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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 08.09.2006
Aktenzeichen: 3 Sa 2206/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 626
Die Klägerin hat Ware aus dem Sortiment der Beklagten verschenkt, ohne diese vorher zu bezahlen.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 08. September 2005 - 21 Ca 11641/04 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung sowie um Annahmeverzugsansprüche.

Der Beklagte ist Inhaber einer Drogeriekette mit bundesweit ca. 11.000 Filialen. Die am 28. März 1947 geborene, geschiedene Klägerin ist bei ihm seit 01. Juni 1998, zuletzt in der Verkaufsstelle A in B beschäftigt. Im Unternehmen des Beklagten besteht eine Arbeitsanweisung, wonach Eigeneinkäufe von Mitarbeitern nicht von diesen selbst, sondern bei anderen Mitarbeitern abzurechnen sind.

Nachdem in der Verkaufsstelle A beträchtliche Inventurdifferenzen aufgelaufen waren und von einem Detektiv durchgeführte Testkäufe ohne Ergebnis blieben, ließ der Beklagte in der Zeit vom 01. bis 13. Dezember 2004 in der Verkaufsstelle eine verdeckte Kameraanlage zur Videoüberwachung des Kassenbereichs installieren. Über die auf dem Videoband enthaltenen Vorfälle wurde ein Bericht erstellt, wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf Bl. 37 - 42 d.A Bezug genommen wird. Am 03. Dezember 2004 legte ein kleines Mädchen drei Überraschungseier auf das Band, die seitens der Klägerin nicht berechnet wurden. Am 07. Dezember 2004 überließ die Klägerin einem Sicherheitsmitarbeiter der C ein Päckchen Kaffee, ohne dieses zuvor bei einem anderen Mitarbeiter zu bezahlen. Am 08. Dezember 2004 übergab die Klägerin einer älteren Kundin eine Leinentasche und eine Plastiktüte ohne diese der Kundin zu berechnen.

Mit Schreiben vom 20. Dezember 2004, zugegangen am selben Tag, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos.

Hiergegen hat die Klägerin mit einem am 23. Dezember 2004 beim Arbeitsgericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz Kündigungsschutzklage erhoben.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe dem Mädchen am 03. Dezember 2004 die Überraschungseier geschenkt und diese am folgenden Tag bei ihrer Kollegen, Frau D, nachbezahlt. Sie sei - unstreitig - am 03. Dezember 2004 alleine in der Verkaufsstelle gewesen und habe die Ware deshalb nicht am selben Tag bei einer Kollegin bezahlen können. Auch das dem Sicherheitsmitarbeiter der C am 07. Dezember 2004 geschenkte Päckchen Kaffee habe sie am folgenden Tag bei einer Kollegin nachbezahlt, weil sie - unstreitig - auch an diesem Tag alleine in der Verkaufsstelle war. Ihr sei nicht mehr erinnerlich, bei welcher Kollegin diese Nachzahlung erfolgt sei, weil in der Verkaufsstelle A sehr viele Aushilfen eingesetzt würden, die nur stundenweise arbeiteten. Schließlich behauptet die Klägerin, bei dem Beklagten gebe es eine Anweisung, guten Kunden gelegentlich eine Leinentasche ohne Bezahlung zu überlassen. Plastiktüten würden grundsätzlich kostenlos verteilt.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 20. Dezember 2004 nicht aufgelöst worden ist;

2. den Beklagten zu verurteilen, an sie € 1.294,58 netto zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt - soweit in der Berufungsinstanz noch von Bedeutung -,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat bestritten, dass die Klägerin die von ihr dem Mädchen und dem Sicherheitsmitarbeiter überlassenen Waren am Folgetag bezahlt hat.

Das Arbeitsgericht hat - soweit in der Berufungsinstanz noch von Bedeutung - die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit dem Rechtsmittel der Berufung. Die Klägerin rügt, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass der Arbeitgeber für das Vorliegen eines wichtigen Grundes darlegungs- und beweispflichtig sei. Das Gericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Klägerin den Vorwürfen des Beklagten nicht ausreichend entgegengetreten sei und keine Rechtfertigungsgründe dargelegt habe. Vielmehr treffe den Arbeitgeber die Beweislast auch insoweit, als der Arbeitnehmer Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe für sein Verhalten behaupte. Es sei dem Beklagten ein Leichtes, nachzuprüfen, wer außer der Klägerin am 08. Dezember 2004 in der Verkaufsstelle A gearbeitet habe. Ferner sei es dem Beklagten ohne Probleme möglich, die Kassenabrechnung vom 08. Dezember 2004 vorzulegen. Auch könne es der Klägerin nicht zum Nachteil gereichen, wenn sie sich nicht mehr erinnere, wer seinerzeit die Anweisung gegeben habe, guten Kunden eine Einkaufstasche zur Verfügung zu stellen. Jedenfalls falle die Interessenabwägung zugunsten der Klägerin aus, weil sie 6 Jahre bei dem Beklagten beschäftigt sei, ohne dass es zu irgendwelchen Beanstandungen gekommen sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 08. September 2005 - 21 Ca 11641/04 - abzuändern:

1. Festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 20. Dezember 2004 nicht aufgelöst worden ist;

2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin € 703,94 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02. Januar 2005 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angegriffene Urteil als zutreffend. Er weist darauf hin, dass Kassenabrechnungen für den 08. Dezember 2004 nicht mehr vorlägen, da diese in seinem Unternehmen lediglich 3 Monate aufbewahrt würden. Der Vortrag der Klägerin, sie könne sich nicht daran erinnern, bei wem sie das Paket Kaffee am 08. Dezember 2004 bezahlt haben wolle, sei nicht nachvollziehbar, da an diesem Tag lediglich Frau C und Frau E in der Verkaufsstelle beschäftigt gewesen seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die Berufung ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft (§§ 64 Abs. 1 und 2, 8 Abs. 2 ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520, ZPO).

B.

Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit sie Gegenstand der Berufung ist - zu Recht abgewiesen. Die Berufungskammer schließt sich den zutreffenden und sehr sorgfältig begründeten Ausführungen des Arbeitsgerichts im Ergebnis und in der Begründung an. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierauf Bezug genommen. Ergänzend ist folgendes anzumerken:

1.

Entgegen der Auffassung der Klägerin hat das Arbeitsgericht die Darlegungs- und Beweislast nicht verkannt. Die Darlegungs- und Beweislast des Kündigenden richtet sich danach, wie substantiiert sich der Gekündigte auf die Kündigungsgründe einlässt. Es genügt nicht, wenn sich der Gekündigte pauschal und ohne nachprüfbare Angaben auf entlastende Umstände beruft (KR-Fischermeier, 7. Aufl., § 626 BGB Rn 382; HaKo-Griebeling, 2. Aufl., § 626 BGB Rn 141). Die Berufungskammer ist - wie das Arbeitsgericht - der Meinung, dass das Entlastungsvorbringen der Klägerin, sie habe das Päckchen Kaffee am Folgetag nachbezahlt, unsubstantiiert ist, weil sie nicht vorgetragen hat, wann (ungefähre Uhrzeit), bei wem und unter welchen Begleitumständen dies erfolgt sei. Auch wenn der Klägerin der Name der Kollegin, bei der sie bezahlt haben will, nicht mehr erinnerlich ist, hätte sie diese zumindest näher beschreiben müssen, wodurch ggf. eine Identifizierung möglich gewesen wäre.

2.

Unabhängig hiervon stützt die Berufungskammer ihre Entscheidung noch auf folgende Erwägungen: Die Klägerin räumt ein, dass sie am 07.12.2004 einem Sicherheitsmitarbeiter der C ein Päckchen Kaffee überlassen hat, ohne hierfür den Kaufpreis zu vereinnahmen. Auf die Frage der prozessualen Verwertung der Videoaufzeichnung kommt es daher nicht an. Eigentums- und Vermögensdelikte zum Nachteil des Arbeitgebers stellen, auch wenn es nur um geringe Vermögenswerte geht, an sich einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar (BAG 11.12.2003 - 2 AZR 36/03 - zu II. 1. b) und c) d.Gr.; 06.07.2000 - 2 AZR 454/99 - zu II. 2. b) bb) d.Gr., m.w.N.). Erschwerend kommt hinzu, wenn wegen der Verpflichtung, die anvertrauten Waren zu verkaufen und den Erlös zu vereinnahmen und abzuführen, dem Arbeitnehmer eine Obhutspflicht obliegt. Als Verkaufsangestellte bestand für die Klägerin eine derartige Obhutspflicht.

Hiergegen hat die Klägerin gröblich verstoßen, indem sie Ware aus dem Sortiment des Beklagten verschenkte. Vertragsgerecht wäre es gewesen, wenn sie das Päckchen Kaffee entsprechend der betrieblichen Anweisung des Beklagten zunächst - wie eine Kundin - erworben und es anschließend verschenkt hätte. Indem sie dies nicht getan hat, verfügte sie unberechtigt über dessen Eigentum. Eine spätere Bezahlung der Ware konnte diese Vertragsverletzung weder rechtfertigen noch entschuldigen, sondern hätte eine bloße Wiedergutmachung des Schadens dargestellt, vergleichbar einem Dieb, der das Gestohlene am Folgetag zurückbringt.

Der Umstand, dass am 07.12.2004 nach der Behauptung der Klägerin keine Kollegin in der Verkaufsstelle anwesend war, bei der sie - vor dem Verschenken der Ware - diese hätte bezahlen können, berechtigte diese nicht zu ihrem Tun. Die Regelung, eigene Einkäufe bei einer Kollegin zu bezahlen, soll dazu führen, dass Kassiererinnen ihre privaten Einkäufe wie Kunden tätigen. Dies dient dazu, Missverständnisse zu vermeiden. Ist eine Kollegin gerade nicht in der Verkaufsstelle anwesend, darf eine Mitarbeiterin solange keinen privaten Einkauf tätigen, bis ihre Kollegin wieder da ist. Insofern gilt nichts anderes als für (sonstige) Kunden, die Waren auch nicht ohne zu bezahlen mitnehmen dürfen, wenn die Kasse gerade unbesetzt ist.

Soweit die Klägerin behauptet, auch ihre Kolleginnen bezahlten private Einkäufe wenn sie alleine in der Filiale sind am Folgetag, ist das unsubstantiiert. Im Übrigen ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Beklagte dies in der Vergangenheit (bewusst) geduldet hätte.

3.

Die vom Arbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zu beanstanden. Insbesondere wurde ihr Lebensalter und ihre langjährige Betriebszugehörigkeit ausreichend berücksichtigt.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht erfüllt, § 72 Abs. 2 ArbGG. Insbesondere liegt dem Rechtsstreit keine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zugrunde.

Ende der Entscheidung

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