttolohnsumme und welche Sozialkassenbeiträge insgesamt für diese Arbeitnehmer in den jeweils genannten Monaten eingefallen sind;

2. für den Fall, dass diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung innerhalb einer Frist von 6 Wochen nach Urteilszustellung nicht erfüllt wird, an den Kläger folgende Entschädigung zu zahlen: € 91.280,00;

3. an den Kläger € 108.743,50 zu zahlen;

4. das Versäumnisurteil vom 21.03.2005 aufrechtzuerhalten.

Der Beklagte hat beantragt,

das Versäumnisurteil vom 21.03.2005 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass sein Betrieb nicht vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst werde. Er hat zuletzt behauptet, dass in seinem Betrieb folgende Tätigkeiten im Klagezeitraum verrichtet worden seien: Zu 60% seien sog. Glasarbeiten gemacht, nämlich Glasscheiben, Acrylplatten oder Polykarbonatplatten in bereits von anderen Firmen fertig aufgestellte Gewächshauskonstruktionen eingesetzt worden. 30% der Arbeitszeit entfiele auf den Einbau von Schattierungsanlagen. Die übrigen 10% der Arbeitszeit verteilten sich auf die Erneuerung von Folien bei Foliengewächshäusern, das Reparieren von Scheiben und Lüftungsanlagen, das Montieren von Stangen für Lüftungsfenster und das Stecken von H-Böcken, die als Einrichtungsgegenstand von den Gärtnereien benötigt würden. In den 60% Glasarbeiten seien die Reparaturarbeiten für Glasscheiben enthalten. Soweit Aluschiebetüren montiert würden, müssten diese zunächst verglast werden, bevor sie in die vorhandenen Laufschienen der Gewächshauskonstruktion eingesetzt würden; diese Tätigkeit sei ebenfalls in den 60% Glasarbeiten enthalten. Soweit Glasscheiben verwendet würden, handele es sich dabei ausschließlich um vom Beklagten im Handfel bezogenes, genormtes Material, das nicht gesondert zugeschnitten und individuell angepasst werden müsse. Als Arbeitsmittel würden Schraubenschlüssel, Schraubendreher, Akkuschrauber und Kittmesser verwendet. Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Ansprüche des Klägers seien verwirkt, da er sich erst im Jahr 1999 beim Beklagten gemeldet habe und die nächste Mitteilung sodann vom 01. März 2001 datiere. Auch sei der VTV, soweit er eine Zahlungsverpflichtung begründe, rechtswidrig, da ein deutscher Fertighausbauer, der Mitglied in einem Arbeitgeberverband sei, anders als ein ausländischer Fertighausbauer nicht am Sozialkassensystem der Bauwirtschaft teilnehmen müsse.

Mit Urteil vom 29. September 2005 hat das Arbeitsgericht Wiesbaden - 4 Ca 3177/03 - der Klage insgesamt stattgegeben. Es hat u.a. ausgeführt, die Zahlungsverpflichtung des Beklagten folge aus den §§ 18 und 22 des allgemeinverbindlichen Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 12. November 1986 bzw. vom 20. Dezember 1999 in der jeweils geltenden Fassung. Auch das Auskunftsverlangen des Klägers sei begründet und ergäbe sich aus § 21 VTV. Bedenken gegen die rechtliche Wirksamkeit des VTV sowie dessen Allgemeinverbindlichkeitserklärung bestünden nicht. Ein Verstoß gegen Art. 3 GG scheide auch in Bezug auf die Einschränkung der Allgemeinverbindlicherklärung hinsichtlich der Fertigbau ausführenden Betriebe aus. Der Beklagte werde mit allen inländischen, auf dem Gebiet der BRD tätigen Firmen gleich behandelt. Ob ggf. ein mit Sitz im Ausland ansässiger Bauarbeitgeber, der im Inland Fertigbauarbeiten erbringe, eine Ungleichbehandlung geltend machen könne, sei nicht entscheidungserheblich. Der betriebliche Geltungsbereich des VTV sei eröffnet. Entsprechend der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei dabei maßgeblich, ob die Arbeitnehmer arbeitszeitlich gesehen überwiegend bauliche Tätigkeiten im Sinne des Tarifvertrages erbracht hätten. Der Kläger habe insoweit schlüssig behauptet, dass im Betrieb des Beklagten arbeitszeitlich betrachtet überwiegend Gewächshäuser montiert, d.h. Sockelelemente an Fundamente geschraubt sowie anschließend vorgefertigte Aluteile für die Gewächshauskonstruktion zusammengesteckt worden seien. Diese Tätigkeit falle unter die allgemeine Vorschrift des § 1 Abs. 2 VTV, von welcher u.a. die Erstellung, Instandsetzung und Instandhaltung von Bauwerken erfasst würden. Gewächshäuser seien Bauwerke, da unter einem Bauwerk nach ständiger Rechtsprechung jede mit dem Erdboden verbundene oder infolge ihrer eigenen Schwere auf ihm ruhende, aus Baustoffen oder Bauteilen mit baulichem Gerät hergestellte Anlage verstanden werde. Das Gewächshaus ruhe kraft eigener Schwere auf dem Boden und sei darüber hinaus mit dem Boden fest verbunden. Es könne betreten werden, was typisch für ein Gebäude sei. Wenn in der Vergangenheit etwa Metallzäune, Leitplanken und Wintergärten als Bauwerke angesehen worden seien, so müsse das erst recht für Gewächshäuser gelten. Gegenüber diesem schlüssigen Vortrag seien die Einlassungen des Beklagten unerheblich. Denn auch wenn davon ausgegangen würde, dass sich die Tätigkeit des Beklagten im Wesentlichen auf das Einsetzen von Glasscheiben oder Acrylplatten in bereits vorgefertigte Rahmenkonstruktionen beschränke, stelle das eine bauliche Tätigkeit im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV dar. Von dieser Vorschrift werde nämlich nicht nur das Bauhauptgewerbe, sondern auch das Ausbaugewerbe und das Bauhilfsgewerbe erfasst. Damit seien vom Geltungsbereich des VTV alle Tätigkeiten angesprochen, die irgendwie, wenn auch nur auf einem kleinen oder speziellen Gebiet, der Errichtung und Vollendung von Bauwerken oder aber der Instandsetzung, Instandhaltung oder Änderung von Bauwerken zu dienen bestimmt seien, sodass diese Bauwerke in vollem Umfang ihre bestimmungsgemäßen Zwecke erfüllen könnten. Da das Gewächshaus erst mit dem Einbau der Glasscheiben bzw. Acrylplatten bestimmungsgemäß vollendet sei, handele es sich um eine baugewerbliche Tätigkeit. Hierunter fielen auch die weiteren genannten Arbeiten wie z.B. die Schattierungsarbeiten, bei denen spezielle Verschattungskonstruktionen im Dachbereich der Gewächshäuser eingebaut würden, und die Montage von Aluschiebetüren. Der Betrieb des Beklagten unterfalle auch nicht etwa als ein Betrieb des Glaserhandwerks der Ausnahmebestimmung des § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 4 VTV. Der Einbau und die Reparatur von Scheiben stelle eine sog. Sowohl-als auch-Tätigkeit dar. Für die Ausnahme aus dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV komme es dann darauf an, ob neben diesen Sowohl-als auch-Tätigkeiten in nicht unerheblichem Umfang, nämlich mit mindestens 20% der betrieblichen Gesamtarbeitszeit Arbeiten ausgeführt würden, die dem ausgenommenen Gewerk, hier dem Glaserhandwerk, ausschließlich zuzuordnen seien. Für eine solche Ausnahme ließen sich dem Vortrag des Beklagten keine Anhaltspunkte entnehmen. Die Ansprüche des Klägers seien auch nicht verfallen. Der am längsten zurückliegende Beitrag für Dezember 1998 sei am 15. Januar 1999 fällig gewesen und mit der dem Beklagten am 05. Dezember 2003 zugestellten Klageschrift rechtzeitig geltend gemacht worden. Eine Verwirkung der Ansprüche scheide aus, da der Beklagte die Voraussetzungen der Verwirkung nicht dargetan habe.

Dieses Urteil ist dem Beklagten am 05. Dezember 2005 zugestellt worden. Die Berufung des Beklagten ist am 23. Dezember 2005 bei Gericht eingegangen. Die Berufungsbegründung des Beklagten ist nach rechtzeitiger Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 28. Februar 2006 am 14. Februar 2006 bei Gericht eingegangen. Die Berufungsbegründungsschrift ist dem Kläger am 22. Februar 2006 zugestellt worden. Die Anschlussberufung des Klägers ist einschließlich der Begründung am 17. März 2006 bei Gericht eingegangen.

Der Beklagte wendet sich gegen das erstinstanzliche Urteil und behauptet nunmehr, in den einzelnen Kalenderjahren seien durch die gewerblichen Arbeitnehmer folgende Tätigkeiten zu den angegebenen prozentualen Arbeitszeitanteilen verrichtet worden:

1. Auswechseln von Glasscheiben und Glasteilen bzw. Scheiben aus Glas ähnlichem Material an Gewächshäusern, ohne baulichen Zusammenhang zu ca. 40%.

2. Anbringung von Gewebe auf Glasscheiben und an Wänden zum Sicht- und Klimaschutz u.Ä., ohne baulichen Zusammenhang zu ca. 5%.

3. Aufhängen von "Zwischenabteilung" innerhalb Gewächshäusern, ohne baulichen Zusammenhang zu ca. 4%.

4. Elektromotoreinbau, ohne baulichen Zusammenhang zu ca. 5%.

5. Wartung von Lüftungen, Reparatur derselben durch Auswechseln von beweglichen Teilen an der Lüftung und an Fenstern, ohne baulichen Zusammenhang zu ca. 3%.

6. Folienabdeckungen auf Freiflächen von Gärtnereien, ohne baulichen Zusammenhang zu ca. 8%.

7. Fuhr- und Transportleistungen zur Auslieferung für Dritte, ohne baulichen Zusammenhang zu ca. 5%.

8. Lager- und Werkstattarbeiten, ohne baulichen Zusammenhang zu ca. 4%.

9. Baustoffhandel ohne baulichen Zusammenhang zu ca. 2%.

10. Lieferung und Aufstellen von beweglichen Pflanztischen von Gärtnereien ohne baulichen Zusammenhang zu ca. 4%.

11. Einhängen von Aluschiebetüren, ohne baulichen Zusammenhang zu ca. 3%.

12. Aufräumen, Schutt entsorgen u.Ä. nach Sturm, Hagel und sonstigen Schadenseinwirkungen, ohne baulichen Zusammenhang zu ca. 7%.

13. Verlegung und Anschluss von Schläuchen zur Bewässerung von Pflanzenbeeten ohne baulichen Zusammenhang zu ca. 3%.

14. Folieneinbringung in Pflanzkübel ohne baulichen Zusammenhang zu ca. 4%.

15. Folienersatz auf Gewächshäusern ohne baulichen Zusammenhang zu ca. 3%.

Bei diesen Tätigkeiten handele es sich nicht um baugewerbliche Tätigkeiten. Das Auswechseln von Glasscheiben ohne Erstellung der Gewächshäuser selbst bzw. Erstellung der Konstruktion der Gewächshäuser sei eine Tätigkeit, die dem Glaserhandwerk zuzuordnen sei, da es sich dabei nicht um Abdichtungen zwischen Fenster, Türrahmen und Mauerwerk handele. Die Klage sei insgesamt unschlüssig, da der Kläger lediglich mit tariflichen Oberbegriffen arbeite, ohne diese näher zu erläutern. Im Übrigen handele es sich bei der Erstellung von Gewächshäusern um Urproduktion, die vom Begriff des Gewerbes nicht erfasst werde. Auch werde die Einrede der Verjährung erhoben. Auskunftsansprüche würden nach 3 Jahren verjähren. Von daher seien alle Auskunftsansprüche verjährt, soweit diese für einen Zeitraum vor dem 01. Januar 2003 geltend gemacht würden. Darüber hinaus fehle auch das Rechtsschutzbedürfnis für die Auskunftsklage, da der Beklagte zur Abwendung von Vollstreckungsmaßnahmen zwischenzeitlich die Auskunft erteilt habe.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 29. September 2005 - 4 Ca 3177/03 - abzuändern, das Versäumnisurteil vom 21. März 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen; sowie ferner, dem Beklagten und Berufungskläger Vollstreckungsschutz zu gewähren.

Der Kläger beantragt,

1. die Berufung des Beklagten zurückzuweisen;

2. auf die Anschlussberufung des Klägers den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger € 229.273,05 zu zahlen und im Übrigen die Hauptsache für erledigt zu erklären;

3. den Antrag auf Ausschluss der vorläufigen Vollstreckbarkeit (§ 718 Abs. 1 ZPO) zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und verweist hinsichtlich der Verjährungsfrist auf die §§ 25 bzw. 31 VTV. Der Beklagte habe nicht hinreichend dargetan, dass er zu 20% der betrieblichen Arbeitszeit typische Arbeiten des Glaserhandwerks verrichte. Der weiteren Ansicht des Beklagten, das Rechtsschutzbedürfnis für die Auskunftsklage sei entfallen, könne nicht gefolgt werden, da die Auskunft lediglich zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erteilt worden sei. Beim Übergang von der Auskunfts- zur Zahlungsklage sei zugunsten des Beklagten hinsichtlich des Monats Dezember 2001 ein Betrag in Höhe von € 3.213,30 berücksichtigt worden, da lediglich in dieser Höhe der Mindestbeitrag rechtzeitig erhoben und insoweit Verfall und Verjährung unterbrochen worden seien.

Der Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsschriftsätze sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 16. Februar 2007 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden ist gem. §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthaft. Der Beklagte hat sie auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet, §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 517, 519, 520 ZPO. Auch die Anschlussberufung des Klägers ist statthaft, § 524 Abs. 1 ZPO und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 524 Abs. 3 ZPO.

Die Berufung des Beklagten ist in der Sache erfolgreich, denn sein Betrieb fiel im Klagezeitraum nicht unter den Geltungsbereich des VTV, weshalb der Beklagte weder auskunfts- noch beitragspflichtig ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts fallen Betriebe des Baugewerbes unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV, in denen überwiegend entweder die in § 1 Abs. 2 Abschnitt V VTV genannten Beispielstätigkeiten ausgeführt oder aber Leistungen im Sinne der Bestimmungen der Abschnitte I - IV erbracht werden (BAG 18. Januar 1984 - 4 AZR 41/83 - AP Nr. 60 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Ob die entsprechenden baulichen Leistungen überwiegend erbracht werden, bemisst sich danach, ob die überwiegende betriebliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer auf derartige bauliche Tätigkeiten entfällt (BAG 14. Juli 2000 - 10 AZR 918/98 - AP Nr. 232 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).

Dabei ist vorab entgegen der Ansicht des Beklagten festzustellen, dass die Behauptung des Klägers, der Beklagte sei arbeitszeitlich überwiegend mit der Montage von Gewächshäusern befasst gewesen, insoweit schlüssig ist, als damit jedenfalls dargelegt wird, dass der Betrieb des Beklagten nach seiner durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach seiner betrieblichen Einrichtung bauliche Leistungen erbringt, die der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung oder Änderung von Bauwerken dienen, § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV. Wie vom Arbeitsgericht näher ausgeführt, handelt es sich bei der Errichtung eines Gewächshauses um die Erstellung eines Bauwerks. Schlüssig ist diese Behauptung des Klägers, da mit dem Bundesarbeitsgericht davon auszugehen ist, dass nach allgemeinen Grundsätzen ein Sachvortrag zur Begründung eines Klageanspruchs dann schlüssig ist, wenn Tatsachen vorgetragen werden, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person des Klägers entstanden erscheinen zu lassen. Wegen des Informationsungleichgewichts zwischen der C und den jeweils verklagten Arbeitgebern darf die C, die keine näheren Einblicke in dem Gegner bekannte Geschehensabläufe hat, auch von ihr nur vermutete Tatsachen behaupten und unter Beweis stellen. Ein derartiges prozessuales Vorgehen ist erst dann unzulässig, wenn die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen aufstellt und sich deshalb rechtsmissbräuchlich verhält, was in der Regel jedoch nur bei Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte angenommen werden kann oder dann, wenn die Partei selbst nicht an die Richtigkeit ihrer Behauptungen glaubt (BAG 28. April 2004 - 10 AZR 370/03 - AP Nr. 264 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Der Kläger durfte aufgrund des Prüfberichts und der Anlage zur Prüfungsniederschrift des Arbeitsamts Leer vom 08. Februar 2002 sowie aufgrund der Feststellungen des Hauptzollamts Emden vom 31. Oktober 2000 davon ausgehen, dass der Beklagte mit der Montage von Gewächshäusern befasst war, da entsprechende Behauptungen nach Überprüfung des Betriebs des Beklagten vom Arbeitsamt Emden sowie vom Hauptzollamt in ihren Berichten festgehalten sind.

Demgegenüber sind an sich, wie bereits vom Arbeitsgericht ausführlich dargelegt, die Einlassungen des Beklagten unerheblich. Zwar bestreitet der Beklagte, ganze Gewächshäuser montiert zu haben. Darauf kommt es jedoch auch nicht an. Der Beklagte räumt ein, dass er an Gewächshäusern Glasscheiben und Glasteile bzw. Scheiben aus Glas ähnlichem Material, welche von ihm vorgefertigt zugekauft werden, montiert (40%), dass er Gewebe auf Glasscheiben und an Wänden zum Sicht- und Klimaschutz anbringt (5%), dass er Zwischenabteilungen innerhalb der Gewächshäuser aufgehängt hat (4%), dass er Elektromotoren im Gewächshaus eingebaut (5%) und die Wartung von Lüftung sowie die Reparatur derselben durch Auswechseln von beweglichen Teilen an der Lüftung und an den Fenstern vornimmt (3%) und dass er Aluschiebetüren in Gewächshäuser eingehängt hat (3%). All diese Tätigkeiten, die mehr als 50% der betrieblichen Gesamtarbeitszeit ausmachen, dienen der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung oder Änderung des Gewächshauses, denn erst wenn das Gewächshaus mit Glasscheiben versehen, wenn Gewebeschichten für die Verschattung angebracht, die Zwischenabteilung aufgehängt, der Elektromotor eingebaut, die Lüftung funktionsfähig gehalten und die Schiebetüren angebracht sind, ist das Gewächshaus entsprechend seiner Funktionsbestimmung fertig gestellt bzw. instand gesetzt. Die vom Beklagten mit 40% Arbeitszeitanteil angegebenen Glaserarbeiten führen schon deshalb nicht dazu, dass der Betrieb des Beklagten nicht vom Geltungsbereich des VTV gem. § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Ziffer 4 erfasst wird, da diese Tätigkeit arbeitszeitlich nicht überwiegt. Im Übrigen hat der Beklagte keine Tatsachen behauptet, aus denen sich ergibt, dass er zu 20% typische Glaserarbeiten verrichtet (vgl. zu dem vergleichbaren Problem der Erstellung von Wintergärten: BAG 22. November 1995 - 10 AZR 500/95 - Juris).

Letztlich kann aber all das dahinstehen, da der Beklagte, sei es mit der Montage von Gewächshäusern, sei es mit den vom Beklagten behaupteten Einzeltätigkeiten, im Zusammenhang mit der Erstellung von Gewächshäusern deshalb nicht dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV unterfällt, da er keinen Betrieb des Baugewerbes unterhielt. Zur Anwendbarkeit des VTV gehört nämlich nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 2 Abschnitt I - III VTV auch, dass die entsprechende Arbeit gewerblich geleistet wird. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG ist die Gewerbsmäßigkeit der Tätigkeit damit ein allgemeines Tatbestandsmerkmal des betrieblichen Geltungsbereichs (BAG 03. August 2005 - 10 AZR 561/04 - Juris; BAG 28. Juli 2004 - 10 AZR 580/03 - AP Nr. 268 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Insoweit ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien den Begriff des Gewerbes im VTV nicht selbst definieren, dieser Begriff aber in höchstrichterlicher Rechtsprechung und Lehre ganz unumstritten ist. Der Gewerbebegriff umfasst danach alle erlaubten selbstständigen Tätigkeiten, die auf nachhaltige Gewinnerzielung gerichtet sind und fortgesetzt ausgeübt werden. Vom Gewerbebegriff nicht erfasst wird die sog. Urproduktion, worunter etwa Land- und Forstwirte, Gärtnereien, Züchter von Tieren für Zwecke der Ernährung, Mastbetriebe, Berufsfischer u.a. zählen. Ausgenommen vom Gewerbebegriff sind darüber hinaus die freien Berufe und der öffentliche Dienst (BAG 03. August 2005, a.a.O.).

Wie vom BAG in seiner Entscheidung vom 03. August 2005 angedeutet, sind auch solche Tätigkeiten, die mit Tätigkeiten in der Urproduktion in engem Zusammenhang stehen, nicht dem baugewerblichen Bereich zuzuordnen. Soweit das in früheren Entscheidungen des BAG anders gesehen und z. B. davon ausgegangen wurde, dass etwa Drainagearbeiten, die allein zum Zwecke der Entwässerung von landwirtschaftlichen Flächen durchgeführt wurden, zwar spezifisch landwirtschaftlicher Natur seien, aber zugleich auch von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Ziffer 2 VTV erfasst würden (vgl. BAG 24. Januar 1990 - 4 AZR 561/89 - AP Nr. 126 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; BAG 26. Januar 1994 - 10 AZR 130/92 - Juris), ist dem nicht zu folgen. Vielmehr gilt, dass die Erstellung von Gewächshäusern, die nach allgemeiner Definition meist allseitig verglaste Schutzhäuser darstellen, in denen die zur Anzucht und Pflege von Pflanzen notwendigen klimatischen Bedingungen (Beleuchtung, Temperatur, Luftfeuchtigkeit) erzeugt werden können (Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch 1981, 2. Aufl.), unmittelbar und primär der gartenbaulichen Produktion dienen, soweit sie nicht auch etwa zu Forschungszwecken oder zur Zur-Schau-Stellung etwa in botanischen Gärten eingesetzt werden. Die Bauweise kann dabei variieren von einfachen Foliengewächshäusern, die über der zu bebauenden Fläche aufgestellt werden, über fest verankerte bis hin zu gemauerten Gewächshäusern, die mit lichtdurchlässigen Abdeckungen aus Glas, Glasfaser oder Kunststofffolien, mit Insektennetzen und Schattiergewebe, mit Lüftung und Temperaturregelung, ggf. mit Bewässerungs-, Beregnungs- und Heizungsanlagen etc. ausgestattet sind. Wie immer diese Anlagen auch errichtet und ausgestattet sind, dienen sie überwiegend und unmittelbar der gartenbaulichen Produktion, weshalb auch diejenigen Tätigkeiten, die mit ihrer Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung verbunden sind, der Urproduktion dienen.

Unabhängig davon, dass entgegen der Ansicht des Beklagten der Auskunftsklage nicht etwa deshalb das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, weil der Beklagte zur Abwendung der Zwangsvollstreckung die Auskunft erteilt hat (vgl. dazu Palandt, BGB, 63. Aufl. 2004, § 362 Rn 12, m.w.N.), sind sowohl die Auskunftsklage wie auch die im Wege der Anschlussberufung erhobene Beitragsklage abzuweisen, da der Betrieb des Beklagten im Klagezeitraum nicht dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV unterfiel; aus diesem Grunde konnte auch durch die Auskunftserteilung die Hauptsache nicht erledigt werden.

Der Kläger hat gem. § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird gem. § 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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