Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 08.05.2009
Aktenzeichen: 4 Ta 139/09
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 23
BetrVG § 99
BetrVG § 100
1. Das Recht des Betriebsrsats zur Zwangsvollstreckung aus einem Unterlassungstitel gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG entfällt nicht schon dann, wenn der Arbeitgeber den Titel einige Jahre lang befolgt hat (entgegen LAG Schleswig-Holstein 27.12.2001 - 1 Ta 15c/01 - NZA-RR 2002/357).

2. Die Frist zur gerichtlichen Geltendmachung der vorläufigen Durchführung einer personellen Maßnahme von § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG beginnt auch dann erst mit dem Beginn der Durchführung der Maßnahme zu laufen, wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat bereits zu einem früheren Zeitpunkt über die bevorstehende vorläufige Durchführung unterrichtet hatte.

3. Bei der Ordnungsgeldfestsetzung gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 BetrVG wegen eines Verstoßes gegen einen Unterlassungstitel nach § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG ist dem Arbeitgeber ein Verschulden von Personalsachbearbeitern in der Regel nur zuzurechnen, wenn dieses auf einem dem Arbeitgeber zurechenbaren Organisationsverschulden beruht.


Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 05. Februar 2009 - 3 BV 30/99 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Zwangsvollstreckung aus einem Unterlassungstitel.

Die zu 2) beteiligte Arbeitgeberin betreibt eine Spedition und beschäftigt regelmäßig mehr als zwanzig Arbeitnehmer, die vom antragstellenden Betriebsrat repräsentiert werden. Auf Antrag des Betriebsrats gab das Arbeitsgericht der Rechtsvorgängerin der Arbeitgeberin mit rechtskräftigem Beschluss vom 11. April 2000 - 3 BV 30/99 - auf, "es zu unterlassen, Einstellungen von Leiharbeitnehmern ohne vorherige - erteilte, als erteilt geltende oder gerichtlich ersetzte - Zustimmung des Betriebsrats vorzunehmen, es sei denn, der Arbeitgeber hat die notwendigen Schritte für eine vorläufige personelle Maßnahme gemäß § 100, § 100 Abs. 2 BetrVG eingeleitet". Gleichzeitig drohte das Arbeitsgericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von bis zu DM 20.000 an. Der Titel wurde auf die Arbeitgeberin umgeschrieben. Eine vollstreckbare Ausfertigung des umgeschriebenen Titels wurde der Arbeitgeberin am 08. Mai 2006 zugestellt.

Auf Antrag des Betriebsrats setzte das Arbeitsgericht wegen Verstößen gegen den Titel in der Zeit zwischen Ende 2001 und Anfang 2002 mit Beschluss vom 21. Juni 2002 gegen die Rechtsvorgängerin der Arbeitgeberin ein Ordnungsgeld in Höhe von DM 3.800 fest. Die dagegen gerichtete Beschwerde wies die erkennende Kammer mit Beschluss vom 10. April 2003 - 4 Ta 474/02 - zurück. Im Jahr 2005 beantragte der Betriebsrat beim Arbeitsgericht auf der Grundlage eines in dem Verfahren - 3 BV 29/99 - ergangenen Titels die Festsetzung von Ordnungsgeldern wegen der Verletzung von Beteiligungsrechten in Zusammenhang mit der Einstellung von Leiharbeitnehmern. Diesen Antrag nahm er nach einem Hinweis des Arbeitsgerichts auf das Verfahren - 3 BV 30/99 - zurück. Aufgrund eines Vorfalls aus dem November 2006 beantragte der Betriebsrat erneut die Festsetzung eines Ordnungsgeldes. Die gegen die Zurückweisung dieses Antrags gerichtete Beschwerde wies die erkennende Kammer mit Beschluss vom 29. Juni 2007 (- 4/5 Ta 170/07 - AuR 2008/77 LS) zurück, da es sich bei dem Vorfall nicht um eine mitbestimmungspflichtige Einstellung gehandelt habe.

Auf Antrag des Betriebsrats stellte die erkennende Kammer mit rechtskräftigem Beschluss vom 16. Januar 2007 (- 4 TaBV 203/06 - EzAÜG § 14 AÜG Betriebsverfassung Nr. 66, zu II 2 b) fest, dass die Arbeitgeberin verpflichtet ist, den Betriebsrat beim Austausch von Leiharbeitnehmern durch den Verleiher während einer Verleihperiode bezüglich der neu eingegliederten Arbeitnehmer gemäß §§ 99, 100 BetrVG zu beteiligen. Die Arbeitgeberin unterrichtete die zuständigen Personalsachbearbeiterinnen A und B im April 2007 über die Entscheidung, übergab ihnen eine Kopie des Beschlusses und wies sie an, künftig den Betriebsrat beim Austausch von Leiharbeitnehmern zu unterrichten. In der Folgezeit erfüllten beide diese Weisung unbeanstandet.

Die Arbeitgeberin unterrichtete den Betriebsrat mit Schreiben vom 21. Dezember 2007 über ihre Absicht, vom 01. Januar bis zum 31. März 2008 18 Leiharbeitnehmer einzustellen und diese Maßnahme vorläufig durchzuführen. Der Betriebsrat widersprach den Einstellungen mit einem am 28. Dezember 2007 zugegangenen Schreiben, in dem er gleichzeitig die dringende Erforderlichkeit der vorläufigen Durchführung der Maßnahme bestritt. Noch am selben Tag übersandte die Arbeitgeberin das Widerspruchsschreiben ihrem Verfahrensbevollmächtigten per Telefax und beauftragte ihn, ein Verfahren gemäß §§ 99 Abs. 4, 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG einzuleiten. Der Verfahrensbevollmächtigte reichte die Antragsschrift aufgrund eines Versehens erst am 02. Januar 2008 beim Arbeitsgericht ein. In der Verleihperiode von Januar bis März 2008 wurden die entsandten Leiharbeitnehmer in 31 Fällen ausgetauscht. Frau A und Frau B versäumten es ohne Kenntnis der Geschäftsführung der Arbeitgeberin, den Betriebsrat diesbezüglich zu beteiligen. Wegen der Vorfälle beantragte der Betriebsrat, gegen die Arbeitgeberin ein Ordnungsgeld in Höhe von € 490.000 festzusetzen. Wegen der Einzelheiten der Vorfälle wird auf die Anlagen zu den Schriftsätzen vom 11. Juli und 07. August 2008 Bezug genommen.

Der Betriebsrat ist der Ansicht, die Arbeitgeberin habe in den 49 Fällen schuldhaft seine Beteiligungsrechte verletzt. Ein Verschulden ihres Verfahrensbevollmächtigten und der Personalsachbearbeiterinnen müsse die Arbeitgeberin sich zurechnen lassen. Zudem habe die Arbeitgeberin Kontrollpflichten verletzt. Die Arbeitgeberin ist jeweils gegenteiliger Ansicht und vertritt die Auffassung, das Recht zur Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss vom 11. April 2000 sei durch Zeitablauf entfallen. Das Arbeitsgericht hat sich letzterer Ansicht angeschlossen und den Antrag des Betriebsrats zurückgewiesen. Gegen den am 23. Februar 2009 zugestellten Beschluss hat der Betriebsrat am 09. März 2009 sofortige Beschwerde eingelegt, der das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 15. April 2009 nicht abgeholfen hat.

II.

Die sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Der Antrag auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 BetrVG ist nicht begründet.

1. Dies ergibt sich allerdings nicht aus der Dauer der seit der Verkündung des Beschlusses vom 11. April 2000 verstrichenen Zeit.

a) Dieser Einwand der Arbeitgeberin ist im Verfahren über die Festsetzung des Ordnungsgeldes bereits nicht berücksichtigungsfähig. Er müsste mit einem Vollstreckungsabwehrantrag gemäß § 767 ZPO geltend gemacht werden. Nach dem Erlass eines Titels entstandene rechtshemmende und vernichtende Einwendungen und Einreden sind nicht in der Zwangsvollstreckung zu prüfen, sondern im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage, d.h. in einem neuen Erkenntnisverfahren (vgl. etwa BGH 14. März 2008 - V ZR 16/07 - BGHZ 176/35, zu II 1 b cc).

b) Zudem trifft der Einwand auch in der Sache nicht zu. Nach einer zum Teil vertretenen Ansicht verjährt ein titulierter Unterlassungsanspruch nach § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG gemäß § 218 BGB a.F. bzw. § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB n.F. grundsätzlich erst nach dreißig Jahren (LAG Schleswig-Holstein 27. Dezember 2001 - 1 TaBV 15 c/01 - NZA-RR 2002/357, zu II 2.3; Trittin in Däubler/Kittner/Klebe BetrVG 11. Aufl. § 23 Rn 104 a). Darüber hinaus hat allerdings das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein mit dem zitierten Beschluss vom 27. Dezember 2001 (a. a. O., zu II 2.3; a.A. Trittin a. a. O. § 23 Rn 104 a), dem sich das Arbeitsgericht angeschlossen hat, die Ansicht vertreten, ein Unterlassungstitel verliere seine Wirkung, wenn der Arbeitgeberin ihn über längere Zeit befolgt (im dortigen Fall über acht Jahre). Dies folge aus dem Umstand, dass ein Titel nach § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Funktion einer kollektivrechtlichen Abmahnung habe (BAG 18. April 1985 - 6 ABR 19/84 - BAGE 48/246, zu B II 4 b). Deshalb verliere ein solcher Titel ähnlich wie eine individualrechtliche Abmahnung ihre Wirkung durch Zeitablauf.

Dieser Ansicht ist nicht zu folgen. Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Beschluss vom 18. April 1985 (a. a. O., zu B II 4 b) lediglich auf Ähnlichkeiten der Funktion des Anspruchs nach § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG mit der einer individualrechtlichen Abmahnung hingewiesen, Erstere aber nicht mit Letzterer gleichgesetzt. Die Annahme eines binnen weniger Jahre eintretenden Wegfalls der Wirkung eines Unterlassungstitels nach § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG würde der Funktion einer solchen Gerichtsentscheidung nicht gerecht. Gerichtliche Entscheidungen sollen rechtliche Verhältnisse langfristig klären und dadurch Rechtsfrieden schaffen. Der in § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke belegt, dass ein Schuldner auch dann noch nach längeren Zeiträumen mit der Geltendmachung titulierter Ansprüche durch den Gläubiger rechnen muss, wenn dieser zwischenzeitlich keine verjährungsunterbrechenden oder hemmenden Maßnahmen ergriffen hat. Damit ist die Wirkung einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung wesentlich nachhaltiger als die einer außergerichtlichen Abmahnung. Dementsprechend ist die Annahme verfehlt, die Vollstreckung eines Unterlassungstitels nach § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG komme schon dann nicht mehr in Betracht, wenn er vom Arbeitgeber einige Jahre lang befolgt wurde.

Hinzu kommt, dass der Betriebsrat seit dem Erlass des Beschlusses vom 11. April 2000 in regelmäßigen Abständen mit der Verletzung seiner Beteiligungsrechte bei der Einstellung von Leiharbeitnehmern begründete Vollstreckungsanträge gestellt hat, wenn auch mit unterschiedlichem Erfolg. Auch deshalb konnte die Arbeitgeberin nicht darauf vertrauen, in zukünftigen Fällen nicht mehr aus dem Titel in Anspruch genommen zu werden.

2. Der Antrag ist jedoch deshalb nicht begründet, weil keine der Arbeitgeberin zurechenbare Zuwiderhandlung im Sinne von § 23 Abs. 3 Satz 2 BetrVG vorliegt.

a) In Zusammenhang mit den 18 Einstellungen zum 01. Januar 2008 wurde entgegen der Ansicht beider Beteiligter § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG nicht verletzt. Nach dieser Norm darf der Arbeitgeber eine gemäß § 100 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vorläufig durchgeführte personelle Maßnahme nur aufrechterhalten, wenn er innerhalb von drei Tagen beim Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats und die Feststellung der dringenden Erforderlichkeit der Maßnahme beantragt. Zutreffend ist allerdings, dass die Frist auf Kalendertage und nicht nur auf Werktage abstellt (allgemeine Ansicht, vgl. etwa GK-BetrVG-Kraft/Raab 8. Aufl. § 100 Rn 34; Kittner/Bachner in Däubler/Kittner/ Klebe a. a. O. § 100 Rn 30; Schlochauer in Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock/ Nicolai BetrVG 7. Aufl. § 100 Rn 25; HaKo-BetrVG-Kreuder 2. Aufl. § 100 Rn 8; Woitaschek in Gross/Thon/Ahmad/Woitaschek BetrVG 2. Aufl. § 100 Rn 7). Der Fristlauf setzt nach dem Gesetzeswortlaut jedoch eine Maßnahme voraus, die aufrechterhalten werden kann, die also bereits eingeleitet wurde. Allerdings wird die Norm in der Literatur bezüglich personeller Maßnahmen, bei denen der Betriebsrat bereits vor dem Beginn ihrer vorläufigen Durchführung deren dringende Erforderlichkeit gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 BetrVG bestritten hat, zum Teil die Ansicht vertreten, dass die Frist in dieser Konstellation bereits mit dem Zugang des Bestreitens des Betriebsrats und nicht erst mit dem Beginn der Maßnahme zu laufen beginnt (Matthes DB 1989/1285, 1287; Kittner/Bachner a. a. O. § 100 Rn 30). Dies überzeugt nach der Fassung des Gesetzeswortlauts nicht. Auch der Normzweck gebietet eine derartige Auslegung nicht. Die - ohnehin äußerst kurze - Frist soll gewährleisten, dass der Arbeitgeber, wenn er mit der vorläufigen Durchführung der personellen Maßnahme für deren Dauer vollende Tatsachen schafft, alsbald die gerichtliche Klärung von deren Dringlichkeit veranlasst (vgl. die Gesetzesbegründung zu § 100 BetrVG BT-Dr. VI/1786). Es wäre kontraproduktiv, diese Frist in die Zeit vor dem Beginn der vorläufigen Durchführung der Maßnahme zu verlagern, da dadurch für Arbeitgeber ein Anreiz geschaffen würde, die Unterrichtung des Betriebsrats gemäß § 100 Abs. 2 Satz 1 BetrVG bis zum Beginn der vorläufigen Durchführung zurückzustellen.

Unabhängig davon besteht in der vorliegenden Fallgestaltung jedenfalls aber keine Grundlage für den Vorwurf einer nach § 23 Abs. 3 Satz 2 BetrVG zu sanktionierenden Pflichtverletzung gegen die Arbeitgeberin. Das Bestreiten der dringenden Erforderlichkeit der Maßnahme durch den Betriebsrat ging der Arbeitgeberin am Freitag, dem 28. Dezember 2007 zu. Ginge man von einem Fristbeginn an diesem Tag aus, wäre die Frist allerdings gemäß §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 1 BGB am Montag, dem 31. Dezember 2007 abgelaufen, und damit zum Zeitpunkt der Antragseinreichung am Mittwoch, dem 02. Januar 2008 verstrichen gewesen. Eine Einreichung der Antragsschrift am 31. Dezember 2007 hätte angesichts des üblichen Ruhens des regulären Gerichtsbetriebs an Silvester jedoch nicht die geringste Verfahrensbeschleunigung bewirkt und das betriebsverfassungsrechtliche Beteiligungsrecht des Betriebsrats in keiner Weise gefördert. Die Rechtsausübung des Betriebsrats ist daher unter Berücksichtigung der Wertung des allgemeinen Schikaneverbots (§ 226 BGB) bezogen auf die zum 01. Januar 2008 durchgeführten Einstellungen nicht zulässig.

b) Die weiteren 31 Maßnahmen beruhen nicht auf einer der Arbeitgeberin zurechenbaren Pflichtverletzung. Allerdings steht aufgrund des Beschlusses der erkennenden Kammer vom 16. Januar 2007 (a.a.O.) zwischen den Beteiligten rechtskräftig fest, dass der Austausch von Leiharbeitnehmern während einer Entleihperiode erneut als Einstellung nach § 99 BetrVG mitbestimmungspflichtig ist. Der Betriebsrat hätte daher in allen Fällen nach § 99 BetrVG beteiligt werden müssen. Dass dies unterblieben ist, beruht jedoch auf Versäumnissen von Frau A und Frau B, die der Arbeitgeberin entgegen der Ansicht des Betriebsrats auch nicht nach dem Rechtsgedanken von § 278 BGB zugerechnet werden können.

Zur Vollstreckung von Unterlassungsansprüchen nach der allgemeinen Norm von § 890 ZPO vertritt das Bundesverfassungsgericht die Ansicht, dass die Festsetzung von Ordnungsmitteln im Fall der Verletzung eines Unterlassungstitels nicht nur ein Zwangsmittel, sondern gleichzeitig eine Sühne für die begangene Verletzung mit Strafcharakter ist. Das Rechtsstaatsprinzip verbiete die Verhängung einer solchen Sanktion ohne eigenes Verschulden des Betroffenen. Bei juristischen Personen sei ein Verschulden eines ihrer Organmitglieder erforderlich. Eine Haftung für das Verschulden eines Angestellten oder Beauftragten der juristischen Person komme im Rahmen der Sanktionierung nach § 890 ZPO nicht in Betracht, da andernfalls der verfassungsrechtliche Grundsatz "nulla poene sine lege" unterlaufen würde. Allenfalls bei Prokuristen, Handlungsbevollmächtigten oder leitenden Angestellten hat das Bundesverfassungsgericht eine Verschuldenszurechnung in Betracht gezogen (BVerfG 25. Oktober 1966 - 2 BvR 506/03 - BVerfGE 20/223, zu C II, III). Diese Erwägungen beanspruchen auch für die spezielle Form der Unterlassungsvollstreckung nach § 23 Abs. 3 Satz 2 BetrVG Geltung, da die verfassungsrechtliche Problematik des fehlenden eigenen Verschuldens dieselbe wie im Rahmen von § 890 ZPO ist (GK-BetrVG-Oetker a. a. O. § 23 Rn 209; Trittin a. a. O. § 23 Rn 106; ErfK-Eisemann 8. Aufl. § 23 BetrVG Rn 32). Daher können bei der Ordnungsgeldfestsetzung nach § 23 Abs. 3 Satz 2 BetrVG Unterlassungen von Personalsachbearbeitern des Arbeitgebers diesem nur zugerechnet werden, wenn sie auf einem dem Arbeitgeber vorwerfbaren Organisationsverschulden beruhen.

Danach können die Unterlassungen der beiden für die Beteiligung des Betriebsrats verantwortlichen Personalsachbearbeiterinnen der Arbeitgeberin bei der Prüfung des Vorliegens einer Zuwiderhandlung im Sinne von § 23 Abs. 3 Satz 2 BetrVG der Arbeitgeberin nicht zugerechnet werden. Sie haben keine Leitungsaufgabe im Betrieb. Es besteht auch kein Anlass, der Arbeitgeberin ein Organisationsverschulden vorzuwerfen. Die Arbeitgeberin hatte beide Personalsachbearbeiterinnen ausführlich unter Vorlage des maßgeblichen Beschlusses vom 16. Januar 2007 über die Beteiligungspflicht beim Austausch von Leiharbeitnehmern belehrt. Da beide die Weisung in den folgenden Monaten unbeanstandet erfüllten, bestand entgegen der Ansicht des Betriebsrats keine Veranlassung, gerade in der Zeit von Januar bis März 2008 Kontrollen durchzuführen oder die noch nicht allzulange zurückliegende Belehrung zu wiederholen. Dies mag inzwischen nach dem Bekanntwerden der Unterlassungen anders sein. Bezüglich der gerügten Verstöße besteht jedenfalls kein Anlass für die Annahme eines für diesen ursächlichen Organisationsverschuldens der Arbeitgeberin.

3. Ein Grund zur Zulassung der Rechtsbeschwerde im Sinne der §§ 72 Abs. 2, 78 Satz 2 ArbGG besteht nicht.

Rechtsmittelbelehrung

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.



Ende der Entscheidung

Zurück