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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 31.01.2005
Aktenzeichen: 16 Sa 1084/04
Rechtsgebiete: TVG, VTV/Bau


Vorschriften:

TVG § 1
VTV/Bau § 1 II Abschn. VI
Auch dann, wenn zwei Unternehmen einen gemeinsamen Betrieb unterhalten, in dem bauliche Leistungen nicht arbeitszeitlich überwiegend erbracht werden, kann eine selbständige baugewerbliche Betriebsabteilung iSv § 1 Abs. 2 Abschn. VI vorliegen. Das ist dann der Fall, wenn die dem einen Unternehmen arbeitsvertraglich zugeordneten Arbeitnehmer überwiegend bauliche Leistungen erbringen, diese baulichen Leistungen organisatorisch verselbständigt sind und sich diese Tätigkeiten von den übrigen im Gemeinschaftsbetrieb verrichteten deutlich unterscheiden. In diesem Falle schuldet der Unternehmer, der Arbeitgeber dieser Arbeitnehmer ist, die Zahlung von Sozialkassenbeiträgen.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 13. Mai 2004 - 5 Ca 2588/03 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Zahlungsverpflichtungen der Beklagten nach den Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes für den Zeitraum Juni 2000 bis Dezember 2002.

Der Kläger ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes.

Die Beklagte zu 1., deren persönlich haftende Gesellschafter die Beklagten zu 2. und 3. sind, wurde im Juni 2000 gegründet. Ihre Tätigkeit besteht darin, mit den durchschnittlich drei beschäftigten Arbeitnehmern Fenster- und Türelemente im Auftrag der A1 GmbH & Co. KG (künftig: A1), die diese Elemente mit ca. 45 - 50 Arbeitnehmern selbst herstellt bzw. im Ausland gefertigte Holzfenster veredelt, und deren Prokuristen die Beklagten zu 2. und 3. sind, zu Kunden zu transportieren, dort zu montieren, Kundendienst- und Servicearbeiten für die A1 durchzuführen und zu einem Arbeitszeitanteil von höchstens 10% bei der Produktion der A1mitzuhelfen. Sowohl die Beklagte wie die A1 haben ihren Sitz im gleichen Gebäude.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte habe im Klagezeitraum einen baugewerblichen Betrieb im Sinne der Bautarifverträge unterhalten, weil fast ausschließlich, jedenfalls zu mehr als 50% der betrieblichen Gesamtarbeitszeit genormte Bauteile einschließlich der damit im Zusammenhang stehenden Vor- und Nacharbeiten eingebaut und montiert worden seien. Weder handele es sich bei der Beklagten zu 1. um einen Nebenbetrieb der A1, noch bildeten die Beklagte zu 1. und die A1 einen gemeinsamen Betrieb. Letzteres folge schon daraus, dass die Beklagte zu 1. im Gewerbe- und Handelsregister selbständig angemeldet sei. In jedem Fall handele es sich bei den von der Beklagten zu 1. beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmern um eine selbständige Betriebsabteilung im Sinne der Bautarifverträge. Einschränkungen der Allgemeinverbindlichkeitserklärung (AVE) kämen den Beklagten nicht zugute. Die Beklagte zu 1. sei weder mittelbar noch unmittelbar Mitglied im Hauptverband der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie. Zudem unterfalle die Tätigkeit der Beklagten zu 1. auch nicht dem fachlichen Geltungsbereich der Tarifverträge der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie, weil die Montage von Baunormteilen in handwerklicher Art und Weise durchgeführt werde und es eine "industrielle Montage" nicht gebe. Entsprechend seien die Beklagten zur Zahlung der Sozialkassenbeiträge für die von ihnen beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer für den Zeitraum Januar 2000 bis Dezember 2002 verpflichtet, die Höhe ergebe sich aus dem vom Arbeitsamt ermittelten Bruttolöhnen in Verbindung mit dem tariflichen Beitragssatz. Berücksichtigt sei eine auf das Beitragskonto überwiesene Erstattung der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse in Höhe von € 818,58. Hinsichtlich der Einzelheiten der Berechnung des Klägers wird auf dessen Schriftsatz vom 30. März 2004 (Bl. 53/54 d.A.) und die Sitzungsniederschrift vom 22. April 2004 (Bl. 139 d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, an ihn € 27.623,99 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben gemeint, sie seien nicht zur Zahlung von Beiträgen verpflichtet. In den Jahren 2000 und 2001 habe der Anteil von Montagearbeiten an der Gesamtarbeitszeit 60% betragen. Auf Transportleistungen seien 5%, auf Kundendienst- und Serviceleistungen 25% und auf Produktionshilfetätigkeiten für die A1 10% der Arbeitszeit entfallen. Im Jahr 2002 hätten Montageleistungen 63,05%, Kundendienstleistungen 22,24%, Transportleistungen 4,88% und Produktionshilfe 9,83% der Gesamtarbeitszeit ausgemacht. Darüber hinaus komme ihnen die Einschränkung der AVE-Erklärung zugute, wonach Hilfs- und Nebenbetriebe der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie von der AVE nicht erfasst würden. Die Beklagte zu 1. und die A1 bildeten eine untrennbare betriebliche Einheit. Die Mitarbeiter der Beklagten zu 1. würden von Führungskräften der A1, dem Produktionsleiter und dem Kundendienstleiter, unmittelbar in die Arbeit eingewiesen. Die Arbeitszeit- und Arbeitsortplanung erfolge ausschließlich über die Firma A1, dort werde auch die Abstimmung mit den Kunden vorgenommen, wobei hier die Prokuristen der A1, die Beklagten zu 2. und 3., ggf. einbezogen würden. Darüber hinaus würden die Büro- und Verwaltungsarbeiten einheitlich von der A1 übernommen, die Buchführung werde durch Mitarbeiter der A1 wahrgenommen, die Lohn- und Gehaltsabrechnungen würden für die Beklagte zu 1. und die A1 beim gleichen Steuerberater bearbeitet. Tatsächlich sei die A1 auch ein Industriebetrieb und produziere im industriellen Maß Kunststoff- und Aluminiumfenster.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit seinem am 13. Mai 2004 verkündeten Urteil unter Verurteilung der Beklagten wie Gesamtschuldner stattgegeben. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 143 - 154 d.A.) Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil haben die Beklagten innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 31. Januar 2005 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt.

Sie tragen vor, es habe sich ergeben, dass die erstinstanzlich für Kundendienstleistungen und Transportarbeiten angegebenen Arbeitszeitanteile zu gering berechnet worden seien. Tatsächlich seien sie erheblich höher. So ergäbe sich für 2003 ein Anteil von Montageleistungen an der Gesamtarbeitszeit von 49,66%, von Kundendienstleistungen von 35,18%, von Transportarbeiten von 7,44% und von Produktionshilfe von 7,72%. Diese Arbeitszeitanteile hätten auch für die Vorjahre gegolten. Tatsächlich sei die A1 seit 1992 Mitglied im Gesamtverband Deutscher Holzhandel e.V. Durch diese Mitgliedschaft gehöre sie wiederum zum Bereich der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie. Insbesondere gelte der Manteltarifvertrag 1997/2000 des Deutschen Holzhandel e.V. für das Land Niedersachsen (Bl. 179 d.A.). Die bei der Firma A1 beschäftigten Arbeitnehmer unterlägen diesem Tarifvertrag und damit nicht den Bestimmungen der Bautarifverträge. Dies gelte entsprechend auch für die Arbeitnehmer der Beklagten zu 1. Da die Beklagte zu 1. und die A1 einen gemeinsamen Betrieb bildeten, komme es nämlich auf die Mehrzahl der in diesem Gesamtbetrieb tätigen Arbeitnehmer an. Dass insoweit ein gemeinsamer Betrieb vorläge, belege insbesondere der Umstand, dass die Beklagte zu 1. gar nicht über eine eigene Geschäftsführung und Organisation verfüge.

Die Beklagten beantragen,

das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 13. Mai 2004 - 5 Ca 2588/03 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil, wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und trägt vor, sowohl die Kundendienstleistungen wie auch die Transportarbeiten, die den Transport der dann eingebauten Elemente betroffen hätten, seien als Nebenleistungen den baulichen Tätigkeiten, nämlich den Montagearbeiten zuzurechnen. Damit ergebe sich ein deutliches Überwiegen von Montageleistungen. Im Übrigen unterhielten die Beklagte zu 1. und die A1 auch keinen gemeinsamen Betrieb. Die A1 sei nichts anderes als ein Auftraggeber der Beklagten zu 1. Bestritten werde, dass Arbeitszeiteinteilung und Arbeitseinsatzplanung bei der Beklagten zu 1. durch Mitarbeiter der A1 erfolgten. Gleiches gelte für die angebliche kaufmännische und organisatorische Einbindung, die Durchführung der Buchführung durch A1 und die mangelnde Handlungsfähigkeit der Beklagten zu 1. ohne die A1. Die Beklagte zu 1. verfüge über eine eigene Geschäftsführung und Organisation, trete werbend auf dem Markt auf und sei auch nicht nur für A1 tätig. Bestritten werde, dass die A1 seit 1992 Mitglied im Gesamtverband Deutscher Holzhandel e.V. sei. In keinem Fall sei sie mittelbar Mitglied des Tarifverbandes der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie. Der von den Beklagten vorgelegte Manteltarifvertrag erwähne im Übrigen als Tarifvertragspartei nicht einmal den Deutschen Holzhandel e.V.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 31. Januar 2005 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO an sich statthafte Berufung begegnet hinsichtlich des Wertes des Beschwerdegegenstandes (§ 64 Abs. 2 b ArbGG) keinerlei Bedenken. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt, sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO) und damit insgesamt zulässig.

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Denn die Beklagten sind wie Gesamtschuldner verpflichtet, an den Kläger € 27.623,99 zu zahlen.

Anspruchsgrundlage für das klägerische Begehren gegenüber der Beklagten zu 1. ist § 18 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 20. Dezember 1999 in den für die Jahre des Klagezeitraums jeweils gültigen Fassungen. Danach hat ein Arbeitgeber zur Aufbringung der Mittel für die tarifvertraglich festgelegten Leistungen im Urlaubs-, Lohnausgleichs-, Berufsausbildungs- und Zusatzversorgungsverfahren einen bestimmten Prozentsatz der Bruttolöhne aller gewerblichen Arbeitnehmer als Sozialkassenbeitrag an den Kläger als Einzugsstelle zu zahlen. Diese Verpflichtung traf die Beklagte zu 1. für den Klagezeitraum, die Beklagten zu 2. und 3. haften als persönlich haftende Gesellschafter der Beklagten zu 1. für diese Verbindlichkeiten (§ 128 Satz 1 HGB).

Die Rechtsnormen des VTV galten im Klagezeitraum für die Beklagte zu 1. Ob die Beklagte zu 1. Mitglied einer der tarifvertragschließenden Verbände des VTV war oder ist, spielt keine Rolle. Denn der VTV war in sämtlichen für den Klagezeitraum maßgeblichen Fassungen für allgemeinverbindlich erklärt, so dass seine Rechtsnormen auch für die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer und Arbeitgeber galten (§§ 5 Abs. 4, 4 Abs. 2 TVG).

Die Beklagte zu 1. unterfiel im Klagezeitraum auch dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV.

Nach § 1 Abs. 2 VTV fallen unter den betrieblichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrages diejenigen Betriebe, in denen überwiegend entweder die in § 1 Abs. 2 Abschnitt V genannten Beispielstätigkeiten ausgeführt oder aber Leistungen im Sinne der Bestimmungen der Abschnitte I - IV durchgeführt werden (ständige Rechtsprechung seit BAG 18. Januar 1984, AP Nr. 60 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Ob hiernach bauliche Leistungen überwiegend erbracht werden, bemisst sich danach, ob die überwiegende betriebliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer auf derartige bauliche Tätigkeiten entfällt. Nicht maßgeblich sind dagegen wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst oder handels- oder gewerberechtliche Kriterien (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BAG 14. Juli 2000, AP Nr. 232 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Den baulichen Leistungen ebenfalls zuzuordnen sind dabei diejenigen Nebenarbeiten, die zu einer sachgerechten Ausführung der baulichen Leistungen notwendig sind und deshalb mit ihnen in Zusammenhang stehen (vgl. z.B. BAG 25. Februar 1987, 28. März 1990, 11. Juni 1997 und 20. März 2002, AP Nr. 81, 130, 200 und 253 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Ob die überwiegende Arbeitszeit auf bauliche oder nicht bauliche Leistungen entfällt, ist nach der Arbeitszeit innerhalb eines Kalenderjahres zu beurteilen, soweit sich die Tätigkeiten des Betriebes, wie im vorliegenden Fall, über ein Kalenderjahr erstrecken (vgl. BAG 22. April 1987 und 12. Dezember 1988, AP Nr. 82 und 106 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).

Die Arbeitnehmer, die im Klagezeitraum in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten zu 1. standen, führten arbeitszeitlich überwiegend bauliche Tätigkeiten im Sinne von § 1 Abs. 2 VTV aus. Das Montieren (Zusammenfügen und Einbauen) von seitens Dritter hergestellter Fenster und Türen gehört zu den Montagebauarbeiten im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 37 VTV (ständige Kammerrechtsprechung, vgl. z.B. Kammerurteile vom 07. Februar 2000 - 16 Sa 913/99 und vom 08. Mai 2000 - 16 Sa 1546/99). Türen und Fenster sind nämlich nichts anderes als durchsichtige bzw. bewegliche Teile der seitlichen Begrenzung eines Raumes oder Gebäudes (Wand), deren Einbau die Tarifvertragsparteien im Klammerzusatz von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 37 VTV ausdrücklich erwähnen. Zudem wird das Einsetzen von Fenster und Türen im Ausbildungsrahmenplan für den Trockenbaumonteur, einem Beruf des Baugewerbes, ausdrücklich erwähnt (vgl. Anlage 12 Nr. 8 c § 64 der Verordnung über die Berufsausbildung in der Bauwirtschaft vom 02. Juni 1999, BGBl. I 1999, S. 1102 ff.). Das bestätigt deutlich, dass es sich in der Tat bei den genannten Arbeiten um solche des Baugewerbes handelt. In jedem Fall ist das Einbauen von Fenstern und Türen eine bauliche Leistung im Sinne der allgemeinen Bestimmungen des § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV, weil es zur Erstellung bzw. Instandhaltung und Instandsetzung eines Bauwerks bzw. Gebäudes dient (vgl. BAG 26. Januar 1994, AP Nr. 171 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; BAG 12. Oktober 1994 - 10 AZR 982/93).

Ebenfalls zu den baulichen Leistungen zählen die von den Arbeitnehmern der Beklagten zu 1. durchgeführten Transportarbeiten. Diese dienten nämlich, wie der Kläger unbestritten vorgetragen hat, dem Antransport der Bauteile an die Baustelle. Damit handelte es sich bei diesen Transportarbeiten um bauliche Leistungen kraft Sachzusammenhangs (vgl. BAG 25. Februar 1987, a.a.O.). Denn diese Transportarbeiten waren dazu bestimmt, die anschließenden baulichen Leistungen überhaupt erst zu ermöglichen. Ohne Antransport der Bauteile können Montagearbeiten nicht durchgeführt werden.

Auf Montagearbeiten und Transporttätigkeiten entfielen mehr als die Hälfte der betrieblichen Gesamtarbeitszeit der bei der Beklagten zu 1. in den Kalenderjahren des Klagezeitraums beschäftigten Arbeitnehmer. Das gilt selbst dann, wenn man den, das erstinstanzliche Vorbringen korrigierenden Vortrag der Beklagten im Berufungsrechtszug zugrunde legt. Denn danach entfielen 49,66% der Gesamtarbeitszeit auf Montagetätigkeiten und 7,44% auf Transportleistungen. Das sind zusammen 57,1% der Gesamtarbeitszeit und damit mehr als die Hälfte.

Die Beklagte zu 1. unterhielt mit ihren Arbeitnehmern im Klagezeitraum auch einen Betrieb.

Den in § 1 Abs. 2 Abschnitt I - V VTV verwendeten Begriff des Betriebes haben die Tarifvertragsparteien nicht näher bestimmt. Deshalb ist auf den allgemeinen arbeitsrechtlichen Betriebsbegriff zurückzugreifen. Danach ist unter einem Betrieb die organisatorische Einheit zu verstehen, innerhalb derer der Unternehmer allein oder in Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern mithilfe von sächlichen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt, die sich nicht in der Befriedigung von Eigenbedarf erschöpfen (vgl. BAG 26. April 1989, AP Nr. 115 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Darüber hinaus haben die Tarifvertragsparteien in § 1 Abs. 2 Abschnitt VI Abs. 1 Satz 2 VTV bestimmt, dass Betrieb im Sinne des Tarifvertrages auch eine selbständige Betriebsabteilung ist.

Danach unterhielt die Beklagte zu 1. im Klagezeitraum einen Betrieb im tariflichen Sinne. Darauf, ob die Beklagte zu 1. selbst einen Betrieb führte oder ob von ihr und der A1 gemeinsam ein Betrieb gebildet worden ist, kommt es streitentscheidend nicht an.

Geht man davon aus, dass die Beklagte zu 1. Mit Hilfe der in Arbeitsverhältnissen zu ihr stehenden Arbeitnehmer und sachlichen Mitteln die von ihr verfolgten arbeitstechnischen Zwecke, nämlich die Montage inklusive Transport von Fenstern und Türen innerhalb einer eigenständigen Arbeitsorganisation verfolgte, die Beklagte zu 1. also einen eigenen Betrieb unterhielt, sind die Merkmale des § 1 Abs. 2 VTV ohne weiteres gegeben. Soweit die Beklagte meint, es handele sich bei dem von ihr unterhaltenen Betrieb in jedem Fall um einen Nebenbetrieb der A1, übersieht sie, dass von einem Nebenbetrieb nur dann gesprochen werden kann, wenn der Betriebsinhaber des Nebenbetriebes derselbe ist wie der des Hauptbetriebs (vgl. BAG 25. April 1995, AP Nr. 5 zu § 1 TVG Tarifverträge: Land- und Forstwirtschaft). An dieser Voraussetzung fehlt es. Wenn die Beklagte zu 1. und die A1 unterschiedliche Betriebe unterhielten, war eine Identität der Betriebsinhaberschaft nicht gegeben, weil die Beklagte zu 1. und die A1 unterschiedliche Rechtspersönlichkeiten sind.

Einschränkungen der AVE kommen der Beklagten zu 1. - unterstellt, sie habe einen eigenständigen Betrieb unterhalten - nicht zugute. Durch die Bekanntmachung über die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifvertragswerken für das Baugewerbe vom 07. Januar 2000 (BAnz. Nr. 20 vom 29. Januar 2000, S. 1385 ff.) ist die Allgemeinverbindlicherklärung u.a. wie folgt eingeschränkt:

I.

1. Die Allgemeinverbindlicherklärung erstreckt sich nicht auf Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen von Arbeitgebern mit Sitz im Inland oder Ausland, die unter einen der im Anhang abgedruckten fachlichen Geltungsbereiche der am 01. Juli 1999 (Stichtag) geltenden Tarifverträge der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie, der Sägeindustrie und übrige Holzbearbeitung, der Steine- und Erde-Industrie, der Mörtelindustrie, der Transportbetonindustrie, der chemischen oder kunststoffverarbeitenden Industrie oder der Metall- und Elektroindustrie fallen.

2. Für Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen von Arbeitgebern mit Sitz im Inland gilt Absatz 1. nur dann, wenn sie

a) bereits am Stichtag unmittel oder mittelbar ordentliches Mitglied des Hauptverbandes der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie und verwandter Industriezweige e.V., ... waren. In diesem Fall wird unwiderlegbar vermutet, dass die Voraussetzungen des Absatz 1. erfüllt sind.

b) nachweislich als Niederlassung eines Betriebs nach Absatz 1. (Stammbetrieb), der bereits vor dem Stichtag unmittelbar oder mittelbar ordentliches Mitglied eines der in Buchstabe a) genannten Verbände war, nachgegründet worden sind, überwiegend solche Tätigkeiten ausführen, die zum fachlichen Geltungsbereich der in Absatz 1. genannten Tarifverträge gehören, und die ordentliche Mitgliedschaft in einem der in Buchstabe a) genannten Verbände erworben haben. Wenn diese Betriebe nachweislich zu 3/4 ihrer betrieblichen Arbeitszeit für den Stammbetrieb tätig sind, wird unwiderlegbar vermutet, dass sie unter einen der fachlichen Geltungsbereiche der in Absatz 1. genannten Tarifverträge fallen.

c) ohne selbst Mitglied in einem der Verbände nach Buchstabe a) zu sein, nachweislich als Niederlassung eines Stammbetriebes nach Absatz 1., der bereits vor dem Stichtag unmittelbar oder mittelbar ordentliches Mitglied eines der in Buchstabe a) genannten Verbände war, nachgegründet worden sind, unter eine der fachlichen Geltungsbereiche der in Absatz 1. genannten Tarifverträge fallen und zumindest zu 3/4 der betrieblichen Arbeitszeit für ihren Stammbetrieb tätig sind.

I. 2. a) der Einschränkung greift schon deshalb nicht ein, weil die Beklagte zu 1. weder am Stichtag (01. Juli 1999) noch später Mitglied einer der dort genannten Verbände gewesen ist. I. 2. b) und 2. c) kommen nicht zum Zug, weil ein von der Beklagten zu 1. unterhaltener Betrieb schon deshalb keine Niederlassung der A1 sein kann, weil es an der insoweit notwendigen Identität der Inhaberschaft von Stammbetrieb und Niederlassung fehlt.

Geht man davon aus, dass die Beklagte zu 1. einen eigenständigen Betrieb unterhielt, kann auch nicht davon die Rede sein, dass der VTV durch andere Tarifverträge verdrängt wird. Denn die Beklagten haben selbst nicht behauptet, dass die Beklagte zu 1. kraft Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband an irgendeinen Tarifvertrag gebunden ist.

Unterstellt man mit der Beklagten, sie und die A1 hätten im Klagezeitraum einen gemeinsamen Betrieb unterhalten, ändert das an der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Sozialkassenbeiträgen für die von der Beklagten zu 1. beschäftigten Arbeitnehmern nichts.

Dahinstehen kann, ob die für den Bereich des BetrVG und KSchG anerkannten Voraussetzungen, unter denen mehrere Unternehmen einen einheitlichen Betrieb bilden können (vgl. z.B. BAG 24. Januar 1996, AP Nr. 8 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb; BAG 18. Januar 1999, AP Nr. 9 zu § 23 KSchG 1969), auch im Tarifvertragsrecht und insbesondere für § 1 Abs. 2 VTV gelten (vgl. bejahend LAG Hamm 18. Februar 1992, LAGE § 4 TVG Geltungsbereich Nr. 4). Selbst wenn man hiervon ausgeht, schuldet die Beklagte zu 1. Zahlung von Sozialkassenbeiträgen für die von ihr im Klagezeitraum beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer. Denn diese bildeten dann eine selbständige Betriebsabteilung im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt VI Abs. 1 Satz 2 VTV und sind daher als Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 2 VTV anzusehen.

In § 1 Abs. 2 Abschnitt VI Abs. 1 Satz 2 VTV knüpfen die Tarifvertragsparteien bei ihrer Begriffsbildung an den allgemeinen arbeitsrechtlichen Begriff der Betriebsabteilung an. Danach ist eine selbständige Betriebsabteilung eine Abteilung, die, bezogen auf einen konkreten Gesamtbetrieb, eine personelle Einheit bildet, organisatorisch abgrenzbar ist, über eigene technische Betriebsmittel verfügt sowie einen speziellen eigenen Zweck verfolgt. Die besonderen Kriterien an der selbständigen Betriebsabteilung sind darüber hinaus eine deutliche räumliche und organisatorische Abgrenzung sowie ein besonders ausgeprägter arbeitstechnischer Zweck (vgl. BAG 08. Oktober 1975, 11. September 1991 und 13. Mai 2004, AP Nr. 25, 145 und 265 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Unterstellt man einen gemeinsamen Betrieb der Beklagten zu 1. und der A1, sind diese Merkmale bezüglich der von der Beklagten zu 1. beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer erfüllt.

Die bei der Beklagten zu 1. beschäftigten Arbeitnehmer bilden eine eigene personelle Einheit. Das folgt schon aus ihrer arbeitsvertraglichen Zuordnung zur Beklagten zu 1. Denn damit sind sie rechtlich und tatsächlich von den übrigen im gemeinsamen Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern abgrenzbar. Bei den von diesen Arbeitnehmern weit überwiegend durchgeführten Arbeiten handelt es sich auch um solche, die, von der arbeitstechnischen Zielrichtung her gesehen, sich deutlich von den Tätigkeiten unterscheiden, die im - unterstellt - gemeinsamen Betrieb sonst durchgeführt werden. Von den bei der A1 beschäftigten Arbeitnehmern werden nämlich Bauteile produziert. Damit verfolgen diese Arbeitnehmer eine deutlich andere arbeitstechnische Zielrichtung als die Arbeitnehmer der Beklagten zu 1., die weit überwiegend außerhalb des Betriebssitzes tätig und dort mit Montagen beschäftigt sind. Dass die A1 und die Beklagte zu 1. gemeinsame Betriebsräume nutzen, ist unerheblich. Räumlich sind die von den Arbeitnehmern der Beklagten zu 1. durchgeführten Arbeiten nämlich schon deshalb von den am Betriebssitz durchgeführten deutlich unterschieden, weil die Arbeitnehmer der Beklagten zu 1. überwiegend im Außenbereich arbeiten.

Es handelt sich bei den von den Arbeitnehmern der Beklagten zu 1. durchgeführten Tätigkeiten auch um einen organisatorisch abgegrenzten Betriebsteil des (unterstellten) Gemeinschaftsbetriebs. Da "Organisation" nicht anderes ist als ein "Teil eines gegliederten Ganzen" (vgl. Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Jubiläumsausgabe 1990, S. 134) bzw., betriebswirtschaftlich, eine "ordnende Gestaltung" (vgl. Schneck, Lexikon der Betriebswirtschaft, 3. Aufl. 1998, S. 541) ist zur Annahme einer Betriebsabteilung ein abgrenzbarer (personeller) Apparat erforderlich, der gerade die in der Teileinheit anstehenden arbeitstechnisch erforderlichen Maßnahmen plant, d.h. gedanklich vorwegnimmt, und damit den arbeitstechnischen Ablauf im Hinblick auf das gewünschte Ergebnis festlegt und steuert (vgl. Kammerurteil vom 09. Februar 2004 - 16 Sa 393/00).

Das war hier im Klagezeitraum der Fall. Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten wurden die Arbeitnehmer der Beklagten zu 1. von dem im Arbeitsverhältnis zur A1 stehenden Produktionsleiter und dem Kundendienstleiter in die Arbeit eingewiesen. Damit existierte eine personifizierte Ebene, durch die die arbeitstechnischen Leitungsaufgaben in Bezug auf die von den Arbeitnehmern der Beklagten zu 1. durchzuführenden Arbeiten wahrgenommen wurden. Ob die kaufmännischen und verwaltungstechnischen Entscheidungen hinsichtlich der Beklagten zu 1. und der A1 zentral getroffen worden sind, spielt keine Rolle. Für die Erfüllung der Merkmale einer Betriebsabteilung kommt es entscheidend auf die arbeitstechnische und nicht auf die wirtschaftliche Seite an (vgl. Kammerurteil vom 14. Januar 1991 - 16 Sa 1183/90).

Nimmt man hinzu, dass es sich zudem bei der Beklagten zu 1. um eine gegenüber der A1 eigenständige Rechtspersönlichkeit handelt, die auch im Rechtsverkehr selbständig auftritt und damit nach außen Selbständigkeit dokumentiert, und hält man sich weiter vor Augen, dass mit den Beklagten zu 2. und zu 3. als persönlich haftenden Gesellschaftern der Beklagten zu 1. Personen vorhanden sind, die berechtigt sind, den Arbeitnehmern der Beklagten zu 1. personelle, fachliche und technische Weisungen zu erteilen, bestehen keine Zweifel, dass auch dann, wenn von der Beklagten zu 1. und der A1 ein gemeinsamer Betrieb gebildet worden sein sollte, eine relativ verselbständigte, die Arbeitnehmer der Beklagten zu 1. erfassende arbeitstechnische Organisationseinheit und damit eine selbständige bauliche Betriebsabteilung im Klagezeitraum vorhanden war.

Die Geltung des VTV ist auch nicht wegen der bereits genannten Einschränkung der Allgemeinverbindlicherklärung ausgeschlossen. I. 2. a) der Einschränkung kommt nicht zum Tragen, weil diese die Mitgliedschaft des Arbeitgebers am Stichtag in einem der dort genannten Verbände verlangt. Die Beklagte zu 1. als Arbeitgeberin der bei ihr im Arbeitsverhältnis stehenden Arbeitnehmer war und ist nicht Mitglied in einem der in der Einschränkung aufgeführten Verbände. I. 2. b) kommt aus dem gleichen Grunde nicht in Betracht. Denn die Beklagte zu 1. ist niemals Mitglied einer der genannten Verbände geworden. I. 2. c) scheidet jedenfalls deshalb aus, weil sich aus dem Vortrag der Beklagten nicht ergibt, dass die A1 unmittelbar oder mittelbar ordentliches Mitglied des Hauptverbandes der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie und verwandter Industriezweige e.V. ist. Die Mitgliedschaft im Gesamtverband Deutscher Holzhandel e.V. belegt das nicht. Denn es ist weder vorgetragen worden noch sonst wie ersichtlich, dass dieser Verband seinerseits Mitglied im Hauptverband der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie und verwandter Industriezweige e.V. ist.

Schließlich muss der VTV auch nicht deshalb zurücktreten, weil der von der Beklagten zu 1. und der A1 (unterstellt) unterhaltene Gemeinschaftsbetrieb inklusive der selbständigen Baubetriebsabteilung wegen Mitgliedschaft der A1 im Holzhandelsverband an einen anderen Tarifvertrag gebunden ist. Insoweit ist bereits nicht erkennbar, wieso eine Bindung der A1 an einen anderen Tarifvertrag auch zur Bindung der Beklagten zu 1. an diesen Tarifvertrag führte. Kraft Mitgliedschaft in einem tarifvertragschließenden Verband tarifgebunden ist nicht ein Betrieb, sondern ein Arbeitgeber (§ 3 Abs. 1 TVG). Damit kann eine etwaige Bindung der A1 an einen Tarifvertrag nicht automatisch zur Bindung der Beklagten zu 1. an diesen Tarifvertrag führen. Im Übrigen ist nicht erkennbar, welcher speziellere Tarifvertrag eingreifen soll. Soweit die Beklagten den Manteltarifvertrag für den Groß- und Außenhandel Niedersachsen vorgelegt haben, ist bereits nicht erkennbar, dass dessen fachlicher Geltungsbereich den Gemeinschaftsbetrieb erfassen kann. Im Übrigen ist die frühere Rechtsprechung des 10. Senats des BAG, wonach in Fällen sog. Tarifpluralität (Bindung nur des Arbeitgebers an zwei miteinander konkurrierende Tarifverträge, während für Arbeitnehmer, je nach Tarifbindung, nur der eine oder der andere Tarifvertrag Anwendung findet) nur der speziellere Tarifvertrag anzuwenden ist, überholt (vgl. BAG 13. Mai 2004 - 10 AS 6/04). Jedenfalls seit der Änderung des AEntG ab 01. Januar 1999 lässt sich diese Rechtsprechung nicht mehr halten (vgl. Kammerurteil vom 14. Juli 2003 - 16 Sa 530/02 - DB 2004, 1786).

Die Höhe der Beitragsforderung steht zwischen den Parteien nicht im Streit.

Da die Beklagten zu 2. und 3. als persönlich haftende Gesellschafter für die Beitragsverpflichtungen der Beklagten zu 1. nach § 128 HGB haften, konnten die Beklagten, wie durch das Arbeitsgericht geschehen, wie Gesamtschuldner verurteilt werden (vgl. BAG 13. Mai 2004, a.a.O., m.w.N.).

Die Beklagten haben die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

Eine gesetzlich begründete Veranlassung zur Zulassung der Revision war nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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