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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 12.03.2009
Aktenzeichen: 12 Ta 380/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 887
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 27.08.2008 - 9 Ca 1647/07 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Gläubigerin wendet sich mit ihrer am 19.09.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde gegen den ihr am 5.09.2008 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts vom 27.08.2008, mit dem ihr Antrag auf Verhängung eines Zwangsgeldes zur Durchsetzung der von der Schuldnerin im gerichtlichen Vergleich vom 17.04.2008 eingegangenen Verpflichtung zur Erteilung von Gehaltsabrechnungen kostenpflichtig zurückgewiesen wurde.

Die Parteien schlossen am 17.04.2008 vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden einen Vergleich, in dessen Ziff. 2 die Schuldnerin sich u. a. verpflichtete, das Arbeitsverhältnis bis zu dem in Ziff. 1 genannten Zeitpunkt (31.05.2008) ordnungsgemäß abzurechnen. Im Verhandlungsprotokoll ist weiter die unstreitige Höhe der Bruttomonatsvergütung der Gläubigerin festgehalten. Den Zwangsmittelantrag der Gläubigerin hat das Arbeitsgericht mit der Begründung, der Vergleich habe keinen vollstreckungsfähigen Inhalt, zurückgewiesen. Nach Einlegung ihrer sofortigen Beschwerde gegen diesen Beschluss erhielt die Gläubigerin am 26.09.2008 von der Schuldnerin Gehaltsabrechnungen für die Monate April und Mai 2008, die sie als Erfüllung der Ziff. 2 des Vergleichs akzeptierte. Danach hat sie das Zwangsvollstreckungsverfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Schuldnerin hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen.

Die Gläubigerin ist der Ansicht, die Einleitung der Zwangsvollstreckung sei notwendig gewesen, weil die Schuldnerin zunächst unvollständige Abrechnungen vorgelegt habe. Weder sei der gesamte Zeitraum erfasst noch sei der volle der Gläubigerin zustehende Nettobetrag abgerechnet worden. Erst die am 26.09. 2008 übersandten Abrechnungen seien vollständig gewesen. Sie ist der Ansicht, der Vergleich habe einen vollstreckungsfähigen Inhalt. Ziff. 2 des Vergleichs sei zu entnehmen, dass die Schuldnerin Abrechnungen für die Monate April und Mai 2008 erstellen solle. Die Höhe der abzurechnenden Bruttomonatsvergütung sei im Terminsprotokoll festgehalten. Die vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs sei der Schuldnerin als Anlage zum Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 20.06.2008 zugestellt worden.

Die Gläubigerin beantragt,

festzustellen, dass das Verfahren erledigt ist und der Schuldnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Schuldnerin beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Die Schuldnerin behauptet, die vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs sei ihr nie zugestellt worden.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 62 Abs. 2 ArbGG, 793 ZPO an sich statthaft und wurde innerhalb der in § 569 Abs. 1 ZPO normierten Zweiwochenfrist eingelegt.

In der Sache selbst bleibt die Beschwerde jedoch ohne Erfolg, weil sie unbegründet ist. Der Antrag auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache war zurückzuweisen, weil der Zwangsvollstreckungsantrag von Anfang an unzulässig war.

Die einseitige Erledigungserklärung der klagenden Partei führt nach der Rechtsprechung des BGH und der h.M. im Schrifttum (BGH NJW 1994, 2363; Musielak/Wolst ZPO 5. Aufl. § 91 a Rz. 29 mit weiteren Nachw.) zur Änderung des Streitgegenstands, die als Beschränkung der Klage nach § 264 Nr. 2 ZPO regelmäßig zulässig ist. Die klagende Partei begehrt dann, festzustellen, dass ihre ursprünglich zulässige und begründete Klage unzulässig oder unbegründet geworden ist. Liegen diese Voraussetzungen vor, spricht das Gericht die Erledigung aus und bestimmt, dass die beklagte Partei die Kosten zu tragen hat. Diese Regelungen kommen analog auch im Beschlussverfahren zur Anwendung (Musielak/Wolst a.a.O.). Die Voraussetzungen für eine Erledigung der Hauptsache liegen hier nicht vor; denn der ursprüngliche Zwangsgeldantrag war nicht zunächst zulässig, sondern von Anfang an aus mehreren Gründen unzulässig.

Schon die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung (Titel, Klausel, Zustellung) lagen nicht vor. Die Gläubigerin hat die Zustellung der vollstreckbaren Ausfertigung des Titels nicht in geeigneter Form nachgewiesen. Ein entsprechender Nachweis war nach dem Bestreiten der Schuldnerin erforderlich. Die Gläubigerin hat jedoch lediglich die Kopie eines Schreibens vom 20.06.2008 an die Schuldnerin vorgelegt, in dem die vollstreckbare Ausfertigung weder erwähnt noch in Bezug genommen ist, und dazu behauptet, sie habe sie der Schuldnerin als Anlage zum Schreiben vom 20.06.2008 zugestellt. Allein mit der Vorlage des Schreibens ist kein hinreichender Nachweis für die tatsächliche Zustellung geführt.

Der Vollstreckungsantrag war auch deshalb unzulässig, weil die Verpflichtung zur Erteilung von Abrechnungen nicht nach § 888 ZPO durch Verhängung eines Zwangsgeldes, sondern nach § 887 ZPO zu vollstrecken ist.

Zur Erteilung von Lohn- und Gehaltsabrechnungen ist der Schuldner nach der ständigen Rechtsprechung des Hess. Landesarbeitsgerichts und der weitaus überwiegenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung (Hess LAG 26.6. 2003 - 16 Ta 168/03; 6.10.2006 - 12 Ta 288/06; 6.10.2006 - 12 Ta 384/06; 16.10.2006 - 12 Ta 315/06; Musielak/Lackmann ZPO 5. Aufl. § 887 Rn. 14, 15, Germelmann/Matthes/Prütting ArbGG5 Aufl. § 62 Rz. 1066, LAG Hamm 11.08.1983 DB 1983, 2257; Lag Köln 20.11.1990 MDR 1991, 650) nicht nach § 888 ZPO, sondern nach § 887 ZPO anzuhalten. Bei der Erteilung einer Lohnabrechnung handelt es sich grundsätzlich um eine vertretbare Handlung. Verdienstabrechnungen können nämlich in der Regel von jedem sachkundigen Dritten, etwa einem Steuerberater, einem Buchsachverständigen oder sonstigen Fachmann erstellt werden, soweit die betrieblichen Unterlagen zur Verfügung stehen. Auch der Arbeitgeber selbst kann die Abrechnungen nur nach denselben betrieblichen Unterlagen erstellen. Die Einsichtnahme in betriebliche Unterlagen muss der Schuldner dulden, dies kann über § 892 ZPO erzwungen werden.

Des Weiteren fehlt es dem Titel an einem vollstreckungsfähigen Inhalt. Die Verpflichtung, bis zum Beendigungszeitpunkt ordnungsgemäß abzurechnen, ist nicht vollstreckbar. Der Inhalt der Verpflichtung aus einem Vergleich muss sich abschließend aus dem Vergleichstext selbst ergeben. Das ist hier nicht der Fall. Zum einen ist nicht klar, auf welchen Zeitraum sich die Abrechnungspflicht beziehen soll, da lediglich der Endzeitpunkt 31.05.2008 bestimmbar ist. Zum anderen erschließt sich aus dem Vergleichstext nicht, was eine "ordnungsgemäße" Abrechnung meint. Damit die Verpflichtung hinreichend bestimmt und vollstreckbar ist, müssen sowohl die Lohnhöhe, von der auszugehen ist (Stundenlohn bzw. Monatsgehalt) als auch die Anzahl der abzurechnenden Stunden, bzw. bei Gehaltsempfängern der konkrete Zeitraum, der abgerechnet werden soll, in den Titel mit aufgenommen werden (Hess LAG 24.03.2006 - 5 Ta 26/06). Zumindest letzteres ist hier nicht der Fall.

Die Gläubigerin hat gemäß §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 ZPO die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

Ein Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§§ 78 S. 2, 72 Abs. 2 ArbGG) war nicht ersichtlich. Damit ist der Beschluss unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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