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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 18.07.2005
Aktenzeichen: 16/10 Sa 2239/99
Rechtsgebiete: AEntG, ZPO, BGB


Vorschriften:

AEntG § 1
ZPO a.F. § 530 II
BGB § 812
Eine erstmals in der Berufungsinstanz erklärte Aufrechnung ist nicht sachdienlich, wenn die zur Aufrechnung gestellte Forderung bereits in einem anderen Verfahren rechtshängig ist.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 10. November 1999 - 3 Ca 2960/98 - wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im darum, ob die Klägerin vom Beklagten Rückzahlung der von ihr an den Beklagten für 1997 gezahlten Urlaubskassenbeiträge verlangen kann.

Die Klägerin unterhält mit Sitz in Axxxx (Griechenland) einen baugewerblichen Betrieb. In den Jahren 1997 bis 2001 führte sie mit Hilfe aus Griechenland entsandter griechischer Arbeitnehmer auf der Grundlage von Werkverträgen als Subunternehmerin in der Bundesrepublik Deutschland arbeitszeitlich überwiegend Schalungsarbeiten durch.

Der Beklagte ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Er hat nach den für allgemeinverbindlich erklärten tarifvertraglichen Regelungen des Baugewerbes (Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe [BRTV/Bau]; Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe [VTV]) insbesondere die Aufgabe, die Auszahlung der tarifvertraglich vorgesehenen Urlaubsvergütung für gewerbliche Arbeitnehmer zu sichern. Zu diesem Zweck haben die dem Tarifvertrag unterfallenden Arbeitgeber Beiträge in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der Bruttolöhne der beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer an den Beklagten zu zahlen.

Nachdem der Beklagte von der Klägerin die Zahlung von Urlaubskassenbeiträge für die in Deutschland beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer verlangt hatte, zahlte die Klägerin an den Beklagten für 1997 in mehreren Teilbeträgen insgesamt DM 31.847,37.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, sie sei aus Rechtsgründen nicht zur Teilnahme am bautariflichen Urlaubskassenverfahren verpflichtet, so dass der Beklagte die zu Unrecht erlangten Beiträge zurückzuzahlen habe..

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger 31.847,37 DM nebst 4% Zinsen aus 4.834,46 DM seit dem 30. August 1997, 2.559,70 DM seit dem 15. September 1997, 11.393,98 DM seit dem 02. September 1997, 5.497,08 DM seit dem 16. Oktober 1997, 5.393,34 DM seit dem 15. November 1997 und aus 2.128,81 DM seit dem 15. Dezember 1998 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Ansicht vertreten, der Klägerin sei zur Teilnahme am Sozialkassenverfahren nach den entsprechenden Bestimmungen und damit auch zur Zahlung von Sozialkassenbeiträgen in der geleisteten Höhe verpflichtet gewesen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 10. November 1999 der Klage stattgegeben. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 46 bis 68 d.A.) Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte, der die Klägerin vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden (9 Ca 1078/01) klageweise u.a. auf Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen für den Zeitraum Februar bis Mai 2001 in Höhe von € 22.254,04 und für den Zeitraum Juni 2001 bis Mai 2002 in Höhe von € 61.573,13 in Anspruch nimmt innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 18. Juli 2005 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt.

Er verfolgt seinen auf Klageabweisung gerichteten Antrag in vollem Umfang weiter und trägt vor, aufgrund der Rechtsprechung des BAG sei zwar davon auszugehen, dass die Beklagte zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen für die Jahre vor 1999 nicht verpflichtet sei. Gleichwohl könne die Klägerin die geforderte Zahlung nicht verlangen. In Höhe eines Betrages von € 6.567,40 erkläre sie die Aufrechnung mit Beitragsforderungen für die Monate Februar bis April 2001 entsprechend der Aufstellung Bl. 259 d.A. In Höhe der Restforderung der Klägerin bestehe ein Rückzahlungsanspruch deshalb nicht, weil er DM 19.002,65 (= € 9715,60) vor Rechtshängigkeit der Klage als Urlaubsvergütungen an Arbeitnehmer der Klägerin für 1997 ausgezahlt habe. Insoweit sei er nicht mehr bereichert. Hilfsweise rechne er in Höhe dieses Betrages gegen die Klageforderung mit Beitragsforderungen für die Monate Juni bis September 2001 entsprechend der Aufstellung Bl. 259 d.A. auf. Schließlich rechne er gegen die Zinsforderung der Klägerin mit der Beitragsforderung für Mai 2001 in Höhe von € 3.153,44 entsprechend der Aufstellung Bl. 297 d.A. auf.

Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Berufung und trägt vor, er willige in die Aufrechnung nicht ein.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 18. Juli 2005 Bezug genommen. Die Akten des zwischen den Parteien anhängigen Rechtsstreits 9 Ca 1078/01 Arbeitsgericht Wiesbaden waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO an sich statthafte Berufung begegnet hinsichtlich des Wertes des Beschwerdegegenstandes (§ 64 Abs. 2 ArbGG) keinerlei Bedenken. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt, sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 516, 518, 519 ZPO a.F.) und damit insgesamt zulässig. Die vorstehend bezeichneten Bestimmungen der ZPO in der bis zum 31. Dezember 2001 maßgeblichen Fassung (ZPO a.F.) sind im vorliegenden Fall anzuwenden, weil die mündliche Verhandlung, auf die das erstinstanzliche Urteil ergangen ist, vor dem 01. Januar 2002 geschlossen worden war (§ 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 26 Nr.5 EGZPO).

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage zur Recht stattgegeben und den Beklagten zur begehrten Zahlung verurteilt. Einer Umformulierung des arbeitsgerichtlichen Urteilstenors von DM-Beträgen in €-Beträge bedurfte es nicht (vgl. Kammerurteil v. 17. Februar 2003 - 16 Sa 1385/02).

Die Klägerin kann vom Beklagten die Zahlung von DM 31.847,37 (= € 16.283,30) verlangen, weil sie diesen Betrag rechtsgrundlos an den Beklagten leistete und deshalb Zahlung eines Betrages in dieser Höhe nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812 Abs.1, 818 Abs.2 BGB) vom Beklagten fordern kann.

Dass die Klägerin dem Beklagten für 1997 nicht die Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen schuldete, weil die Erstreckung der Urlaubs- und Urlaubskassentarifverträge auf der Grundlage der bis 31. Dezember 1998 geltenden Regelung des AEntG gegen den EG-Vertrag (Art.49,50 EG ex Art. 59,60 EGV) verstieß (vgl. BAG 20. Juli 2004 AP Nr. 18 zu § 1 AEntG) und deshalb die Klägerin als Trägerin eines griechisches Unternehmen für dieses Jahr nicht zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen verpflichtet war, also ohne rechtlichen Grund zahlte, stellt auch der Kläger nicht in Frage.

Die vom Beklagten geltend gemachten Einwände vermögen den Klageanspruch nicht zu Fall zu bringen.

Der sich aus der rechtsgrundlosen Zahlung der Klägerin an den Beklagten ergebende Bereicherungsanspruch der Klägerin ist nicht in Höhe von € 9.715,90 deshalb ausgeschlossen, weil der Beklagte wegen Zahlung von Urlaubsvergütungen in dieser Höhe an die in dem Jahre 1997 bei der Klägerin in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer nicht mehr bereichert ist. Denn der Auszahlung dieser Beträge an die Arbeitnehmer stehen entsprechende Bereicherungsansprüche des Beklagten gegen diese gegenüber.

In Höhe der an die Arbeitnehmer gezahlten Urlaubsvergütungen hat der Beklagte Bereicherungsansprüche gegen diese. Weil die bautarifvertraglichen Vorschriften für die Klägerin in diesem Jahre nicht galten, hatten die von der Klägerin nach Deutschland entsandte Arbeitnehmer nämlich gegen den Beklagten auch keinen Anspruch auf Zahlung von Urlaubsvergütung nach § 8 Ziff 4 BRTV/Bau iVm § 65 VTV. Damit erfolgten Urlaubsvergütungszahlungen an diese Arbeitnehmer durch den Beklagten ohne rechtlichen Grund, so dass Rückzahlungsansprüche des Beklagten nach § 812 Abs.1 BGB bestehen. In einem solchen Fall, nämlich dem der Weitergabe des Erlangten an einen Dritten unter gleichzeitigem Erwerb eines Rückzahlungsanspruchs gegen diesen Dritten, bleibt der Leistungsempfänger gegen-über dem Leistenden zum Wertersatz (§ 818 Abs.2 BGB) und nicht nur zur Abtretung des Anspruchs gegen den Dritten verpflichtet (vgl. BGH 09. Februar 1994 JZ 1994,732; Kammerurteil v. 16. August 2004 - 16 Sa 198/04 AR-Bl .ES 370.3 Nr.15; Palandt/Sprau, BGB 63. Aufl. 2004 § 818 Rz 39). Dass die Bereicherungsansprüche des Beklagten gegen die Arbeitnehmer uneinbringlich wären, ist weder vom Beklagten vorgetragen worden, noch sonstwie ersichtlich.

Soweit der Beklagte darauf verweist, die Auszahlungen an die Arbeitnehmer seien mit Willen der Klägerin erfolgt, ändert das nichts. Erkennbar stellte die Klägerin nämlich dem Beklagten die zur Auszahlung an die Arbeitnehmer erforderlichen Unterlagen zur Verfügung, um vermeintlichen Verpflichtungen aus dem AEntG und den bautariflichen Regelungen nachzukommen, und nicht etwa deshalb, weil sie den Beklagten als Zahlstelle einschalten wollte, um die Auszahlung von tatsächlich insoweit nicht bestehenden Ansprüchen auf Urlaubsvergütungen zu erfüllen. Entsprechend zahlte auch der Beklagte, für die betroffenen Arbeitnehmer auch erkennbar, allein in vermeintlicher Erfüllung gesetzlicher Pflichten an die Arbeitnehmer.

Soweit der Beklagte erstmals im Berufungsrechtszug gegenüber der Klageforderung in Höhe von € 6.567,40 haupsächlich mit Ansprüchen gegen die Klägerin auf Zahlung von Urlaubskasssenbeiträgen für Februar bis April 2001 und hilfsweise , soweit der Entreicherungseinwand nicht greifen sollte, mit Ansprüchen auf Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen für Juni bis September 2001 aufgerechnet hat, konnte diese Einwendung in Ansehung von § 530 Abs.2 ZPO a.F. nicht zugelassen werden.

Die Klägerin hat der Berücksichtigung der Aufrechnung widersprochen. Damit wäre sie im Berufungsrechtszug nur zuzulassen, wenn ihre Zulassung sachdienlich wäre. Das ist sie schon deshalb nicht, weil die entsprechenden Forderungen des Klägers bereits anderweitig, nämlich in dem Verfahren 9 Ca 1078/01 Arbeitsgericht Wiesbaden, rechtshängig sind. Dann ist ihre Einbeziehung in den vorliegenden Rechtsstreit auch nicht sachdienlich (vgl. BGH 11. April 1990 FamRZ 1990,975,979; OLG Frankfurt/M. 19. September 1979 MDR 1980,235; Musielak/Ball ZPO 4. Aufl. 2005 § 533 Rz 14). Die Sachdienlichkeit beurteilt sich vorrangig nach dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit. Die Zulassung der Aufrechnung wäre nicht prozesswirtschaftlich. Denn damit würde nicht ein neuer Prozess vermieden. Im Gegenteil führte die Zulassung der Aufrechnung zur Verdoppelung von Rechtsstreiten um diese Forderungen. Denn die nämlichen Forderungen wären nunmehr Gegenstand nicht nur eines, sondern zweier Rechtsstreite.

Die Zinsforderung der Klägerin resultiert aus §§ 284, 286 BGB. Insoweit hat der Beklagte auch keine Einwendungen geltend gemacht, sondern im Gegenteil durch die auch insoweit erklärte, aus den angeführten Gründen nicht zuzulassende Aufrechnung die Zinsforderung außer Streit gestellt.

Der Beklagte hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs.1 ZPO).

Eine gesetzlich begründete Veranlassung zur Zulassung der Revision war nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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