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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 08.10.2008
Aktenzeichen: 2 Sa 529/08
Rechtsgebiete: TV-Ärzte


Vorschriften:

TV-Ärzte § 10
Voraussetzung für eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe Ä 5 TV-Ärzte ist, dass die Stelle dem Arzt durch eine ausdrückliche Anordnung des Arbeitgebers übertragen worden ist. Hieran fehlt es, wenn die Leitung eines Bereichs der Klinik dem Oberarzt nur aufgrund einer Zuweisung durch den Chefarzt der jeweiligen Klinik übertragen worden ist.
Tenor:

Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 10. Januar 2008 - 1 Ca 441/07 - abgeändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug weiterhin um die Eingruppierung des Klägers.

Der Kläger arbeitet seit 1974 bei A (erstinstanzliche Beklagte zu 2), das früher die Kliniken der Universitäten C und D betrieben hatte, als Arzt in der Universitätsklinik in C. Er war ursprünglich in der medizinischen Klinik III eingesetzt. Im Jahre 1983 erwarb er die Qualifikation zum Facharzt für innere Medizin. 1984 erlangte er zusätzlich die Schwerpunktweiterbildung im Bereich Kardiologie und erhielt die Genehmigung in Verbindung mit der Bezeichnung "Arzt für innere Medizin" die Teilgebietsbezeichnung "Kardiologie" zu führen. Wegen der Einzelheiten der diesem Fachgebiet zuzuordnenden Tätigkeiten wird auf die Aufstellung Bl. 269 f. d.A. verwiesen. Im Herbst 1987 habilitierte der Kläger. Er wurde danach zum Oberarzt ernannt und in der medizinischen Klinik III in der kardiologischen Ambulanz sowie auf zwei Stationen eingesetzt. Im November 1996 wurde die kardiologische Ambulanz in die medizinische Klinik I verlegt. Seit dieser Zeit ist der Kläger dort in der kardiologischen Ambulanz tätig. Die medizinischen Klinik I besteht neben der kardiologischen Ambulanz aus mehreren Stationen, auf denen kardiologische Patienten stationär behandelt werden. Chefarzt der medizinischen Klinik I ist E. Die Arbeitsaufteilung zwischen E und dem Kläger sieht dergestalt aus, dass E im Wesentlichen den stationären Bereich der Kardiologie betreut und der Kläger die kardiologische Ambulanz.

In der kardiologischen Ambulanz werden sowohl Patienten untersucht, die ambulant erscheinen, als auch solche, die stationär in den medizinischen Kliniken I - V untergebracht sind. Betreut werden insbesondere Schrittmacher- und Diabetespatienten. Die kardiologische Ambulanz besteht aus einem Großraumbehandlungsraum für EKG-Untersuchungen und Dauerbelastungs-EKGs. Daneben gibt es zwei Räume für die Durchführung von Echokardiographien sowie ein Zimmer für Schrittmacherkontrolluntersuchungen. In der kardiologischen Ambulanz werden die nachfolgenden Behandlungsverfahren und Untersuchungsverfahren durchgeführt:

Echokardiographie einschließlich Stressechokardiographie und Echokontrastuntersuchung sowie Doppler-/Duplex-Untersuchung des Herzens und der herznahen Venen

Transoesophageale Echokardiographie

Spiro-Ergomethrie

Langzeituntersuchungsverfahren zum Beispiel ST-Segmentanalysen, Herzfrequenz-Variabilität, Spätpotentiale

Applikation von Schrittmachersonden

Schrittmacherkontrollen

Kontrollen von internen Kardiovertern bzw. Defibrillatoren.

Der Kläger wird außerdem auch für die Chirurgie mit Spezialkliniken und die Hautklinik zum Konsiliardienst herangezogen. Im Rahmen dieses Konsiliardienstes führt er internistische Untersuchungen zur OP-Fähigkeit durch und versorgt internistische Notfälle. Außerdem berät er bei Frage von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Sämtliche Arzt- bzw. Konsultationsberichte der kardiologischen Ambulanz werden vom Kläger unterzeichnet. Dasselbe gilt für Überweisungen von Patienten aus der kardiologischen Ambulanz in andere Bereiche. Für die Abteilung "Kardiologische Ambulanz" wurde im Rahmen der finanziellen Abrechnung des Klinikums eine gesonderte Kostenstelle eingerichtet. Seitens des Klinikums werden offizielle Briefköpfe und Stempel verwendet, die die medizinische Klinik und Poliklinik I mit dem Direktor E und daneben die kardiologische Ambulanz mit dem Kläger als leitenden Oberarzt angeben. Im Telefonbuch wird der Kläger ebenfalls als leitender Oberarzt bezeichnet.

Mit Wirkung zum 1. Januar 2001 wurden gemäß § 1 des Gesetzes für die hessischen Universitätskliniken (UniKlinG) das Universitätsklinikum C, das Universitätsklinikum D und das Klinikum der F in G als rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts errichtet. Nach § 22 Abs. 1 UniKlinG verblieben die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten der Universitätskliniken, soweit sie - wie bei dem Kläger - vor dem 1. Januar 2001 begründet worden waren, bei dem beklagten Land und die Beschäftigten galten als zur jeweiligen Universität versetzt. Mit dem Gesetz über die Errichtung des Universitätsklinikums C und D (UK-Gesetz) vom 16. Juni 2005 legte das A das Universitätsklinikum C mit dem Universitätsklinikum D zusammen und errichtete das Universitätsklinikum C/D als eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts. Das § 3 UK-Gesetz lautet auszugsweise wie folgt:

(1) Die bisher in der Krankenversorgung und Verwaltung der Universitätskliniken Gießen und Marburg tätigen nicht wissenschaftlichen Beschäftigten im Arbeits- oder Auszubildendenverhältnis zum Land Hessen werden mit In-Kraft-Treten dieses Gesetzes von der Justus-Liebig-Universität Gießen und der Philipps-Universität Marburg zum Universitätsklinikum Gießen und Marburg versetzt und in den Anstaltsdienst übergeleitet. ...

(2) Für das wissenschaftliche Personal gilt § 22 Abs. 3 des Gesetzes für die hessischen Universitätskliniken vom 26. Juni 2000 (GVBl. I S. 344), geändert durch Gesetz vom 31. Oktober 2001 (GVBl. I S. 434), mit der Maßgabe, dass die Dienstleistungen beim Universitätsklinikum Gießen und Marburg zu erbringen sind.

Mit Wirkung zum 2. Januar 2006 wurde das Universitätsklinikum C/D durch die Verordnung vom 1. Dezember 2005 zur Umwandlung des Universitätsklinikums C/D in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (UK-UmwVO) formumgewandelt. In der Folgezeit übertrug das A die Anteile auf die erstinstanzliche Beklagte zu 1) (im Folgenden: J GmbH). Das bis zum 31. Dezember 2005 bei dem A eingesetzte wissenschaftliche Personal, zu dem der Kläger zählt, verblieb nach dem gemäß § 15 UniKlinG geschlossenen Kooperationsvertrag bei dem A und wird im Rahmen einer Personalgestellung bei der J GmbH eingesetzt und von dieser verwaltet. Vertretungsorgan in Personalangelegenheiten ist seit dieser Zeit nicht mehr der Klinikumsvorstand, sondern die Geschäftsführung der J GmbH. Mit Schreiben vom 9. März 2006 (Bl. 12 d.A.) wies J GmbH den Kläger darauf hin, dass "die regelmäßige Durchführung von Mitarbeitergesprächen ein wichtiger Bestandteil der Personalführungsaufgaben von Beschäftigten mit Vorgesetztenfunktion" sei. Mit diesem Schreiben lud die J GmbH ihn zu einer Schulung zum Zwecke der Durchführung von Mitarbeiterjahresgesprächen ein.

Der Marburger Bund schloss unter dem 30. November 2006 mit dem A mit Wirkung zum 1. Januar 2007 den Tarifvertrag für die Ärztinnen und Ärzte an den hessischen Universitätskliniken (im Folgenden: TV-Ärzte) ab. Die Parteien vereinbarten einzelvertraglich die Anwendbarkeit dieses Tarifvertrags auf ihr Arbeitsverhältnis. § 10 TV-Ärzte regelt die Eingruppierung von Ärztinnen und Ärzten in den Entgeltgruppen Ä 1 bis Ä 6. Soweit für den Rechtsstreit von Bedeutung lauten die Regelungen wie folgt:

Entgeltgruppe Ä 4 :

a) Fachärztin oder Facharzt mit fakultativer Weiterbildung, Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildung in ihrem oder seinem Fachgebiet und anschließender zweijähriger entsprechender Tätigkeit

b) Fachärztin oder Facharzt mit entsprechender Tätigkeit in ihrem oder seinem Fachgebiet, für das in der Weiterbildungsordnung eine fakultative Weiterbildung, Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildung entweder nicht vorgesehen ist oder zwar vorgesehen, aber für die auszuübende Tätigkeit nicht erforderlich ist, nach vierjähriger fachärztlicher Tätigkeit

c) Fachärztin oder Facharzt mit entsprechender Tätigkeit in ihrem oder seinem Fachgebiet nach siebenjähriger Fachärztlicher Tätigkeit

d) Fachärztin oder Facharzt mit Habilitation in ihrem oder seinem Fachgebiet und entsprechender Tätigkeit

e) Fachärztin oder Facharzt mit entsprechender Tätigkeit, der oder dem durch ausdrückliche Anordnung des Arbeitgebers mindestens vier Ärztinnen und/oder Ärzte ständig unterstellt sind.

Entgeltgruppe Ä 5:

a) Fachärztin oder Facharzt mit fakultativer Weiterbildung, Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildung in ihrem oder seinem Fachgebiet und mit entsprechender Tätigkeit, der oder dem durch ausdrückliche Anordnung des Arbeitgebers die Leitung eines entsprechenden Funktionsbereiches oder einer vergleichbaren sonstigen Organisationseinheit übertragen worden ist oder mindestens fünf Ärztinnen und/oder Ärzte unterstellt sind

b) Fachärztin oder Facharzt mit entsprechender Tätigkeit in ihrem oder seinem Fachgebiet, für das in der Weiterbildungsordnung eine fakultative Weiterbildung, Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildung entweder nicht vorgesehen ist oder zwar vorgesehen, aber für die auszuübende Tätigkeit nicht erforderlich ist, der oder dem durch ausdrückliche Anordnung des Arbeitgebers die Leitung einer größeren Organisationseinheit übertragen worden ist oder mindestens fünf Ärztinnen und/oder Ärzte ständig unterstellt sind.

Die Protokollnotiz zur Entgeltgruppe Ä 5 a führt aus:

Funktionsbereiche sind wissenschaftlich anerkannte Spezialgebiete innerhalb eines ärztlichen Fachgebiets.

Die Protokollnotiz der Vergütungsordnung Bund/Länder zum BAT enthielt zum Begriff "Funktionsbereich" die nachfolgende Regelung:

Funktionsbereiche sind wissenschaftlich anerkannte Spezialgebiete innerhalb eines ärztlichen Fachgebietes, z. B. Mephrologie, Handchirurgie, Neuroradiologie, Elektroenzophalographie, Herzkatheterisierung.

§ 10 Abs. 2 TV-Ärzte lautet:

Ärztinnen und Ärzte sind in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihnen nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. Kann die Erfüllung einer Anforderung in der Regel erst bei der Betrachtung mehrerer Arbeitsvorgänge festgestellt werden, sind diese Arbeitsvorgänge für die Feststellung, ob diese Anforderung erfüllt ist, insoweit zusammen zu beurteilen.

Mit Schreiben vom 20. März 2007 (Bl. 7 d.A.) wies die J GmbH den Kläger unter Bezugnahme auf den neu in Kraft getretenen TV-Ärzte darauf hin, dass sie beabsichtige, ihn in die Entgeltgruppe Ä 4 Stufe 3 einzugruppieren. Mit Schreiben vom 29. März 2007 / 31. Mai 2007 (Bl. 8 f. d.A.) legte der Kläger gegen diese beabsichtigte Eingruppierung Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 27. März 2007 (Bl. 10 d.A.) beantragte E mit dem Hinweis, dass der Kläger die kardiologische Ambulanz leite, für ihn die Zahlung einer monatlichen Zulage in Höhe der Differenz der individuellen Vergütung zur Entgeltgruppe Ä 5. Mit Schreiben vom 20. Juni 2007 (Bl. 11 d. A.) wies die J GmbH darauf hin, dass es bei der mitgeteilten Eingruppierung in Entgeltgruppe Ä 4 Stufe 3 bleiben müsse. Mit Schreiben vom 18. Oktober 2007 (Bl. 141 f. d. A.) wies der Personalleiter der J GmbH den Kläger darauf hin, dass ihm weder die Leitung eines Funktionsbereiches oder einer vergleichbaren sonstigen Organisationseinheit, noch die Leitung einer größeren Organisationseinheit durch ausdrückliche Anordnung des Arbeitgebers im tarifvertraglichen Sinne übertragen worden sei; für den Fall, dass aufgrund von Handlungen oder Erklärungen in der Vergangenheit Unklarheit über seinen Status im Sinne der Entgeltgruppe Ä5 bestünden, würden vorsorglich etwaige entsprechend relevante Erklärungen widerrufen.

Mit seiner am 14. September 2007 bei Gericht eingegangenen, dem beklagten Land am 12. November 2007 zugestellten Klage hat der Kläger ursprünglich seine Eingruppierung in die Entgeltgruppe Ä 5 Endstufe begehrt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er erfülle sämtliche Voraussetzungen für eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe Ä 5. Bei der kardiologischen Ambulanz handele es sich um einen Funktionsbereich im Sinne der Protokollnotiz zur Entgeltgruppe Ä 5 a; die dort gewählte Definition entspreche der früher in der Vergütungsordnung Bund/Länder zum BAT festgelegten Definition. Die in der alten Regelung angegebenen Beispiele könnten auf den TV-Ärzte übertragen werden. Der Kläger hat behauptet, E habe ihm im November 1996 die Leitung der kardiologischen Ambulanz in der medizinischen Klinik I übertragen. Er habe im Rahmen einer Besprechung in einem Hörsaal der medizinischen Klinik III erklärt, dass er - der Kläger - ab sofort Oberarzt in der medizinischen Klinik I und dort als Leiter der kardiologischen Ambulanz eingesetzt sei. Der Kläger hat die Ansicht geäußert, die Beklagten müssten sich dieses Verhalten von E zurechnen lassen. Auch sei aufgrund der Erklärung von Herrn E sowie aufgrund des nachfolgenden Verhaltens der Klinik von einer Übertragung der Aufgabe kraft ausdrücklicher Anordnung auszugehen.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihn seit dem 01. Januar 2007 nach der Entgeltgruppe Ä 5 Stufe 4 TV-Ärzte Hessen zu vergüten und die anfallenden monatlichen Bruttonachzahlungsbeträge zwischen der Entgeltgruppe Ä 4 Stufe 5 und der Entgeltgruppe Ä 5 Stufe 4, beginnend mit dem 16. Januar 2007 jeweils ab dem 16. des laufenden Monats mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

Die Beklagten haben beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie haben die Ansicht vertreten, der Kläger habe die Tätigkeitsmerkmale für die von ihm begehrte Eingruppierung nicht ausreichend dargelegt. Auch handele es sich bei der kardiologische Ambulanz nicht um einen Funktionsbereich im Sinne der tariflichen Regelung. Sie haben behauptet, es fehle es an einer Übertragung der Leitungstätigkeit durch ausdrückliche Anordnung. Die Beklagten haben im Übrigen die Passivlegitimation der J GmbH bestritten.

Das Arbeitsgericht Gießen hat durch Urteil vom 10. Januar 2008 der Klage gegen das beklagte Land stattgegeben und sie in Bezug auf die J GmbH abgewiesen. Es hat - soweit die Klage erfolgreich war - angenommen, dem Kläger stehe im Verhältnis zu dem beklagten Land ein Anspruch auf Vergütung nach der Entgeltgruppe Ä 5 Stufe 4 TV-Ärzte zu. Der Kläger erfülle die Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppe Ä 5 a TV-Ärzte. Er sei Facharzt mit Schwerpunktweiterbildung in seinem Fachgebiet. Er habe die Qualifikation zum Facharzt für innere Medizin und zusätzlich die Schwerpunktweiterbildung im Bereich Kardiologie erfolgreich abgeschlossen. Er übe auch eine entsprechende Tätigkeit aus, denn er habe dargelegt, dass in der kardiologischen Ambulanz verschiedene kardiologische Behandlungs- und Untersuchungsverfahren durchgeführt werden wie Echokardiographie, Spiro-Ergomethrie sowie Langzeituntersuchungsverfahren in Form von ST-Segmentanalyen oder Herzfrequenz-Variabilität. Schließlich erfolge die Applikation von Schrittmachersonden, Schrittmacherkontrollen und Kontrollen von internen Kardiovertern bzw. Defibrillatoren. Sämtliche der vorgenannten Behandlungs- und Untersuchungsverfahren seien dem Fachgebiet der Kardiologie zuzuordnen und dienten der Diagnostik und Behandlung von Herzerkrankungen bzw. Herzfunktionen. Damit gehörten aber auch die vom Kläger wahrgenommenen Tätigkeiten durchweg der entsprechenden Diagnostik und Behandlung an und es sei davon auszugehen, dass die von ihm wahrgenommenen Tätigkeiten jedenfalls weit überwiegend dem Fachgebiet der Kardiologie zuzuordnen seien. Die Beklagten haben demgegenüber nicht dargelegt, aufgrund welcher Tatsachen trotz dieser eindeutig kardiologisch ausgelegten Aufgaben in der kardiologischen Ambulanz für den Kläger in erheblichem Maße nicht fachbezogene Tätigkeiten anfallen sollen. Bei der kardiologischen Ambulanz handele es sich auch um einen entsprechenden Funktionsbereich im Sinne der tariflichen Regelung. Die Tarifvertragsparteien des TV-Ärzte hätten unverändert die in der Protokollnotiz der Vergütungsordnung Bund/Länder zum BAT verwendete Definition übernommen. Allein aus dem Umstand, dass die dort enthaltenen Beispiele im TV-Ärzte nicht mehr aufgeführt seien, folge nicht, dass die wortgleiche Definition in einem anderen Sinn auszulegen sei. Unter einem Funktionsbereich im tariflichen Sinne sei daher ein anerkanntes Spezialgebiet innerhalb der Kardiologie zu verstehen. Dem Kläger obliege auch die Leitung der kardiologischen Ambulanz. Er habe unwidersprochen vorgetragen, dass die Aufgaben zwischen E und ihm dergestalt aufgeteilt worden seien, dass E den stationären Bereich der Kardiologie betreue und er den Bereich der kardiologischen Ambulanz. Aufgrund der von ihm vorgenommenen Unterzeichnung der Arztbriefe und Überweisung der Patienten obliege ihm die Leitung der kardiologischen Ambulanz. Diese Leitung sei ihm auch durch ausdrückliche Anordnung des Arbeitgebers übertragen worden. Auch wenn das Tarifmerkmal der ausdrücklichen Anordnung grundsätzlich einen Beschluss des zuständigen Organs des jeweiligen öffentlichen Arbeitgebers voraussetze, müsse die ausdrückliche Anordnung allerdings nicht zwingend durch eine entsprechende schriftliche oder mündliche Erklärung erfolgen, sondern könne mittels Dienstanweisungen, Verwaltungsverfügungen und Geschäftsverteilungsplänen geschehen, die dem betroffenen Arbeitnehmer zugingen. Das Klinikum habe hier auf offiziellen Briefköpfen und Stempeln ausdrücklich die kardiologische Ambulanz mit dem Kläger als leitendem Oberarzt hervorgehoben. Außerdem habe es den Kläger im Telefonbuch ausdrücklich als leitenden Oberarzt bezeichnet. Damit habe die Arbeitgeberseite sowohl nach außen als auch gegenüber dem Kläger deutlich gemacht, dass sie ihn als leitenden Oberarzt der kardiologischen Ambulanz sehe. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass im Rahmen der finanziellen Abrechnung des Klinikums für die Abteilung "kardiologische Ambulanz" eine gesonderte Kostenstelle eingerichtet worden sei, könne das Verhalten des beklagten Landes nur dahingehend verstanden werden, dass dem Kläger bewusst die Leitung der kardiologischen Ambulanz übertragen worden sei. Ansonsten müsse das Verhalten des Arbeitgebers als treuwidrig im Sinne des § 162 Abs. 1 BGB angesehen werden, weil nach Außen damit geworben werde, dass zur medizinischen Klinik I eine kardiologische Ambulanz mit dem leitenden Oberarzt, dem Kläger, gehöre. Hieraus folge, dass dem beklagten Land die Ausübung der entsprechenden Leitungsfunktion durch den Kläger bekannt und genehm gewesen sei. Wenn demnach die tariflichen Merkmale für eine entsprechende Eingruppierung erfüllt seien, stehe dem betroffenen Arbeitnehmer arbeitsrechtlich die entsprechende Eingruppierung zu. Diesen Anspruch könne der Arbeitgeber mit einem Widerruf nicht beseitigen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf Bl. 180-186 d.A. Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat das beklagte Land innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 8. Oktober 2008 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt.

Er verfolgt sein Begehren auf Klageabweisung teilweise unter Wiederholung und Ergänzung seines erstinstanzlichen Vorbringens weiter. Es bestreitet, dass dem Kläger tatsächlich die Leitung der kardiologischen Ambulanz obliege, denn Leiter dieser Einheit sei E. Im Übrigen fehle es an dem Tarifmerkmal der durch ausdrückliche Anordnung des Arbeitgebers übertragenen Leitung. Soweit die Anordnung in Merkmalen wie Eintragungen auf Briefköpfen, Stempeln und Telefonverzeichnissen gesehen wird, werde verkannt, dass dies nicht gleichzusetzen mit Erklärungen in Dienstanweisungen, Verwaltungsverfügungen oder Geschäftsverteilungsplänen sei. Durch ein stillschweigendes Verhalten oder konkludentes Handel werde das Merkmal der Ausdrücklichkeit nicht erfüllt. Deshalb sei ein statusbegründender Akt erforderlich und nicht nur eine faktische Übertragung. Weiterhin ist das beklagte Land der Ansicht, bei der kardiologischen Ambulanz handele es sich nicht um einen Funktionsbereich im Sinne der tariflichen Regelung. Gerade der Umstand, dass die Tarifvertragsparteien die Formulierung des BAT nicht vollständig übernommen haben, fordere eine andere Bewertung. Deshalb sei als wissenschaftliches Spezialgebiet die gesamte Kardiologie in dem ärztlichen Fachgebiet der inneren Medizin zu verstehen. Unterfunktionsbereiche würden den neuen tariflichen Anforderungen, anders als unter der Geltung des BAT, nicht mehr genügen. Bei der kardiologischen Ambulanz handele es sich auch nicht um eine eigenständige Einheit, insbesondere - anders als bei einer Intensivstation - nicht um eine Organisationseinheit im tariflichen Sinne.

Das beklagte Land beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 10. Januar 2008 - 1 Ca 441/07 - teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung ebenfalls unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Er behauptet, die kardiologische Ambulanz eigenständig ohne Anweisung und Überwachung durch E zu leiten, was sich seiner Ansicht nach auch dem Schreiben von E vom 27. März 2007 entnehmen lasse. Er vertritt nach wie vor die Auffassung, das Verhalten der Klinik in der Vergangenheit, ihn als Leiter der kardiologischen Ambulanz arbeiten zu lassen und ihn auch so offiziell zu bezeichnen und ihn zu Führungsseminaren einzuladen, mache deutlich, dass er auch von Seiten des Arbeitgebers als Leiter der kardiologischen Ambulanz angesehen werde. Auch sei der Begriff des Funktionsbereichs im Sinne der Subsummierung unter den BAT zu verstehen. Funktionsbereich könne - in dem hier interessierenden Fachgebiet - nicht die gesamte Kardiologie, sondern nur ein Spezialgebiet im Bereich der Kardiologie sein. Der Kläger behauptet auch Tätigkeiten zu verrichten, die seiner Zusatzqualifikation entsprechen, denn der Schwerpunkt seiner Tätigkeiten liege im Gebiet der Kardiologie. In der kardiologischen Ambulanz würden alle kardiologischen Fälle behandelt, die denkbar seien. Im Übrigen ist er der Ansicht, aufgrund des Umstands, dass E ihm ausdrücklich die Leitung der kardiologischen Ambulanz übertragen habe und das beklagte Land dies bewusst hingenommen habe, sei es ihm nunmehr verwehrt, sich auf das Fehlen einer ausdrücklichen Anordnung zu berufen.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift vom 8. Oktober 2008 (Bl. 274 d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des beklagten Landes gegen das am 10. Januar 2008 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Gießen ist zulässig. Das Rechtsmittel ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft (§§ 64 Abs. 2, 8 Abs. 2 ArbGG). Das beklagte Land hat es auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 519, 520 ZPO, 66 Abs. 1 ArbGG).

In der Sache hat die Berufung des beklagten Landes Erfolg. Das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen ist abzuändern, da die von dem Kläger verfolgte Eingruppierungsfeststellungsklage - gegen deren Zulässigkeit nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BAG vom 22. März 1995 - 4 AZR 71/94, AP Nr. 194 zu §§ 22, 23 BAT 1975 und vom 19. März 1996 - 4 AZR 470/84, AP Nr. 114 zu §§ 22, 23 BAT 1975 und vom 5. Mai 1999 - 4 AZR 360/98, AP Nr. 268 zu §§ 22, 23 BAT 1975) keine rechtlichen Bedenken bestehen - unbegründet ist. Der Kläger kann von dem A nicht Vergütung nach der Vergütungsgruppe Ä 5 des § 10 TV-Ärzte verlangen.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der TV-Ärzte kraft einzelvertraglicher Bezugnahme Anwendung. Arbeitnehmer, auf deren Arbeitsverhältnis kraft beiderseitiger Tarifbindung oder auch kraft einzelvertraglicher Vereinbarung dieser Tarifvertrag Anwendung findet, erhalten gemäß § 13 TV-Ärzte eine Vergütung (Tabellenentgelt) nach der Entgeltgruppe, in die sie eingruppiert sind und nach der für sie geltenden Stufe. Die Eingruppierung in die Entgeltgruppen erfolgt unter Beachtung von § 10 Abs. 2 TV-Ärzte.

Nach der Rechtsprechung ist der Arbeitnehmer darlegungs- und gegebenenfalls auch beweispflichtig für die Erfüllung der tariflichen Qualifizierungsmerkmale (vgl. BAG vom 24. Oktober 1984, 4 AZR 518/82, AP Nr. 97 zu §§ 22, 23 BAT und 12. Juni 1996 - 4 AZR 94/95, AP Nr. 33 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter). Der Kläger einer Eingruppierungsfeststellungsklage muss nach den Erfordernissen des Einzelfalls über die bloße Darstellung seiner Tätigkeit und Einzelaufgaben hinaus diejenigen klagebegründenden Tatsachen vortragen, aus denen der rechtliche Schluss gezogen werden kann, dass seine Behauptungen auf die tariflichen Tätigkeitsmerkmale rechtlich zutreffen (vgl. BAG vom 19. März 1980 - 4 AZR 300/78, AP Nr. 32 zu §§ 22, 23 BAT).

Die Vergütungsgruppe Ä 5, über die zwischen den Parteien Streit besteht, setzt u.a. voraus, dass dem Kläger durch ausdrückliche Anordnung des Arbeitgebers entweder die Leitung eines entsprechenden Funktionsbereichs oder einer vergleichbaren sonstigen Organisationseinheit - hier in Gestalt der kardiologischen Ambulanz - übertragen worden ist.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die kardiologische Ambulanz einen Funktionsbereich bzw. eine vergleichbare Organisationseinheit im vorgenannten Sinne darstellt. Dies erscheint selbst unter Heranziehung der klägerischen Auffassung zum Verständnis der Protokollnotiz zu Ä 5 a zweifelhaft. Denn der Begriff des Funktionsbereiches in dem Sinne der BAT-Regelung verstand hierunter ein wissenschaftlich anerkanntes Spezialgebiet innerhalb eines ärztlichen Fachgebiets (z. B. Nephrologie, Handchirurgie, Neuroradiologie, Herzkatheterisierung). Bei der kardiologischen Ambulanz handelt es sich nach dem Vorbringen des Klägers jedoch um eine Einheit, in der sowohl Aufgaben eines wissenschaftlich anerkannten Spezialgebietes (z.B. Herzkatheterisierungen) aber auch solche des allgemeinen Fachgebietes der Kardiologie ausgeführt werden. (vgl. Sächs. LAG vom 4. Juni 2008 - 9 Sa 658/07, veröffentlicht in juris zu einer gynäkologischer Ambulanz).

Die vom Kläger angestrebte Eingruppierung in die Entgeltgruppe Ä 5 scheitert bereits daran, dass ihm die Leitung der kardiologischen Ambulanz nicht durch eine ausdrückliche Anordnung des Arbeitgebers übertragen worden ist.

Das Tarifmerkmal "durch ausdrückliche Anordnung des Arbeitgebers ... übertragen" bedarf der Auslegung.

Die Auslegung des normativen Teils von Tarifverträgen folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln (vgl. BAG vom 24. Oktober 2007 - 10 AZR 878/06, NZA 2008, 131; BAG vom 16. Juni 2004 - 4 AZR 408/03, AP Nr. 24 zu § 4 TVG Effektivklausel; BAG vom 22. Oktober 2003 - 10 AZR 152/03, AP Nr. 21 zu § 1 TVG Rückwirkung). Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu ermitteln ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne an den Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Weitergehend ist jedoch auch der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrags ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (vgl. BAG vom 24. Oktober 2007 a.a.O.).

Die in der Entgeltgruppe Ä 5 des TV-Ärzte gewählte Formulierung fordert ausdrücklich eine Übertragung "vom Arbeitgeber". Im Gegensatz dazu knüpft etwa § 12 Abs. 1 TV-Ärzte für die Zahlung einer persönlichen Zulage im Falle der vorübergehend übertragenen höherwertigen Tätigkeit lediglich an deren Übertragung an, ohne den Arbeitgeber als Übertragenden ausdrücklich zu erwähnen. Hieraus folgt, dass die Tarifvertragsparteien in Bezug auf die einzelnen Tarifvorschriften sehr wohl hinsichtlich der Anforderung an die übertragende Stelle/Person differenziert haben. Auch der Umstand, dass die Tarifvertragsparteien als Tarifmerkmal der Entgeltgruppe Ä 5 weitergehend die Übertragung durch den Arbeitgeber mit dem Merkmal "ausdrücklich" verbunden haben, lässt nur den Schluss zu, dass hiermit eine doppelte Hürde im Vergleich zu anderen Tarifvorschriften aufgebaut worden ist. Entscheidend wird nicht auf die (Höher-)Wertigkeit der einem Arzt übertragenen Aufgaben und ein damit einhergehendes erweitertes Maß an Verantwortung abgestellt, bei dem die Eingruppierung nur der übliche "feststellende" Akt gewesen wäre, bei dem lediglich danach gefragt wird, ob der Arbeitnehmer nach der von ihm auszuübenden Tätigkeit die Tätigkeitsmerkmale einer bestimmten Vergütungsgruppe erfüllt und ihm danach die Vergütung nach der entsprechenden Vergütungsgruppe zuzuerkennen ist (vgl. LAG Düsseldorf vom 21. Februar 2008 - 15 Sa 1617/07, FA 2008, 286 und veröffentlicht in juris). Deshalb kann das Tarifmerkmal der ausdrücklichen Übertragung durch den Arbeitgeber nicht als gleichbedeutend mit dem Merkmal der "auszuübenden", dh. geschuldeten Tätigkeit angesehen werden.

Hinzu kommt, dass nach § 10 Abs. 2 TV-Ärzte die Eingruppierung sich an der auszuübenden Tätigkeit ausrichtet. Mithin also an der Tätigkeit, die dem Arbeitgeber geschuldet wird, sei es, dass sie selbst vertraglich vereinbart ist, sei es, dass sie im Rahmen des Direktionsrechts angewiesen wurde. Allein die tatsächlich ausgeübte, ggf. eigenmächtig angemaßte oder im Einverständnis mit dem Fachvorgesetzten ausgeübte, in diesem Sinne aber nicht geschuldete Tätigkeit ist für die Eingruppierung in keinem Fall maßgeblich. Soll das zusätzliche Tarifmerkmal "vom Arbeitgeber übertragen" daher nicht bloßes Synonym des Merkmals der "auszuübenden", dh. geschuldeten Tätigkeit sein und damit inhaltlich in Leere laufen, wird es nach Wortlaut und systematischem Zusammenhang dahin zu verstehen sein, dass jedenfalls eine bloße Zuweisung der entsprechenden Aufgaben durch den Vorgesetzten (Chefarzt) im Wege des Direktionsrechts für eine Eingruppierung als Oberarzt nicht genügt (vgl. auch BAG vom 25. Oktober 1995 - 4 AZR 479/94, AP Nr. 207 zu §§ 22, 23 BAT 1975; LAG Sachsen-Anhalt vom 17. Juni 2008 - 8 Sa 15/08 E, veröffentlicht in juris).

Wird weiterhin berücksichtigt, dass es sich bei dem TV-Ärzte um einen speziellen Tarifvertrag handelt, der nur für die Ärztinnen und Ärzte an den hessischen Universitätskliniken geschlossen worden ist, wird deutlich das mit diesem Tarifmerkmal den Besonderheiten der Klinikbetriebe Rechnung getragen worden ist. Die Tarifvertragsparteien haben in Kenntnis der üblichen Zuweisung von Aufgaben durch die Chefärzte/Klinikdirektoren und der möglichen arbeitsrechtlichen Auswirkungen, insbesondere auch in vergütungsrechtlicher Hinsicht, nicht auf den Ist-Zustand in Bezug auf die Leitungsaufgabe abgestellt. Sie haben vielmehr die ausschließlich beim Krankenhausträger liegenden Personalhoheit, d.h. seine eigene Entscheidungsbefugnis in personellen Angelegenheit, gestärkt und damit die rein faktische Ausübung von Leitungstätigkeiten aufgrund schleichender oder ausdrücklicher Übertragung durch Chefärzte und deren Duldung durch den Arbeitgeber nicht genügen lassen wollen, um eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe Ä 5 zu rechtfertigen (vgl. BAG vom 25. Oktober 1995 a.a.O.; LAG Düsseldorf vom 21. Februar 2008 a.a.O.). Deshalb soll allein der Träger der Klinik handelnd durch das jeweils zuständige Organ die Anordnungen treffen, durch die entsprechende Leitungsfunktionen, die über die bloße Vergütungshöhe auch Einfluss auf die vertragliche Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses haben, übertragen werden.

Die Kollision zwischen den Weisungsrechten des Klinikdirektors/Chefarztes einschließlich seiner Befugnis, Aufgaben und Verantwortlichkeiten auf die ihm unterstellten Ärzte zu übertragen, wie sie im Klinikalltag gelebt werden, und den eigenen Entscheidungsbefugnissen des Krankenhausträgers in personellen Angelegenheiten andererseits haben die Tarifvertragsparteien dahingehend gelöst, dass sie für Fachärzte/innen der Entgeltgruppen Ä 5 und Ä 6 mit der Formulierung "durch ausdrückliche Anordnung des Arbeitgebers" einen entsprechenden "Entscheidungsvorbehalt" des Krankenhausträgers statuiert haben, der eine ausdrückliche Anordnung von Leitungsaufgaben durch einen Chefarzt für die Erfüllung der Tarifmerkmale nicht genügen lässt (vgl. LAG Düsseldorf vom 21. Februar 2008 a.a.O.).

Diese Entscheidungskompetenz des Klinikträgers gegenüber dem Mitarbeiter kann grundsätzlich im Rahmen einer entsprechenden schriftlichen oder mündlichen Erklärung ausgeübt werden. Das Merkmal der ausdrücklichen Anordnung durch den Arbeitgeber ist auch dann als erfüllt anzusehen, wenn in Dienstanweisungen, Verwaltungsverfügungen und Geschäftsverteilungsplänen, die dem Angestellten zugehen, entsprechende Funktionen übertragen werden. Konkludentes Verhalten des öffentlichen Arbeitgebers oder die lediglich faktische Herstellung entsprechender Organisationsformen in der Verwaltung hingegen sind nicht ausreichend, auch nicht die Benachrichtigung lediglich der unterstellten Angestellten (vgl. BAG vom 11. November 1987 - 4 AZR 336/87, AO Nr. 140 zu § 22, 23 BAT 1975).

In Ansehung dieser Grundsätze wurde die Leitung der kardiologischen Ambulanz dem Kläger nicht durch eine ausdrückliche Anordnung des beklagten Landes bzw. der Geschäftsführung der J GmbH übertragen. Weder das vormals zuständige Vertretungsorgan in Gestalt des Klinikumsvorstandes noch die Geschäftsführung der J GmbH haben dem Kläger die Leitung der kardiologischen Ambulanz übertragen. Diese Position hat er allein aufgrund der Zuweisung durch E erlangt, dem die Leitung der medizinischen Klinik I, zu der die kardiologische Ambulanz gehört, obliegt. Soweit der Kläger in Klinkunterlagen als leitender Oberarzt geführt wurde bzw. wird, lassen sich hieraus keine eingruppierungsrechtlich relevante Schlussfolgerung ziehen. Denn es handelt sich bei den Unterlagen eben nicht um solche Erklärungen der die Personalverantwortung tragenden Stelle des Arbeitgebers. Im Übrigen enthalten die Unterlagen auch lediglich Begriffe des allgemeinen Sprachgebrauchs, die sich auch nicht im Tarifvertrag wiederfinden, mithin ohne eingruppierungsrechtliche Bedeutung sind (vgl. Bruns, Die Entgeltgruppen II (Oberarzt) des TV-Ärzte/VKA, Arzt 2007, 60).

Diese Unterlagen wurden auch nicht durch den Klinikvorstand geschaffen, sondern ihre Nutzung wurde allenfalls geduldet. Einem solchen Verhalten, mit dem allenfalls die durch den Chefarzt E vorgegebenen Aufgabenverteilungen faktisch hingenommen worden sind, kommt nicht der Erklärungsgehalt einer Dienstanweisung oder Verwaltungsverfügung zu. Letztlich verbleibt damit nur die Zuweisung der Leitung der kardiologischen Ambulanz durch den für die Medizinische Klinik I verantwortlichen Chefarzt E. Dass eine solche Weisung nicht der eines Arbeitgebers gleichzusetzen ist, haben die Tarifvertragsparteien wie oben ausgeführt worden ist, aber zweifelsfrei klargestellt. Die Entscheidung von E ersetzt nicht eine nunmehr notwendige ausdrückliche arbeitgeberseitige personelle Entscheidung.

Ebenso wenig kann in der Einrichtung einer gesonderten Kostenstelle für die Abteilung "Kardiologische Ambulanz" ein entsprechender Erklärungsgehalt gesehen werden. Diese allein abrechnungstechnischen Überlegungen lassen keinerlei Rückschlüsse auf statusbegründende Maßnahmen zu.

Mithin fehlt es in Bezug auf die Übertragung der eingruppierungsrelevanten Tätigkeiten an einer ausdrücklichen arbeitgeberseitigen Anordnung. Eine andere rechtliche Bewertung folgt auch nicht aus § 162 BGB oder dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens. Selbst wenn das beklagte Land wusste, dass dem Kläger vom Leiter der Medizinischen Klinik I E die Leitung der kardiologischen Ambulanz übertragen wurde und es ihn diese Tätigkeit auch jahrelang ausüben lässt, ohne zu widersprechen, lassen sich hieraus keine eingruppierungsrechtlichen Folgen ableiten. Vor Schaffung des TV-Ärzte hatte diese "Leitungsfunktion" keine vergütungsrechtliche Bewandtnis. Deshalb konnte oder durfte bei dem Kläger auch nicht der Eindruck entstehen, dass A habe dem Handeln von E eine vergütungsmäßige Bedeutung beigemessen (a.A. Sächs. LAG vom 4. Juni 2008 a.a.O.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Der Kläger hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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