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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 26.02.2003
Aktenzeichen: 15 Ta 598/02
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 5 Abs. 1
Die inhaltliche Prüfung im Zulassungsverfahren nach § 5 KSchG ist auf die Frage beschränkt, ob die Verspätung der Klageerhebung von der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer verschuldet ist oder nicht; die Frage, ob überhaupt eine Kündigungserklärung vorliegt oder wann die Kündigung zugegangen ist, ist hingegen im Verfahren der nachträglichen Klagezulassung nicht zu klären.
Hessisches Landesarbeitsgericht BESCHLUSS

Az.: 15 Ta 598/02

In dem Verfahren gemäß § 5 Kündigungsschutzgesetz

hat das Hessische Landesarbeitsgericht - Kammer 15 - durch den Vorsitzenden Richter Dr. B... als Vorsitzenden ohne mündliche Verhandlung am 26. Februar 2003

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hanau vom 23. Mai 2002 - 3 Ca 278/01 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen. Der Gerichtsgebührenwert wird vorbehaltlich etwaiger Gegenvorstellungen auf 1.454,52 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Im Hauptverfahren streiten die Verfahrensbeteiligten um die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen ordentlichen Kündigung vom 28. März 2001 zum 31. August 2001 (Kopie Blatt 46/47 d.A.).

Die Beklagte behauptet, diese Kündigung sei der Klägerin am 29. März 2001 um 11 Uhr per Boten zugegangen. Die Klägerin bestreitet den Zugang und behauptet, ihre Bevollmächtigten hätten erst am 06. Juni 2001 über den Landeswohlfahrtsverband (Schreiben vom 05. Juni 2001, in Kopie Blatt 22 d.A.) von einem Schreiben der Beklagtenvertreter vom 01. Juni 2001 erfahren, in dem von der Zuleitung der Kündigung vom 28. März 2002 per Boten die Rede sei (Kopie des Schreibens Blatt 23/24 d.A.).

Die Klage vom 07. Juni 2001 gegen die Kündigung vom 28. März 2001 (Blatt 1 ff. d.A.) ist am 11. Juni 2001 beim Arbeitsgericht eingegangen, der Beklagten ist sie am 15. Juni 2001 zugestellt worden. Die Klägerin hat zugleich die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage beantragt. Für die Antragsbegründung wird auf den Schriftsatz vom 07. Juni 2001 mit Anlagen (Blatt 1 bis 26 d.A.) Bezug genommen. Die in der Antragsbegründung angekündigte eidesstattliche Versicherung der Klägerin ist nicht zu den Gerichtsakten gelangt.

Die Beklagte ist dem Antrag entgegen getreten.

Für die Darstellung des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf I. der Gründe des angefochtenen Beschlusses des Arbeitsgerichts Bezug genommen (Blatt 159/160 d.A.).

Das Arbeitsgericht hat nach uneidlicher Vernehmung der Zeugen H... und G... zur Zuleitung der Kündigung am 29. März 2001 - für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll vom 23. Mai 2002 (Blatt 141 bis 148 d.A.) - mit Kammerbeschluss vom 23. Mai 2002 den Antrag auf nachträgliche Klagezulassung zurückgewiesen. Der Antrag sei unbegründet, da die Kündigung der Klägerin am 29. oder 30. März 2001 zugegangen sei (für die Einzelheiten der Begründung wird auf II. des Beschlusses = Blatt 160 bis 163 d.A. Bezug genommen).

Der Beschluss ist der Klägerin am 01. Oktober 2002 zugestellt worden.

Am 15. Oktober 2002 ist beim Arbeitsgericht per Fax die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Klägerin eingegangen.

Für den Inhalt der Beschwerdebegründung wird auf den Schriftsatz vom 15. Oktober 2002 mit Anlagen (Blatt 184 bis 197 d.A.) Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 24. Oktober 2002 (Leseabschrift Blatt 200 d.A.) hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

Die Beklagte tritt der Beschwerde entgegen (vgl. den Schriftsatz vom 03. Dezember 2002 = Blatt 212 bis 218 d.A. und den Schriftsatz vom 21. Januar 2003 = Blatt 220 d.A).

II.

Die Entscheidung über die statthafte (§ 5 Abs. 4 Satz 2 KSchG) und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde kann ohne mündliche Verhandlung (§ 78 Satz 1 ArbGG n.F., §§ 572 Abs. 4, 128 Abs. 4 ZPO n.F.) ergehen und wird vom Vorsitzenden allein getroffen (§ 78 Satz 3 ArbGG n.F.).

Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Klage gegen die streitgegenständliche Kündigung kann nicht gemäß § 5 Abs. 1 KSchG nachträglich zugelassen werden, da der gestellte Antrag unbegründet ist.

Zwar genügt der Antrag der Anforderungen, die § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 KSchG aufstellt, und die Fristen des § 5 Abs. 3 KSchG sind eingehalten. Doch ist nicht glaubhaft gemacht, dass die Klägerin trotz Anwendung aller ihr nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage innerhalb der Frist des § 4 Satz 1 KSchG zu erheben.

Dabei ist davon auszugehen, dass die inhaltliche Prüfung im Zulassungsverfahren nach § 5 KSchG auf die Frage beschränkt ist, ob die Verspätung der Klageerhebung von der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer verschuldet ist oder nicht; die Frage, ob überhaupt eine Kündigungserklärung vorliegt oder wann die Kündigung zugegangen ist, ist hingegen im Verfahren der nachträglichen Klagezulassung nicht zu klären (LAG Hamburg Beschluss vom 11. April 1989 - 3 Ta 3/89 - LAGE § 5 KSchG Nr. 47; LAG Köln Beschluss vom 20. November 1987 - 9 Ta 238/87 - LAGE § 5 KSchG Nr. 39; LAG Berlin Beschluss vom 19. Januar 1987 - - LAGE § 5 KSchG Nr. 27; KR-Friedrich, 6. Aufl., § 5 KSchG Rz. 134 und 156 a mit weit. Nachw. zum Meinungsstand; ähnlich etwa APS-Ascheid, § 5 KSchG Rz. 104 [wohl anders indes Rz. 104]; a.A. BAG Urteil vom 28. April 1983 - 2 AZR 438/81 - AP Nr. 4 zu § 5 KSchG 1969 mit abl. Anm. Grunsky = EzA § 5 KSchG Nr. 20 mit krit. Anm. Otto; BAG Urteil vom 05. April 1984 - 2 AZR 67/83 - AP Nr. 6 zu § 5 KSchG 1969 = EzA § 5 KSchG Nr. 21). Die gegenteilige Auffassung, die die Kammer bislang (etwa im Beschluss vom 24. August 1998 - 15 Ta 307/98 - ) vertreten hat, wird aufgegeben.

Zwar ist es mittlerweile zu Recht weitgehend anerkannt, dass der Antrag auf nachträgliche Zulassung gem. § 5 KSchG stets nur als Hilfsantrag für den Fall zu sehen ist, dass die Kündigungsschutzklage verspätet erhoben ist (BAG Urteile vom 28. April 1983 und vom 05. April 1984, a.a.O.; LAG Hamm Beschluss vom 24. März 1988 - 8 Ta 35/88 - LAGE § 5 KSchG Nr. 32; LAG Sachsen-Anhalt Beschluss vom 24. Januar 1995 - 2 Ta 172/94 - LAGE § 5 KSchG Nr. 69, APS-Ascheid, § 5 KSchG Rz. 97 mit weit. Nachw.; Wenzel, in: Bader/Bram/Dörner/Wenzel, KSchG, § 5 Rz. 23 mit weit. Nachw.; a.A. LAG Baden-Württemberg Beschluss vom 26. August 1992 - 8 Ta 80/92 - LAGE § 5 KSchG Nr. 58; zweifelnd für bestimmte Konstellationen aus prozessökonomischen Gründen LAG Hamburg Beschluss vom 11. April 1989 - 3 Ta 3/89 - LAGE § 5 KSchG Nr. 47).

Das bedeutet aber nur, dass das Arbeitsgericht grundsätzlich erst dann über einen Antrag gem. § 5 KSchG zu entscheiden hat, wenn es im Hauptsacheverfahren - wie hier nach durchgeführter Beweisaufnahme - zu der Überzeugung gekommen ist, dass die Klage verspätet erhoben worden ist und dass es für die Entscheidung der Hauptsache auf die nachträgliche Zulassung ankommt (ob mit dem LAG Hamburg im Beschluss vom 11. April 1989, a.a.O., Ausnahmen anzuerkennen sind, kann hier offen bleiben). Das bedeutet hingegen nicht, dass die Frage danach, ob die Klage verspätet erhoben worden ist, Teil des Verfahrens gemäß § 5 KSchG wäre und dass das Beschwerdegericht über diese Frage mit zu entscheiden hätte (ebenso LAG Berlin Beschluss vom 19. Januar 1987, a.a.O; KR-Friedrich, 6. Aufl., § 5 KSchG Rz. 158; a.A. BAG Urteil vom 28. April 1983 und vom 05. April 1984, a.a.O.; Wenzel, in: Bader/Bram/Dörner/Wenzel, KSchG, § 5 Rz. 195). Für die Richtigkeit dieser Sichtweise spricht insbesondere, dass das Verfahren gem. § 5 KSchG nur die Glaubhaftmachung vorsieht (§ 5 Abs. 2 KSchG i.V.m. § 294 ZPO), nicht aber die Führung des vollen Beweises gem. § 286 Abs. 1 ZPO LAG Hamburg Beschluss vom 11. April 1989, a.a.O., mit weit. Nachw.).

Das Beschwerdegericht hat mithin die vom Arbeitsgericht bejahte verspätete Klageerhebung zu akzeptieren und auf dieser Basis zu prüfen, ob die Klage gem. § 5 Abs. 1 KSchG nachträglich zuzulassen ist. Doch gibt es keinen näheren Vortrag der Klägerin zur Frage des fehlenden Verschuldens, ebenso keine entsprechende Glaubhaftmachung.

Die Klägerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO). Der Gerichtsgebührenwert gem. § 25 Abs. 2 GKG für das Beschwerdeverfahren ist wie im Tenor vorgenommen auf ein Drittel des Wertes gem. § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG festzusetzen.

Die Möglichkeit einer Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht nicht (Kammerbeschluss vom 17. Mai 2002 - 15 Ta 77/02 -, zur Veröff. vorgesehen; ebenso nunmehr BAG Beschluss vom 20. August 2002 - 2 AZB 16/02 -, demnächst EzA § 5 KSchG Nr. 34).

Ende der Entscheidung

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