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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 09.03.2009
Aktenzeichen: 16/3 Sa 1336/08
Rechtsgebiete: BGB, KSchG, ArbGG


Vorschriften:

BGB § 174
BGB § 626
KSchG § 1
ArbGG § 102
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 05. August 2008 - 5 Ca 3014/08 - teilweise abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch die hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigungen der Beklagten vom 18. und 24. April 2008 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Verladearbeiter weiterzubeschäftigen.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 05. August 2008 - 5 Ca 3014/08 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug um die Wirksamkeit zweier außerordentlicher hilfsweise ordentlicher Kündigungen, um einen allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers und einen Auflösungsantrag der Beklagten.

Die Beklagte ist eine deutsche Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Sie ist nur am Standort A Flughafen tätig. Bei ihr sind circa 800 Arbeitnehmer beschäftigt. Das operative Geschäft der so genannten Station leitet der Stationsleiter, Herr B. Der Geschäftsführer der Beklagten, der gleichzeitig auch Geschäftsführer anderer Gesellschaften der C Unternehmensgruppe ist, ist in Spanien ansässig und hält sich regelmäßig nicht in der A Station auf. Bis Ende 2006 war bei der Beklagten ein Arbeitnehmer als Personalleiter beschäftigt gewesen, der auch den Arbeitsvertrag des Klägers unterzeichnet hatte. Zu Beginn des Jahres 2007 hatte der Mitarbeiter Herr D die Position des Personalleiters interimsweise übernommen. Zum 1. Mai 2007 hat die Arbeitnehmerin Frau E ihre Tätigkeit als Personalreferentin bei der Beklagten aufgenommen. Zu diesem Zeitpunkt hat Herr D wieder andere operative Aufgaben bei der Beklagten übernommen. Eine Neueinstellung eines Personalleiters ist in der Folgezeit nicht erfolgt.

Der im Jahr 1977 geborene und verheiratete Kläger war seit dem 8. Januar 2001 aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom selben Tag (vgl. Bl. 5 bis 10 d.A.) bei der Beklagten als Verladearbeiter beschäftigt. Sein Bruttomonatslohn betrug 2.000,00 EUR.

Die Verladearbeiter erhalten bei Schichtbeginn ein Mobiltelefon zur internen Verständigung sowie Abstimmung der Verladearbeiten und Einsätze auf dem Rollfeld ausgehändigt. Bei der Ausgabe wird die so genannte VPN-Nummer des ausgegebenen Mobiltelefons in einer Ausgabeliste festgehalten. Der das Mobiltelefon in Empfang nehmende Mitarbeiter quittiert Datum und Uhrzeit der jeweiligen Aus- und Rückgabe durch seine Unterschrift.

Am 18. Februar 2008 erhielt die IT-Abteilung der Beklagten eine Rechnung der F GmbH, auf der der Beklagten unter anderem Leistungen der G GmbH in Höhe von 613,72 EUR in Rechnung gestellt worden waren (Bl. 110 d.A.). Die Beklagte kündigte daraufhin alle Verträge zur G GmbH zum 30. April 2008. Auf die schriftliche Anfrage der Beklagten vom 19. März 2008 (Bl. 109 d.A.) teilte die G GmbH mit Schreiben vom 3. April 2008 mit, wann, unter welchen Mobilfunknummern, welche Abonnements zu welchem Preis bestellt worden waren. Das Schreiben ging am 7. April 2008 bei der Beklagten ein (Bl. 111, 112 d.A.). Ferner verfügt die Beklagte über einen Einzelverbindungsnachweis für den Monat Januar 2008, auf dem für verschiedene Internetnutzungen die Kartennummern der genutzten Mobiltelefone genannt sind (Bl. 103 bis 107 d.A.). Am 9. April 2008 wertete die Personalreferentin der Beklagten die Schreiben der G GmbH und der F GmbH aus. Am 11. April 2008 führten die Personalreferentin E und der Stationsleiter B ein Gespräch mit dem Kläger. In diesem Gespräch erklärte der Kläger auf entsprechende Vorhaltungen sinngemäß, es könne allenfalls sein, dass das Mobiltelefon das Internet in seiner Hosentasche versehentlich angewählt habe. Der weitere Inhalt dieses Gesprächs ist zwischen den Parteien streitig.

Mit Schreiben vom 14. April 2008 hörte die Beklagte den in ihrem Betrieb gebildeten Betriebsrat zur beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Klägers an (Bl. 93 bis 107 d.A.). Der Betriebsrat widersprach der Kündigungsabsicht schriftlich am 17. April 2008 (Bl. 108 d.A.).

Mit Schreiben vom 18. April 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum Kläger außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Termin (Bl. 11 d.A.). Das Kündigungsschreiben ist vom Stationsleiter B unterzeichnet. Eine schriftliche Vollmacht war dem Kündigungsschreiben nicht beigefügt. Nachdem die Prozessbevollmächtigte des Klägers die Kündigung mit Schreiben vom 21. April 2008 zurückgewiesen hatte (Bl. 12 d.A.), kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 24. April 2008 das Arbeitsverhältnis "rein vorsorglich" erneut außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum nächst zulässigen Termin (Bl. 18 d.A.). Das Kündigungsschreiben trägt die Unterschrift "H". Die Unterschrift trägt den Zusatz "Leiter Deutsche Stationen". Die Prozessbevollmächtigte des Klägers wies auch diese Kündigung mit Schreiben vom 28. April 2008 wegen Nichtvorlage einer Vollmachtsurkunde zurück (Bl. 19 d.A.).

Mit seiner Klage, die am 23. April 2008 bei dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main eingegangen und der Beklagten am 2. Mai 2008 zugestellt worden ist, begehrte der Kläger die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung vom 18. April 2008 und kündigte einen allgemeinen Feststellungsantrag an. Mit Schriftsatz vom 28. April 2008, der am 30. April 2008 beim Arbeitsgericht eingegangen und der Beklagten am 7. Mai 2008 zugestellt worden ist, wandte er sich auch gegen die Kündigung vom 24. April 2008. Mit am 18. Juni 2008 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz kündigte der Kläger einen Weiterbeschäftigungsantrag als unechten Hilfsantrag an.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis habe aufgrund der Kündigungen nicht geendet. Er hat behauptet, von einer Bevollmächtigung der die Kündigungen Unterzeichnenden keine Kenntnis gehabt zu haben. Wegen der unverzüglichen Zurückweisung hat er die Auffassung vertreten, die Kündigungen seien bereits aus diesem Grunde unwirksam. Zudem hat er die Meinung vertreten, ein wichtiger Grund für eine Kündigung bestehe nicht, die Beklagte habe die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten und auch ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund im Sinne des § 1 KSchG bestehe nicht. Er hat behauptet, das gleiche Vergehen des Arbeitnehmers Barak sei lediglich mit einer Abmahnung geahndet worden und der Arbeitnehmer habe die durch ihn verursachten Kosten zurückzahlen müssen. Die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats vor Ausspruch der Kündigungen hat er bestritten.

Der Kläger hat zuletzt nur noch beantragt,

1. es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 18. April 2008 noch durch die hilfsweise ordentliche ausgesprochene Kündigung der Beklagten vom 18. April 2008 aufgelöst worden ist,

2. es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 24. April 2008 noch durch die hilfsweise ordentliche ausgesprochene Kündigung der Beklagten vom 24. April 2008 aufgelöst worden ist,

3. die Beklagte wird verurteilt, den Kläger im Falle des Obsiegens mit den Klageanträgen zu 1. und 2. bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu den bisherigen Bedingungen als Verladearbeiter weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, die Aufgaben des Personalleiters seien zum 1. Mai 2007 auf den jeweiligen Stationsleiter übertragen worden. Dies sei der Belegschaft im Mai 2007 durch einen Aushang bekannt gegeben worden. Sie hat behauptet, Herr B sei regelmäßig gegenüber der Belegschaft auch in rechtlich erheblicher Weise aufgetreten. Er unterzeichne alleine z.B. die Arbeitsverträge gegenüber den Mitarbeitern. Sie hat darauf verwiesen, dass die Betriebsratsanhörung zur Kündigung des Klägers von Herrn B unterzeichnet war. Herr B führe zudem zusammen mit anderen Kollegen auch etwaige Tarifverhandlungen mit ihr. Sie hat die Auffassung vertreten, er trete also umfassend arbeitsrechtlich gegenüber der Belegschaft, insbesondere dem Betriebsrat, auf. Insgesamt werde Herr B von der Belegschaft als Leiter der A Station mit Zeichnungsberechtigung wahrgenommen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag erheblich verletzt, indem er das ihm dienstlich überlassene Mobiltelefon dazu genutzt habe, um bei der G GmbH Abonnements auf ihre Kosten zu bestellen. Sie hat behauptet, er habe dadurch einen Schaden in Höhe von 932,31 EUR verursacht. Letztlich habe der Kläger dieses Verhalten in dem geführten Personalgespräch zugestanden. Seine Einlassung, dies sei allenfalls versehentlich geschehen, hat sie für eine Schutzbehauptung gehalten. Sie hat die Auffassung vertreten, es sei ihr unzumutbar das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist aufrecht zu erhalten. Eine Abmahnung hat sie für entbehrlich, die Betriebsratsanhörung für ordnungsgemäß gehalten. Sie hat behauptet, der genannte Arbeitnehmer I habe keine Abonnements bestellt, sondern privat mit dem Diensttelefon telefoniert.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 5. August 2008 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 18. April 2008 nicht aufgelöst worden ist und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es hat angenommen, die Zurückweisung der Kündigung vom 18. April 2008 sei gemäß § 174 Satz 2 BGB ausgeschlossen, weil Leiter von Niederlassungen grundsätzlich zum Ausspruch von Kündigungen berechtigt seien, da sie für die dort beschäftigten Arbeitnehmer der Niederlassung regelmäßig der höchste Ansprechpartner in allen Fragen des Arbeitsverhältnisses seien und im vorliegenden Fall die Stellung des Niederlassungsleiters mit der Stellung des Stationsleiters vergleichbar sei. Die außerordentlichen Kündigungen vom 18. und 24. April 2008 seien unwirksam, weil sie nach Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unverhältnismäßig seien. Die ordentliche Kündigung vom 18. April 2008 hingegen sei gemäß § 1 Abs. 2 KSchG wirksam. Es handele sich auch nicht um eine herausgreifende Kündigung. Zu dieser Kündigung habe die Beklagte auch den Betriebsrat ordnungsgemäß vor deren Ausspruch angehört. Wegen der Einzelheiten der Entscheidung wird auf Blatt 166 bis 186 der Akten Bezug genommen.

Der Kläger hat gegen das ihm am 11. August 2008 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main am 21. August 2008 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 13. November 2008 am 11. November 2008 begründet.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 7. Dezember 2007 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main am 8. September 2008 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 10. November 2008 am 10. November 2008 begründet.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Er ist der Auffassung, der Stationsleiter der Beklagten, Herr B, sei einem Niederlassungsleiter jedenfalls nicht vergleichbar. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Beklagte in der Vergangenheit üblicherweise einen Personalleiter eingesetzt habe und selbst vorgetragen habe, Herrn B seien die Aufgaben eines Personalleiters übertragen worden. Im Übrigen wiederholt und vertieft seine Auffassung im Hinblick auf die Unwirksamkeit der Kündigungen.

Der Kläger beantragt,

unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 11. August 2008 festzustellen

1. dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch durch die hilfsweise ordentlich ausgesprochene Kündigung der Beklagten vom 18. April 2008 und auch durch die hilfsweise ordentlich ausgesprochene Kündigung der Beklagten vom 24. April 2008 nicht aufgelöst worden ist,

2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu den bisherigen Bedingungen als Verladearbeiter weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen und

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 5. August 2008 - 5 Ca 3014/08 - teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen

und hilfsweise

das Arbeitsverhältnis im Hinblick auf die zum 30. Juni 2008 ausgesprochenen, hilfsweise ordentlichen Kündigungen gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aufzulösen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil im Hinblick auf die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigungen und verfolgt die Klageabweisung weiter. Sie ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe die außerordentlichen fristlosen Kündigungen zu Unrecht als unverhältnismäßig angesehen. Ihren Auflösungsantrag hält sie für begründet, da es durch das Herunterladen der Abonnements zu einem erheblichen Vertrauensverlust gekommen sei. Hinzu komme der erhebliche Schaden in Höhe von circa 1.000,00 EUR.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 9. März 2009 (Bl. 290, 291 d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen der Parteien gegen das am 5. August 2008 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main sind zulässig. Die Rechtsmittel sind statthaft §§ 64 Abs. 2 lit. b) und c), 8 Abs. 2 ArbGG sowie jeweils form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 519 ZPO, 66 Abs. 1 ArbGG.

In der Sache hat nur die Berufung des Klägers Erfolg und führt zur Feststellung der Unwirksamkeit der hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigungen vom 18. und 24. April 2008. Die Berufung der Beklagten ist insgesamt - auch im Hinblick auf den Auflösungsantrag - unbegründet und die Beklagte ist verpflichtet, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits als Verladearbeiter weiterzubeschäftigen.

Die Kündigungen der Beklagten sind sämtlich nach § 174 Satz 1 BGB unwirksam. Die Kündigung vom 18. April 2008 scheitert an der fehlenden Vorlage einer auf den Stationsleiter B ausgestellten Vollmachtsurkunde. Die Kündigung vom 24. April 2008 scheitert an der fehlenden Vorlage einer auf den "Leiter Deutsche Stationen" H ausgestellten Vollmachtsurkunde und ist zudem wegen fehlender Anhörung des Betriebsrats vor ihrem Ausspruch unwirksam.

Nach § 174 Satz 1 BGB ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grund unverzüglich zurückweist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

Die Kündigung ist eine einseitige Willenserklärung. Es kann dahinstehen, ob der Stationsleiter B und der "Leiter Deutsche Stationen" H Vertretungsmacht zum Ausspruch der jeweiligen Kündigung hatten. Es entspricht jedenfalls der allgemeinen Meinung in Rechtsprechung und Literatur, der sich die erkennende Kammer anschließt, dass bei der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch einen Bevollmächtigten des Arbeitgebers grundsätzlich die Vorlage einer Vollmachtsurkunde erforderlich ist (BAG 30. Mai 1972 - 2 AZR 298/71 - BAGE 24, 273 = AP BGB § 174 Nr. 1 = EzA BGB § 174 Nr. 1; 30. Mai 1978 -2 AZR 633/76 - AP BGB § 174 Nr. 2 = EzA BGB §174 Nr. 2; 29. Juni 1989 - 2 AZR 482/88 - AP BGB § 174 Nr. 7 = EzA BGB § 174 Nr. 6; Staudinger/Schilken, Neubearb. 2004, § 174 Rz. 3; KR-Friedrich, 8. Aufl, § 174 Rz. 284; Soergel/Leptien, BGB, 13. Aufl., § 174 Rz. 2). Die Ungewissheit, ob ein einseitiges Rechtsgeschäft von einem wirklich Bevollmächtigten ausgeht und der Vertretene dieses Rechtsgeschäft gegen bzw. für sich gelten lassen muss, besteht wenn - vorbehaltlich der Sonderregelung des § 174 Satz 2 BGB - der Bevollmächtigte eines Arbeitgebers handelt. Es können beispielsweise eine Vollmachtsüberschreitung, ein Vollmachtsmissbrauch oder überhaupt nur Zweifel am Bestehen einer Vollmacht vorliegen, so dass der Dritte durch das Zurückweisungsrecht geschützt werden muss. Der gesetzlich geforderte Nachweis der Vollmacht erschwert dabei den Geschäftsverkehr nicht unnötig.

Der Kläger bzw. dessen Prozessbevollmächtigte hat die Kündigungen jeweils unverzüglich im Sinne des § 121 BGB, nämlich am 21. April 2008 betreffend die Kündigung vom 18. April 2008 und am 28. April 2008 betreffend die Kündigung vom 24. April 2008, wegen fehlender Vorlage der Vollmachtsurkunde zurückgewiesen.

Die Zurückweisung der Kündigung vom 18. April 2008 war auch nicht gemäß § 174 Satz 2 BGB ausgeschlossen, weil der Kläger von der Beklagten von der Bevollmächtigung des Stationsleiters B in Kenntnis gesetzt worden war.

§ 174 Satz 2 BGB bildet die Ausnahme zu § 174 Satz 1 BGB. Das Zurückweisungsrecht ist nach § 174 Satz 2 BGB nur dann ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber demjenigen, gegenüber dem das einseitige Rechtsgeschäft vorgenommen werden soll, die Bevollmächtigung (vorher) mitgeteilt hat. Das anderweitige In-Kenntnis-Setzen soll einen gleichwertigen Ersatz für die Vorlage der Vollmachtsurkunde darstellen (Hess. LAG 18. Januar 2005 - 15 Sa 496/04 - zitiert nach juris). Eine konkludente Mitteilung genügt, die Erlangung der Kenntnis auf anderem Wege dagegen nicht (Palandt/Heirichs, 68. Aufl., § 174 Rz. 7; Soergel/Leptien BGB 13. Aufl. § 174 Rn. 4).

Der Kläger ist weder ausdrücklich noch konkludent über die Bevollmächtigung des Stationsleiters B in Kenntnis gesetzt worden.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich ein solches In-Kenntnis-Setzen nicht aus einem behaupteten Aushang im Mai 2007. Der Vortrag der Beklagten ist insoweit nicht hinreichend substantiiert. Sie hat trotz entsprechenden Bestreitens des Klägers weder zum konkreten Inhalt, noch zum Ort des behaupteten Aushangs vortragen. Ihr allgemein gehaltener Vortrag genügt insbesondere nicht, um annehmen zu können, es sei in der Station am A Flughafen allgemein üblich gewesen, dass Erklärungen von maßgeblicher Bedeutung für die Arbeitsverhältnisse zur allgemeinen Kenntnisnahme für alle circa 800 beschäftigten Arbeitnehmer ausgehängt waren. Nicht ersichtlich ist zudem, dass den Arbeitnehmern - und damit auch dem Kläger - klar gewesen wäre, sie müssten regelmäßig eine bestimmte Stelle im Betrieb aufsuchen und in Augenschein nehmen, um für ihr Vertragsverhältnis relevante Mitteilungen zur Kenntnis zu nehmen. Ebenso wenig ist ein Hinweis der Beklagten an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sich über das Schwarze Brett insoweit auf dem Laufenden zu halten, offenbar.

Der Stationsleiter B hat auch keine solche Stellung inne, die zwingend mit einem Kündigungsrecht verbunden zu sein pflegt, so dass die Vollmachtsvorlage entbehrlich gewesen wäre. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann ein In-Kenntnis-Setzen von einer Bevollmächtigung zum Ausspruch der Kündigung auch darin liegen, dass der Arbeitgeber bestimmte Mitarbeiter, z.B. durch Bestellung zum Prokuristen, Generalbevollmächtigten oder Leiter einer Personalabteilung, in eine Stellung beruft, mit der das Kündigungsrecht üblicherweise verbunden zu sein pflegt (BAG 30. Mai 1972 - 2 AZR 289/71 - BAGE 24, 273 = AP BGB § 174 Nr. 1 = EzA BGB § 174 Nr. 1; 11. Juli 1991 - 2 AZR 107/91 - AP BGB § 174 Nr. 9 = EzA BGB § 174 Nr. 9). Davon kann vorliegend, bei einem Stationsleiter nicht ausgegangen werden. Zum einen hat das Arbeitsgericht insoweit verkannt, dass Leiter von Niederlassungen nicht grundsätzlich zum Ausspruch von Kündigungen berechtigt sind. Die vom Arbeitsgericht herangezogene Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts (Hess. LAG 20. Juni 2000 - 9 Sa 1899/99 - LAGE BGB § 174 Nr. 11) trägt diese Auffassung nicht. Dort hat die Berufungskammer ausdrücklich auf die Entscheidungserheblichkeit der Umstände des Einzelfalls abgestellt sowie darauf Bezug genommen, dass es im Transportgewerbe allgemein üblich und bekannt sei, dass Leiter von Niederlassungen zur Kündigung jedenfalls gegenüber Kraftfahrern, Lagerarbeitern und ähnlichen gewerblichen Arbeitnehmern berechtigt seien. Ebenso hat die Kammer dort ausdrücklich allein für die gewerblichen Arbeitnehmer des Transportgewerbes angenommen, dass der Niederlassungsleiter regelmäßig der höchste Ansprechpartner in allen Fragen seines Arbeitsverhältnisses sei. Zum anderen sind keine Tatsachen ersichtlich, die den Schluss zulassen, die Stellung eines Stationsleiters im Betrieb der Beklagten sei mit der eines Niederlassungsleiters vergleichbar. Allein die unstreitige Tatsache, dass der Geschäftsführer der Beklagten nicht regelmäßig vor Ort in A ist, stellt keinen Umstand dar, aus dem ein Rückschluss darauf gezogen werden kann, dass die Stellung des Stationsleiters im Unternehmen der Beklagten zwingend mit einem Kündigungsrecht verbunden zu sein pflegt, denn obwohl gesetzliche Vertreter des Arbeitgebers im Hause sind, wird für Personalleiter ein Kündigungsrecht angenommen. Der Umstand, dass der Stationsleiter als der für das operative Geschäft verantwortliche Arbeitnehmer für die übrigen Arbeitnehmer der "höchste Ansprechpartner" ist, ist insoweit irrelevant. Würde man im Falle der regelmäßigen Ortsabwesenheit des Geschäftsführers einer GmbH eine solche Kompetenz für den jeweils vor Ort anwesenden hierarchisch höchst angesiedelten Arbeitnehmer annehmen, würde dies zu einer konturenlosen Verwässerung der Ausnahmevorschrift des § 174 Satz 2 BGB führen (vgl. zur Stellung von Angestellten des höheren Dienstes insoweit BAG 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68, zu B I 2 a dd der Gründe). Gegen die Annahme im Betrieb der Beklagten pflege die Position des Stationsleiters zwingend mit einem Kündigungsrecht verbunden zu sein, spricht nach Auffassung der Kammer als entscheidungserheblicher Umstand des vorliegenden Einzelfalls Folgendes: Noch bis Mai 2007 war die Kompetenz für Personalentscheidungen, insbesondere zu Kündigungen, im Betrieb der Beklagten einem in die Stellung eines Personalleiters bzw. Interimspersonalleiters berufenen Arbeitnehmer übertragen und gerade die Übertragung dieser Kompetenz auf die Position des Stationsleiters soll explizit erfolgt und durch Aushang bekannt gemacht worden sein. Dieser Umstand verdeutlicht, dass es auch nach dem Verständnis der Beklagten eines Übertragungsaktes im Hinblick auf die Kündigungskompetenz bedurfte, mithin die Position des Stationsleiters diese Kompetenz nicht "per se" beinhaltet.

Darauf, ob der Stationsleiter B regelmäßig gegenüber der Belegschaft "in rechtlich erheblicher Weise" auftrat, die Arbeitsverträge anderer Arbeitnehmer unterzeichnete, die Betriebsratsanhörung zur Kündigung des Klägers unterzeichnete, gemeinsam mit anderen Kollegen auch etwaige Tarifverhandlungen führte und ob die Belegschaft ihn als Leiter der A Station mit Zeichnungsberechtigung wahrnahm, kommt es demgegenüber nicht an. Zum einen ist nicht ersichtlich, dass der Kläger von der Unterzeichnung anderer Arbeitsverträge oder der Betriebsratsanhörung durch den Stationsleiter überhaupt Kenntnis hatte. Zum anderen folgt aus den genannten tatsächlichen Unterzeichnungsakten nicht ohne weiteres eine Kündigungsberechtigung. Zudem ist der Vortrag im Hinblick auf das Auftreten in rechtlich erheblicher Weise gegenüber der Belegschaft, das Führen von Tarifverhandlungen gemeinsam mit anderen Arbeitnehmern, die Zeichnungsberechtigung und die Wahrnehmung Dritter insoweit, nicht hinreichend substantiiert. Insoweit haben auch die Erörterungen im Kammertermin nicht zu einer Konkretisierung geführt. Letztlich würde eine Kenntniserlangung über derartige Tatsachen als "auf anderem Weg" ohnehin nicht genügen.

Die Zurückweisung der Kündigung vom 24. April 2008 war ebenfalls nicht gemäß § 174 Satz 2 BGB ausgeschlossen, weil der Kläger von der Beklagten von der Bevollmächtigung des "Leiters Deutsche Stationen" H in Kenntnis gesetzt worden war. Ein ausdrückliches In-Kenntnis-Setzen von der Vollmacht behauptet die Beklagte selbst nicht. Da auch nach den Erörterungen des Kammertermins nicht davon ausgegangen werden kann, dass der "Leiter Deutsche Stationen" H Arbeitnehmer der Beklagten ist, kommt auch nicht in Betracht, dass er als "Leiter Deutsche Stationen" eine Stellung inne hat, die zwingend mit einem Kündigungsrecht im Unternehmen der Beklagten verbunden zu sein pflegt. Darauf hat die Beklagte sich auch nicht berufen.

Darüber hinaus ist die außerordentliche und hilfsweise ordentliche Kündigung vom 24. April 2008 wegen der fehlenden Beteiligung des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG unwirksam.

Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG besteht eine Anhörungspflicht des Arbeitgebers vor jeder Kündigung. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift, dem Betriebsrat Gelegenheit zu geben, auf den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers Einfluss zu nehmen, kann ein Anhörungsverfahren grundsätzlich nur für die Kündigung Wirksamkeit entfalten, für die es eingeleitet worden ist (BAG 11. Oktober 1989 - 2 AZR 88/89 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 55 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 78, zu III 4 b der Gründe). Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber wegen Bedenken gegen die Wirksamkeit der ersten Kündigung vorsorglich erneut kündigt. Das durch die ordnungsgemäße Anhörung erworbene Recht zum Ausspruch der Kündigung ist durch den Zugang der Kündigung verbraucht (BAG 10. November 2005 - 2 AZR 623/04 - AP BGB § 626 Nr. 196 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 11; 31. Januar 1996 - 2 AZR 273/95 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 80 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 90; KR-Etzel 8. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 57a; HWK/Ricken 2. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 20; einschränkend Diller NZA 2004, 579; APS/Koch 3. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 26 "Förmelei").

Da die Kündigung vom 18. April 2008 bereits aus anderen Gründen unwirksam ist, kann an dieser Stelle zu Gunsten der Beklagten unterstellt werden, dass die Anhörung des Betriebsrats vor Ausspruch der Kündigung vom 18. April 2008 ordnungsgemäß erfolgte. Das durch diese Anhörung erworbene Recht zum Ausspruch der Kündigung vom 18. April 2008 war mit deren Zugang verbraucht. Trotz ausdrücklicher Rüge des Klägers im Hinblick auf die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats vor Ausspruch der vorsorglich erklärten Kündigung vom 24. April 2008 hat die Beklagte keine Tatsachen zu einer erneuten Anhörung des Gremiums vorgetragen. Es ist daher davon auszugehen, dass keine erneute Anhörung des Betriebsrats vor Ausspruch der zweiten außerordentlichen, hilfsweise ordentlich erklärten Kündigung erfolgte.

Der hilfsweise Auflösungsantrag der Beklagten gemäß § Abs. 1 S. 2 KSchG ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht zum 30. Juni 2008, dem Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigungen vom 18. und 24. April 2008, aufzulösen.

Gemäß § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG ist das Arbeitsverhältnis nach der gerichtlichen Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung aufgelöst ist, auf Antrag des Arbeitgebers dann aufzulösen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht erwarten lassen. Es kann offen bleiben, ob zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung hinreichende Gründe in diesem Sinne vorlagen. Denn beide hilfsweise ordentlich erklärten Kündigungen sind jedenfalls aufgrund der Regelung des § 174 Satz 1 BGB unwirksam, also nicht ausschließlich wegen ihrer Sozialwidrigkeit unwirksam. Dies schließt einen wirksamen Auflösungsantrag des Arbeitgebers nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 21. September 2000 - 2 AZN 576/00 - BAGE 95, 348 = AP KSchG 1969 § 9 Nr. 35 = EzA KSchG § 9 n.F. Nr. 44 mwN.), der die Berufungskammer folgt, aus (vgl. auch: Hess. LAG 18. Januar 2005 - 15 Sa 496/04 -; LAG Hamburg 30. September 2003 - 3 Sa 56/02 - jeweils zitiert nach juris). Hinsichtlich der Kündigung vom 24. April 2008 kommt hinzu, dass die Kündigung auch wegen unterbliebener Beteiligung des Betriebsrats unwirksam ist (BAG 27. September 2001 - 2 AZR 389/00 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 41 = EzA ZPO § 322 Nr. 13, zu II. 1., 2. der Gründe).

Der Kläger hat einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung gemäß §§ 611, 613 BGB in Verbindung mit § 242 BGB. Die Generalklausel des § 242 BGB wird dabei ausgefüllt durch die Wertentscheidung der Art. 1 und 2 GG.

Nachdem der Kläger auch mit seinem Berufungsantrag zu 1. obsiegt hat, überwiegt sein Interesse an der Verwirklichung seines Klageanspruchs durch tatsächliche Beschäftigung bei der Beklagten deren Interesse an dessen Nichtbeschäftigung. Besondere zusätzliche Umstände, die dem Anspruch des Klägers entgegenstehen, hat die Beklagte nicht vorgetragen.

Die Beklagte hat als die im Rechtsstreit insgesamt unterlegene Partei gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision besteht nicht, § 72 Abs. 2 ArbGG.



Ende der Entscheidung

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