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Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 24.10.2006
Aktenzeichen: 13 Sa 484/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 12
BGB § 242
BGB § 862
BGB § 1004
In einer gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes ist es Sache des Arbeitnehmers darzulegen und notfalls zu beweisen, welche Punkte der dienstlichen Beurteilung in tatsächlicher Hinsicht unrichtig und welche Bewertungen, weil nicht im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens getroffen, unhaltbar sind.

Zwar muss der Arbeitgeber beziehungsweise der Dienstvorgesetzte seine Beurteilung durch Darlegung von Tatsachen begründen. Ist der Arbeitgeber dieser Darlegungslast jedoch nachgekommen, muss der Arbeitnehmer Tatsachen vortragen, die der Beurteilende nach seiner Ansicht zu Unrecht nicht berücksichtigt hat, obwohl sie eine bessere Beurteilung rechtfertigen könnten.


Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 08. Februar 2006 - 14 Ca 60007/05 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Entfernung zweier dienstlicher Beurteilungen aus den Personalakten des Klägers.

Der 19XX geborene Kläger ist Diplom-Kaufmann und seit dem XX.XX.19XX beim X als Referent, zuletzt in der Vergütungsgruppe BAT I b, beschäftigt. Seine Aufgabe war es, die Produktionskosten im Bergbau zu überprüfen. Vom 01. Juli 2003 bis 19. Januar 2004 war der Kläger in den Bereich Mineralöle und Gase abgeordnet. Dort oblag ihm jedenfalls das Fertigen des integrierten Mineralölberichts und der Mineralölstatistik sowie der Energiebilanzmeldung für die internationale Energieagentur. Außerdem sollte er die ihm unterstellten Sachbearbeiter überwachen und unterstützen.

Etwa Anfang Juli 2003 erläuterte der damalige Referatsleiter und direkte Vorgesetzte des Klägers, Herr Regierungsdirektor A, dem Kläger die von ihm in der neuen Position zu erfüllenden Aufgaben und gewährte ihm eine Einarbeitungszeit von 3 Monaten, wie dies auch bei den Vorgängern des Klägers auf dieser Stelle üblich und ausreichend war. Der Kläger war jedoch nach den 3 Monaten nicht angemessen eingearbeitet. Es kam daraufhin jedenfalls zu einem Gespräch mit Herrn Regierungsdirektor A, der darüber am 13. Oktober 2003 einen Aktenvermerk wie folgt fertigte:

"Nach Ablauf der Lernphase für das Berichtssystem Integrierter Mineralölbericht und die Mineralölstatistik habe ich H. B gefragt, ob er beide miteinander verzahnten Systeme so beherrscht, dass er beurteilen kann, ob die Statistik veröffentlicht werden kann oder nicht. Dies konnte er nicht bestätigen. Er führte an, dass er wegen der Erstellung der Energiebilanzen für Gas und Öl, wegen des Urlaubs und wegen eines Seminars nicht die notwendige Zeit gehabt habe; außerdem sei ihm dieses Ziel auch nicht so klar gewesen. Ich habe darauf hingewiesen, dass man auch mal eine Stunde länger arbeiten kann und im Übrigen Prioritäten setzen muss. Hinsichtlich der Zielbestimmung habe ich ihn auf seine Arbeitsplatzbeschreibung hingewiesen; im Übrigen habe er aufgrund seiner akademischen Ausbildung gelernt, wie man Probleme selbständig löst. Aufgrund des in diesem Hause praktizierten kooperativen Führungsstiles habe jeder die Freiheit aber auch die Verantwortung seine Aufgabe selbständig zu erledigen und nicht vorgegebene Aufträge abzuarbeiten. Dabei werde von allen Kollegen Hilfestellung gegeben, aber als führender Mitarbeiter müsse er sich selbständig erarbeiten, was zur Erfüllung seiner Aufgabe notwendig ist.

Ich habe ihm erklärt, dass er dieser Anforderung bisher nicht gerecht geworden ist.

Darauf habe ich ihm eine zweite Frist bis Ende November gesetzt. In diesem Zeitraum werden zwei statistische Monatsberichte fällig. Bei Ablauf der Frist erwarte ich seine Erklärung, dass er nunmehr in der Lage ist zu beurteilen, ob die Statistik veröffentlicht werden kann oder ob noch Nachbesserungen notwendig sind."

Bei seiner Einarbeitung wurde der Kläger von seinem Vorgänger im Amt, Herrn C, und dem Referatskollegen, Herrn D, unterstützt. Die Aktensammlung des Herrn C stand dem Kläger in seinem Amtszimmer zur Verfügung. Schon vor Ablauf der dem Kläger in der oben zitierten Besprechung vom 13. Oktober 2003 gewährten Nachfrist von 6 Wochen, etwa Anfang November 2003, erklärte der Kläger Herrn Regierungsdirektor A, dass er sich auch in der ihm gewährten Nachfrist nicht einarbeiten könne. Er brauche für mindestens 3 weitere Monate noch täglich mindestens eine Stunde Unterweisung durch Herrn C Am 17. Dezember 2003 gab es dann ein weiteres Personalgespräch mit dem Kläger, geführt vom Vizepräsident E in Anwesenheit des Personalleiters, Herrn Regierungsdirektor F und Herrn Regierungsdirektor A, das zu folgendem Vermerk führte:

"Herr AL 4 hat heute in Anwesenheit des Uz. und Herrn RL 432 ein Personalgespräch zum Stand der Einarbeitung als Referent im Referat 432 geführt. Einführend wurde festgestellt, dass der Einarbeitungsstand enttäuschend ist. Hierzu wurden dem Angestellten die schriftlichen Feststellungen von Herrn RL 432 eröffnet und auf die von Herrn A geführten Personalgespräche verwiesen. Hr. B zeige danach insbesondere nicht die erforderliche Eigeninitiative. Einarbeitungshilfen der Mitarbeiter C und D nehme er nicht mit dem gebotenen Engagement an. Von den in der Arbeitsplatzbeschreibung und bewertung genannten Aufgaben sei er nach fast 6 Monaten lediglich in ein Drittel eingearbeitet.

Herr B räumte einen schlechten Einarbeitszustand ein, führte diesen aber auf die fehlende Zeit und die fehlende Bereitschaft der o.g. Mitarbeiter zurück. Daher habe er auch Hr. RL 432 Ende November aufgefordert, Hr. C ihm für täglich eine Stunde zur Einarbeitung zuzuweisen.

Hr. B wurde von den Beteiligten darauf hingewiesen, dass zur Einarbeitung gehöre, dass man sich auch aktiv bemühe. Die Mitarbeiter C und D hätten Hr. RL 432 gegenüber mitgeteilt, dass diese Bereitschaft nicht erkennbar sei. Hr. B entziehe sich vielmehr, wenn es ihm inhaltlich zu viel werde.

Herr B räumte ein, dass er erhebliche Defizite bei der Anwendung von IT, insbesondere bei der Arbeit mit dem sog. integrierten Mineralölbericht auf der Grundalge der Oracle-Datenbank aufweise. Insgesamt sei er hinsichtlich des erfolgreichen Abschlusses seiner Einarbeitung skeptisch, falls Herr C nicht täglich 1 Stunde zur Einarbeitung abgestellt werde.

Herr AL 4 und der Uz. machten deutlich, dass Herr B hiermit nicht rechnen dürfe, da Herr C eigentlich andere Aufgaben habe.

Herrn B wurde abschließend mitgeteilt, dass über weitere Maßnahmen beraten werde.

Bis dahin hatte der Kläger keine irgendwie verwertbaren Arbeitsergebnisse vorzuweisen. Die von ihm zu erfüllenden Aufgaben wurden in der gesamten Zeit von den Herren C und D - neben deren eigentlichen Verpflichtungen - übernommen. Am 20. Januar 2004 wurde der Kläger in sein altes Referat zurückversetzt.

Am 17. Februar 2005 wurde dem Kläger von Herrn Leitendem Regierungsdirektor G, dem Unterabteilungsleiter des Klägers, eine Anlassbeurteilung für die Zeit seiner Abordnung eröffnet, die mit der Note "5" endete. Diese steht nach dienstinterner Vereinbarung für "insgesamt mangelhafte Leistungen". Nach Protest des Klägers wurde ihm am 18. Mai 2005 eine neue Anlassbeurteilung mit der gleichen Endbewertung eröffnet (Bl. 16 - 28 d.A.). Vorgegangen war ein Beurteilungsgespräch mit Herrn Regierungsdirektor A am 26. März 2005.

Am 21. November 2005 wurde dem Kläger eine Regelbeurteilung für den Zeitraum 01. März 2002 bis 28. Februar 2005 eröffnet, die mit der Endbewertung "4" schließt, bei der Beklagten synonym für "insgesamt ordentliche Leistungen" (Bl. 246 - 258 d.A.).

Rechtliche Grundlage für diese Beurteilungen ist die Richtlinie für die dienstliche Beurteilung der Beschäftigten aufgrund einer Dienstvereinbarung zwischen dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit und dem Hauptpersonalrat bei dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit vom 17. Dezember 2003 (Bl. 41 ff. d.A.).

In Ziffer 3. der Richtlinie ist geregelt, dass Regelbeurteilungen alle drei Jahre und Anlassbeurteilungen bei Abordnungen von mehr als sechs Monaten zu erstellen sind.

Gemäß § 5.1 der Richtlinie ist die Beurteilung auf einem Beurteilungsvordruck zu erstellen. Der Beurteilungsvordruck enthält in einem Abschnitt "Beurteilungsmerkmale" mehrere geistige, persönliche und leistungsbezogene Beurteilungsmerkmale (Sachkenntnisse, Arbeitsqualität, Auffassungsgabe und Urteilsvermögen, mündliches Ausdrucksvermögen, schriftliches Ausdrucksvermögen, Sozial- und Kommunikationsverhalten, Teamfähigkeit, Belastbarkeit und Leistungsbereitschaft, Arbeitsorganisation, Eigenständigkeit und Entscheidungsfähigkeit, Durchsetzungsvermögen und Verhandlungsgeschick, Initiative, Kreativität und Flexibilität, Führungsverhalten). Für die Bewertung der einzelnen Beurteilungsmerkmale stehen fünf Beurteilungsstufen (1 - 5) zur Verfügung. Der Beurteilende soll bei den einzelnen Beurteilungsmerkmalen die Bewertungsstufe ankreuzen, die den zu beurteilenden Arbeitnehmer nach der Definition des Merkmals und der Beschreibung der Beurteilungsstufe am ehesten kennzeichnet. Zusätzlich können ergänzende Angaben gemacht werden.

In der Anlassbeurteilung des Klägers wurde überwiegend die Bewertungsstufe "5", ansonsten die Bewertungsstufe "4" angekreuzt. Dies führte zu dem Gesamturteil Bewertungsstufe "5". In den ergänzenden Anmerkungen wurde festgehalten, dass der Kläger nach Ablauf einer Fristsetzung erklärt habe, dass er das gesetzte Ziel ohne eine tägliche einstündige Einarbeitung durch seine Vorgänger für einen Zeitraum von drei Monaten nicht erreichen werde. Dies war Anlass zu der Bewertung, dass der Kläger damit eingeräumt habe, sein Leistungsziel verfehlt zu haben. Weiterhin wurde festgehalten, dass während der Einarbeitungszeit beim Kläger ein eigenständiges, zielgerichtetes und systematisches Arbeiten nicht festgestellt werden könne, die Zusammenarbeit mit Kollegen schwierig sei, da der Kläger keinen offenen und freien Meinungsaustausch pflege und sonstige Mängel auch nicht durch erhöhte Leistungsbereitschaft und Lernwilligkeit ausgeglichen wurden.

Unter dem Abschnitt Entwicklungspotential sind im Beurteilungsbogen mehrere Bewertungsmerkmale (Führungsfähigkeit, Organisationstalent, Eigenständigkeit und Entscheidungsfähigkeit, Durchsetzungsvermögen und Verhandlungsgeschick, Initiative, Kreativität und Flexibilität) genannt. Hier gibt es die Möglichkeit anzukreuzen, welchen Ausprägungsgrad das Bewertungsmerkmal bei einem zu beurteilenden Arbeitnehmer hat, wobei die Stufen "weniger ausgeprägt, ausgeprägt, stark ausgeprägt" zur Verfügung stehen. Beim Kläger war durchgängig der Ausprägungsgrad "weniger ausgeprägt" angekreuzt.

Außerdem enthält die Beurteilung noch die Mitteilung, dass der Kläger die Erwartungen des Beurteilenden an einen Hochschulabsolventen bezüglich der Aufnahmefähigkeit komplexer Sachverhalte und Strukturen sowie deren Umsetzung und Kombination in der praktischen Arbeit nicht erfüllen könne und aufgrund seiner Probleme im sozialen, kommunikativen und kollegialen Bereich nur sehr eingeschränkt einsetzbar sei.

Die Regelbeurteilung vom 21. November 2005 hat den gleichen Aufbau. Bei den oben angeführten Beurteilungsmerkmalen sind dort Noten zwischen "3" und "5" angekreuzt. Im Abschnitt Entwicklungspotential ist der Kläger wie in der Anlassbeurteilung vom 18. Mai 2005 bewertet. Im Abschnitt Verwendungsvorschlag ist vermerkt:

"Aufgrund der bei Herrn B vorliegenden Schwierigkeiten im sozialen und kommunikativen Bereich erscheint für Herrn B eine Tätigkeit mit weniger ausgeprägten Innen- und Außenkontakten angeraten."

Die Regelbeurteilung vom 21. November 2005 bezog die Anlassbeurteilung vom 18. Mai 2005 zu 1/6 mit ein.

Mit der am 13. Juli 2005 erhobenen und am 19. Dezember 2005 geänderten Klage hat der Kläger die Entfernung der oben angeführten Beurteilungen aus seiner Personalakte verlangt. Er hat behauptet, ihm sei keine klar definierte Aufgabe zugewiesen worden. Die Beurteilung stütze sich nicht auf Tatsachen. Die ihn beurteilenden Personen, Herr Regierungsdirektor H Herr Leitender Regierungsdirektor G, hätten nicht mit ihm zusammengearbeitet und seine Arbeit nicht beurteilen können. Die Herren C und D hätten eine eigene Software entwickelt, zu der es keine Anleitung oder Dokumentation gegeben habe. Um diese zu verstehen, seien profunde Programmkenntnisse erforderlich, die er, der Kläger, sich trotz Besuchs diverser Lehrgänge nicht so schnell habe aneignen können. Die Unterstützung durch die Herren D und C sei nicht ausreichend gewesen. Die Beklagte habe entgegen Ziffer 2. der zitierten Beurteilungsrichtlinie vom 17. Dezember 2003 keine korrekte Vergleichsgruppe gebildet, um ein aussagekräftiges und vergleichbares Bild der Beschäftigten für einen Leistungsvergleich zu erhalten.

Die Regelbeurteilung vom 21. November 2005 sei schon deshalb aus der Personalakte zu entfernen, weil sie die aus seiner, des Klägers, Sicht unzutreffende Anlassbeurteilung einbezogen habe.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, die ihm erteilte Anlassbeurteilung vom 18. Mai 2005 ersatzlos aus der Personalakte zu entfernen und erneut zu erteilen;

2. die Beklagte zu verurteilen, die ihm erteilte Regelbeurteilung vom 21. November 2005 ersatzlos aus der Personalakte zu entfernen und erneut zu erteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, sie habe die zitierte Richtlinie korrekt befolgt. Der Erstbeurteiler des Klägers, Herr Regierungsdirektor A, habe den Kläger im Rahmen seiner Vorgesetztenfunktion überwacht. Er habe dem Kläger Testfälle zur Bearbeitung gegeben, mit denen die Fähigkeiten des Klägers zu eigenständiger Erarbeitung festgestellt werden sollten. Bei den Mitarbeitern C und D habe er sich regelmäßig über den Einarbeitungsstand des Klägers informiert. Neben den dokumentierten Gesprächen vom 13. Oktober 2003 und 17. Dezember 2003 habe er noch mindestens zwei weitere Gespräche mit dem Kläger geführt. Der Zweitbeurteiler des Klägers, Herr Leitender Regierungsdirektor G, habe sich regelmäßig mit Herrn Regierungsdirektor A bezüglich des Klägers ausgetauscht.

Herr Regierungsdirektor A habe den Kläger zu Beginn seiner Abordnung genau in sein neues Arbeitsgebiet eingewiesen und deutlich gemacht, dass er innerhalb von 6 Monaten seinen neuen Aufgabenbereich eigenverantwortlich leiten solle. Dies sei dem Kläger nicht gelungen, obwohl er von den Herren C und D in angemessenem Umfang unterstützt worden sei. Der Kläger sei unkommunikativ gewesen, habe keine Eigeninitiative gezeigt und Besprechungen vorzeitig abgebrochen. Besondere Programmierkenntnisse habe der Kläger auch nicht gebraucht. Die Daten seien mit Excel-Prozeduren auszuwerten auf der Basis einer Oracle-Datenbank. Diese Programme seien extern durch die Firma I, J, entwickelt worden. Es gebe eine ausführliche Dokumentation. Darüber hinaus hätten für größere Anwendungen Beschreibungen in auch für EDV-unkundige Anwender verständlicher Form vorgelegen. Man habe bei der Bewertung des Klägers auch die gebotene Vergleichsgruppe gebildet, nämlich die aus Referenten bei der Einarbeitung in ein neues Aufgabengebiet.

Die Regelbeurteilung vom 21. November 2005, so hat die Beklagte weiter gemeint, sei ebenfalls im Rahmen der zitierten Richtlinie und des eigenen Beurteilungsspielraums erfolgt. Die Endbewertung mit der Note "4" hätte sich auch bei der Herausnahme der Bewertung aus der Anlassbeurteilung vom 18. Mai 2005 ergeben.

Mit Urteil vom 08. Mai 2006 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben, im Wesentlichen mit der Begründung, die Beklagte habe ihre negative Beurteilung vom 18. Mai 2005 nicht hinreichend substantiiert und unter Beweis gestellt. Die Regelbeurteilung vom 21. November 2005 sei aus der Personalakte des Klägers zu entfernen, weil sie die aus der Sicht des Arbeitsgerichts unzutreffende Anlassbeurteilung einbezogen habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (Bl. 126 - 134 d.A.).

Gegen dieses, der Beklagten am 24. Februar 2006 zugestellte Urteil hat diese mit einem am 13. März 2006 beim erkennenden Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 24. Mai 2006 mit einem am 19. Mai 2006 beim erkennenden Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie meint, es sei der Kläger, der in der vorliegenden Fallkonstellation jetzt darlegen und beweisen müsse, dass die fraglichen Beurteilungen unrichtig seien und sich außerhalb der Grenzen des ihr, der Beklagten, zuzubilligenden Beurteilungsspielraums bewegten. Das Beurteilungsgespräch zu der Regelbeurteilung vom 21. November 2005 habe am 22. August 2005 mit dem unmittelbaren Vorgesetzten des Klägers, Herrn Regierungsdirektor K, stattgefunden. Die ihm eröffnete Beurteilung habe der Kläger zunächst kommentarlos hingenommen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 08. Februar 2006 - 14 Ca 6007/05 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Er meint, die Beklagte sei für die attestierten unterdurchschnittlichen Leistungen darlegungs- und beweispflichtig. Die Beklagte beharre stattdessen auf Pauschalurteilen, die insgesamt unzutreffend seien.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Niederschrift der Berufungsverhandlung vom 24. Oktober 2006 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. den §§ 8 Abs. 2 ArbGG; 511 ZPO an sich statthafte Berufung begegnet hinsichtlich des Wertes des Beschwerdegegenstandes (§ 64 Abs. 2 ArbGG) keinen Bedenken. Sie ist nach Maßgabe der im Tatbestand mitgeteilten Daten form- und fristgerecht eingelegt sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG; 517, 519, 520 ZPO) und damit insgesamt zulässig.

In der Sache ist die Berufung begründet. Die Klage ist nämlich unbegründet. Das Arbeitsgericht hat ihr zu Unrecht stattgegeben.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Entfernung der dienstlichen Beurteilungen vom 18. Mai 2005 und 21. November 2005 aus der Personalakte, unabhängig davon, ob der Anspruch aus den §§ 12, 862, 1004 BGB oder § 242 BGB analog und dem Gedanken der Fürsorgepflicht entspringt (vgl. dazu MüHdBArbG/Blomeyer, 2. Aufl. 2000, § 98 Rz 28, m.w.N.). Dienstliche Beurteilungen (Dienstleistungsberichte) sind grundsätzlich zulässig. Der Arbeitgeber darf Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer beurteilen und die Beurteilung in der Personalakte festhalten (BAG vom 08. Mai 2001, EzA Nr. 60 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; BAG EzA Nr. 24 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht). Auch formalisierte Regelbeurteilungen können erstellt werden (BAG vom 10. März 1982, BAGE 38, 141). Jede Beurteilung muss so gehalten sein, dass sie unter Abwägung der beiderseitigen Interessen ein möglichst objektives Bild von der Person und den Leistungen des Arbeitnehmers ergibt. Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch darauf, dass die Dienstleistungsberichte sowohl hinsichtlich der tatsächlichen Angaben zutreffend sind als auch hinsichtlich der Bewertung von Führung und Leistungen des Arbeitnehmers nach pflichtgemäßem Ermessen des Arbeitgebers erstellt werden. Entspricht eine Beurteilung nicht diesen Grundsätzen, kann der Angestellte die Bereinigung von Beurteilungsfehlern im Klageweg erzwingen.

Beurteilungsfehler können aber nur dann zu einer Entfernung bzw. Berichtigung einer dienstlichen Beurteilung führen, wenn sachfremde Erwägungen für die Beurteilung maßgebend waren oder eine offensichtliche Fehlbeurteilung vorliegt oder allgemeingültige bzw. speziell niedergelegte Beurteilungsrichtlinien nicht beachtet worden sind. Im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen dem Arbeitnehmer einerseits und dem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes andererseits ist es jedoch Sache des Arbeitnehmers, darzulegen und notfalls zu beweisen, welche Punkte der dienstlichen Beurteilung in tatsächlicher Hinsicht unrichtig und welche Bewertungen, weil nicht im Rahmen des Beurteilungsspielraums getroffen, unhaltbar sind (BAG vom 25. Februar 1959, AP Nr. 6 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; BAG vom 08. Mai 2001, a.a.O.; LAG Hamm vom 23. September 1999 - 4 Sa 2374/98 - zitiert nach Juris). Zwar muss der Arbeitgeber bzw. der Dienstvorgesetzte seine Beurteilung durch Darlegung von Tatsachen begründen. Ist der Arbeitgeber dieser Darlegungslast nachgekommen, muss der Arbeitnehmer Tatsachen vortragen, die der Beurteilende nach seiner Ansicht zu Unrecht nicht berücksichtigt hat, obwohl sie eine bessere Beurteilung rechtfertigen könnten. Von dieser gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hinsichtlich der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast bei dienstlichen Beurteilungen abzuweichen, besteht keine Veranlassung (vgl. dazu auch LAG Berlin vom 16. Oktober 1989, LAGE Nr. 18 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht). Die vom Kläger in beiden Rechtszügen dagegen geltend gemachten Einwendungen sind nicht geeignet, zu einer anderen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast zu kommen. Es darf nämlich nicht außer Acht gelassen werden, dass dienstliche Beurteilungen anders als Zeugnisse grundsätzlich nur für den dienstinternen Gebrauch bestimmt sind. Es erscheint deshalb gerechtfertigt, an den bisherigen prozessualen Grundsätzen zur Darlegungs- und Beweislast weiter festzuhalten.

Inhaltlich sind dienstliche Beurteilungen als persönlichkeitsbedingte Werturteile von den Gerichten für Arbeitssachen - jedenfalls soweit es um reine Bewertungsfragen geht - nur beschränkt nachprüfbar. Eine dienstliche Beurteilung ist aufzuheben, wenn der Arbeitgeber gegen seine selbstverständliche Pflicht verstoßen hat, den Angestellten gerecht, unvoreingenommen und möglichst objektiv zu beurteilen oder wenn er einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt oder allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe verletzt hat (LAG Hamm, a.a.O.; Schaub/Linck, Arbeitsrechtshandbuch, 11. Aufl. 2005,§ 148 Rz 13 ff.; BAG vom 08. Mai 2001, a.a.O.; BAG vom 06. März 2003, EzA Nr. 2 zu § 626 BGB 2002).

Solche Fehler sind vorliegend nicht festzustellen. Die Beklagte hat bezüglich der Anlassbeurteilung vom 18. Mai 2005 im Einzelnen dargelegt, wie und in welchem Zeitraum sie sich die Einarbeitung des Klägers in seiner Abordnung vorgestellt und dem Kläger vermittelt hat, orientiert an den Leistungen der Vorgänger des Klägers auf dieser Stelle. Unstreitig ist, dass der Kläger in der gesamten Zeit auch nicht ein verwertbares Arbeitsergebnis vorzuweisen hatte. Der Kläger hat selbst eingestanden, dass er sich nicht in der Lage sah, innerhalb der regulären Einarbeitungszeit und der ihm gesetzten Nachfrist von weiteren 6 Wochen angemessene Arbeitsleistungen zu erbringen, obwohl ihm sein Vorgänger im Amt und ein Referatskollege praktisch täglich zur Seite standen. Wenn die Beklagte daraus den Schluss auf eine "mangelhafte" Arbeitsleistung des Klägers zieht, bewegt sich dies im Rahmen des ihr zuzubilligenden Beurteilungsspielraums. Nach den oben angeführten Regeln der Darlegungs- und Beweislast wäre es am Kläger gewesen, darzulegen und zu beweisen, welche Punkte der dienstlichen Beurteilung in tatsächlicher Hinsicht unrichtig und welche Bewertungen unhaltbar sind, weil sie sich nicht im Rahmen des gegebenen Beurteilungsspielsraums bewegen. Der Kläger hat zwar z.B. behauptet, die von ihm zu bedienende Software sei von seinen Vorgängern im Amt selbst entwickelt worden, es habe keine Dokumentation dazu gegeben oder eine Anleitung für Außenstehende. Mit der unterlassenen Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte hätte die Beklagte wohl ihren Beurteilungsspielraum überschritten. Allerdings hat die Beklagte dem entgegenstehend behauptet, es habe sich um ein extern entwickeltes Programm auf der Basis einer Oracle-Datenbank gehandelt, das auch mit einer ausführlichen Dokumentation versehen gewesen sei. Es habe ausführliche Beschreibungen für EDV-unkundige Anwender gegeben. Dem ist der Kläger nicht weiter entgegengetreten. Insbesondere fehlt es an jedem Beweisantritt für seine gegenteiligen Behauptungen. Es muss daher von den Darlegungen der Beklagten ausgegangen werden, die darauf basierend zu dem Schluss kommen durfte, dass der Kläger sich trotz akademischer Ausbildung nicht genügend eingesetzt hat, um sich in angemessener Zeit einzuarbeiten.

Der weitere Einwand des Klägers, ihm sei keine klar definierte Aufgabe zugewiesen worden, erschließt sich der Kammer von vornherein nicht. Die Zuständigkeit ergibt sich aus dem Referatszuschnitt. Es ist dem Kläger zuzumuten, sich hierüber selbständig ins Bild zu setzen. Wenn der Kläger dann weiter behauptet, es sei keine korrekte Vergleichsgruppe gebildet worden, um seine Leistungen mit denen anderer Beschäftigter zu vergleichen, muss er sich zunächst vorhalten lassen, dass ihm ausweislich des Textes der Anlassbeurteilung vom 18. Mai 2005 ein "vorläufiger Notenspiegel meiner Vergleichsgruppe" gemäß der im Tatbestand zitierten Richtlinie vom 17. Dezember 2003 ausgehändigt wurde. Dann darf sich der Kläger aber nicht darauf beschränken, die Vergleichsgruppe als unzutreffend zu kritisieren. Er muss vielmehr nach den oben angeführten Regeln der Darlegungs- und Beweislast selbst vortragen und unter Beweis stellen, wie eine korrekte Vergleichsgruppe hätte gebildet werden müssen und dass bei korrektem Vergleich die Anlassbeurteilung der Beklagten unhaltbar sei. Auch dies hat der Kläger versäumt.

Im Verfahren zur Beurteilung des Klägers sind ebenfalls keine Mängel erkennbar. Der Kläger hat zwar gerügt, seine Beurteiler, Herr Ministerialdirektor A und Herr Leitender Ministerialdirektor G hätten ihn nicht sachgerecht beurteilen können, weil sie seine Arbeit nicht kannten. Dem kann die Kammer schon im Ansatz nicht folgen. Es ist nämlich unstreitig, dass die beiden Herren die unmittelbaren Vorgesetzten des Klägers waren. Wer sonst als diese hätten den Kläger beurteilen sollen? Der Kläger konnte auch nicht schlüssig darlegen, dass diese Vorgesetzten etwa leichtfertig oder gar absichtlich bestimmte Tatsachen nicht zur Kenntnis genommen haben oder auf unvertretbare Weise zu bestimmten Bewertungen gekommen sind. Selbst wenn es die von der Beklagten behaupteten "Testfälle", die dem Kläger vorgelegt worden sein sollen, nicht gegeben hätte, bleibt doch unstreitig, dass es mehrere, zumindest zwei Gespräche dieser Vorgesetzten mit dem Kläger gegeben hat, das Gespräch vom 17. Dezember 2003 sogar unter Beteiligung des Vizepräsidenten. Ausweislich des im Tatbestand zitierten Vermerks über dieses Gespräch hat der Kläger dort selbst seine Einwendungen vorgebracht. Die Beurteiler des Klägers wussten also spätestens aus diesen Gesprächen, wie der Kläger seine Situation sah. Schon deshalb kann ihm nicht vorgeworfen werden, sie hätten bar jeder Sachkenntnis beurteilt.

Sonstige Fehler im Verfahren der Anlassbeurteilung nach Maßgabe der im Tatbestand zitierten Richtlinie vom 17. Dezember 2003 sind weder gerügt noch erkennbar. Damit bewegt sich die Anlassbeurteilung vom 18. Mai 2005 im Rahmen des Beurteilungsspielraums, der der Beklagten zusteht.

Entsprechendes gilt für die Regelbeurteilung vom 21. November 2005, die mit der Endbewertung "4" abschließt. Hier hat der Kläger letztlich nur entgegengehalten, sie sei mangelhaft, weil sie die Anlassbeurteilung vom 18. Mai 2005 einbezogen habe. Diese ist jedoch, wie festgestellt, ohne rechtliche Mängel und durfte daher in angemessener Weise, nämlich zu 1/6, in die Regelbeurteilung vom 21. November 2005 einfließen. Sonstige Gesichtspunkte, die Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Beurteilung aufkommen ließen, sind weder der Beurteilung selbst noch dem Vortrag des Klägers zu entnehmen. Offensichtlich richtet sich die Beurteilung nach Verfahren und Inhalt ebenfalls an der im Tatbestand zitierten Richtlinie vom 17. Dezember 2003 aus.

Als Unterlegener hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO).

Eine gesetzlich begründete Veranlassung zur Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG) ist nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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