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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 05.02.2007
Aktenzeichen: 16 Sa 1355/06
Rechtsgebiete: VVG, VTV/Bau, TVG


Vorschriften:

VVG § 1
VTV/Bau § 1 Abs. 2
TVG § 4 Abs. 1
TVG § 5 Abs. 4
Ein Betrieb, von dem arbeitszeitlich überwiegend Brandschutzarbeiten in der Form des Auftragens von Brandschutzbeschichtungen auf Elektrokabeln durchgeführt werden, unterfällt dem betrieblichen Geltungsbereich der Bautarifverträge.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 3. Mai 2006 - 3 Ca 2318/04 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug um Zahlungsverpflichtungen der Beklagten nach den Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes für den Zeitraum März 2002 bis Mai 2004.

Der Kläger ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes.

Die Beklagte unterhält seit 25. Februar 2002 einen Betrieb, von dem arbeitszeitlich überwiegend Arbeiten im Bereich des Brandschutzes durchgeführt werden. Dabei wird hauptsächlich auf Stromkabel eine intumeszierende Beschichtung aufgetragen, die im Brandfall aufquillt, die Sauerstoffzufuhr behindert und dadurch die Kabel vor dem Übergreifen von Feuer schützt. Außerdem werden Brandschutzbeschichtungen auf Brandschutzmatten, Kabelkanälen und Kabelschächten vorgenommen. Das Auftragen der Beschichtungen erfolgt mit einer Airless-Spritzmaschine, mit Spritzpistolen und, bei kleineren Flächen, mit Pinseln. Darüber hinaus werden, arbeitszeitlich nicht überwiegend, Klimaanlagen, Feuerschutzdecken und Feuerschutztüren eingebaut. Mit Urteil vom 21. Oktober 2005 (Az.: S 3 AL 275/03, Bl. 152 - 158 d.A.) entschied das Sozialgericht Düsseldorf, dass die Beklagte keine Beiträge zur Winterbauförderung abzuführen hat.

Der Kläger hat in ursprünglich drei getrennten, vom Arbeitsgericht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtsstreiten die Ansicht vertreten, die Beklagte habe im Klagezeitraum einen Betrieb des Baugewerbes unterhalten und sei deshalb zur Zahlung der tarifvertraglich normierten Beiträge für Arbeiter und Angestellte (€ 95.639,49 für Arbeiter, € 2.353,98 für Angestellte) verpflichtet. Außerdem schulde die Beklagte die tarifvertraglich festgelegten Auskünfte für Arbeiter und Angestellte für den Zeitraum April 2004 bis Juli 2004, für den Fall der Nichterfüllung Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 80% der mutmaßlichen Beiträge. Nachdem die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft dem Beklagtenkonto Erstattungsleistungen gutgeschrieben hatte, hat der Kläger die Beitragsforderung auf den Zeitraum März 2002 bis August 2003, nämlich für Arbeiter auf € 65.610,69 und für Angestellte auf € 1.495,98 ermäßigt und im Übrigen die Hauptsache für erledigt erklärt.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 67.106,67 zu zahlen;

die Beklagte weiter zu verurteilen,

1. dem Kläger auf dem von ihm zur Verfügung gestellten Formular Auskunft darüber zu erteilen,

1.1 wie viel gewerbliche Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten April 2004 bis Juli 2004 in dem Betrieb der Beklagtenseite beschäftigt wurden, welche Bruttolohnsumme und welche Sozialkassenbeiträge insgesamt für diese Arbeitnehmer in den jeweils genannten Monaten angefallen sind,

1.2 wie viel Angestellte, die eine nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten - ausgenommen sind nur geringfügig Beschäftigte im Sinne des § 8 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) - in den Monaten Juni 2004 und Juli 2004 in dem Betrieb der Beklagtenseite beschäftigt wurden und welche Zusatzversorgungsbeiträge in den jeweils genannten Monaten angefallen sind;

2. für den Fall, dass diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung innerhalb einer Frist von 6 Wochen nach Urteilszustellung nicht erfüllt wird, an den Kläger folgende Entschädigung zu zahlen:

zu Nr. 1.1: € 13.240,00

zu Nr. 1.2: € 185,00

Gesamtbetrag: € 13.425,00;

festzustellen, dass die Hauptsache in Höhe von € 30.886,80 erledigt ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, sie schulde dem Kläger nichts, weil es sich bei ihrem Betrieb nicht um einen solchen des Baugewerbes, sondern um einen des Maler- und Lackiererhandwerks handele. Die von ihr überwiegend durchgeführten Arbeiten seien, wie sich aus dem Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf ergebe, dem Maler- und Lackiererhandwerk zuzurechnen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 03. Mai 2006 der Klage stattgegeben. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 115 - 125 d.A.) Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 05. Februar 2007 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt.

Sie meint, entgegen dem Arbeitsgericht habe sie im Klagezeitraum überwiegend Malerarbeiten durchgeführt. Das folge bereits aus der gerichtlich getroffenen Entscheidung über die Nichtheranziehung zur Winterbauförderung, weil es ausgeschlossen sei, dass ein Betrieb einmal als Baubetrieb und einmal als solcher des Maler- und Lackiererhandwerks anzusehen sei. Bei ihr handele es sich um ein spezialisiertes Unternehmen, das zu den wenigen in Deutschland gehöre, welche Brandschutz mittels Aufbringung von Farben und Schäumen effektiv und preisgünstig durchführten. Ihr Prokurist sei früher in einer Malerfirma, ihrer Vorgängerin, tätig gewesen und habe seine berufsqualifizierende Ausbildung im Maler- und Lackiererhandwerk dort erworben.

Nachdem die Parteien übereinstimmend die Hauptsache bezüglich der geltend gemachten Auskunftsansprüche für erledigt erklärt hatten, beantragt die Beklagte,

das angefochtene Urteil abzuändern und nach den Schlussanträgen erster Instanz zu entscheiden.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt vor, es sei zwar richtig, dass Brandschutzbeschichtungen auch vom Maler- und Lackiererhandwerk ausgeführt würden. Es handele sich jedoch insoweit um Tätigkeiten, die auch von Betrieben des Baugewerbes durchgeführt würden. Bei dieser Sachlage könne sie nur dann vom Geltungsbereich der Bautarifverträge ausgeschlossen sein, wenn von ihrem Betrieb in nicht unerheblichem Umfang, nämlich zu mindestens 20% der betrieblichen Gesamtarbeitszeit, Arbeiten ausgeführt worden seien, die ausschließlich für das Maler- und Lackiererhandwerk typisch seien oder wenn diese Arbeiten in einem Umfang von 20% der betrieblichen Gesamtarbeitszeit von gelernten Malern ausgeführt oder unter entsprechender Aufsicht eines Fachmanns des Maler- und Lackiererhandwerks durchgeführt worden seien. Keine dieser Ausnahmen habe die Beklagte vorgetragen. Allein der Vortrag, der Prokurist habe seine berufsqualifizierende Ausbildung im Maler- und Lackiererhandwerks erworben, reiche nicht aus, um ihn als Fachmann dieses Handwerkszweiges anzusehen. Im Übrigen ergebe sich aus dem Umstand, dass die Beklagte Mitglied in der Industrie- und Handelskammer sei, dass es sich bei ihr nicht um einen Handwerksbetrieb handele.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 05. Februar 2007 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO an sich statthafte Berufung begegnet hinsichtlich des Wertes des Beschwerdegegenstandes (§ 64 Abs. 2 b ArbGG) keinerlei Bedenken. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt, sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO) und damit insgesamt zulässig.

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Der Kläger kann von der Beklagten die nach einvernehmlicher Erledigungserklärung der Parteien hinsichtlich der erstinstanzlich geltend gemachten Auskunft allein noch im Streit stehende Zahlung von € 67.106,67 ebenso verlangen wie die Feststellung, dass die Hauptsache in Höhe von € 30.886,80 erledigt ist.

Anspruchsgrundlage für das Zahlungsverlangen des Klägers ist hinsichtlich der Beitragsforderung für gewerbliche Arbeitnehmer § 18 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 20. Dezember 1999 (VTV), hinsichtlich des Zahlungsverlangens für Angestellte § 19 VTV. Die in diesen Rechtsnormen statuierten Zahlungsverpflichtungen treffen die Beklagte für den Klagezeitraum, weil der VTV für sie im Klagezeitraum galt.

Ob die Beklagte Mitglied einer der tarifvertragsschließenden Verbände des VTV war oder ist, spielt keine Rolle. Denn dieser Tarifvertrag war in sämtlichen für den Klagezeitraum maßgeblichen Fassungen für allgemeinverbindlich erklärt, sodass seine Rechtsnormen auch für die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gelten (§§ 5 Abs. 4, 4 Abs. 2 TVG).

Die Beklagte unterhielt in den Jahren 2002 bis 2004 auch einen Betrieb, der unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV fiel.

Nach § 1 Abs. 2 VTV fallen unter den betrieblichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrages diejenigen Betriebe, in denen überwiegend entweder die in § 1 Abs. 2 Abschnitt IV oder V genannten Beispielstätigkeiten ausgeführt werden oder aber Leistungen im Sinne der Bestimmungen der Abschnitte I - III (ständige Rechtsprechung seit BAG 18. Januar 1984, AP Nr. 60 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Ob hiernach bauliche Leistungen überwiegend erbracht werden, bemisst sich danach, ob die überwiegende betriebliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer auf derartige bauliche Tätigkeiten entfällt. Nicht maßgeblich sind dagegen wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst oder handels- oder gewerberechtliche Kriterien (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BAG 28. April 2004, AP Nr. 264 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Ob die überwiegende Arbeitszeit auf bauliche oder nicht bauliche Leistungen entfällt, ist nach der Arbeitszeit innerhalb eines Kalenderjahres zu beurteilen, soweit sich die Tätigkeiten des Betriebes, wie im vorliegenden Fall, über ein Kalenderjahr erstrecken (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BAG 25. Juli 2001, AP Nr. 240 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).

Ohne Belang ist es, ob der Betrieb zur Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft herangezogen wird. Die gesetzlichen Regelungen der Winterbauförderung in Verbindung mit der Baubetriebeverordnung einerseits und die Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes andererseits legen unterschiedliche Voraussetzungen fest und verfolgen unterschiedliche Zwecke. Deshalb ist es für die Anwendbarkeit des VTV ohne Bedeutung, ob ein Betrieb auch an der Winterbauförderung teilnimmt (vgl. BAG 20. März 2002, EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 114; BAG 03. Mai 2004, AP Nr. 265 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).

Nach diesen Maßstäben unterhielt die Beklagte in den Kalenderjahren 2002 bis 2004 einen baugewerblichen Betrieb. Denn die vom Betrieb der Beklagten arbeitszeitlich überwiegend durchgeführten Brandschutzarbeiten, insbesondere das Anbringen von Brandschutzbeschichtungen auf Kabeln erfüllt die Merkmale der tarifvertraglichen Vorschrift des § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 9 VTV, wonach zu den baulichen Tätigkeiten gehören Dämm-(Isolier-)Arbeiten (z.B. Wärme-, Kälte-, Schallschutz-, Schallschluck-, Schallverbesserungs-, Schallveredelungsarbeiten) einschließlich Anbringung von Unterkonstruktionen.

Was die Tarifvertragsparteien unter Dämm-(Isolier-)Arbeiten verstanden wissen wollen, haben sie zwar nicht näher erläutert. Ersichtlich wollten die Tarifvertragsparteien durch die Aufführung der in Ziffer 9 des Abschnitts V genannten Tätigkeiten jedoch alle die Betriebe erfassen, die Arbeiten durchführen, die herkömmlicherweise dem Isoliergewerbe zuzurechnen sind. Denn das Isoliergewerbe gehört zum Baugewerbe (vgl. BAG 11. Dezember 1974, AP Nr. 21 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau), durch die Bautarifverträge sollen die Arbeitsverhältnisse des Baugewerbes normiert werden. Zum Berufsbild des Wärme-, Kälte- und Schallschutzisolierers rechnet nach § 58 Nr. 10 der Verordnung über die Berufsausbildung in der Bauwirtschaft vom 02. Juni 1999 (BGBl. 1999, I. S. 1162 ff.) das Herstellen von Dämmungen für den Wärme-, Kälte-, Schall- und Brandschutz. § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung über das Berufsbild und über die Prüfungsanforderungen im praktischen und im fachtheoretischen Teil der Meisterprüfung für das Wärme-, Kälte- und Schallschutzisolierer-Handwerk vom 03. Juni 1982 (BGBl. 1982, I. S. 663 ff.) zählt zu den Tätigkeiten des Wärme-, Kälte- und Schallschutzisolierer-Handwerks u.a. Brandschutzarbeiten an Gebäuden und technischen Anlagen sowie an Fahrzeugen und Schiffen.

Unter "Dämmungen" versteht man im allgemeinen, von den Tarifvertragsparteien erkennbar zugrunde gelegten Sprachgebrauch die Abschirmung eines Raums gegen störende Einflüsse, z.B. durch Einbau von Wärmedämmschichten (vgl. BAG 06. Mai 1987 - 4 AZR 585/96 - m.w.N.). In Bezug auf Räume heißt Dämmen "durch Isolierung vor Temperatureinflüssen schützen" (vgl. Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Band 2 1981, S. 143). Isolieren bedeutet in Bezug auf Gegenstände "gegen Feuchtigkeit, Luft, Wärme, Kälte oder Elektrizität abdichten, schützen, undurchlässig machen" (vgl. Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Band 3 1981, S. 794).

Danach handelt es sich bei dem Aufbringen von Brandschutzbeschichtungen um Isolierarbeiten im tariflichen Sinne. Der von der Beklagten auf Kabel aufgebrachte Belag schäumt bei Berührung mit offenem Feuer auf und bewirkt, dass die an sich brennbare Ummantelung des Kabels nicht vom Feuer erfasst wird. Insoweit wird das Feuer vom Kabel ferngehalten. Damit wird das Kabel vom Feuer abgeschirmt und geschützt und damit isoliert. Nichts anderes gilt, soweit Brandschutzmatten, Kabelschächte und Kabelkanäle mit Beschichtungen versehen werden. Ganz in diesem Sinne werden denn auch, wie ausgeführt, Brandschutzarbeiten berufsrechtlich, jedenfalls auch, dem Tätigkeitsfeld des Wärme-, Kälte- und Schallschutzisolierers zugerechnet. Dass die Arbeitnehmer der Beklagten Spritzmaschinen, Spritzpistolen und Pinsel verwenden, ist unerheblich. Die Tarifvertragsparteien stellen in § 1 Abs.2 Abschn. V Nr. 9 VTV nicht auf bestimmte Arbeitsmittel, sondern lediglich darauf ab, ob durch die Arbeiten bestimmte Wirkungen, nämlich die Isolierung, erzielt werden.

Der Qualifizierung der Tätigkeiten der Beklagten als Isolierarbeiten steht auch nicht entgegen, dass die Tarifvertragsparteien im Klammerzusatz der Ziffer 9 des § 1 Abs. 2 Abschnitt V VTV Brandschutzarbeiten nicht gesondert aufgeführt haben. Die im Klammerzusatz genannten Tätigkeiten sind nämlich, wie die Eingangsformulierung "z.B." erweist, insoweit nicht als abschließende Bestimmung der Zweckrichtung der Arbeiten, sondern nur als beispielhaft gemeint. Dann steht nichts entgegen, die Vornahme von Brandschutzarbeiten in der von der Beklagten durchgeführten Art als Isoliertätigkeiten im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 9 VTV anzusehen (vgl. BAG 06. Mai 1987 - 4 AZR 585/88; BAG 03. November 1993 - 10 AZR 319/91).

Der Betrieb der Beklagten ist auch nicht als ein solcher des Maler- und Lackiererhandwerks vom Geltungsbereich der Bautarifverträge ausgenommen.

Nach § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 6 VTV werden vom Tarifvertrag nicht erfasst, Betriebe "des Maler- und Lackiererhandwerks, soweit nicht Arbeiten der in Abschnitt IV oder V aufgeführten Art ausgeführt werden."

Insoweit kann zugunsten der Beklagten ohne weiteres unterstellt werden, dass es sich bei den von ihr arbeitszeitlich überwiegend durchgeführten Tätigkeiten, nämlich dem Beschichten von Gegenständen zum Zwecke des Brandschutzes, auch um Tätigkeiten handelt, die nach Herkommen und Üblichkeit solche des Maler- und Lackiererhandwerks sind. Dafür spricht § 6 Nr. 3 der Verordnung über die Berufsausbildung im Maler- und Lackiererhandwerk vom 03. Juli 2003 (BGBl. 2003, I. S. 1064 ff.) in Verbindung mit der Anlage 2 zu § 7 (Ausbildungsrahmenplan) C Nr. 4 f, der das Ausführen von Beschichtungstechniken für den vorbeugenden Brandschutz nennt. Außerdem ist in § 1 Abs. 1 Nr. 6 der mit dem 30. September 2005 außer Kraft getretenen Verordnung über das Berufsbild und über die Prüfungsanforderungen im praktischen Teil und im fachtheoretischen Teil der Meisterprüfung für das Maler- und Lackiererhandwerk vom 15. August 1973 (BGBl. 1973, I. S. 1040 ff.) das Anbringen Feuer hemmender Anstriche den Tätigkeiten des Maler- und Lackiererhandwerks zugerechnet. Allein hieraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass der Betrieb der Beklagten als ein solcher des Maler- und Lackiererhandwerks vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV ausgenommen ist.

§ 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 6 VTV nimmt nämlich nach seinem eindeutigen Wortlaut seit dem Änderungstarifvertrag vom 19. Mai 1992 ab 01. Juli 1992 Betriebe des Maler- und Lackiererhandwerks dann nicht vom betrieblichen Geltungsbereich aus, wenn "Arbeiten der in Abschnitt IV oder V aufgeführten Art ausgeführt werden". Diese Rückausnahme bewirkt, dass Betriebe des Maler- und Lackiererhandwerks, die arbeitszeitlich überwiegend eine oder mehrere der in Abschnitt IV oder V des § 1 Abs. 2 VTV genannten Tätigkeiten arbeitszeitlich überwiegend durchführen, gleichwohl unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV fallen. Darauf, ob daneben in nicht unerheblichem Umfang Arbeiten ausgeführt werden, die ausschließlich dem Maler- und Lackiererhandwerk zuzurechnen sind, oder ob die Tätigkeiten, die solche des Maler- und Lackiererhandwerks sind zu mehr als 20% von gelernten Arbeitnehmern dieses Handwerkszweiges oder unter Aufsicht eines Fachmanns dieses Handwerkszweiges ausgeführt werden, kommt es nach dem unmissverständlichen Wortlaut der tarifvertraglichen Regelungen nicht an (vgl. für die Rückausnahme des Maler- und Lackiererhandwerks bei WDVS-Arbeiten: BAG 19. Juli 2000, AP Nr. 232 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; für die Rückausnahmeregelung bei Betrieben des Schreinerhandwerks: BAG 07. Juli 1999, AP Nr. 221 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau und BAG 14. Dezember 2005, EzA § 4 TVG Bauindustrie Nr. 125).

Die Rückausnahmeregelung des § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 6 VTV ist hier bezüglich der Beklagten einschlägig. Die vom Betrieb der Beklagten arbeitszeitlich überwiegend durchgeführten Brandschutzarbeiten sind, wie ausgeführt. Isolierarbeiten im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 9 VTV.

Auch Einschränkungen der Allgemeinverbindlichkeitserklärung (AVE) des VTV kommen der Beklagten nicht zugute. Zwar erstreckt sich die AVE nach III. Nr. 1 der Bekanntmachung über die AVE von Tarifvertragswerken für das Baugewerbe vom 30. Oktober 2002 (BAnz. Nr. 218 vom 22. November 2002) u.a. nicht auf Betriebe und selbstständige Betriebsabteilungen von Arbeitgebern mit Sitz im Inland, die Bauten- und Eisenschutzarbeiten ausführen, soweit sie vom Rahmentarifvertrag für das Maler- und Lackiererhandwerk und von dessen Allgemeinverbindlichkeit erfasst werden. Selbst wenn man davon ausgeht, die vom Betrieb der Beklagten durchgeführten Arbeiten seien (auch) als Bautenschutzarbeiten anzusehen, ist diese Bestimmung für sie nicht einschlägig.

§ 1 Abs. 4 des Rahmentarifvertrages für das Maler- und Lackiererhandwerk vom 30. März 1992 in der für die Kalenderjahre des Klagezeitraums maßgeblichen Fassung lautet nämlich:

(4) Nicht erfasst werden Betriebe des Baugewerbes. Dies gilt nicht für Betriebe bzw. selbstständige Betriebsabteilungen, die Arbeiten im Sinne der Absätze 5 bis 7 ausführen und unter den dort genannten Voraussetzungen von diesem Tarifvertrag erfasst werden

Die Voraussetzungen der Absätze 5 bis 7 des § 1 liegen erkennbar nicht vor. Da sich die in § 1 Abs. 4 RTV/Maler bezeichnete Regelung auf Betriebe bezieht, die unter den betrieblichen Geltungsbereich der Bautarifverträge fallen (vgl. BAG 22. Januar 1997, AP Nr. 4 zu § 1 TVG Tarifverträge: Maler). und der Betrieb der Beklagten, wie ausgeführt, dem Geltungsbereich des VTV unterfällt, treten daher nach dem ausdrücklich erklärten Willen der Tarifvertragsparteien des Maler- und Lackiererhandwerks die Tarifverträge dieses Handwerkszweiges zurück. Damit sind auch die Voraussetzungen der Einschränkung der AVE nicht erfüllt.

Weil die Beklagte danach im Klagezeitraum einen baugewerblichen Betrieb im Sinne der bautarifvertraglichen Bestimmungen unterhalten hat, schuldet sie dem Kläger Zahlung der der Höhe nach unstreitigen Beiträge für Arbeiter und Angestellte für den Zeitraum März 2002 bis August 2003 von € 67.106,67.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht auch festgestellt, dass im Übrigen die Zahlungsklage in der Hauptsache erledigt ist.

Die Klage war nämlich auch insoweit ursprünglich zulässig und begründet. Denn die Beklagte schuldete auch die ursprünglich geltend gemachten Beiträge für den Zeitraum September 2003 bis März 2004 (gewerbliche Arbeitnehmer) bzw. Mai 2004 (Angestellte) in Höhe von € 30.886,80. Aufgrund von Erstattungsleistungen zugunsten des Beitragskontos der Beklagten von Seiten der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft im Laufe des erstinstanzlichen Rechtsstreits ist insoweit Erfüllung eingetreten. Damit ist die ursprünglich zulässige und begründete Zahlungsklage in dieser Höhe im Laufe des Rechtsstreits unbegründet geworden, sodass die Hauptsache sich insoweit erledigt hat.

Die Beklagte hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO). Das gilt auch, soweit die Parteien im Berufungsrechtszug die Hauptsache bezüglich des erstinstanzlich geltend gemachten Auskunftsbegehrens übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Wenn keine übereinstimmende Erledigungserklärung erfolgt wäre, hätte der Kläger insoweit obsiegt, weil die Beklagte im Kalenderjahr 2004 einen baugewerblichen Betrieb unterhalten hat. Damit ist die Beklagte diejenige, die insoweit die Kosten zu tragen hat (§ 91 a ZPO), sodass der erstinstanzliche Kostenausspruch zutreffend und die Kosten des Berufungsverfahrens die Beklagte zu tragen hat.

Eine gesetzlich begründete Veranlassung zur Zulassung der Revision war nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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