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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 25.06.2007
Aktenzeichen: 4 Ta 92/07
Rechtsgebiete: BetrVG, ZPO


Vorschriften:

BetrVG § 101
ZPO § 888
1. Da die Zwangsgeldfestsetzung zur Aufhebung einer personellen Maßnahme eine Sonderform der Vollstreckung auf Vornahme einer unvertretbaren Handlung ist, gelten die allgemeinen Grundsätze von § 888 ZPO ergänzend.

2. Im Rahmen der Zwangsvollstreckung auf Vornahme einer unvertretbaren Handlung ist die Festsetzung von Zwangsgeldern "für jeden Fall der Zuwiderhandlung" mangels Bestimmtheit nicht zulässig. Auch bei mehreren Verletzungsverhandlungen ist ein einheitlicher Betrag festzusetzen.


Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 20. Februar 2007 - 5 BV 14/04 - abgeändert:

Der Zwangsvollstreckungsantrag des Antragstellers wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Zwangsvollstreckung aus einem Titel gemäß § 101 S. 1 BetrVG. Das Arbeitsgericht gab im Ausgangsverfahren mit Teilbeschluss vom 15. Juni 2005 der beschwerdeführenden Arbeitgeberin unter anderem auf, die Versetzung von fünf Arbeitnehmern aufzuheben. Die erkennende Kammer wies die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Teilbeschluss mit Beschluss vom 21. März 2006 insoweit zurück. Weitere Anträge des Betriebsrats wies sie zurück. Die Rechtsbeschwerde ließ sie nicht zu. Eine Nichtzulassungsbeschwerde des Betriebsrats wies das Bundesarbeitsgerichts mit Beschluss vom 14. November 2006 zurück. Mit Schriftsatz vom 21. September 2006 hatte der Betriebsrat beim Rechtspfleger des Landesarbeitsgerichts die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Teilbeschlusses des Arbeitsgerichts beantragt. Der Rechtspfleger erteilte die Ausfertigung am 09. Oktober 2006. Der Betriebsrat stellte sie der Arbeitgeberin am 16. Oktober 2006 zu. Mit Schriftsatz vom 19. Januar 2007 beantragte der Betriebsrat beim Arbeitsgericht, "den Arbeitgeber durch Zwangsgeld von bis zu 250,00 € für jeden Fall und Tag der Zuwiderhandlung anzuhalten, die Versetzungen der Arbeitnehmerin A zur Kontrolleurin und der Arbeitnehmer B, C, D und E zu Staplerfahrer aufzuheben."

Das Arbeitsgericht erkannte mit Beschluss vom 20. Februar 2007 nach diesem Antrag. Die Arbeitgeberin legte gegen den am 27. Februar 2007 zugestellten Beschluss am 28. Februar 2007 sofortige Beschwerde ein, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat. Die Arbeitgeberin rügt, der Antrag sei mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig, und behauptet, sie habe die Versetzungen der fünf Arbeitnehmer aufgehoben. Der Betriebsrat bestreitet dies. Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf die im Vollstreckungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist begründet. Der Vollstreckungsantrag des Betriebsrats ist zurückzuweisen, da er nicht zulässig ist.

1. Dahinstehen kann, ob dies bereits daraus folgt, dass eine wirksame Vollstreckungsklausel im Sinne von § 725 ZPO fehlt und damit keine wirksame vollstreckbare Ausfertigung gemäß § 724 ZPO erteilt wurde. Dafür könnte sprechen, dass bei Erteilung der Klausel die Vollstreckungsvoraussetzung der Rechtskraft nach § 85 Abs. 1 S. 1 ArbGG fehlte. Die Rechtskraft einer Entscheidung eines Landesarbeitsgerichts wird auch dann insgesamt gehemmt, wenn nur eine von zwei durch die Entscheidung beschwerten Parteien eine Nichtzulassungsbeschwerde einlegt. Dies folgt daraus, dass die andere Partei die Möglichkeit hat, nach einer Stattgabe der Nichtzulassungsbeschwerde auf eine dann eingelegte Revision bzw. Rechtsbeschwerde Anschlussrevision bzw. Anschlussrechtsbeschwerde einzulegen (vgl. nur GK-ArbGG-Mikosch Stand März 2007 § 72 a Rn. 47). Die Klausel hätte daher vor dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 14. November 2006 nicht erteilt werden dürfen.

2. Der Vollstreckungsantrag ist jedenfalls deshalb unzulässig, weil er gemäß der zutreffenden Rüge der Arbeitgeberin nicht hinreichend bestimmt ist. Der Antrag gemäß § 101 S. 2 BetrVG ist eine Sonderform der Vollstreckung auf Vornahme einer unvertretbaren Handlung. Daher gelten, soweit in § 101 BetrVG nichts Abweichendes vorgesehen ist, die allgemeinen Grundsätze vom § 888 ZPO (vgl. Richardi-Thüsing BetrVG 10. Aufl. §101 Rn. 21; Fitting BetrVG 23. Aufl. § 101 Rn. 11; GK-BetrVG-Kraft/Raab 8. Aufl. § 101 Rn. 14; Schlochauer in Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock BetrVG 6. Aufl. 101 Rn. 14; Wildschütz in Dörner/Luczak/Wildschütz Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht 6. Aufl. I Rn. 1760). Zu § 888 ZPO ist es fast einhellig Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass die Festsetzung von Zwangsgeldern "für jeden Fall der Zuwiderhandlung" mangels Bestimmtheit unzulässig ist. Vielmehr ist auch im Fall mehrerer Verletzungshandlungen des Vollstreckungsschuldners ein einheitlicher Betrag festzusetzen. Andernfalls bliebe es dem Gerichtsvollzieher überlassen, zu klären, für welche Verletzungshandlung jeweils das Zwangsgeld zu vollstrecken ist. Dazu ist er weder befugt noch in der Lage (vgl. etwa LAG Frankfurt/Main 26. Mai 1986 - 12 Ta 132/86 - LAGE ZPO § 888 Nr. 8, zu 2 b; Hess. LAG 16. Mai 2003 - 16 Ta 158/03 - n. v.; LAG Berlin 05. Juli 1985 - 4 Ta 4/85 - LAGE ZPO § 888 Nr. 3; LAG Hamm 22. Januar 1986 - 1 Ta 399/85 - LAGE ZPO § 888 Nr. 4; LAG München 11. September 1993 - 2 Ta 214/93 - LAGE ZPO § 888 Nr. 34; LAG Köln 24. Oktober 1995 - 13(5) Ta 245/95 - LAGE ZPO § 888 Nr. 36, zu II; GK-ArbGG-Vossen a. a. O. § 62 Rn. 51; Germelmann in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 5. Aufl. § 62 Rn. 48 Stichwort Weiterbeschäftigungsanspruch; Creutzfeldt in Bader/Creutz- feldt/Friedrich ArbGG 4. Aufl. § 62 Rn. 54; Luczak in Dörner/Luczak/Wildschütz a.a.O. L Rn. 553).

Lediglich das LAG Hamburg (07. Juli 1988 - H 4 Ta 21/88 - LAGE ZPO § 888 Nr. 17) hielt einen derart gefassten Antrag für zulässig, sofern klargestellt ist, ob es sich um ein einheitlich zusammengefasstes Zwangsgeld oder um verschiedene Zwangsgelder für verschiedene Verletzungshandlungen handelt, sofern weiter der Höchstbetrag von § 888 Abs. 1 S. 2 ZPO gewahrt ist und schließlich bezeichnet ist, welche Tage durch die Zwangsgeldfestsetzungen betroffen sind. Auch bei Beachtung dieser Vorgaben kann es jedoch zu erheblichen Unklarheiten in der Vollstreckung kommen. Daher ist dieser Ansicht nicht zu folgen. Hier kommt hinzu, dass die Begründung des Betriebsrats und die Zwangsgeldfestsetzung des Arbeitsgerichts auch diese Anforderungen nicht erfüllen. Der Betriebsrat strebt die Festsetzung von Zwangsgeldern für eine Vielzahl von Beschäftigungstagen, die zudem zum großen Teil deutlich vor dem Eintritt der Rechtskraft des vollstreckten Beschlusses und damit vor dem Beginn von dessen Vollstreckbarkeit gemäß § 85 Abs. 1 S. 1 ArbGG liegen. Es ist keinem Gerichtsvollzieher zumutbar, auf dieser Grundlage die konkret zu vollstreckenden der Zwangsgelder zu berechnen.

Die Festsetzung eines einheitlichen Betrages im Beschwerdeverfahren kommt nicht in Betracht (LAG Berlin 05. Juli 1985 a. a. O.; LAG Frankfurt/Main 26. Mai 1986 a. a. O., zu 2 c; a. A. LAG München 11. September 1993 a. a. O.). Einerseits würde die Beschwerdekammer damit ihr Ermessen an die Stelle der dem Arbeitsgericht obliegenden Ermessensausübung setzen. Zum anderen fehlt der für eine entsprechende Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses erforderliche Antrag. Der Betriebsrat hat weder einen solchen gestellt, noch hätte er ihn im Beschwerdeverfahren stellen können. Er ist durch die Entscheidung des Arbeitsgerichts nicht beschwert.

3. Ein Grund zur Zulassung der Rechtsbeschwerde im Sinne der §§ 72 Abs. 2, 78 S. 2 ArbGG besteht nicht.

4. Für den Fall, dass der Betriebsrat erneut Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einleiten sollte, wird vorsorglich auf Folgendes hingewiesen:

a) Als Verletzungshandlung in Betracht kommen dürften gemäß der Ausführungen und II. 1. lediglich Einsätze der verfahrensgegenständlichen Arbeitnehmer nach dem 14. November 2006.

b) Nach der Rechtsprechung des Hessischen Landesarbeitsgerichts kann sich der Vollstreckungsschuldner im Verfahren nach § 888 ZPO auf den Einwand der Erfüllung des titulierten Anspruchs nur berufen, wenn sich die Erfüllung aus unstreitigen Tatsachen ergibt. Vom Vollstreckungsgläubiger bestrittene Einwände sind dagegen dem Verfahren gemäß §§ 767, 769 ZPO vorbehalten (vgl. Hess. LAG 13. August 2002 - 16 Ta 255/02 -; 15. Januar 2003 - 16 Ta 675/02 -; 17. März 2003 - 16 Ta 82/03 -).

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