Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 12.01.2007
Aktenzeichen: 3 Sa 571/06
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1
Die Organisationsentscheidung eines öffentlichen Arbeitgebers, den Personalbestand zu reduzieren, weil er den betroffenen Arbeitnehmer für ungeeignet hält, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, ist rechtsmissbräuchlich, wenn die Voraussetzungen für eine verhaltens- oder personenbedingte Kündigung nicht vorliegen.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hanau vom 02. März 2006 - 2 Ca 608/05 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.

Die beklagte Gemeinde unterhält in der Form eines Eigenbetriebs einen Betriebshof mit ca. 30 Arbeitnehmern. Leiter des Betriebshofs war seinerzeit Herr A. Inwieweit darüber hinaus die Position eines stellvertretenden Betriebshofleiters dauerhaft vorgesehen war, ist zwischen den Parteien streitig.

Der am 02. September 1956 geborene Kläger ist von Beruf Bauzeichner/Hochbautechniker. Er ist auf der Grundlage des am 24. Januar 2002 geschlossenen Arbeitsvertrages seit dem 01. Februar 2002 bei der Beklagten als vollzeitbeschäftigter Angestellter mit einer Vergütung nach Vergütungsgruppe Vc der Anlage 1 a zum BAT beschäftigt. Wegen des Inhalts des Arbeitsvertrages wird auf die Kopie Bl. 7 f. d.A. Bezug genommen. Die Beklagte setzte den Kläger gemäß der Stellenbeschreibung vom 22. Januar 2002 als stellvertretenden Betriebshofleiter ein.

Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 20. Juli 2004 wegen "Schlechtleistungen" abgemahnt worden war, sprach die Beklagte mit Schreiben vom 20. Oktober 2004 eine ordentliche Kündigung aus, die sie sowohl auf personenbedingte als auch auf verhaltensbedingte Gründe stützte. Durch das rechtskräftige Urteil des Arbeitsgerichts Hanau vom 11. Mai 2005 - 3 Ca 512/04 - wurde festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 20. Oktober 2004 nicht aufgelöst worden ist. Wegen des Inhalts des Urteils im Einzelnen wird auf die Kopie Bl. 9 - 23 d.A. Bezug genommen.

Am 26. Juli 2005 fasste der Magistrat den Beschluss, rückwirkend zum 01. Juli 2005 die Stelle des stellvertretenden Betriebshofleiters entfallen zu lassen und mit einem kw-Vermerk zu versehen. Für den vollen Wortlaut des beglaubigten Auszugs aus dem Magistratsprotokoll wird auf Bl. 43 d.A. Bezug genommen.

Nach Anhörung des Personalrats am 02. November 2005 und dessen Zustimmung am 07. November 2005 kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 21. November 2005 das Arbeitsverhältnis. Die Parteien verständigten sich dahingehend, dass diese Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet. Daraufhin sprach die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 22. November 2005, dem Klägervertreter per Fax am gleichen Tag und im Original am 24. November 2005 zugegangen, eine weitere Kündigung zum 31.03.2006 aus.

Mit seiner beim Arbeitsgericht Hanau am 24.11.2005 eingegangenen und der Beklagten am 29.11.2005 zugestellten Kündigungsschutz- und allgemeinen Feststellungsklage wendet sich der Kläger gegen die Kündigung vom 22. November 2005. Der Kläger hat behauptet, die Stelle des stellvertretenden Betriebshofleiters habe es bereits vor seiner Einstellung gegeben. Sie sei seinerzeit von Herrn B wahrgenommen worden. Die Stelle sei auch nicht entbehrlich, da der Betriebshofleiter in der Regel 2/3 seiner Arbeitszeit unterwegs sei und während dessen ein Ansprechpartner da sein müsse, um z.B. Beschwerden oder Mitteilungen der Bürger entgegenzunehmen. Weder die Vorarbeiter noch die Mitarbeiterin C seien in der Lage die Tätigkeiten zu übernehmen. Innerhalb der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitszeit sei dies schon gar nicht möglich. Ferner könne er ggf. auf anderen Arbeitsplätzen weiter beschäftigt werden. Dies könne beispielsweise nach Wegfall der Leitungsfunktionen im Betriebshof oder im Bauamt auf der Position von Herrn B, der in den Betriebshof zurückkehren wolle oder auf der am 18. Februar 2005 ausgeschriebenen Stelle geschehen. Ferner hat der Kläger die Rechtsansicht vertreten, dass die Kündigung unwirksam sei, weil sie aus persönlichen Motiven, darüber hinaus willkürlich und unter Verstoß gegen das Maßregelungsverbot ausgesprochen worden sei. Außerdem habe der Personalrat vor Ausspruch der Kündigung vom 22.11.2005 noch einmal angehört werden müssen, da die Anhörung vom 02. November 2005 mit Ausspruch der ersten Kündigung verbraucht gewesen sei.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 22. November 2005, zugegangen am 24. November 2005, nicht aufgelöst worden ist

und

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als stellvertretenden Betriebshofleiter weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, die Position des stellvertretenden Betriebshofleiters sei eigens für den Kläger zu seiner Qualifizierung auf die Stelle des Betriebshofleiters geschaffen worden. Ziel sei es gewesen, einen Nachfolger für den in wenigen Jahren altersbedingt ausscheidenden Betriebshofleiter A einzuarbeiten. Für die Zeit nach dem Einrücken des Klägers in die Leitungsposition sei der Wegfall der Position des Stellvertreters von Anbeginn an vorgesehen gewesen. Dies habe man dem Kläger bei der Einstellung auch mitgeteilt. Der Zeuge B habe seinerzeit nicht die Position eines stellvertretenden Betriebshofleiters inne gehabt. Da das Konzept zur Qualifizierung des Klägers nicht aufgegangen sei, habe man sich entschlossen, die Stelle wieder zu streichen. Die Aufgaben des Klägers, die er ohnehin nur unzulänglich verrichtet habe, würden nach dessen Ausscheiden je nach Bedarf kommissarisch von den Vorarbeitern wahrgenommen und auch sonst auf die Mitarbeiter - insbesondere die Verwaltungsfachangestellte Frau C - verteilt werden. Dies entspreche der Handhabung wie sie vor der Einstellung des Klägers praktiziert worden sei. Auch im Falle einer Abwesenheit des Betriebshofleiters stehe dieser im Zeitalter der drahtlosen Kommunikation als Ansprechpartner zur Verfügung. Eine Weiterbeschäftigung des Klägers auf einem anderen Arbeitsplatz scheide aus. Der Tätigkeit im Betriebshof stehe bereits entgegen, dass mehrere dort beschäftigte Arbeitnehmer - unstreitig - eine Resolution gegen den Kläger verfasst hätten. Für die am 18. Februar 2006 ausgeschriebene Stelle fehle dem Kläger die Qualifikation.

Das Arbeitsgericht Hanau hat durch Urteil vom 02. März 2006 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 24.11.2005 nicht aufgelöst worden ist und die Beklagte verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als stellvertretenden Betriebshofleiter weiter zu beschäftigen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers im Betrieb entgegenstünden, lägen nicht vor, weil der Magistratsbeschluss offenbar unsachlich sei. Die im Magistratsbeschluss enthaltene Begründung für die Stellenstreichung sei nicht stichhaltig, und die von der Beklagten geschilderten Hintergründe des Beschlusses seien in mehreren Punkten in sich widersprüchlich. Letzten Endes spreche für die Unsachlichkeit, dass die Beklagte nicht überzeugend dargestellt habe, dass und wie der Beschluss überhaupt umgesetzt werden könne. Gegen dieses ihr am 09.03.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit dem am 29.03.2006 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit dem am 08.05.2006 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und vertritt in der Berufungsbegründungsschrift insbesondere die Rechtsansicht, dass entgegen der Rechtsansicht des Arbeitsgerichts die unternehmerische Maßnahme nicht zu beanstanden sei. Sie sei weder mutwillig noch unvernünftig oder unzweckmäßig. Die Stelle - so die Behauptungen der Beklagten - sei wieder gestrichen worden, weil der Kläger den Erwartungen in seine Qualifikation zum künftigen Betriebshofleiter nicht entsprochen habe. Anderenfalls wäre der Magistratsbeschluss nicht gefasst worden. Nach dem Scheitern der Qualifikation des Klägers zum Betriebshofleiter habe sich die Beklagte entschieden, die Stelle wegfallen zu lassen. Der Magistrat habe erkannt, dass dieser Weg, einen Leiter für den Betriebshof zu suchen, das im Falle des Klägers eingetretene Risiko mit sich bringe, von einem Bewerber wahrgenommen zu werden, der sich in der Funktion "ausruhe", anstatt sich zu dem eigentlich benötigten Betriebshofleiter zu qualifizieren.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Hanau vom 02. März 2006 - 2 Ca 608/05 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und behauptet, dem Kläger sei nicht bekannt gewesen, dass die Stelle zu seiner Qualifizierung geschaffen worden sei. Im Übrigen vertieft der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 12.01.2007 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A.

Das Rechtsmittel der Berufung ist gem. §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft und von der Beklagten gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. §§519, 520 ZPO auch form- und fristgerecht eingelegt sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden.

B.

In der Sache hat die Berufung der Beklagten keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil ist nicht abzuändern, weil die zulässige Kündigungsschutz- und Weiterbeschäftigungsklage begründet ist.

I.

Das Arbeitsgericht hat der am 29.11. 2005 - und damit innerhalb der drei Wochen betragenden Frist des §4 KSchG - zugestellten Kündigungsschutzklage vom 24.11.2005 zu Recht stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis ist durch die Kündigung der Beklagten vom 22.11.2005 nicht aufgelöst worden, da sie gemäß §1 Abs.1 KSchG unwirksam ist.

Der Kläger genießt auf Grund der Dauer seiner Zugehörigkeit zum Betrieb der Beklagten und der Zahl der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz, §§ 1 Abs.1, 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG.

Die Kündigung genügt indessen nicht den Anforderungen, die das Kündigungsschutzgesetz in § 1 Abs. 2 an den Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung stellt. Sie ist nämlich nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt. Die unternehmerische Entscheidung der Beklagten vom 26. Juli 2005, die Position des stellvertretenden Betriebshofleiters zu streichen, weil der Kläger den Erwartungen in seine Qualifikation zum künftigen Betriebshofleiter nicht entsprochen habe, ist rechtsmissbräuchlich und entfaltet keine Bindungswirkung .

1.

Betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung können sich regelmäßig aus innerbetrieblichen Umständen, insbesondere Unternehmerentscheidungen ergeben (vgl. z.B. BAG 26.09.2002 - 2 AZR 636/01 - NZA 2003, 549 (550), m.w.N.). Im öffentlichen Dienst kann eine vergleichbare Entscheidung darin liegen, dass in einem Haushaltsplan eine konkrete Stelle gestrichen, ein sog. kw-Vermerk angebracht oder aus einem Personalbedarfsplan der Wegfall einer Stelle ersichtlich wird (vgl. BAG 07.10.2004 - 2 AZR 122/04 - Rn 16, zitiert nach Juris). Dies setzt allerdings stets voraus, dass die Stelle nach sachlichen Merkmalen genau bestimmt ist (vgl. BAG 23.11.2000 - 2 AZR 617/99 - NZA 2001, 500 (502)). Für eine derartige Festlegung kann ein auf den konkreten Stellenbedarf zugeschnittenes Konzept erforderlich sein (BAG 18.11.1999 - 2 AZR 77/99 - NZA 2000, 484 (486)). Das Ausbringen eines "kw-Vermerks" stellt jedenfalls dann kein dringendes betriebliches Erfordernis dar, wenn eine bestimmte oder bestimmbare Frist für den Wegfall der Stelle nicht angegeben wird (vgl. BAG 06.09.1978 - 4 AZR 84/77 - zitiert nach Juris; BAG 18.11.1999 - 2 AZR 77/99 - a.a.O., S. 486).

Die Zweckmäßigkeit der Entscheidung des öffentlichen Arbeitgebers ist von den Arbeitsgerichten nur begrenzt nachprüfbar. Der Arbeitgeber kann grundsätzlich sowohl das Arbeitsvolumen (Menge der zu erledigenden Arbeit) als auch das diesem zugeordnete Arbeitskraftvolumen (Arbeitnehmer-Stunden) und damit auch das Verhältnis dieser beiden Größen zueinander festlegen (vgl. BAG 07.10.2004 - 2 AZR 122/04 - Nr. 16, zitiert nach Juris; BAG 23.11.2004 - 2 AZR 38/04 - NZA 2005, 986 (987)). Die organisatorische Gestaltungsfreiheit ist allerdings - wie in privatwirtschaftlich organisierten Unternehmen - auch im öffentlichen Dienst nicht schrankenlos. Die Berufsfreiheit des Art. 12 GG gewährt dem Arbeitnehmer einen Mindestbestandsschutz für sein Arbeitsverhältnis, dem die Gerichte aufgrund der grundgesetzlichen Schutzpflicht des Staates Rechnung zu tragen haben (vgl. BAG 26.09.2002 - 2 AZR 636/01 - NZA 2003, 549 (551)). Demgemäß findet neben einer eingeschränkten Prüfung des organisatorischen Konzepts auch eine Missbrauchskontrolle statt. Die Organisationsentscheidung ist daraufhin zu überprüfen, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Neben Verstößen gegen gesetzliche und tarifliche Normen zählen hierzu vor allem Umgehungsfälle (BAG 26.09.2002 - 2 AZR 636/01 - a.a.O.; BAG 07.10.2004 - 2 AZR 122/04 - Rn 21, zitiert nach Juris).

2.

Danach stellt die Organisationsentscheidung der Beklagten kein nach § 1 Abs. 2 KSchG dringendes betriebliches Erfordernis zur Kündigung dar.

a) Inwieweit das Anbringen des "kw-Vermerks" im Wirtschaftsplan dahingehende Auswirkungen auf den Umfang der Darlegungslast hat, dass ein ins Einzelne gehender Sachvortrag der Beklagten zur organisatorischen Umsetzbarkeit der Entscheidung entbehrlich wird (vgl. dazu BAG 23.11.2004 - 2 AZR 38/04 - NZA 2005, 986 (988)), bedarf keiner Entscheidung. Eine derartige Annahme wäre im Streitfall schon deshalb nicht frei von Bedenken, weil eine zeitliche Fixierung des "kw-Vermerks" nicht ohne weiteres erkennbar ist. Dieser Frage musste die Kammer aber nicht weiter nachgehen.

b) Nach Auffassung der Kammer stellt es einen Gestaltungsmissbrauch dar, wenn sich der Arbeitgeber dazu entschließt, den Personalbestand zu reduzieren, weil er den betroffenen Arbeitnehmer für ungeeignet hält, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, die Voraussetzungen für eine verhaltens- oder personenbedingte Kündigung aber nicht vorliegen. In diesem Fall liegt nämlich zwischen der Organisationsentscheidung und dem mit ihr verfolgten Zweck eine sachwidrige Zweck-Mittel-Relation vor. Es ist sachfremd, wenn die Ausübung des Kündigungsrechts als Vorwand für die Erreichung von Zwecken erfolgt, für die ein schutzwürdiges Eigeninteresse fehlt.

aa) Der Arbeitgeber kann nach den gesetzgeberischen Wertungen des Kündigungsschutzgesetzes mit einer Kündigung keine beliebigen Zwecke verfolgen. Vielmehr liegen den im Kündigungsschutzgesetz angesprochenen Kündigungsgründen jeweils spezifische Zwecke zugrunde, die wegen der verschiedenen Prüfungsmaßstäbe auseinander zu halten sind. Aufgrund dessen ist es dem Arbeitgeber verwehrt, eine betriebsbedingte Kündigung uneingeschränkt als Mittel zur Verfolgung von Zwecken einzusetzen, für deren Realisierung das Kündigungsschutzgesetz die verhaltens- oder personenbedingte Kündigung zur Verfügung stellt (i.E. auch Mauer/Holthausen, NZA 2003, 1370 (1372); B. Preis, AuR 1997, 60 (63,64)). Das Kündigungsschutzgesetz selbst setzt der Organisationsentscheidung des öffentlichen Arbeitgebers insoweit durch die Regelung der personen- und verhaltensbedingten Kündigungsgründe Grenzen. Blieben sie unbeachtet, bestünde die Gefahr, dass die größere Kontrolldichte bei einer verhaltens- bzw. personenbedingten Kündigung durch Rückgriff auf die selbst gesetzte "freie" Organisationsentscheidung unterlaufen wird. Der Kernbereich der freien Organisationsentscheidung wird dadurch nicht berührt, da der Beklagten keine bessere Organisation oder eine andere Art der Kostenersparnis vorgeschrieben wird.

bb) Im Laufe des Prozesses ist unmissverständlich zum Ausdruck gekommen, dass die Beklagte die Kündigung nur deshalb ausgesprochen hat, weil der Kläger nicht ihren Erwartungen in seine Qualifikation zum künftigen Betriebshofleiter entsprochen hat. Anderenfalls wäre der Magistratsbeschluss vom 26.07.2005 nach dem eigenen Sachvortrag der Beklagten nicht gefasst worden. Ursächlich für die negative Beurteilung des Klägers waren aus Sicht der Beklagten dessen "Schlechtleistungen". Damit sind aber die Tatbestände der verhaltensbedingten bzw. personenbedingten Kündigung angesprochen. Sie ermöglichen die Vertragsauflösung, um so das Risiko weiterer Vertragsverletzungen zu vermeiden (verhaltensbedingte Kündigung) bzw. dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Arbeitsvertrag seinen Zweck nicht mehr erfüllen kann, weil der Arbeitnehmer die Fähigkeit verloren hat, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen (personenbedingte Kündigung). Für die Verwirklichung dieser Ziele ist die betriebsbedingte Kündigung vom Gesetzgeber nicht gedacht. Durch sie soll - grob gesprochen - im Interesse der Rentabilität der Personalbestand dem tatsächlichen Personalbedarf angepasst werden können.

Für die vorgeschobene betriebsbedingte Kündigung sind schutzwürdige Interessen der Beklagten nicht anzuerkennen, weil eine verhaltens- bzw. personenbedingte Kündigung im Zeitpunkt des Ausspruchs der betriebsbedingten Kündigung nicht mehr in Betracht gekommen wäre. Die von der Beklagten gerügten Fehlleistungen waren bereits im Verfahren 3 Ca 512/04 Gegenstand einer materiellen Prüfung durch das Arbeitsgericht Hanau unter dem Gesichtspunkt der verhaltens- und personenbedingten Kündigung. Der Annahme verhaltensbedingter Gründe stand den Entscheidungsgründen des Urteils zufolge entgegen, dass die Beklagte dem Kläger nach Ausspruch der Abmahnung nicht ausreichend Zeit gegeben hatte, die behaupteten Leistungsmängel zu beheben. Ein personenbedingter Kündigungsgrund lag ebenfalls nicht vor, weil - so das Arbeitsgericht Hanau - ein unbehebbarer Leistungsmangel von der Beklagten nicht substantiiert vorgetragen wurde. Damit ist es der Beklagten verwehrt, eine neue Kündigung ausschließlich auf dieselben Gründe zu stützen, die nicht für zureichend erachtet wurden, die erste Kündigung zu begründen. Die Kündigungsgründe, die die frühere Kündigung sachlich nicht trugen und durch das Urteil des Erstprozesses rechtskräftig aberkannt wurden, sind auch für die Begründung einer späteren Kündigung ausgeschlossen, da sich der Sachverhalt seit dem nicht verändert hat (vgl. BAG 22.05.2003 - 2 AZR 485/02 - Rn. 20 zitiert nach Juris).

cc) Gegen die Ablehnung der betriebsbedingten Kündigung lässt sich auch nicht einwenden, dass es der Beklagten damit verwehrt werde, ihr keineswegs als unvernünftig oder willkürlich zu beurteilendes Konzept zur Deckung des Personalbedarfs im Betriebshof umzusetzen. Da es um ein Konzept ging, nach dem von Anfang an - so jedenfalls die Beklagte - die Position des stellvertretender Betriebshofleiters zu einem späteren Zeitpunkt unter bestimmten Voraussetzungen wegfallen sollte, wäre die Befristung das richtige Instrument gewesen, um die Problematik in den Griff zu bekommen. § 14 Abs. 2 TzBfG lässt ohne sachlichen Grund eine 2-jährige Befristung zu.

II.

Mit der Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 22.11.2005 nicht aufgelöst worden ist, ist auch ein Anspruch des Klägers auf Weiterbeschäftigung zu den im Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist geltenden Arbeitsbedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses aus §§ 611, 613 BGB i.V.m. § 242 BGB, Art. 1, 2 GG gegeben. Der Zeitpunkt der Rechtskraft (§ 322 ZPO) ist noch nicht eingetreten und die Interessen des Klägers an einer Weiterbeschäftigung überwiegen die Gegeninteressen der Beklagten. Außer der Ungewissheit des endgültigen Prozessausgangs - die nunmehr für sich genommen nicht ausreicht - sind besonders belastende Umstände auf Seiten der Beklagten weder vorgetragen noch sonst ersichtlich (seit BAG 27.02.1985 - GS 1/84 - NJW 1985, 2958).

Die Weiterbeschäftigung als stellvertretender Betriebshofleiter bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzrechtsstreits ist der Beklagten auch weder unmöglich noch unzumutbar (vgl. § 275 BGB), selbst wenn sie die Aufgaben bereits auf andere Mitarbeiter verteilt haben sollte. Da keine bindende Organisationsentscheidung für den Wegfall des Arbeitsplatzes vorliegt, ist die Beklagte gehalten, die Umverteilung ggf. wieder rückgängig zu machen. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Beklagte nunmehr verpflichtet wäre, für den Kläger die Position des stellvertretenden Betriebshofleiter vorzuhalten. Es unterliegt nach wie vor ihrer Gestaltungsfreiheit, wie sie den Betriebshof organisiert. Es steht ihr mithin frei, eine betriebliche Organisation zu wählen, die einen stellvertretenden Betriebshofleiter nicht vorsieht.

Allerdings ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung eine dementsprechende bindende Organisationsentscheidung bereits getroffen wurde. Die ursprüngliche Entscheidung, wonach die Stellvertreterposition mit der Übernahme der Stelle des Leiters durch den Kläger entfallen sollte, ist durch die zeitlich spätere Organisationsentscheidung vom 26.07.2005 wieder aufgehoben worden. Zwar mag die Beklagte bei dieser Gelegenheit auch beschlossen haben, einen Nachfolger für den Betriebsleiter ohne vorherige innerbetriebliche Erprobung auf der Stellvertreterposition zu suchen. Dieser Teil der Organisationsentscheidung kann aber nicht als Grundlage für den Wegfall des Arbeitsplatzes durch die Verteilung der Aufgaben des stellvertretenden Betriebshofleiters auf die übrigen Mitarbeiter des Betriebshofs herangezogen werden. Die Organisationsentscheidung ist als eine Einheit zu begreifen, die seinerzeit unter bestimmten - mittlerweile in wesentlichen Punkten geänderten - Rahmenbedingungen getroffen wurde. Es fällt nicht in die Entscheidungskompetenz der Gerichte für Arbeitssachen darüber zu befinden, inwieweit die Stellvertreterposition im Betriebshof auch dann entfallen soll, wenn - anders als von der Beklagten damals angenommen - das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fortbesteht. Die Entscheidung muss der Beklagten vorbehalten bleiben, da der Kernbereich der freien Organisationsentscheidung betroffen ist. Die Beklagte hat nicht nur über die Arbeitsorganisation bzw. den arbeitsteiligen Prozess im Betriebshof, sondern auch über Fragestellungen zu befinden, die die Kostenkalkulation betreffen.

C.

Da die Beklagte das Rechtsmittel der Berufung ohne Erfolg eingelegt hat, hat sie gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

D.

Die Revision ist gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen. Die aufgeworfene Rechtsfrage der Rechtsmissbräuchlichkeit einer Organisationsentscheidung eines öffentlichen Arbeitgebers, der sich dazu entschließt, den Personalbestand zu reduzieren, weil er den betroffenen Arbeitnehmer für ungeeignet hält, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, die Voraussetzungen für eine verhaltens- oder personenbedingte Kündigung aber nicht vorliegen, ist entscheidungserheblich und klärungsbedürftig. Die zu erwartende Klärung der Rechtsfrage dient ferner über den konkreten Einzelfall hinaus der Rechtseinheit.

Ende der Entscheidung

Zurück