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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 19.08.2002
Aktenzeichen: 16 SaGa 1118/02
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 611 Beschäftigungspflicht
ZPO § 935
ZPO § 940
Für die erfolgreiche Geltendmachung eines Beschäftigungsanspruchs im Wege einstweiliger Verfügung bedarf es auch in einem unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis jedenfalls dann des Vertrages und der Glaubhaftmachung von Tatsachen zum Verfügungsgrund, wenn die Beschäftigung vom Arbeitgeber nicht vollständig, sondern nur zu den vom Arbeitnehmer gewünschten Bedingungen abgelehnt wird.
Hessisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes! Urteil

Aktenzeichen: 16 SaGa 1118/02

Verkündet am 19. August 2002

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren

hat das Hessische Landesarbeitsgericht, Kammer 16 in Frankfurt am Main auf die mündliche Verhandlung vom 19. August 2002 durch den Vorsitzenden Richter am LAG Hattesen als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Schröder und Artzen als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Verfügungsklägerin das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 4. Juli 2002 - 11 Ga 99/02 - abgeändert.

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren um die von der Verfügungsklägerin (künftig: Klägerin) verlangte Beschäftigung.

Die Klägerin ist bei der Verfügungsbeklagten (künftig: Beklagte), einem Unternehmen des Einzelhandels, aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 03.05.1990 (Bl. 30 d.A.), zuletzt ergänzt durch Vertrag vom 24.03.2000 (Bl. 23/24 d.A.) zu einer Monatsvergütung von € 5.016,66 in der Hauptverwaltung der Beklagten in Frankfurt am Main als Zentraleinkäuferin beschäftigt. In dem Ergänzungsvertrag vom 24.03.2000 heißt es u.a.:

2. In Ihrer Funktion als Zentraleinkäuferin sind Sie Ihrem zuständigen Direktor als Ihrem unmittelbaren Dienstvorgesetzten für den Ihnen übertragenen Arbeits- und Aufgabenbereich verantwortlich und arbeiten nach seinen Weisungen. Bei Abwesenheit Ihres Dienstvorgesetzten arbeiten Sie nach den Weisungen seines Vertreters.

3. Sie verpflichten sich, alle Ihnen übertragenen Arbeiten sorgfältig und gewissenhaft auszuführen, Ihre Arbeitskraft ausschließlich der Deutsche W GmbH & Co. OHG zur Verfügung zu stellen, nach Bedarf auch andere Aufgaben und Arbeitsgebiete zu übernehmen und sich in andere Abteilungen der Hauptverwaltung versetzen zu lassen.

Mit Schreiben vom 26.05.2002 (Bl. 32 d.A.) stellte die Beklagte die Klägerin bis zum 04.06.2002 unter Vergütungsfortzahlung von der Erbringung von Arbeitsleistungen frei. Unter dem 05.06.2002 (Bl. 33 d.A.) verlängerte die Beklagte die Freistellung bis auf weiteres, bis zu einem eventuellen Widerruf. Am 11.06. und 19.06.2002 kam es zu Gesprächen zwischen den Parteien, in denen die Beklagte eine Beschäftigung der Klägerin ablehnte. Mit Schreiben vom 26.02.2002 (Bl. 49 d.A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zur Klägerin zum 31.12.2002. Hiergegen hat die Klägerin Kündigungsschutzklage erhoben.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, da ihr Arbeitsvertrag keine Freistellungsmöglichkeit vorsehe, könne sie von der Beklagten verlangen, sie tatsächlich zu beschäftigen. Es sei zu berücksichtigen, dass sie in ihrer Position als Zentraleinkäuferin auf tägliche Informationen wie Marktentwicklung und Veränderung von Trends, die die Modeentwicklung betreffen, angewiesen sei, damit sie aktuelle Trends rechtzeitig erkennen könne. Darüber hinaus werde zur Zeit die Frühjahrs- und Sommerkollektion 2003 vorbereitet, wobei sie im Falle der weiteren Freistellung u.a. nicht im Rahmen der Budgetplanung beteiligt sei, und sie Lieferantenbesuche im europäischen und asiatischen Markt nicht wahrnehmen könne. Dadurch bestehe die Gefahr, dass sie ihre Reputation in der Branche verlieren könne. Das mache sie durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung glaubhaft.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin als Zentraleinkäuferin tatsächlich bis zum 31.12.2002 zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Klägerin könne den Beschäftigungsanspruch nicht im Wege einstweiliger Verfügung durchsetzen. Der Betriebsrat habe der ausgesprochenen Kündigung zugestimmt, von einer offensichtlich unwirksamen Kündigung könne nicht ausgegangen werden. Bei dieser Sachlage müsse davon ausgegangen werden, dass die gekündigte Klägerin einen Anspruch auf Beschäftigung erst nach einem erstinstanzlichen Obsiegen im Kündigungsschutzverfahren realisieren könne. Darüber hinaus könne sich die Klägerin auch extern die erforderlichen Informationen über das Marktgeschehen verschaffen, ein Verlust ihrer Reputation sei nicht zu befürchten, weil Personalangelegenheiten vertraulich behandelt würden.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 04.07.2002 dem Antrag stattgegeben. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 52 - 56 d.A.) Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte, die die Klägerin seit 08.07.2002 im Bereich der allgemeinen Qualitätssicherung beschäftigt, innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 19.08.2002 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt.

Sie meint, wegen der ausgesprochenen Kündigung habe die Klägerin nur dann einen im Wege einstweiliger Verfügung durchsetzbaren Beschäftigungsanspruch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, wenn sie überwiegende Interessen an der verlangten Beschäftigung dartue. Das habe die Klägerin nicht getan, weil sie, die Beklagte, ein erhebliches Interesse daran habe, die Klägerin nicht als Zentraleinkäuferin einzusetzen. Im Übrigen müsse die Klägerin aufgrund der vertraglichen Regelung ohnehin damit rechnen, dass sie nicht weiter, wie geschehen, als Zentraleinkäuferin beschäftigt werde. Das überwiegende Interesse ihrerseits daran, die Klägerin nicht als Zentraleinkäuferin einzusetzen, liege in der Umstrukturierung des Bereichs Damenoberbekleidung. In der Vergangenheit sei es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Einkaufsdirektor und der Klägerin über die Einkaufspolitik gekommen. Da die Klägerin als Zentraleinkäuferin in der Lage sei, sie, die Beklagte mit Abnahmeverpflichtungen zu belegen, die ein Volumen von mehreren € 100.000,00, in Einzelfällen auch höher, haben könnten, habe sie nicht riskieren wollen, dass die Klägerin aus fehlender Motivation, aus mangelnder Fachkenntnis oder aus dem Motiv, sich an ihr wegen des Ausspruchs der Kündigung zu rächen, oder aber allein aus mangelnder Einsicht in die neue Geschäftspolitik, Waren einkaufe, die dann von ihr, der Beklagten, nicht mehr hätten abverkauft werden können. Nehme man hinzu, dass sich die Klägerin und der Einkaufsdirektor über die künftig einzuschlagenden Einkaufsstrategien nicht einig gewesen seien, müsse davon ausgegangen werden, dass sie, die Beklagte, die Umstellung ihres unternehmerischen Konzepts hinsichtlich des Bereichs Damenoberbekleidung nicht durchführen könne.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 04.07.2002 - 11 Ga 99/02 - abzuändern und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise,

die Verfügungsbeklagte zu verurteilen, die Berufungsbeklagte und Verfügungsklägerin bis zum 31.12.2002 in einer der Stellung als Zentraleinkäuferin entsprechenden Position tatsächlich zu beschäftigen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil, wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen, meint, die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung sei offensichtlich unwirksam und trägt vor, die Beschäftigung in der allgemeinen Qualitätssicherung sei inadäquat und entspreche nicht den vertraglichen Vereinbarungen, weil sie in der Hierarchie nach unter der Stellung einer Zentraleinkäuferin liege.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 19.08.2002 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO an sich statthafte Berufung begegnet hinsichtlich des Wertes des Beschwerdegegenstandes (§ 64 Abs. 2 b ArbGG) keinerlei Bedenken. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt, sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO) und damit insgesamt zulässig. Nichts anderes gilt für den als Anschlussberufung anzusehenden Hilfsantrag der Klägerin. Denn dieser ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 524 ZPO). Dass dieser hilfsweise, nämlich für den Fall des Misserfolgs des auf Berufungszurückweisung gerichteten Antrags gestellt wurde, ist unschädlich. Da die Anschlussberufung kein Rechtsmittel im engeren Sinn ist, gilt der Grundsatz der Bedingungsfeindlichkeit nicht. Deshalb kann die Anschlussberufung auch hilfsweise erhoben werden (vgl. BAG 29.09.1993, AP Nr. 4 zu § 20 BMT-G II; BGHZ 80, 146 (148)).

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg, die Anschlussberufung ist nicht begründet.

Die Klägerin kann nicht die erstrebte Beschäftigung bis zum 31.12.2002 als Zentraleinkäuferin im Wege einstweiliger Verfügung verlangen.

Dahinstehen kann, ob die Klägerin einen Anspruch auf Beschäftigung ausreichend dargetan und glaubhaft gemacht hat. Denn hierauf kommt es nicht an. Richtig ist, dass der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers grundsätzlich auch nach Ausspruch einer Kündigung während der Kündigungsfrist besteht und nur zurücktreten muss, wenn überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen (vgl. BAG 19.08.1976 u. 27.02.1985, AP Nr. 4 u. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht). Ein solcher Beschäftigungsanspruch kann zugunsten der Klägerin hier unterstellt werden. Ebenso kann zugunsten der Klägerin davon ausgegangen werden, die zwischenzeitliche Anweisung der Beklagten ihr gegenüber in der Qualitätssicherung zu arbeiten könne deshalb keine rechtliche Wirkung entfalten, weil diese, sich formal auf Ziff. 3 des Ergänzungsvertrages stützende Weisung gegen das auch im Rahmen berechtigter Ausübung des Direktionsrechts vom Arbeitgeber zu beachtende billige Ermessen (§ 315 Abs. 1 BGB) verstoße. Denn jedenfalls muss die Durchsetzung des Beschäftigungsverlangens der Klägerin im Wege einstweiliger Verfügung scheitern. Der Erlass einer einstweiligen Verfügung kommt nämlich nur in Betracht, wenn Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht sind, aus denen sich herleiten lässt, dass eine Entscheidung im Eilverfahren zur Abwehr wesentlicher Nachteile erforderlich ist (Verfügungsgrund, §§ 935, 940 ZPO). Derartige Tatsachen hat die Klägerin hier weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht.

Allein der Umstand, dass die Klägerin - unterstellt - einen Anspruch auf Beschäftigung als Zentraleinkäuferin in der Frankfurter Hauptverwaltung hat, indiziert nicht den für die Durchsetzung eines derartigen Anspruchs im Wege einstweiliger Verfügung erforderlichen Verfügungsgrund. Eine derartige Annahme missachtete nämlich die gesetzlichen Voraussetzungen einer einstweiligen Verfügung, wonach eben allein das Bestehen eines Individualanspruchs noch keinen erfolgversprechenden Zugang zum Eilverfahren bietet. Es fehlt nämlich in arbeitsgerichtlichen Gesetzen eine Regelung wie § 25 UWG, wonach zur Sicherung der dort genannten Ansprüche einstweilige Verfügungen auch dann erlassen werden können, wenn die in den §§ 935, 940 ZPO bezeichneten Voraussetzungen nicht zutreffen. Eine solche Regelung hat der Gesetzgeber auch nicht im Rahmen der umfassenden Neuordnung der ZPO durch das ZPO-RG vom 27.07.2001 (BGBl. I, 2001, S. 1887) geschaffen. Dann ist und bleibt es notwendig und erforderlich, dass der Arbeitnehmer, der eine auf Beschäftigung gerichtete einstweilige Verfügung erreichen will, Tatsachen vorträgt und glaubhaft macht, aus denen sich herleiten lässt, dass er durch die Nichtbeschäftigung Beeinträchtigungen erleiden würde, die über sein bloßes Interesse an (rechtzeitiger) Erfüllung hinausgehen (vgl. Kammerbeschluss vom 26.11.1990 - 16 SaGa 769/90; Kammerurteil vom 23.01.1995 - 16 SaGa 2127/94; LAG Frankfurt am Main, 23.03.1987 - 1 SaGa 316/87 - NZA 88, 37). Derartige Beeinträchtigungen bei einer Nichtbeschäftigung als Zentraleinkäuferin sind hier von der Klägerin weder vorgetragen worden noch sonst wie ersichtlich.

Zutreffend ist, dass die Beschäftigungspflicht eine Fixschuld ist, der Beschäftigungsanspruch infolgedessen zugleich mit der Nichterfüllung untergeht und daher die vom Arbeitgeber zu Unrecht verweigerte Beschäftigung dazu führen kann, dass die Ablehnung einer einstweiligen Verfügung auf eine mit dem Rechtsschutzgedanken nicht zu vereinbarende Rechtsschutzverweigerung hinausläuft (vgl. Kammerurteil vom 28.11.1994 - 16 SaGa 1289/94). Insoweit mag es in der Tat eine Reihe von Fällen geben, in denen allein der Umstand, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Erbringung von Arbeitsleistungen verweigert, geeignet ist, einen Verfügungsgrund abzugeben. Im vorliegenden Fall gilt jedoch anderes. Es darf nämlich nicht außer Betracht bleiben, dass die Beklagte eine Beschäftigung der Klägerin nicht rundweg, sondern lediglich als Zentraleinkäuferin ablehnt und die Klägerin tatsächlich in der allgemeinen Qualitätssicherung beschäftigen will und beschäftigt. Damit ist sie zwar, soweit von einer Unwirksamkeit der entsprechenden Weisung auszugehen ist, nicht bereit, den Beschäftigungsanspruch der Klägerin zu erfüllen, weit der Arbeitgeber, soweit der Arbeitnehmer Beschäftigung fordert, diese Verpflichtung nur durch eine Beschäftigung entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien erfüllen kann. Gleichwohl kann die Bereitschaft der Beklagten, die Klägerin in der Qualitätssicherung einzusetzen, nicht ohne Auswirkungen auf den Verfügungsgrund bleiben.

Zweck des aus einer an verfassungsrechtlichen Wertungen (Art. 1, 2 GG) orientierten, im Wege zulässiger Rechtsfortbildung (vgl. BAG 27.02.1985, a.a.O.) entwickelten Beschäftigungsanspruch ist es, den ideellen Interessen des Arbeitnehmers an einer Beschäftigung Rechnung zu tragen. Dagegen wird den materiellen Belangen des Arbeitnehmers bei unterlassener Beschäftigung durch die Rechtsfolge von § 615 Satz 1 BGB Genüge getan. Diese ideelle Funktion des Beschäftigungsanspruchs muss auch und gerade Berücksichtigung finden, wenn es um die Frage geht, ob der Beschäftigungsanspruch im Wege einstweiliger Verfügung durchgesetzt werden kann. Denn die für eine einstweilige Verfügung erforderliche Dringlichkeit muss sich an dem ideellen Interesse des Arbeitnehmers an der Beschäftigung ausrichten (vgl. auch Walker, Der einstweilige Rechtsschutz im Zivilprozess und im arbeitsgerichtlichen Verfahren, 1993, RdZiff. 686).

In Bezug auf die den Beschäftigungsanspruch begründende, ihn beherrschende und prägende ideelle, persönlichkeitsrechtliche Komponente, die dadurch gekennzeichnet ist, dass dem Arbeitnehmer, der vertragsgemäße Beschäftigung fordert, vom Arbeitgeber entsprechende Gelegenheit gegeben werden muss, ist ein Verfügungsgrund im vorliegenden Fall jedoch nicht ersichtlich. Denn die Beklagte will die Klägerin gar nicht "zur Untätigkeit" anhalten, sondern sie weiter einsetzen, nämlich im Rahmen der allgemeinen Qualitätssicherung. Insoweit mag die Klägerin, soweit man davon ausgeht, die entsprechende Anweisung sei unbillig, berechtigt sein, der Anordnung der Beklagten keine Folge zu leisten. Anders als die Nichtbeschäftigung berührt die Beschäftigung mit anderen Tätigkeiten als den zuvor inne gehabten jedoch nicht ohne weiteres auf den ersten Blick die ideellen Interessen des Arbeitnehmers an einer Beschäftigung, die durch die Möglichkeit der Persönlichkeitsentfaltung und des Erhalts der Achtung und Wertschätzung der Menschen seines Lebenskreises gekennzeichnet ist. Vielmehr bedarf es dafür eines besonderen Vertrags des einer einstweiligen Verfügung auf Beschäftigung erstrebenden Arbeitnehmers (vgl. Kammerurteil vom 23.01.1995, a.a.O.).

Derartige Tatsachen hat die Klägerin hier nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht.

Insoweit mag es sein, dass bei schlichter Nichtbeschäftigung die Gefahr eines Verlustes der Reputation und des Marktwertes der Klägerin bestehen mag. Hier wird die Klägerin jedoch von der Beklagten tatsächlich eingesetzt. Dass der derzeitige Einsatz in der allgemeinen Qualitätssicherung so beschaffen wäre, dass das Ansehen oder die soziale Geltung der Klägerin geschädigt werden oder eine greifbare Gefahr dahingehend besteht, hat die Klägerin selbst nicht unter Angabe von Tatsachen behauptet. Ihr allgemeinen Vorbringen, das sei so, reicht mangels Angabe raumzeitlicher Geschehnisse, aus denen sich Derartiges herleiten ließe, nicht aus.

Die Klägerin hat auch keine Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht, aus denen sich herleiten ließe, dass ihr durch die Nichtbeschäftigung als Zentraleinkäuferin wirtschaftliche Nachteile entstehen, die die Annahme rechtfertigen, dass die Klägerin dringend auf eine Beschäftigung als Zentraleinkäuferin bis zum Ablauf der Kündigungsfrist angewiesen sei. Der Verweis der Klägerin darauf, sie verliere dadurch, dass sie nicht mehr als Zentraleinkäuferin eingesetzt werde, den Überblick über das aktuelle Marktgeschehen, das sie in ihrer Funktion als Zentraleinkäuferin benötige, ist nicht geeignet, einen Verfügungsgrund abzugeben. Denn es ist nicht erkennbar, wieso die Klägerin aufgrund der Nichtbeschäftigung als Zentraleinkäuferin nicht in der Lage sein soll, die neuesten Trendentwicklungen auf dem Modemarkt für Damenoberbekleidung zu verfolgen. Die notwendigen Informationen kann sie sich ohne weiteres als mit den Verhältnissen in der Modebranche Vertraute aus einschlägigen Medien auch ohne aktive Tätigkeit verschaffen. Dann ist auch nicht einsichtig, wieso die Klägerin durch eine Nichtbeschäftigung als Zentraleinkäuferin die Möglichkeit verliert, die Entwicklung für die nächste Saison zu erkennen. Im Übrigen darf in diesem Zusammenhang auch nicht außer Betracht bleiben, dass die Klägerin aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien (Ziff. 3 des Ergänzungsvertrages) ohnehin nicht darauf vertrauen kann, dass sie während der Dauer des Arbeitsverhältnisses nur als Zentraleinkäuferin eingesetzt wird. Diese vertragliche Regelung relativiert den wirtschaftlichen Wert der Funktion einer Zentraleinkäuferin für die Klägerin.

Auch der mit der Anschlussberufung gestellte Hilfsantrag muss erfolglos bleiben.

Insoweit mag unterstellt werden, dass die Weisung der Beklagten an die Klägerin, künftig in der allgemeinen Qualitätssicherung zu arbeiten, unbillig ist. Ebenso kann offen bleiben, ob ein Arbeitnehmer, wie die Klägerin, überhaupt entsprechend § 315 Abs. 3 BGB verlangen kann, dass bei unbilliger Anwendung des Direktionsrechts die entsprechende Weisung durch das Gericht getroffen wird. Das ist freilich fraglich, weil zweifelhaft ist, ob § 315 Abs. 3 BGB auf Rahmengestaltungsrechte in einem Dauerschuldverhältnis, wie das Weisungsrecht im Arbeitsverhältnis, überhaupt angewendet werden kann. Hierauf kommt es jedoch nicht an. Denn selbst wenn man davon ausgehen wollte, die Klägerin habe, weil die Weisung zur Tätigkeit in der allgemeinen Qualitätssicherung unbillig sei, einen Anspruch auf Festlegung der zu erbringenden Leistung durch gerichtliche Entscheidung, fehlt es jedenfalls an einem Verfügungsgrund. Denn es ist nicht erkennbar, welche ideellen oder wirtschaftlichen Interessen der Klägerin durch die ihr übertragene und von ihr ausgeübte Tätigkeit in der Qualitätssicherung in einer Weise betroffen sind, die es erforderlich erscheinen lassen, im Wege einer Eilentscheidung die Beklagte zu veranlassen, die Klägerin mit anderen Tätigkeiten zu betrauen. Insoweit gilt das bereits Ausgeführte. Dafür, dass die Beschäftigung in der Qualitätssicherung eine Diskriminierung oder Herabsetzung der Person der Klägerin ist oder für diese ein Ansehensverlust mit sich bringt, fehlt es an konkretem Tatsachenvortrag. Wirtschaftliche Interessen der Klägerin, gerade nicht in der Qualitätssicherung eingesetzt zu werden, sind ohnedies nicht vorgetragen worden.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, da sie unterlegen ist (§ 91 ZPO).

Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 72 Abs. 4 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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