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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 02.06.2005
Aktenzeichen: 11 Sa 570/04
Rechtsgebiete: ArbPlSchG, SVG


Vorschriften:

ArbPlSchG § 12
SVG § 8 III
Anrechnung der Militärzeit bei der X Luftwaffe der A auf das Arbeitsverhältnis eines Piloten bei dem E-konzern.

Auslegung des Begriffs "im Anschluss an den Grundwehrdienst" in § 12 ArbPlSchG


Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 24. Februar 2004 (Az. 4 Ca 386/03) abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, die vom Kläger vom 07. November 1961 bis 22. März 1962 und vom 02. September 1964 bis zum 02. Juni 1966 geleistete Pflichtwehrdienstzeit in der x Luftwaffe bzw. der x Marine der A als versorgungsfähig anzuerkennen und auf die betriebliche Altersversorgung des Klägers anzurechnen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Anrechnung von Zeiten, in denen der Kläger in der x Luftwaffe und der x Marine der A gedient hatte, als Dienstzeiten bei der Beklagten.

Der am 24. April 1942 in B geborene Kläger ist x Staatsangehöriger. Er hat vom 07. November 1961 bis 22. März 1962 bei der x Luftwaffe der A gedient, zuletzt im Range eines Unteroffiziers. Vom 23. März 1962 bis Juli 1964 schloss sich eine zivile Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer bei der C an. Vom 02. September 1964 bis 16. März 1965 leistete der Kläger Wehrdienst bei der x Marine der A und wurde anschließend bis 02. Juni 1966 als Flieger im D eingesetzt. Von Juli 1966 bis 03. Januar 1967 absolvierte der Kläger eine Ausbildung zum Fluglehrer und schloss diese mit einer entsprechenden Lizenz ab. Am 09. Januar 1967 bestand das Arbeitsverhältnis zur E AG.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Zeiten des A Militärdienstes seien auf sein Arbeitsverhältnis anzurechnen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, die vom Kläger vom 07. November 1961 bis 22. März 1962 und vom 02. September 1964 bis zum 02. Juni 1966 geleistete Pflichtwehrdienstzeit in der x Luftwaffe bzw. der x Marine der A (Pflichtwehrzeit) als versorgungsfähig anzuerkennen und auf die betriebliche Altersversorgung des Klägers anzurechnen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass die von ihm geleisteten Wehrdienstzeiten dem Grundwehrdienst oder einer Wehrübung gemäß § 12 ArbPlSchG entsprächen. Darüber hinaus hätten zwischen der Beendigung des Wehrdienstes und seiner Einstellung bei der E Zeiten gelegen, die eine Anrechnung der früheren Zeiten ausschlössen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird verwiesen.

Gegen das ihm am 27. Februar 2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 25. März 2004 Berufung eingelegt und nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 27. Mai 2004 die Berufung mit am 26. Mai 2004 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Der Kläger vertieft sein Vorbringen erster Instanz. Er behauptet, bei der Beklagten bestehe eine betriebliche Übung dahingehend, dass diese Zeiten auch dann als Betriebszugehörigkeitszeiten angerechnet werden, wenn die Wehrdienstzeit nicht unmittelbar der Einstellung vorausgeht, sondern, wie im Falle des Klägers, zwischen dem Wehrdienst und der Einstellung eine zweckdienliche Ausbildungsphase gelegen habe. Eine entsprechende Übung bestehe insgesamt im Ekonzern. Der Kläger hat weiter die Auffassung vertreten, er sei unmittelbar nach seiner Wehrdienstzeit bei der E eingetreten, weil zwischen der Wehrdienstzeit und dem Eintritt ausschließlich berufsbedingte Vorbereitungszeiten im Hinblick auf den Einsatz als Flugzeugführer gelegen hätten. Der Kläger behauptet, die E AG habe vor der Einstellung des Klägers dessen "Freistellungserklärung" der A Verteidigungsbehörden bei dessen Bewerbung im Jahre 1966 als Voraussetzung gefordert. Der Kläger habe sich noch während seiner Wehrdienstzeit in den A bei der E beworben. Voraussetzung für die Freistellung sei gewesen, dass er sich zunächst bei allen drei in den A tätigen damals aktiven Fluggesellschaften beworben habe, um von dort eine Absage zu erhalten. Erst nachdem die a Fluggesellschaften dem Kläger keine Einstellung avisieren konnten, habe er die Freistellung erhalten. Zwischenzeitlich sei die Wehrpflichtzeit zu Ende gegangen und er habe zur Überbrückung eine Ausbildung bei der internationalen Luftfahrtschule der A begonnen, wo er zum Fluglehrer ausgebildet worden sei. Als er dann die Freistellung kurz nach Weihnachten 1966 erhalten habe, habe die E ihn umgehend am 09. Januar 1967 eingestellt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt abzuändern und nach den erstinstanzlichen Schlussanträgen zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht. Sie ist der Auffassung, auch aus § 8 SVG ergäbe sich der geltend gemachte Anspruch des Klägers nicht. Zeiten des Wehrdienstes seien nur dann anzurechnen, wenn ein Arbeitsverhältnis im Anschluss an die Entlassung aus dem Wehrdienst begründet worden sei. Nach der Bescheinigung des A Verteidigungsministeriums sei der Wehrdienst spätestens zum 16. März 1965 beendet worden. Aus der Bescheinigung ergäbe sich nicht, dass die sich daran anschließende Reservistenzeit als Wehrdienst zu verstehen sei. Da der Kläger nach dem Ende der Reservistenzeit zum Fluglehrer sich habe ausbilden lassen und auch als Fluglehrer tätig geworden sei, habe er auch aus diesem Grunde nicht im Anschluss an die Wehrdienstzeit ein Arbeitsverhältnis zur E AG begründet.

Zur Ergänzung des beiderseitigen Berufungsvorbringens wird auf die von den Parteien in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach dem Wert des Streitgegenstandes statthafte Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und rechtzeitig begründet worden.

In der Sache selbst ist die Berufung des Klägers begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Anrechnung der im Tenor genannten Zeiten als versorgungsfähige Zeiten.

1. Der Kläger hat einen Anspruch darauf, gemäß Art. 39 des EG-Vertrages bezüglich seines in den A geleisteten Grundwehrdienstes und seines Wehrdienstes so gestellt zu werden, wie ein deutscher Staatsangehöriger bei der Erfüllung des Grundwehrdienstes und des Wehrdienstes (vgl. BAG, U. v. 05.12.1969 - 5 AZR 215/68).

2. Anspruchsgrundlage für den Anspruch des Klägers ist, soweit es den Grundwehrdienst des Klägers betrifft, § 12 Abs. 1 Satz 2 ArbPlSchG a. F., da § 12 Abs. 1 Satz 2 ArbPlSchG n. F. erst zum 31. Dezember 1977 und damit nach der Einstellung des Klägers bei der E in kraft getreten ist (vgl. BAG, U. v. 16.09.1987 - 5 AZR 573/86).

§ 12 Abs. 1 Satz 2 ArbPlSchG a. F. lautet:

"Wird ein entlassener Soldat im Anschluss an den Grundwehrdienst oder an eine Wehrübung als Arbeitnehmer eingestellt, gilt § 6 Abs. 2 - 4, nachdem er sechs Monate lang dem Betrieb oder der Verwaltung angehört."

3. Nach Auffassung der erkennenden Kammer hat der Kläger das Arbeitsverhältnis mit der E AG im Anschluss an den Grundwehrdienst begonnen. Aus der Bescheinigung des A Verteidigungsministeriums ergibt sich, dass der Kläger vom 07. November 1961 bis 22. März 1962 und vom 02. September 1964 bis 02. Juni 1966 als Wehrpflichtiger im tätigen Militärdienst bei der x Luftwaffe bzw. der x Marine gestanden hat. Ob er in Teilen hiervon (vom 16. März 1965 bis 02. Juni 1966) Reservist war, ist rechtlich nicht von Bedeutung, da der Kläger gemäß der Bescheinigung des A Verteidigungsministeriums während der gesamten Zeit Wehrpflichtiger im tätigen Militärdienst war.

4. Entscheidend war daher ausschließlich, ob der Kläger das Arbeitsverhältnis zur E AG im Anschluss an diese Militärzeit begründet hat. Dies war zu bejahen.

Für die Frage, was unter "im Anschluss an den Grundwehrdienst" zu verstehen ist, ist auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 8 Abs. 3 SVG zurückzugreifen, da der Gesetzgeber Wehrpflichtige (§ 12 Abs. 1 Satz 2 ArbPlSchG) und Soldaten auf Zeit (§ 8 Abs. 3 SVG) nicht unterschiedlich behandeln wollte (vgl. BAG, U. v. 22.05.1974 - 5 AZR 427/73 unter 1 a d. Gr.).

Daher ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:

a) Der Grundwehrdienst ist im ersten auf Dauer angelegten Arbeitsverhältnis anzurechnen, das der Wehrpflichtige nach Beendigung seines Wehrdienstes begründet (vgl. BAG, a. a. O. unter 1 d. Gr.).

b) Es gibt keine feste Regel, bis zu welcher Zeitspanne eine Unterbrechung zwischen der Entlassung aus dem Wehrdienst und der Begründung eines Arbeitsverhältnisses die Anrechnung ausschließt (vgl. BAG, a. a. O., unter 3 d d. Gr.).

c) Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem sich der Wehrpflichtige um das erste Arbeitsverhältnis nach Beendigung seiner Wehrzeit beworben hat, da er auf die Spanne zwischen Bewerbung und Einstellung keinen Einfluss hat (vgl. BAG, a. a. O., 4 a d. Gr.).

Die Anrechnung dieser Grundsätze auf den Streitfall führt zu folgendem Ergebnis: Der Kläger wurde am 02. Juni 1966 aus dem Militärdienst entlassen. Wie er in der mündlichen Verhandlung nachgewiesen hat, hat er sich bei der E AG am 13. / 15. Juni 1966 in Hamburg vorgestellt. Daraus folgt, dass er sich unmittelbar nach, wenn nicht sogar schon vor Beendigung der Militärzeit bei der E AG beworben hat. Dass sich der Kläger nach seiner Entlassung als Wehrpflichtiger bis 03. Januar 1967 zum Fluglehrer hat ausbilden lassen und auch als Fluglehrer tätig wurde, schadet nicht. Angesichts des Umstandes, dass er sich unmittelbar nach Beendigung des Wehrdienstes bei der E AG beworben hat und die Ausbildung zum Fluglehrer im Juli 1966, also nach dem Vorstellungsgespräch bei der E AG begonnen wurde, kann diese nicht als erstes zur Eingliederung in das Berufsleben führende Arbeitsverhältnis angesehen werden, sondern ist vielmehr als Zeit der Überbrückung einer voraussichtlich längeren Bewerbungszeit zu verstehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Mit Rücksicht auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache war die Revision zuzulassen (§ 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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