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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 27.06.2007
Aktenzeichen: 11 Ta 83/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 384 Nr. 1
ZPO § 387
1. Das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 384 ZPO gibt dem Zeugen erst dann das Recht, auf Fragen, die ihn in die vom Gesetz umschriebene Konfliktlage bringen könnten, nicht zu antworten, wenn zuvor Fragen überhaupt gestellt wurden.

2. Verfahrensfehlerhaft ist es, in einem Zwischenurteil über die Berechtigung einer Zeugnisverweigerung gem. § 384 ZPO zu entscheiden, ohne dem Zeugen zuvor überhaupt Fragen zur Person und zur Sache gestellt zu haben.


Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird das Zwischenurteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 07. Februar 2007 - 7 Ca 6430/05 - aufgehoben.

Die Weigerung des Zeugen A, Fragen zu dem Thema des Beweisbeschlusses vom 15. März 2006 zu beantworten, ist nicht berechtigt.

Die Kosten des Zwischenstreits hat der Zeuge A zu tragen.

Der Beschwerdewert beträgt 7.474,53 EUR.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich mit seiner sofortigen Beschwerde gegen ein Zwischenurteil über die Berechtigung einer Zeugnisverweigerung.

Der am 9. Mai 1962 geborene, verheiratete Kläger wurde bei der Beklagten ab dem 1. Mai 1992 als Hausmeister beschäftigt. An Vergütung erhielt der Kläger zuletzt € 2.491,51 brutto im Monat. Mit Schreiben vom 21. Juli 2005 (Bl. 5 und 6 d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitverhältnis mit dem Kläger außerordentlich fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 31. März 2006 wegen des Verdachts des Diebstahls bzw. der Unterschlagung von Kabelresten sowie wegen der Begehung vermögensrechtlicher Straftaten zu ihren Lasten. Mit seiner am 27. Juli 2005 bei dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main erhobenen Kündigungsschutzklage hat sich der Kläger gegen die Wirksamkeit dieser Kündigungen gewandt.

Mit einem am 15. März 2006 verkündeten Beschluss (Bl. 73 d. A.) hat das Arbeitsgericht angeordnet, dass über die Behauptung der Beklagten, die Vorgesetzten B und C hätten einer Verwertung der Kabelreste durch den Kläger nicht zugestimmt, unter anderem durch Vernehmung des Zeugen A Beweis erhoben werden soll. Der Zeuge A ist bei der Beklagten beschäftigt. Sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten besteht nach außergerichtlicher Einigung seit dem 1. April 2006 erneut, nachdem es im Zusammenhang mit den auch gegen den Kläger erhobenen Vorwürfen mit Schreiben vom 29. Juli 2005 außerordentlich fristlos gekündigt worden war. Der Zeuge A hat sich mit Schriftsätzen vom 14. Juni 2006, 8. August 2006, 23. November 2006 und 7. Februar 2007 auf das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 384 Nr. 1 ZPO berufen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, durch seine Vernehmung sei nicht auszuschließen, dass er sein Arbeitsverhältnis zur Beklagten (wieder) gefährde und er sich unter Umständen gegenüber der Beklagten regresspflichtig machen würde. Im Kammertermin vom 14. Juni 2006 ist der Zeuge A trotz ordnungsgemäßer Ladung ausweislich des Verhandlungsprotokolls (Bl. 81 bis 84 d. A.) nicht erschienen. Im Kammertermin vom 7. Februar 2007 hat das Arbeitsgericht ausweislich des Verhandlungsprotokolls (Bl. 191 d. A.) den erschienen Zeugen A weder zur Person noch zur Sache vernommen.

Mit einem am 7. Februar 2007 verkündeten Zwischenurteil - 7 Ca 6430/05 (Bl. 197 bis 205 d. A.) - hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main festgestellt, dass der Zeuge A gem. § 384 Nr. 1 ZPO zur Zeugnisverweigerung berechtigt sei. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Zeuge A sei vom Kläger für Sachverhalte und Fragen benannt, deren Beantwortung dem Zeugen A einen unmittelbaren vermögensrechtlichen Schaden verursachen würde. So könne nicht ausgeschlossen werden, dass durch die Vernehmung des Zeugen A dessen Arbeitsverhältnis zur Beklagten gefährdet und er sich möglicher Regressansprüche der Beklagten aussetzen würde. Gegen das ihm am 16. Februar 2007 (Bl. 206 d. A.) zugestellte Zwischenurteil hat der Kläger am 28. Februar 2007 sofortige Beschwerde eingelegt und diese zugleich begründet (Bl. 209 bis 211 d. A.). Der Vorsitzende des Arbeitsgerichts hat der sofortigen Beschwerde des Klägers gegen das Zwischenurteil mit Beschluss vom 28. Februar 2007 (Bl. 212 d. A.) nicht abgeholfen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen sowie auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze des Zeugen A verwiesen.

II.

1.

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen das Zwischenurteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 7. Februar 2007 - 7 Ca 6430/05 - ist gem. §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 387 Abs. 1 ZPO, 78 ArbGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist sie gem. §§ 569 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, 572 Abs. 2, 222 Abs. 1 ZPO, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB, 78 ArbGG frist- und formgerecht eingelegt worden.

2.

Die sofortige Beschwerde des Klägers hat in der Sache Erfolg, weil sie begründet ist. Zu Unrecht hat das Arbeitsgericht ein Zeugnisverweigerungsrecht des Zeugen A bejaht. Ihm steht bezogen auf den Beweisbeschluss vom 15. März 2006 nicht von vorneherein das Recht zu, Fragen nicht zu beantworten.

a)

Auf der Grundlage des § 384 Nr. 1 ZPO kann das Zeugnis verweigert werden über Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen oder einer Person, zu der er in einem der in § 383 Nr. 1 bis 3 ZPO bezeichneten Verhältnis steht, einen unmittelbaren vermögensrechtlichen Schaden verursachen würde. Dabei muss der drohende Vermögensschaden für den Zeugen die unmittelbare Folge der Aussage sein. Für die Annahme einer die Zeugnisverweigerung rechtfertigenden Vermögensgefährdung genügt es, dass durch die Aussage entweder die tatsächlichen Voraussetzungen einer Haftung des Zeugen als Schuldner, Bürge usw. erst begründet werden könnten oder dass hierdurch die Durchsetzung einer bereits bestehenden Schuldverpflichtung des Zeugen nur erleichtert werden könnte (Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 384 Rn 4 m.w.N.).

b)

Bei Anwendung der vorgenannten Grundsätze hat das Arbeitsgericht die Reichweite des § 384 ZPO verkannt. In den in § 384 ZPO im Einzelnen aufgeführten Fällen kann das Zeugnis über bestimmte Fragen verweigert werden. Dieses auf solche Fragen gegenständlich (Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 384 Rn 1) beschränkte Aussageverweigerungsrecht ist nicht so umfassend wie in den Fällen § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ZPO. Zweck des § 384 ZPO ist es, den Zeugen vor nachteiligen Folgen seiner eigenen wahrheitsgemäßen Aussage zu schützen (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2006 - III ZB 2/06, NJW 2007, S. 155 f.). Niemand soll aus seiner Zeugnispflicht zu selbstschädigenden Handlungen gezwungen werden (BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 1992 - 1 BvR 1047/90, n.v., juris). Dabei gibt § 384 ZPO dem Zeugen grundsätzlich nicht das Recht, die Aussage insgesamt zu verweigern; es gestattet ihm nur, solche Fragen nicht zu beantworten, die ihn in die vom Gesetz umschriebene Konfliktlage bringen können (BGH, Urt. v. 18. Oktober 1993 - II ZR 255/92, NJW 1994, S. 197 ff.). Ob dies vorliegend der Fall sein könnte, lässt sich alleine aufgrund des Beweisbeschlusses vom 15. März 2006 nicht beurteilen. Vielmehr müssen dem Zeugen A zunächst einmal Fragen gestellt werden (Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl., § 384 Rn 1). Es liegt dann bei ihm, sich auf sein Recht, die Frage nicht zu beantworten, zu berufen (BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 1974 - 2 BvR 747/73, BVerfGE 38, 105, 113). Es geht grundsätzlich nicht an, im Hinblick darauf, dass für den Zeugen A eine jener Konfliktlagen iSv. § 384 ZPO eintreten könnte, ihn erst gar nicht zu befragen (BGH, Urt. v. 18. Oktober 1993, a.a.O., ebd.). Dies gilt umso mehr, da das Arbeitsgericht das Beweisthema im Beweisbeschluss vom 15. März 2006 recht offen formuliert hat. Zwar ist dem Arbeitsgericht zuzugeben, dass die Berufung auf ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 384 ZPO im Einzelfall ausnahmsweise dazu führen kann, dass ein Zeuge zur Sache überhaupt nicht aussagen braucht (Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 384 Rn 1). Aber auch das setzt voraus, dass ihm zunächst einmal Fragen überhaupt gestellt werden. Verfahrensfehlerhaft wäre es, den Zeugen A entgegen dem Beweisbeschluss vom 15. März 2006 erst gar nicht zur Person und zur Sache zu vernehmen (BGH, Urt. v. 18. Oktober 1993, a.a.O., ebd.).

c)

Damit hat das Arbeitsgericht den Zeugen A zunächst einmal zur Person und zur Sache zu befragen. Der Zeuge A wiederum hat seiner allgemeinen staatsbürgerlichen Zeugenpflicht zu genügen, solange er sich nicht hinsichtlich einzelner Fragen zur Sache auf ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 384 ZPO berufen kann. Angesichts des weiten Beweisthemas lässt sich für das Beschwerdegericht allerdings nicht ausschließen, dass der Zeuge A die eine oder andere Frage zur Sache doch beantworten kann. Beispielsweise könnte der Zeuge A alle die Fragen beantworten, die sich ausgehend vom Beweisthema im Beweisbeschluss vom 15. März 2006 ausschließlich auf den Kläger und die gegen ihn erhobenen Vorwürfe beziehen, ohne dabei auf seine mögliche eigene Beteiligung an dem behaupteten Tatgeschehen einzugehen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, da die Zeugnisverweigerung des Zeugen A unberechtigt war.

Der Streitwert des Zwischenstreits entspricht dem der Hauptsache (Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 387 Rn 5). Damit errechnet sich der Beschwerdewert aus dem dreifachen Bruttomonatsbezug des Klägers bei der Beklagten, § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist kein gesetzlicher Grund gegeben, §§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG. Damit ist dieser Beschluss unanfechtbar, § 574 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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