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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 18.10.2005
Aktenzeichen: 13 Sa 332/05
Rechtsgebiete: ZPO, BPersVG, BetrVG


Vorschriften:

ZPO § 256 I
ZPO § 322
BPersVG § 79 II 1
BetrVG § 102 V 1
Nach rechtskräftiger Feststellung des Endes eines Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Zeitpunkt im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses ist eine Klage auf Feststellung des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses über diesen Zeitpunkt hinaus bis zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung im Kündigungsschutzprozess als Weiterbeschäftigungsverhältnis gemäß § 79 Abs. 2 Satz 1 BPersVG oder § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG unzulässig.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 08. Dezember 2004 - 9 Ca 8228/03 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Weiterbeschäftigung der Klägerin nach gerichtlich angegriffener Kündigung der A, bei denen die Klägerin beschäftigt war.

Die am 26. März 1955 geborene, verheiratete und einem Kind unterhaltspflichtige Klägerin war seit 19. Juli 1977 bei den A beschäftigt. Als Mitarbeiterin der B in C bezog sie ein Einkommen von € 8.141,25 brutto im Quartal. Die Klägerin war Vorsitzende der örtlichen Betriebsvertretung, Mitglied der Bezirksbetriebsvertretung und Ersatzmitglied der Hauptbetriebsvertretung.

Am 26. November 2002 sprachen die A der Klägerin eine betriebsbedingte Kündigung zum 30. Juni 2003 aus, die Gegenstand einer Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main war (Az.: 9 Ca 12077/02). Die Klage wurde seinerzeit durch Urteil vom 02. Juli 2003 abgewiesen, die Berufung am 28. Juni 2004 (Az.: 17 Sa 1257/03) zurückgewiesen. Mittlerweile hat das Bundesarbeitsgericht durch Urteil vom 22. September 2005 (Az.: 2 AZR 544/04) die Revision der Klägerin zurückgewiesen.

Mit Schreiben vom 22. Juli 2003 hatte die Klägerin ihre Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits verlangt, was die A ablehnten.

Die Klägerin hat daher im ersten Rechtszug beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des zwischen den Parteien vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main unter dem Az.: 9 Ca 12077/02 geführten Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Bedingungen (Kopiererin in der A-Dienststelle "B", C, Lohngruppe G-06/E) weiterhin zu beschäftigen;

hilfsweise,

festzustellen, dass das zwischen ihr und den A bestehende Arbeitsverhältnis bis zum rechtskräftigen Abschluss des zwischen den Parteien vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main unter dem Az.: 9 Ca 12077/02 geführten Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Durch Urteil vom 08. Dezember 2004 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen im Wesentlichen mit der Begründung, weder die Betriebsvertretung noch die Hauptbetriebsvertretung hätten der Kündigung der Klägerin vom 28. November 2002 mit einer hinreichenden, den Weiterbeschäftigungsanspruch auslösenden Begründung widersprochen. Wegen der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (Bl. 103 - 109 d.A.).

Gegen dieses der Klägerin am 19. Januar 2005 zugestellte Urteil hat diese mit einem beim erkennenden Gericht am 21. Februar 2005 (Montag) eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 17. März 2005, eingegangen am 18. März 2005, begründet.

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und ist nach inzwischen rechtskräftiger Abweisung der Kündigungsschutzklage durch das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 22. September 2005 der Ansicht, ihr Arbeitsverhältnis zu den A bestünde wegen des Weiterbeschäftigungsanspruchs noch bis zum 22. September 2005 fort.

Die Klägerin beantragt,

in Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 08. Dezember 2004 - 9 Ca 8228/03 - festzustellen, dass das zwischen ihr und den A bestehende Arbeitsverhältnis über den Ablauf der Kündigungsfrist (30. Juni 2003) hinaus bis zum 22. September 2005 fortbestanden hat;

hilfsweise,

in Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 08. Dezember 2004 - 9 Ca 8228/03 - festzustellen, dass zwischen ihr und den A über den 30. Juni 2003 hinaus bis zum 22. September 2005 ein (Weiter-)Beschäftigungsverhältnis gem. § 79 Abs. 2 Satz 1 BPersVG bestanden hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und hält die Klageanträge im zweiten Rechtszug für unzulässig im Hinblick auf das rechtskräftig festgestellte Ende des Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 2003.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Niederschrift der Berufungsverhandlung vom 18. Oktober 2005 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. den §§ 8 Abs. 2 ArbGG; 511 ZPO an sich statthafte Berufung begegnet hinsichtlich des Wertes des Beschwerdegegenstandes (§ 64 Abs. 2 ArbGG) keinen Bedenken. Sie ist nach Maßgabe der im Tatbestand mitgeteilten Daten form- und fristgerecht eingelegt sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 517, 519, 520 ZPO) und damit insgesamt zulässig.

In der Sache ist die Berufung erfolglos.

Die Klage ist unzulässig. Der Klägerin ist es verwehrt, die nach zulässiger Klageänderung im Sinn von § 533 ZPO begehrten Feststellungen zu verlangen.

Dem Hauptbegehren steht die Rechtskraft des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 22. September 2005 entgegen, das die Wirksamkeit der Kündigung der A vom 26. November 2002 zum 30. Juni 2003 festgestellt hat. Damit ist die Beendigung des streitbefangenen Arbeitsverhältnisses der Klägerin mit den A nicht mehr mit Erfolg angreifbar. Die Rechtskraftwirkung schließt gem. § 322 ZPO im Verhältnis der Parteien zueinander jede hiervon abweichende gerichtliche Feststellung in einem neuen Verfahren aus. Die unterlegene Partei kann in einem späteren Verfahren weder bereits vorgetragene noch neue Tatsachen zu ihren Gunsten mehr vorbringen. Diese Folge der Rechtskraftwirkung ist als Präklusionsprinzip in Rechtsprechung und Literatur anerkannt (BAG vom 13. November 1958, AP Nr. 17 zu § 3 KSchG 1951; BGH vom 30. Mai 1960, LM Nr. 27 zu § 322 ZPO; BGH vom 14. Juli 1995, NJW 95, 2993; BGH vom 24. Juni 1993, NJW 93, 3204; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 20. Aufl., § 322 Rz 228 ff.). Im Kündigungsschutzprozess wirkt sich das Präklusionsprinzip nach rechtskräftig abgewiesener Kündigungsschutzklage u.a. so aus, dass der unterlegene Arbeitnehmer daran gehindert ist, in einem neuen Verfahren die Unwirksamkeit der Kündigung aus anderen als den im Kündigungsschutzprozess vorgebrachten Gründen geltend zu machen. Mit der Abweisung der Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch eine bestimmte Kündigung nicht aufgelöst wurde, ist nicht nur die Sozialwidrigkeit der Kündigung rechtskräftig verneint, sondern auch ihre Unwirksamkeit aus anderen oder sonstigen von § 4 Satz 1 KSchG nicht erfassten Gründen. Über die Frage, ob das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Zeitpunkt bestanden hat oder nicht, ist nur einheitlich zu urteilen (BAG vom 13. November 1958, AP Nr. 17 zu § 3 KSchG 1951; BAG vom 12. Januar 1977, EzA Nr. 11 zu § 4 KSchG n.F.; BAG vom 12. Juni 1986, EzA Nr. 31 zu § 4 KSchG n.F.; KR-Friedrich, 7. Aufl. 2004, § 4 KSchG Rz 264, m.w.N.).

Die hier begehrte Feststellung des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2003 hinaus kommt damit nicht mehr in Betracht, und zwar auch unabhängig von der umstrittenen Frage, ob ein - wirksames - Weiterbeschäftigungsbegehren im Sinn des § 79 Abs. 2 Satz 1 BPersVG oder - sinngleich - § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG das bisherige Arbeitsverhältnis auflösend bedingt bis zur rechtskräftigen Abweisung der Kündigungsschutzklage fortbestehen lässt (so z.B. Lorenzen/Etzel, BPersVG, § 79 Rz 167; KR-Etzel, 7. Aufl. 2004, § 102 BetrVG Rz 215 ff., m.w.N.; Richardi/Thüsing, BetrVG, 9. Aufl. 2004, § 102 Rz 204; BAG vom 10. März 1987, EzA Nr. 28 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht; BAG vom 09. Juli 2003, NZA 2003, 1191). Selbst wenn dies zuträfe, blieben die oben ausgeführten Erwägungen zur Präklusionswirkung des zitierten BAG-Urteils unberührt. Eine "Aufweichung" der Rechtskraftwirkungen ist angesichts des hohen Stellenwerts der Rechtskraft, nämlich Rechtsfrieden und Rechtsgewissheit zu verschaffen, nicht geboten. Die vorliegende Fallkonstellation gibt vielmehr Anlass zu der Überlegung, ob die Auffassung tatsächlich zutreffend ist, nach der sich im Weiterbeschäftigungsfall das Arbeitsverhältnis ohne Änderung seines Rechtscharakters bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses fortsetzt. Wenn dem so wäre, hätte das Bundesarbeitsgericht mit seinem Urteil vom 22. September 2005 das Ende des Arbeitsverhältnisses nicht auf den 30. Juni 2003 bestimmen dürfen (vgl. für eine Beurteilung als Rechtsverhältnis eigener Art die Zitate bei KR-Etzel, a.a.O., Rz 215 und 217). Dem kann nach Ansicht der Berufungskammer auch nicht mit dem Hinweis begegnet werden, mit dem klageabweisenden Urteil im Kündigungsschutzprozess sei nur der "streitige" Teil des Arbeitsverhältnisses beendet worden. Hinsichtlich des "unstreitigen" Teils des Arbeitsverhältnisses, nämlich der Fortsetzung über den vom Arbeitgeber bestimmten Kündigungstermin hinaus, bedürfe es keines gerichtlichen Spruchs (so aber KR-Etzel, a.a.O.). Diese Auffassung steht im Widerspruch zu der dort vertretenen Ansicht von der Einheitlichkeit des Arbeitsverhältnisses vor wie nach Ablauf der Kündigungsfrist bei geltend gemachtem Weiterbeschäftigungsanspruch. Die angeblich "bruchlose" Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach Maßgabe des Arbeitsvertrages kann nicht dadurch unterlaufen werden, dass man das angeblich einheitliche Arbeitsverhältnis in streitige und unstreitige Zeitabschnitte aufteilt. Solche prozessrechtlichen Kategorien vermögen den Arbeitsvertrag, wie er durch Angebot und Annahme zustande gekommen ist, nicht in mehrere Arbeitsvertragsteile unterschiedlicher materiell-rechtlicher Qualität aufzusplittern.

Die Klage ist aber im Haupt- wie auch im Hilfsantrag auch aus einem weiteren Grund unzulässig.

Ihr fehlt das Feststellungsinteresse. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch gerichtliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Das besondere Feststellungsinteresse des § 256 Abs. 1 ZPO muss als Sachurteilsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens gegeben sein. Sein Vorliegen ist von Amts wegen zu prüfen. Dabei hat das Gericht den Sachverhalt nicht selbständig zu untersuchen, vielmehr hat der Kläger die erforderlichen Tatsachen darzulegen und ggf. zu beweisen (BAG vom 21. September 1993, BAGE 74, 201, 203; BAG vom 23. April 1997, BAGE 85, 347; BAG vom 24. September 1997, AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Reichsbund; BAG vom 03. März 1999, AP Nr. 53 zu § 56 ZPO 1977; BAG vom 05. November 2003, AP Nr. 83 zu § 256 ZPO 1977).

Im Streitfall ist die Klage im Haupt- und Hilfsantrag auf die Feststellung gerichtet, dass bis zum 22. September 2005 ein Arbeitsverhältnis bzw. ein (Weiter-) Beschäftigungsverhältnis bestanden habe. Anders als im bestehenden Vertragsverhältnis, in dem der Beschäftigte jederzeit ein rechtliches Interesse daran hat, dass seine Rechtsstellung als Arbeitnehmer alsbald festgestellt wird (BAG vom 15. Dezember 1999, AP Nr. 5 zu § 92 HGB), bedarf das Interesse an der Feststellung eines beendeten Rechtsverhältnisses der besonderen Begründung. Es ist nach ständiger Rechtsprechung nur dann gegeben, wenn sich gerade aus dieser Feststellung Rechtsfolgen für Gegenwart und Zukunft ergeben (BAG, a.a.O. und BAG vom 15. Dezember 1999, NZA 2000, 775; BAG vom 21. Juni 2000, AP Nr. 60 zu § 256 ZPO 1977; BAG vom 05. November 2003, a.a.O.). Die bloße Möglichkeit des Eintritts solcher Folgen reicht nicht aus.

Die Klägerin hat hierzu auch nach Erörterung im Termin nichts vortragen können.

Die Klägerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Eine gesetzlich begründete Veranlassung zur Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG) ist nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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