Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 14.02.2006
Aktenzeichen: 4 TaBV 1/06
Rechtsgebiete: BetrVG, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

BetrVG § 76
BetrVG § 106
BetrVG § 109
ArbGG § 98
ZPO § 253
1. Für die Bestellung einer Einigungsstelle gemäß § 109 BetrVG genügt es, wenn der Wirtschaftsausschuss eine Auskunft über wirtschaftliche Angelegenheiten verlangt hat und zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat eine Meinungsverschiedenheit über deren Berechtigung und/oder Erfüllung besteht.

2. Bestehen am Schluss der Anhörung der Beteilitgten im Einigungsstellenbestellungsverfahren miteinander unvereinbare Ansichten der Betriebspartner, kann vom Antragsteller auch bei zunächst nicht ausreichenden innerbetrieblichen Verhandlungen nicht ein erneuter innerbetrieblicher Einigungsversuch verlangt werden.

3. Lehnt der andere Betriebspartner die Bildung einer Einigungsstelle grundsätzlich ab, bedarf es vorgerichtlich keiner Verhandlungen über die Person des Vorsitzenden und die Zahl der Beisitzer.


Tenor:

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kassel vom 22. Dezember 2005 - 2 BV 7/05 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Bestellung einer Einigungsstelle.

Die zu 2) beteiligte Arbeitgeberin gehörte dem von einer irischen Muttergesellschaft getragenen Konzern A an, der sich mit der Herstellung von Verpackungsprodukten aus Papier und Pappe befasst. Der Konzern wurde zum 01. Dezember 2005 mit dem im selben Marktsegment tätigen Konzern B zum in Europa größten Anbieter in dem Marktsegment fusioniert.

Der antragstellende Betriebsrat repräsentiert die Belegschaft der Arbeitgeberin. Am 15. September 2005 wurden die Betriebsräte der drei deutschen Unternehmen der A mit der in der Anlage AG 1 zum Schriftsatz vom 14. Dezember 2005 ersichtlichen Präsentation über die Fusion unterrichtet. Der vom Betriebsrat bestellte Wirtschaftsausschuss richtete mit Schreiben vom 30. September 2005 einen die Fusion betreffenden Fragenkatalog an die Arbeitgeberin, wegen dessen Inhalt auf die Anlage zur Antragsschrift (Bl. 15, 16 d.A.) Bezug genommen wird. Die Arbeitgeberin antwortete mit Schreiben vom 12. Oktober 2005 wie in der Anlage zur Antragsschrift (Bl. 17 - 20 d.A.) ersichtlich. Mit dem in der Anlage zur Antragsschrift (Bl. 21 - 23 d.A.) ersichtlichen Schreiben vom 03. November 2005 wiederholte der Wirtschaftsausschuss die Fragen und erbat weitere Auskünfte. Dies lehnte die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 09. November 2005 mit der Begründung ab, sie habe ihren Kenntnisstand erschöpfend mitgeteilt. Die Konzernleitung werde den europäischen Betriebsrat der A umfassend informieren. Da die Arbeitgeberin keine eigenen Planungen durchführe, bestehe kein Informationsanspruch des Wirtschaftsausschusses. Der vom Wirtschaftsausschuss angerufene Betriebsrat erklärte mit Schreiben vom 25. November 2005 das Auskunftsverlangen des Wirtschaftsausschusses für berechtigt und bat um Verhandlungen. Die Arbeitgeberin wiederholte ihren gegenüber dem Wirtschaftsausschuss eingenommenen Standpunkt mit Schreiben vom 30. November 2005 gegenüber dem Betriebsrat. Der Betriebsrat teilte mit Schreiben vom 05. Dezember 2005 mit, er habe die Einleitung eines Einigungsstellenverfahrens gemäß § 109 BetrVG beschlossen, und bat die Arbeitgeberin, sich mit ihm bis 06. Dezember 2005, 15.00 Uhr, über die Person des Vorsitzenden und die Beisitzer zu einigen. Mit einem dem Betriebsrat an diesem Tag um 12.32 Uhr zugegangenen Schreiben vom 06. Dezember 2005 erklärte die Arbeitgeberin, aus Kostengründen solle eine Einigungsstelle mit den beiden anderen deutschen A-Gesellschaften durchgeführt werden. Darauf reichte der Betriebsrat noch am selben Tag um 15.12 Uhr den vorliegenden Antrag gemäß §§ 76 Abs. 2 Satz 2 BetrVG, 98 ArbGG ein. Im Anhörungstermin vor dem Arbeitsgericht einigten sich die Beteiligten dahingehend, dass für den Fall der Bestellung der Einigungsstelle der Vizepräsident des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main a.D. C den Vorsitz übernehmen solle.

Der Betriebsrat hat die Ansicht vertreten, es bestünden Informations- und Beratungsrechte gemäß § 106 Abs. 3 Nr. 10 BetrVG, die die Arbeitgeberin nicht ausreichend erfüllt habe, und - soweit noch von Interesse - beantragt, Herrn C, Frankfurt am Main, zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle gemäß § 109 BetrVG zu bestellen zur Entscheidung, ob die Arbeitgeberin die Auskunftsbegehren gemäß den Schreiben des Wirtschaftsausschusses vom 30. September 2005 und 03. November 2005 genügend erfüllt hat.

Die Arbeitgeberin hat zur Begründung ihres Zurückweisungsantrags gerügt, dem Betriebsrat fehle mangels Scheiterns der Verhandlungen über Vorsitz und Beisitzerzahl das Rechtsschutzinteresse. Das Verhalten des Betriebsrats sei nach dem Vorschlag der Arbeitgeberin vom 06. Dezember 2005 rechtsmissbräuchlich, zumal die Arbeitgeberin die Möglichkeit eines Anspruchs nach § 106 Abs. 2 BetrVG nie bestritten habe. Die Einigungsstelle sei offensichtlich unzuständig, da die Arbeitgeberin ihre Auskunftspflicht vollständig erfüllt habe, weil die Konzernfusion als solche wesentliche Arbeitnehmerinteressen nicht berühre, da sich ein Auskunftsanspruch allenfalls gegen die Konzernführung als Entscheidungsträger richten könne und da der Anspruch wegen des Sitzes der Muttergesellschaft in Irland das Territorialitätsprinzip verletze.

Wegen der weiteren Tatsachenfeststellungen des Arbeitsgerichts und des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf den tatbestandlichen Teil des angefochtenen Beschlusses (Bl. 124 - 127 d.A.) Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat nach dem Antrag des Betriebsrats erkannt und die Zahl der Beisitzer auf zwei pro Seite festgesetzt. Zur Begründung hat es - kurz zusammengefasst - ausgeführt, der Antrag sei zulässig. Der Betriebsrat habe ein Rechtsschutzinteresse. Er habe das Antwortschreiben der Arbeitgeberin vom 06. Dezember 2005 als Nichtzustimmung verstehen dürfen, da ein Konzernwirtschaftsausschuss gesetzlich nicht vorgesehen sei. Nach der Charakterisierung des Vorgehens des Betriebsrats als rechtsmissbräuchlich in der Antragserwiderung könne ein weiterer Versuch einer gütlichen Einigung nicht mehr verlangt werden. Der Antrag sei auch begründet, da die Einigungsstelle nicht offensichtlich unzuständig sei. Ob ein Unterrichtungs- und Beratungsanspruch nach § 106 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 10 BetrVG bestehe, sei nicht im Einigungsstellenbestellungsverfahren, sondern von der Einigungsstelle zu klären. Dasselbe gelte für den Einwand, die Entscheidungen würden von der Muttergesellschaft getroffen und seien der Arbeitgeberin nicht bekannt. Das Territorialitätsprinzip sei nicht verletzt, da der Antrag gegen die Arbeitgeberin gerichtet sei. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts unter II. des angefochtenen Beschlusses (Bl. 127 - 132 d.A.) Bezug genommen.

Die Arbeitgeberin hat gegen den am 27. Dezember 2005 zugestellten Beschluss am 10. Januar 2006 Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Mit der Begründung wiederholt und vertieft sie ihre erstinstanzliche Argumentation. Sie rügt weiter, der Antrag des Betriebsrats sei mangels hinreichend bestimmter Bezeichnung des Gegenstands der Einigungsstelle unzulässig.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags der Arbeitgeberin wird auf die Schriftsätze vom 10. Januar und 06. Februar 2006 Bezug genommen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Kassel vom 22. Dezember 2005 - 2 BV 7/05 - zum Teil abzuändern und die Anträge insgesamt zurückzuweisen.

Der Betriebsrat verweist zur Begründung seines Zurückweisungsantrags auf die Auffassung, die Arbeitgeberin müsse sich ggf. mit gerichtlicher Hilfe Informationen von anderen Konzerngesellschaften verschaffen, sofern sie nicht selber über solche verfüge.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags des Betriebsrats wird auf den Schriftsatz vom 26. Januar 2006 Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist nicht begründet.

1. Der Antrag des Betriebsrats ist zulässig.

a) Der Antrag bezeichnet den Regelungsgegenstand der Einigungsstelle hinreichend. Die Arbeitgeberin geht im rechtlichen Ansatz allerdings zutreffend davon aus, dass in einem Antrag auf Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden nach §§ 76 Abs. 2 Satz 2 BetrVG, 98 ArbGG der Gegenstand der Einigungsstelle im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bezeichnet werden muss. Dies beruht darauf, dass im Bestellungsverfahren der Kompetenzrahmen der Einigungsstelle festgelegt wird. Der Einigungsstelle obliegt es zwar, im Einzelnen zu bestimmen, welche Entscheidungen zu treffen sind. Der vorgegebene Kompetenzrahmen kann von den Betriebsparteien dagegen nur einvernehmlich geändert werden (BAG 06. Dezember 1983 - 1 ABR 43/81 - BAGE 44/285, zu B II 3; 15. Mai 2001 - 1 ABR 39/00 - AP BetrVG 1972 § 87 Prämie Nr. 17, zu B II 3 b).

Der Antrag des Betriebsrats hält einer Überprüfung nach dem Maßstab von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO jedoch Stand. Durch die Bezugnahme auf die Schreiben vom 30. September und 03. November 2005 wird hinreichend klar, über die Berechtigung welcher Fragen des Wirtschaftsausschusses und über die Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Auskunftserteilung zu welchen Themen die Einigungsstelle befinden soll. Mit einem Antrag bzw. einer darauf beruhenden Entscheidungsformel kann ausnahmsweise auf Aktenbestandteile Bezug genommen werden, um effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten oder unangemessenen Aufwand zu vermeiden, sofern hinreichend bestimmt ist, welche Aktenteile in Bezug genommen werden sollen (vgl. BGH 09. Mai 1985 - I ZR 52/83 - BGHZ 94/276, zu II 4; 14. Oktober 1999 - I ZR 117/97 - BGHZ 142/388, zu I 2 a). Aus den Schreiben vom 30. September und 03. November 2005 wird klar deutlich, welche Auskunftsbegehren der Wirtschaftsausschuss geltend macht und über welche die Einigungsstelle dementsprechend entscheiden soll. Durch den Begriff "Auskunftsbegehren" wird im Antrag auch klargestellt, dass nicht über die Rechtsausführungen in den Schreiben, sondern über die als solche gekennzeichneten Fragen entschieden werden soll. Es wäre sinnloser Formalismus, zu verlangen, die zahlreichen Fragen in Antrag und Tenor zu wiederholen. Sie sind auch durch die Bezugnahme hinreichend deutlich feststellbar.

b) Der Betriebsrat hat ein Rechtsschutzinteresse. Dafür kommt es nicht auf die Erfüllung der betriebsverfassungsrechtlichen Verhandlungspflichten des Betriebsrats gemäß §§ 74 Abs. 1 Satz 2, 2 Abs. 1 BetrVG an. Deren Einhaltung ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern ggf. eine der Begründetheit des Antrags nach §§ 76 Abs. 2 Satz 2 BetrVG, 98 ArbGG (vgl. mit näherer Begründung und weiteren Nachweisen auch zur Gegenansicht: Hess. LAG 13. September 2005 - 4 TaBV 86/05 - z.V.v., zu II 1). Ein derartiger Antrag ist ein Gestaltungsantrag. Bei einer Gestaltungsklage besteht ein Rechtsschutzinteresse bereits dann, wenn die Rechtslage nur durch die begehrte gerichtliche Entscheidung antragsgemäß geändert werden kann (Schumann in Stein/Jonas ZPO 21. Aufl. vor § 253 Rn 102; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann ZPO 63. Aufl. Grundzüge § 253 Rn 43). Daher ist ein Gestaltungsantrag schon zulässig, wenn der Antragsteller das Bestehen des Gestaltungsanspruchs behauptet und die Gestaltung nicht ohne die beantragte gerichtliche Entscheidung erreichen kann. Ob die materiellen Voraussetzungen der Gestaltungsentscheidung vorliegen, ist eine Frage der Begründetheit des Antrags. Im Einigungsstellenbestellungsverfahren genügt daher die vom anderen Betriebspartner bestrittene Behauptung einer Partei, einen Anspruch auf die Bestellung der Einigungsstelle zu haben. Die Erfüllung der Verhandlungspflichten ist ggf. im Rahmen der Begründetheitsprüfung zu untersuchen.

2. Der Antrag ist auch begründet. Das Arbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung angenommen, dass die Einigungsstelle nicht offensichtlich unzuständig im Sinne von § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG ist und deshalb gemäß dem Antrag des Betriebsrats zu bestellen ist.

Offensichtlich unzuständig ist eine Einigungsstelle, wenn ihre Zuständigkeit unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt als möglich erscheint, wenn ihre Zuständigkeit also bei sachgerechter Beurteilung auf den ersten Blick unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet ist. Das Bestellungsverfahren soll weder durch die Klärung komplizierter Rechtsfragen noch durch die Aufklärung streitiger Tatsachen belastet werden; diese Aufgaben sind ggf. der Einigungsstelle vorbehalten. Für deren Bestellung ist entscheidend, ob an ihre Unzuständigkeit ernsthafte rechtliche Zweifel möglich sind oder nicht. Nur in letzterem Fall ist der Bestellungsantrag zurückzuweisen. Bei Kontroversen in Rechtsprechung und Literatur über die für die Zuständigkeit maßgeblichen Rechtsfragen besteht der Zurückweisungsgrund der offensichtlichen Unzuständigkeit nicht (LAG Berlin 22. Juni 1998 - 9 TaBV 3/98 - LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 32, zu 3 a; LAG Köln 13. Januar 1998 - 13 TaBV 60/97 - LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 33, zu II 2 b aa; LAG Hamm 09. August 2004 - 10 TaBV 81/04 - LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 43, zu B II 1). Nach diesem Maßstab kann von einer offensichtlichen Unzuständigkeit der Einigungsstelle nicht die Rede sein.

a) Eine Verletzung des Territorialitätsprinzips hat das Arbeitsgericht mit zutreffender Begründung verneint. Die Fragen des Wirtschaftsausschusses richten sich an die in Deutschland ansässige Arbeitgeberin und nicht an die Konzernmuttergesellschaft. An der Einigungsstelle soll nicht Letztere, sondern nur die Arbeitgeberin beteiligt werden. Ob die den Konzern betreffenden Fragen an die Arbeitgeberin gerichtet werden dürfen, ist keine Frage des Territorialitätsprinzips. Es handelt sich vielmehr um eine Frage des deutschen materiellen Betriebsverfassungsrechts, über die die Einigungsstelle und ggf. die Arbeitsgerichte in einem gegen den Spruch der Einigungsstelle gerichteten Anfechtungsverfahren zu entscheiden haben.

b) Die Einwendungen der Arbeitgeberin, dass die mit den Fragen angesprochenen unternehmerischen Entscheidungen nicht von ihr, sondern von der Muttergesellschaft getroffen werden, dass die Konzernfusion als solche nicht Interessen der Arbeitnehmer im Sinne von § 106 Abs. 3 Nr. 10 BetrVG wesentlich berühren und dass sie weder über weitergehende Informationen verfüge noch verpflichtet sei, weitergehende Informationen anderweitig einzuholen, sind im Einigungsstellenbestellungsverfahren bereits im Ansatz verfehlt. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend dargelegt. Gemäß § 109 Satz 1 BetrVG obliegt es der Einigungsstelle und nicht den sie bestellenden Arbeitsgerichten im Verfahren nach § 98 ArbGG, darüber zu befinden, ob ein Auskunftsverlangen des Wirtschaftsausschusses über wirtschaftliche Angelegenheiten des Unternehmens im Sinne von § 106 BetrVG berechtigt ist, ob es ggf. ausreichend erfüllt wurde und ob und wieweit der Arbeitgeber zu dessen Erfüllung verpflichtet ist. Vielmehr hat die Einigungsstelle dazu selber zunächst ihre eigene sowie die Zuständigkeit des Wirtschaftsausschusses und alsdann die Berechtigung des Auskunftsverlangens und dessen Erfüllung durch den Arbeitgeber zu prüfen. Erst der Spruch der Einigungsstelle unterliegt der vollen Rechtskontrolle der Arbeitsgerichte (vgl. BAG 11. Juli 2000 - 1 ABR 33/99 - BAGE 95/328, zu B I 1 a, 2 a; GK-BetrVG-Oetker 8. Aufl. § 109 Rn 21, 22, 28 - 31).

Für die Bestellung der Einigungsstelle genügt es daher, dass der Wirtschaftsausschuss eine Auskunft über wirtschaftliche Angelegenheiten verlangt hat und dass zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber eine Meinungsverschiedenheit über deren Berechtigung und/oder Erfüllung besteht. Dies ist vorliegend der Fall. Mit ihrer gegenteiligen Argumentation versucht die Arbeitgeberin, entgegen der gesetzlichen Konzeption die Prüfungsaufgabe der Einigungsstelle in das Bestellungsverfahren vorzuverlagern. Dies widerspricht dem Normzweck von § 109 Satz 1 BetrVG, der darin besteht, den Schutz wirtschaftlicher Informationen des Unternehmens optimal zu gewährleisten (vgl. GK-BetrVG-Oetker a.a.O. § 109 Rn 1, m.w.N.). Träfe die Auffassung der Arbeitgeberin zu, müssten sensible Unternehmensdaten ggf. bereits im Einigungsstellenbestellungsverfahren in öffentlicher Sitzung erörtert werden. Dies soll durch die Norm gerade verhindert werden.

c) Der Betriebsrat ist auch nicht nach §§ 74 Abs. 1 Satz 2, 2 Abs. 1 BetrVG zu weiteren außergerichtlichen Verhandlungen über die Bildung der Einigungsstelle verpflichtet. Verbreitet wird in der Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte ohnehin angenommen, dass jede Betriebspartei in ihrer Entscheidung frei ist, wann sie Verhandlungen für gescheitert erklärt und dass es für die Bestellung der Einigungsstelle ausreicht, wenn sich eine Seite auf Verhandlungen nicht einlässt, wenn Verhandlungen also überhaupt nicht stattgefunden haben (etwa LAG Baden-Württemberg 16. Oktober 1991 - 12 TaBV 10/91 - LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 21, zu b; LAG Niedersachsen 07. Dezember 1998 - 1 TaBV 74/98 - LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 35, zu II 1 c; LAG Hamm 09. August 2004 - 10 TaBV 81/04 - LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 43, zu B II 2). Demgegenüber erscheint es im Hinblick darauf, dass die §§ 74 Abs. 1 Satz 2, 2 Abs. 1 BetrVG von den Betriebsparteien ernsthafte Verhandlungsbereitschaft fordern, vorzugswürdig, gemäß der Rechtsprechung der erkennenden Kammer zu verlangen, dass die Seite, die die Bildung der Einigungsstelle anstrebt, vorher zumindest einen ernsthaften Verhandlungsversuch unternommen hat. Ist dies geschehen, kann jedoch schon zur Verhinderung von Verzögerungsstrategien und einer damit verbundenen Entwertung des Einigungsstellenverfahrens jede Seite frei entscheiden, ob sie die Verhandlungen außerhalb der Einigungsstelle für nicht mehr aussichtsreich erachtet und daher die Bestellung einer Einigungsstelle betreibt (LAG Frankfurt am Main 12. November 1991 - 4 TaBV 148/91 - LAGE BetrVG 1972 § 76 Nr. 39, zu II 1; Hess. LAG 13. Juni 2003 - 4 TaBV 187/03 - LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 41, zu II 1 a). Ob ernsthafte Verhandlungen von dieser Seite geführt wurden, unterliegt im Bestellungsverfahren zudem nur einer Überprüfung anhand des Maßstabs der Offensichtlichkeit von § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG (Hess. LAG 13. September 2005 a.a.O., zu II 2 a).

Dahinstehen kann, ob die vom Betriebsrat mit Schreiben vom 05. Dezember 2005 gesetzte Frist angemessen war. Die Arbeitgeberin hat sie mit ihrem Antwortschreiben jedenfalls gewahrt, mit dem sie nicht etwa um eine Fristverlängerung bat, sondern zum Anliegen des Betriebsrats inhaltlich Stellung nahm. Nach dieser Stellungnahme musste der Betriebsrat außergerichtlich nicht weiter verhandeln. Das Arbeitsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Arbeitgeberin mit ihrer Stellungnahme, nämlich durch ihr Verlangen nach einer unternehmensübergreifenden Einigungsstelle, eine gesetzeswidrige Forderung erhob. Das Betriebsverfassungsgesetz kennt keinen Konzernwirtschaftsausschuss. Der Wirtschaftsausschuss und damit die Einigungsstelle gemäß § 109 Satz 1 BetrVG ist grundsätzlich unternehmensbezogen. Beteiligte sind daher nur der Betriebs- bzw. Gesamtbetriebsrat und der Arbeitgeber (vgl. GK-BetrVG-Oetker a.a.O., § 109 Rn 23 - 25, m.w.N.). Reagierte die Arbeitgeberin auf das Verhandlungsangebot des Betriebsrats mit einem gesetzeswidrigen Ansinnen, konnte der Betriebsrat die Verhandlungen als nicht mehr sinnvoll betrachten und das Einigungsstellenbestellungsverfahren einleiten.

Zutreffend ist auch der weitere Hinweis des Arbeitsgerichts, dass jedenfalls die im vorliegenden Verfahren eingenommene, die Einigungsstellenbildung grundsätzlich ablehnende Position der Arbeitgeberin weitere außergerichtliche Verhandlungen überflüssig macht. Für die Prüfung der offensichtlichen Unzuständigkeit der Einigungsstelle gemäß § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG maßgeblich ist der Zeitpunkt des letzten Anhörungstermins (Hess. LAG 13. Juni 2003 a.a.O., zu II 2; 13. September 2005 a.a.O., zu II 2 a; LAG Nürnberg 21. August 2001 - 6 TaBV 24/01 - LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 37, zu II 1). Da auch die Erfüllung der Verhandlungspflichten eine Frage der Zuständigkeit der Einigungsstelle ist (Hess. LAG 13. Juni 2003 a.a.O., zu II 1 a; 13. September 2005 a.a.O., zu II 1; LAG Niedersachsen 07. Dezember 1998 - 1 TaBV 74/98 - LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 35, zu II 1 c; LAG Hamm 09. August 2004 a.a.O., zu B II 2), ist auch für die Beurteilung des Scheiterns der Verhandlungen dieser Zeitpunkt ausschlaggebend. Eine verfrühte Einleitung des Bestellungsverfahrens kann ggf. die Erforderlichkeit der durch dieses entstandenen Kosten im Sinn von § 40 Abs. 1 BetrVG in Frage stellen, wenn nach dessen Einleitung doch noch eine Einigung zwischen den Betriebspartnern zustande kommt. Bestehen wie vorliegend dagegen am Schluss der mündlichen Anhörung miteinander unvereinbare Rechtspositionen der Betriebspartner, wäre es eine sinnlose Förmelei, von der die Bildung der Einigungsstelle anstrebenden Seite gleichwohl erneut einen außergerichtlichen Einigungsversuch zu verlangen. Scheitert dieser, wie es dann regelmäßig zu erwarten wäre, müsste ein weiteres gerichtliches Bestellungsverfahren durchgeführt werden. Dies würde das auf zügigen Abschluss ausgerichtete Verfahren der Einigungsstellenbestellung durch eine erhebliche Verzögerung entwerten und die Kosten des Verfahrens für den Arbeitgeber in der Regel verdoppeln.

Schließlich beruft sich die Arbeitgeberin vergeblich darauf, dass der Betriebsrat vorgerichtlich keine Vorschläge zur Person des Vorsitzenden und zur Zahl der Beisitzer gemacht hat. Einerseits kann es auch in diesem Zusammenhang nur auf den Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Anhörung ankommen. Zu diesem bestand zwischen den Beteiligten jedoch Konsens, wer im Fall der Bestellung Vorsitzender der Einigungsstelle sein soll und dass in der Einigungsstelle zwei Beisitzer pro Seite vertreten sein sollen. Abgesehen davon besteht kein Grund, von einer Seite Vorschläge hinsichtlich der Person des Vorsitzenden und der Beisitzerzahl zu verlangen, wenn beide Seiten grundsätzlich über die Bildung oder die Zuständigkeit der Einigungsstelle uneinig sind. Dann sind die Verhandlungen auch ohne konkrete Vorschläge hinsichtlich des Vorsitzenden und der Beisitzerzahl gescheitert.

Ende der Entscheidung

Zurück