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Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 14.10.2002
Aktenzeichen: 16 Sa 824/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 630
Zur Frage, ob ein Arbeitnehmer, dessen Einzelleistungen im Zeugnis durchweg als »gut« bewertet werde, statt einer Gesamtbeurteilung »zur vollen Zufriedenheit« eine solche mit »stets zur vollen Zufriedenheit« verlangen kann.
Hessisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes! Urteil

Aktenzeichen: 16 Sa 824/02

Verkündet am 14. Oktober 2002

In dem Rechtsstreit

hat das Hessische Landesarbeitsgericht, Kammer 16 in Frankfurt am Main auf die mündliche Verhandlung vom ... 14. Oktober 2002 durch den Vorsitzenden Richter am LAG ... Hattesen als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter ... Dr. Hoßfeld und Trumpfheller als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hanau vom 17. April 2002 - 1 Ca 408/01 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die vom Kläger begehrte Berichtigung eines Zeugnisses.

Der Kläger war vom 01.11.1998 bis 30.06.2001 bei der Beklagten, einem bundesweit tätigen Unternehmen für Standardsoftware für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Steuerfachabteilungen in der Industrie als Softwaremitarbeiter zu einer Vergütung von zuletzt 5.500,00 DM brutto tätig. Unter dem Datum des 29.06.2001 erteilte die Beklagte dem Kläger das aus Bl. 77 d. A. ersichtliche Zeugnis, das u. a. den Satz enthält; "Herr ... führte alle ihm übertragenen Aufgaben zu unserer vollen Zufriedenheit aus".

Mit seiner Klage vertritt der Kläger die Ansicht, die Beklagte habe die Gesamtbeurteilung der Leistung mit "stets zur vollen Zufriedenheit" zu bescheinigen. Er habe alle ihm übertragenen Aufgaben stets sorgfältig und gut ausgeführt, die Geschäftsleitung seit stets mit ihm zufrieden gewesen und habe dies auch geäußert, Leistungsmängel seien nie gerügt worden. Zudem habe er seine Leistungen nicht nur beanstandungsfrei, sondern mit erheblich über dem Durchschnitt liegendem Einsatz und Arbeitsergebnis erbracht, er habe sich mit einem Zeugnis, wie dem erteilten, auch niemals einverstanden erklärt.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger auf dem Geschäftsbriefkopf und unter dem Datum 29. Juni 2001 ein Endzeugnis entsprechend den Formulierungen und dem bereits erteilten Endzeugnisses erneut zu erteilen, wobei die Gesamtbewertung der Leistung allerdings "stets zu unserer vollen Zufriedenheit" lautet.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, das Zeugnis weise eine den Leistungen des Klägers entsprechende Beurteilung aus. Entgegen seiner Behauptung habe der Kläger seine Leistungen nicht stets sorgfältig und gut ausgeführt, vielmehr habe die Arbeit die Klägers in der Vergangenheit des Öfteren zu nicht zufrieden stellenden Ergebnissen geführt. Er sei auch in der Vergangenheit mehrfach wegen der von ihm entwickelten Software und den in dieser enthaltenen Fehlern bei der Entwicklung angesprochen worden. So sei im jährlichen Monatsgespräch im Jahre 2001 einvernehmlich festgelegt worden, dass der Kläger u. a. die Qualität der erstellten Software verbessern solle. Vor der Ausstellung eines gleichlautenden Zwischenzeugnisses sei dem Kläger zudem ein Zeugnisentwurf zur Durchsicht vorgelegt worden. Die Frage, ob er damit einverstanden sei, habe der Kläger eindeutig und unmissverständlich bejaht.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 17.04.2002 abgewiesen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 47 bis 52 d. A.) Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 14.10.2002 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt.

Er trägt unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages unter der Darlegung der im Einzelnen durchgeführten Tätigkeiten vor, entgegen dem Arbeitsgericht habe er substantiiert dargelegt und durch geeigneten Sachvortrag untermauert, dass nur eine überdurchschnittliche gute Leistungsbeurteilung und nicht eine gute Durchschnittsbeurteilung für ihn in Betracht komme.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Hanau vom 17.04.2002 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger auf Geschäftsbriefkopf und unter dem Datum des 29.06.2001 ein Zeugnis entsprechend den Formulierungen und dem Inhalt des bereits erteilten Zeugnisses erneut zu erteilen, wobei die Gesamtbewertung der Leistung "stets zu unserer vollen Zufriedenheit" zu lauten hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil, wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt unter näherer Darlegung von Tatsachen vor, die Leistungen des Klägers seien nicht überdurchschnittlich gewesen, sondern von dem zuständigen Bereichsleiter mehrfach beanstandet worden.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereiteten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 14.10.2002 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt, sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 517, 519, 520 ZPO) und begegnet auch im Hinblick auf den Wert des Beschwerdegegenstandes (§ 64 Abs. 2 b ArbGG) keinerlei Bedenken. Denn das Arbeitsgericht hat, wie für Zeugnisrechtsstreitigkeiten üblich, den Streitwert auf ein Bruttomonatsentgelt des Klägers festgesetzt.

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg, weil das Arbeitsgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die von ihm verlangte Änderung des Zeugnisses vom 29.06.2001, weil er nicht verlangen kann, dass das Zeugnis statt der Formulierung "zur vollen Zufriedenheit" die Formulierung "stets zur vollen Zufriedenheit" enthält. Denn die Beklagte hat durch das dem Kläger unter dem 29.06.2001 erteilte Zeugnis den Anspruch des Klägers auf Erteilung eines Zeugnisses erfüllt.

Der Arbeitgeber hat nach § 630 BGB (inhaltsgleich § 73 HGB und § 113 GewO) bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer ein Zeugnis über Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses zu erteilen. Auf Verlangen des Arbeitnehmers muss sich das Zeugnis auf Führung und Leistung erstrecken. Daraus folgt, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch darauf hat, dass ihm ein richtiges, d. h. inhaltlich zutreffendes, Zeugnis erteilt wird. Streiten die Parteien darum, ob das vom Arbeitgeber formulierte Zeugnis inhaltlich richtig ist, so ist es Sache des Arbeitgebers, dies darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Denn für den rechtsvernichtenden Einwand der Erfüllung ist derjenige darlegungs- und im Streitfall beweispflichtig, der sich hierauf beruft. Nach der allgemeinen Regel über die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Rechtsstreit muss nämlich jede Partei die Voraussetzung der ihr günstigen Normen darlegen und beweisen, die Beklagtenseite, also solche einer rechtsvernichtenden, rechtshemmenden oder rechtsausschließenden Vorschrift.

Im vorliegenden Fall kann dahinstehen, ob diese Grundsätze uneingeschränkt auch dann gelten, wenn ein Arbeitnehmer nur eine bessere Gesamtbeurteilung erstrebt oder ob jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer bescheinigt haben möchte, dass ihm "sehr gute" oder "gute" Leistungen bescheinigt werden, der Arbeitnehmer darlegungs- und beweispflichtig ist (vgl. Staudinger/Preis/BGB, 13. Bearbeitung 1995, § 630, Rz. 70, 71; ErfK/Müller-Glöge, 2. Aufl. 2001, § 630 BGB, Rz. 156, jeweils m. w. N.). Denn hierauf kommt es im vorliegenden Fall streitentscheidend nicht an. Der Kläger hat nämlich eine Gesamtbeurteilung erhalten, die dem übrigen, zwischen den Parteien nicht im Streit stehenden Zeugnisinhalt gerecht wird.

Die einzelnen Leistungen des Klägers im Hinblick auf Qualität der Arbeit, Arbeitstempo, Arbeits- und Leistungsbereitschaft und Eigeninitiative hat die Beklagte im Zeugnis überdurchschnittlich beurteilt. Dem Kläger wird nämlich bescheinigt, dass er bei der Softwareentwicklung seine umfassenden Fachkenntnisse mit "gutem Erfolg" einsetzte, er die benötigten Komponenten "selbständig" entwickelte, sich dank seiner raschen Auffassungsgabe "schnell und gut" in die ihm übertragenen Aufgabengebiete einarbeitete und er "große Bereitschaft und Interesse an der Weiterbildung" hatte, sowie seine Kenntnisse erweiterte und "sicher und selbständig arbeitete" und "gute Lösungen fand". Wenn die Beklagte bei dieser Bewertung der Teilleistungen des Klägers den Kläger insgesamt so beurteilte, dass er "zur vollen Zufriedenheit" der Beklagten arbeitete, ist das nicht zu beanstanden.

Sache des Arbeitgebers ist es, Zeugnisse im Einzelnen zu formulieren, das Gesetz macht ihm insoweit keine Vorgaben. Dabei muss sich der Arbeitgeber freilich an den allgemein üblichen Sprachgebrauch bei Zeugnissen, also die "Fachsprache des Zeugnisses" halten, weil das Dienstzeugnis dem Arbeitnehmer bei der Bewerbung für eine andere Arbeitsstelle als Ausweis dient und das Zeugnis den Einstellungswilligen zutreffend unterrichten soll. Das erfordert einmal, dass das Zeugnis sowohl hinsichtlich der Einzelbeurteilungen wie auch der Gesamtbewertung so abgefasst ist, dass es für den Interessierten ein eindeutiges und einheitliches Bild abgibt. Das verbietet Widersprüche zwischen Einzel- und Gesamtbeurteilung, weil solche Widersprüche dazu führen, dass die vom Gesetz geforderte Leistungsbeurteilung nicht erkennbar wird und damit letztlich fehlt (vgl. BAG 23.09.1992, EzA § 630 BGB, Nr. 16). Zum anderen muss das Zeugnis nach den Gebrauchsregeln abgefasst sein, die in der Sprachgemeinschaft der am Arbeitsleben Teilnehmenden verwendet werden. Nur dann kann es seine Unterrichtungsfunktion erfüllen.

Diesen Anforderungen genügt das von der Beklagten dem Kläger erteilte Zeugnis. Sämtliche Einzelbewertungen enthalten Formulierungen, die erkennen lassen, dass der Kläger einwandfreie, nicht zu beanstandende, teilweise mit "gut" bewertete Leistungen erbracht hat. Das kann nur so gedeutet werden, dass es sich bei dem Kläger um einen Mitarbeiter handelte, der zwar keine herausragenden, wohl aber durchweg überdurchschnittliche Leistungen erbrachte. Das mit der Gesamtbeurteilung "zur vollen Zufriedenheit" abzurunden, ist in Ansehung des Sprachgebrauchs bei Zeugnissen nicht widersprüchlich.

In der Praxis soll sich im Hinblick auf die Gesamtbeurteilung eine fünfstufige Notenskala eingebürgert haben (vgl. Staudinger/Preis, a.a.O., § 630, Rz. 51; ErfK/Müller-Glöge, a.a.O., § 630 BGB, Rz. 73). Welche Sprachregelung insoweit im Einzelnen gelten soll, wird freilich nicht einheitlich beantwortet. So soll die Formulierung "volle Zufriedenheit" für eine "gut durchschnittliche" Arbeitsleistung (vgl. LAG Köln 18.05.1995, NZA-RR 1996, 41; LAG Düsseldorf 12.03.1996, LAGE § 630 BGB Nr. 2) bzw. für eine sich aus dem Durchschnitt heraushebende Leistung (vgl. ErfK/Müller/Glöge, a.a.O) oder für die Note 2,5 (vgl. Schießmann, Das Arbeitszeugnis, 16. Aufl. 2001, S. 147) zutreffen, die Formulierung "stets zur vollen Zufriedenheit" Charakteristikum einer guten Leistung sein (vgl. BAG 23.09.1992, a.a.O.; Staudinger/Preis, a.a.O.).

Angesichts dieses Befundes bewegt sich die Gesamtbeurteilung der Beklagten (jedenfalls noch) in einem Bereich, der einer Korrektur verschlossen ist. Denn es ist nicht erkennbar, dass sich die Gesamtbeurteilung nicht mit den vom Kläger nicht angegriffenen und daher unstreitig zutreffenden Teilbeurteilungen verträgt. Die Gesamtbeurteilung lässt nämlich, genau wie die Beurteilung der Teilleistungen, nichts anderes erkennen, als dass es sich bei dem Kläger um einen Arbeitnehmer handelte, der nicht zu beanstandende, mehr als befriedigend zu bewertende Leistungen erbrachte.

Zu keinem anderen Ergebnis gelangt man im Übrigen, wenn man, entgegen dem Vorgesagten, davon ausgeht, die Teilleistungen des Klägers seien von der Beklagten im Zeugnis sogar insgesamt als "gut" bewertet worden. Denn auch dann ist nicht erkennbar, wieso sich die von der Beklagten abgegebene Gesamtbeurteilung nicht mit der Beurteilung der Teilleistungen vertragen und zu diesen in Widerspruch stehen soll. Dass bei "guten" (Teil-)Leistungen die Gesamtbeurteilung mit den Worten "stets zur vollen Zufriedenheit" abzuschließen hat, wird zwar - teilweise - in Rechtsprechung und Literatur behauptet. Eine verläßliche Tatsachengrundlage für einen derartigen Gebrauch in der Zeugnissprache läßt sich jedoch nicht finden. Die entsprechenden Behauptungen erschöpfen sich in sich wechselseitig zitierenden Rechtsprechungs- und Literaturstellen ohne Verweis auf verläßlich erscheinende empirische Untersuchungen über den Sprachgebrauch. Hält man sich das vor Augen, so ist es lediglich geboten, die von der Beklagten gewählte Gesamtbeurteilung darauf zu überprüfen, ob sie den Inhalt der zwischen den Parteien nicht im Streit stehenden Einzelbewertungen nach allgemeinem Sprachgebrauch praktisch konterkariert. Das ist nicht der Fall. Bei dem Zeugnis der Beklagten vom 29.06.2001 handelt es sich, liest man es im Zusammenhang, um ein überdurchschnittliches, im herkömmlichen Wortsinn "gutes" Zeugnis. Daran ändert das fehlende Wort "stets" nichts. Träger der Bedeutung ist nämlich bei sprachlichen Ausdrücken nicht das einzelne Wort, sondern darüber hinausgehend der Satz, in dem es verwandt wird und weitergehend der Kontext, in dem sich das entsprechende Wort findet. Nimmt man das, wie geboten, ernst, so ist nicht erkennbar, dass nach den mangels feststehender Fachsprache maßgeblichen umgangssprachlichen Regeln die durchweg positiven einzelnen Beurteilungen des Klägers durch die von der Beklagten gewählte Gesamtbeurteilung und das fehlende Wort "stets" relativiert oder gar abgewertet werden.

Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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