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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 03.10.2002
Aktenzeichen: 16 Ta 470/02
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 9 Abs. 5
ZPO §§ 567 ff
ZPO § 124
Enthält ein mit der sofortigen Beschwerde anfechtbarer Beschluss des Rechtspflegers, mit dem die bewilligte Prozesskostenhilfe nach § 124 Nr. 2 ZPO aufgehoben wird, vor der Unterschrift des Rechtspflegers keine Rechtsmittelbeiehrung, sondern befindet sich dieselbe auf einer folgenden, nicht vom Rechtspfleger unterzeichneten Seite, fehlt eine ordnungsgemäße Rechtsmittelbelehrung. Die Frist für die Einlegung der sofortigen Beschwerde beginnt in diesem Fall nicht zu laufen (§ 9 Abs. 5 S. 3 ArbGG).
Hessisches Landesarbeitsgericht Beschluss

Aktenzeichen: 16 Ta 470/02

In dem Rechtsstreit

hat die Kammer 16 des Hessischen Landesarbeitsgerichts auf die gegen des Arbeitsgerichts in vom durch den Vorsitzenden Richter am LAG Hattesen

am 03. Oktober 2002 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgericht Frankfurt am Main vom 03. April 2002 - 12 Ca 3395/00 - aufgehoben.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Der Klägerin war für eine Kündigungsschutzklage Prozesskostenhilfe unter Rechtsanwaltsbeiordnung (PKH) ohne Ratenzahlungsverpflichtung bewilligt worden. Demgemäß wurden die nach Abschluss des Verfahrens entstandenen Rechtsanwalts- und Gerichtskosten nicht erhoben. Nachdem die Klägerin auf Anfragen der Rechtspflegerin des Arbeitsgerichts vom 16. November 2001, 07. Januar und 22. Februar 2002, ob sich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse geändert hätten, nicht reagiert hatte, hob das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 03. April 2002 die PKH-Bewilligung auf. Dieser Beschluss, dessen Urschrift (Bl. (B)11/12 d.A.) eine Unterschrift des Rechtspflegers unterhalb der Beschlussgründe und eine vom Rechtspfleger nicht unterzeichnete auf einer anschließenden Seite befindliche Rechtsmittelbelehrung enthält, wurde der Klägerin am 12. Juli 2002 zugestellt. Am 26. August 2002 legte die Klägerin hiergegen zu Protokoll der Geschäftsstelle des Arbeitsgerichts sofortige Beschwerde mit der Begründung ein, Leistungen vom Arbeitsamt seien mittlerweile ausgelaufen, sie habe Sozialhilfe beantragt. Dieser Beschwerde hat die Rechtspflegerin mit der Begründung nicht abgeholfen, dieselbe sei verspätet eingelegt worden.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig.

Die gemäß §§ 127 Abs. 2 S. 2, 567 ZPO statthafte sofortige Beschwerde der Klägerin ist zwar nicht innerhalb der Beschwerdefrist des § 127 Abs.2 S.3 ZPO beim Arbeitsgericht eingelegt worden. Das führt jedoch nicht zur Unzulässigkeit der sofortigen Beschwerde, weil die Beschwerdefrist durch die Zustellung des Beschlusses vom 03. April 2002 nicht in Lauf gesetzt wurde. Denn die Rechtsmittelbelehrung war nicht ordnungsgemäß.

Nach § 9 Abs.5 S.1 ArbGG müssen alle mit einem befristeten Rechtsmittel anfechtbaren Entscheidungen die Belehrung über das Rechtsmittel enthalten. Das gilt auch für Entscheidungen im PKH-Verfahren gegen die nach Maßgabe des § 127 Abs.2 S.2 ZPO die sofortige Beschwerde stattfindet.

Die sofortige Beschwerde ist ein befristetes Rechtsmittel. Die Befristung ergibt sich aus § 569 Abs.1 S.1 ZPO, bei Beschwerden gegen PKH-Entscheidungen ergänzt durch § 127 Abs.2 S.3 ZPO, Dass es sich bei der sofortigen Beschwerde um ein echtes Rechtsmittel und nicht um einen bloßen Rechtsbehelf handelt, folgt daraus, dass die Einlegung der sofortigen Beschwerde die für Rechtsmittel charakteristischen Wirkungen hat, nämlich den Suspensiveffekt (keine Rechtskraft vor Entscheidung über dieselbe) und den Devolutiveffekt (Entscheidung durch höhere Instanz). Das Abhilfeverfahren des § 572 Abs.2 ZPO steht dem nicht entgegen. Dieses hat die Funktion eines Vorverfahrens, dessen ordnungsgemäße Durchführung keine Verfahrensvoraussetzung für das Beschwerdeverfahren ist und damit am Devolutiveffekt nichts ändert (vgl. Zöller/Gummer, ZPO 23. Aufl. 2002 § 572 Rz 4). Das zeigt schon der Umstand, dass das Beschwerdegericht auch bei fehlerhaftem oder unterbliebenen Abhilfeverfahren nicht gehindert ist, in der Sache zu entscheiden (vgl. Zöller/Gummer aaO. § 572 Rz 4).

Weil es sich bei der sofortigen Beschwerde um ein befristetes Rechtsmittel handelt, ist die Rechtsmittelbelehrung nach. § 9 Abs.5 S.1 ArbGG Bestandteil der mit der sofortigen Beschwerde anfechtbaren Entscheidung. Da für Entscheidungen, wie hier die Aufhebung der PKH nach § 124 ZPO, der Rechtspfleger zuständig ist (§ 9 Abs.3 S.1 ArbGG i.V.m. § 20 Nr.4c RpflG) bedeutet dies gleichzeitig, dass die Rechtsmittelbelehrung des die Bewilligung von PKH aufhebenden Beschlusses vom Rechtspfleger unterschrieben sein muss. Denn Beschlüsse sind zu unterschreiben. Zwar enthält das ArbGG für Beschlüsse keine eigenen Vorschriften. Es gelten jedoch die allgemeinen zivilprozessualen Grundsätze. Aus diesen folgt die Notwendigkeit der Unterzeichnung eines Beschlusses (§ 329 Abs.1 S.2 i.V.m. § 317 Abs.2 S.1 ZPO).

Diesem Erfordernis entspricht der Beschluss vom 03. April 2002 nicht. Durch eine Unterschrift soll dokumentiert werden, dass der Unterzeichner die Verantwortung für den darüberstehenden Text übernimmt. Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Denn die Unterschrift des Rechtspflegers befindet sich unterhalb der Beschlussgründe, die Rechtsmittelbelehrung auf einer nachfolgenden, nicht unterzeichneten Seite (vgl. BAG 01.03.1994 AP Nr-10 zu § 9 ArbGG 1979).

Weil eine ordnungsgemäße Rechtsmittelbelehrung nicht vorlag, wurde die einmonatige Beschwerdefrist des § 127 Abs.2 S.3 ZPO nicht in Lauf gesetzt (§ 9 Abs.5 S.3 ArbGG).

In der Sache hat die sofortige Beschwerde Erfolg. Ein Grund für die Aufhebung der PKH ist nicht gegeben.

Nach § 124 Nr.2 ZPO kann das Gericht die Bewilligung der PKH aufheben, wenn die Partei sich auf Verlangen des Gerichts nicht darüber erklärt, ob eine Änderung der persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten ist (§ 120 Abs.4 S.2 ZPO).

Hier hat sich die Klägerin zwar trotz dreimaliger Aufforderung durch das Arbeitsgericht zur Abgabe einer derartigen Erklärung nicht gerührt. Die erforderliche Erklärung hat sie jedoch im Beschwerderechtszug nachgeholt. Insoweit war die Klägerin nicht verpflichtet, im Rahmen ihrer Erklärungsobliegenheit nach § 120 Abs.4 S.2 ZPO einen Vordruck nach § 117 ZPO erneut auszufüllen (vgl. Kammerbeschluss v. 17.12.1996 - 16 Ja 560/96, Musielak/Fischer ZPIO 3. Aufl. 2002 § 120 Rz 14). Denn § 120 ZPO verweist nicht auf § 117 ZPO. Ausreichend, aber auch erforderlich zur Erfüllung der Erklärungspflicht nach § 120 Abs.4 S.2 ZPO ist vielmehr eine vollständige Erklärung der Partei, aus der sich ergibt, dass und wie die Frage, ob sich die Verhältnisse geändert haben, beantwortet wird (vgl. Kammerbeschluss v. 24.09.2002 - 16 Ta 443/02). Diese Merkmale werden durch das Vorbringen der Klägerin in ihrem Einspruch erfüllt. Denn die Klägerin hat erklärt, sie erhalte, anders als zur Zeit der Bewilligung der PKH, keine Leistungen vom Arbeitsamt mehr und habe Sozialhilfe beantragt. Das läßt sich nur so verstehen, dass die Klägerin damit kundgeben wollte und auch unzweideutig kundgegeben hat, ihre Verhältnisse hätten sich gegenüber denen bei PKH-Bewilligung verschlechtert.

Damit hat die Klägerin die Frage nach einer Veränderung der Verhältnisse beantwortet. Dies erst mit der sofortigen Beschwerde vorzubringen, war ihr möglich, weil die Beschwerde auf neue Angriffs- und Verteidigungsmittel gestützt werden kann (§ 571 Abs.2 ZPO) und dazu alles Vorbringen zählt, das zur Abwehr einer nachteiligen Entscheidung dient. Eine Zurückweisung dieses Vorbringens als verspätet scheidet aus (vgl. Kammerbeschluss v. 04.07.2002 - 16 Ta 208/02). Ob von Rechtspflegerseite bei dieser Sachlage ergänzende Angaben von der Klägerin verlangt werden können, ist nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.

Für eine erfolgreiche Beschwerde im PKH-Verfahren fallen Gerichtskosten nicht an. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten kommt nach § 127 Abs. 4 ZPO nicht in Betracht.

Ein Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 S. 2 iVm § 72 Abs. 2 ArbGG idF von Art. 30 Nr. 15 ZPO-RG vom 27.07.2001 BGBl I 2001 S. 1887) war nicht ersichtlich. Damit ist dieser Beschluss unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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