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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 13.02.2007
Aktenzeichen: 4 TaBV 200/06
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 95
BetrVG § 99
Wird ein Arbeitnehmer im Sinne von § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG üblicherweise nicht ständig an einem bestimmten Arbeitsplatz beschäftigt, handelt es sich bei der Zuweisung eines "neuen Arbeitsplatzes" auch dann nicht um eine gemäß § 99 BetrVG mitbestimmungspflichtige Versetzung im Sinne von § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, wenn der neue Arbeitsplatz an einem Ort liegt, an dem der Arbeitnehmer vorher nicht beschäftigt wurde. Dies gilt auch, wenn bisher im Inland an wechselnden Arbeitsplätzen beschäftigte Arbeitnehmer im Ausland eingesetzt werden sollen.
Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 25. Juli 2006 - 10 BV 275/06 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Mitbestimmungspflichtigkeit der Entsendung von der zu 2) beteiligten Arbeitgeberin beschäftigter Berater ins Ausland.

Die Arbeitgeberin ist ein IT-Beratungsunternehmen. Sie beschäftigt in ihrer A Niederlassung etwa 120 Arbeitnehmer, die vom antragstellenden Betriebsrat repräsentiert werden. Zur Belegschaft zählt die Gruppe der Berater, die deutschlandweit etwa 1.000 Arbeitnehmer umfasst. Die Berater verfügen nicht über Arbeitsplätze in den Niederlassungen der Arbeitgeberin, sondern werden deutschlandweit extern bei Kunden eingesetzt. Die Einsätze haben unterschiedliche Dauer. Die Beteiligten waren darüber einig, dass ein Wechsel der Einsätze im Inland wegen § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG nicht gemäß § 99 BetrVG beteiligungspflichtig ist. Arbeitsvertragliche Grundlage der Einsatzwechsel ist eine Regelung unter A 3 der jeweils arbeitsvertraglich in Bezug genommenen allgemeinen Arbeitsbedingungen der Arbeitgeberin aus dem Jahr 2000, dergemäß der Arbeitsort kurzfristig, langfristig oder auf Dauer verlegt werden kann. Nachdem Berater zunehmend im Ausland eingesetzt wurden (in der Niederlassung A bis zu 10 %), führte die Arbeitgeberin als individualrechtliche Grundlage den sog. "STFS-Prozess" ein, wegen dessen Inhalts auf die Anlage K 1 zur Antragsschrift (Bl. 16 - 44 d.A.) Bezug genommen wird. In diesem Zusammenhang ergänzte die Arbeitgeberin für neu eingestellte Arbeitnehmer die Klausel von A 3 der allgemeinen Arbeitsbedingungen dahingehend, dass sie die Arbeitnehmer auch im Ausland einsetzen kann. Wegen der Einzelheiten der alten und der neuen Fassung der Arbeitsbedingungen wird auf die Anlagen K 2 und K 3 zur Antragsschrift (Bl. 45 - 52 d.A.) und wegen der zum Teil unterschiedlichen Angaben der Beteiligten zu den Zeiten der Auslandseinsätze der zur Niederlassung A gehörenden Berater auf die Seiten 3 und 4 des Schriftsatzes vom 10. Juli 2006 (Bl. 86, 87 d.A.) und auf die Seiten 6 bis 8 des Schriftsatzes vom 08. Dezember 2006 (Bl. 150 - 152 d.A.) Bezug genommen. Die Arbeitgeberin beteiligte den Betriebsrat vor den Auslandseinsätzen der Berater nicht. Der Betriebsrat ist der Auffassung, jeder Auslandseinsatz mit einer Dauer von mindestens sechzig Tagen sei als Versetzung mitbestimmungspflichtig.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und der dort gestellten Anträge wird auf den tatbestandlichen Teil der angefochtenen Entscheidung (Bl. 99 - 102 d.A.) Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrats zurückgewiesen und zur Begründung - kurz zusammengefasst - ausgeführt, nicht jeder Einsatzwechsel vom Inland ins Ausland sei eine Versetzung im Sinne der §§ 95 Abs. 3 Satz 1, 99 BetrVG. Für einen Teil der Berater sei ein Wechsel in Projekte im Ausland üblich im Sinne von § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG. Dies gelte zumindest für die Berater B, Denn und C. Ob deren Einsätze in der Vergangenheit betriebsverfassungsrechtlich ordnungsgemäß waren, spiele keine Rolle. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Ausführungen unter II. des angefochtenen Beschlusses (Bl. 102 - 105 d.A.) Bezug genommen.

Der Betriebsrat hat gegen den am 11. Oktober 2006 zugestellten Beschluss am 03. November 2006 Beschwerde eingelegt und diese am 11. Dezember 2006 begründet. Er ist der Ansicht, wegen der geringen Anzahl der Einsatzwechsel der Berater sei nicht davon auszugehen, dass für ihr Arbeitsverhältnis ein ständiger Wechsel des Arbeitsplatzes grundsätzlich und insbesondere ein Wechsel ins Ausland typisch und üblich sei. Auslandseinsätze kämen nur bei einem kleinen Teil der Belegschaft gelegentlich vor. Sie umfassten nur eine begrenzte, oft unter einem Monat liegende Zeit. Das Einsatzgebiet der betroffenen Arbeitnehmer sei auf das Inland konkretisiert, was durch die für sie weitergeltende alte Fassung der allgemeinen Arbeitsbedingungen belegt werde.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags des Betriebsrats wird auf die Schriftsätze vom 08. Dezember 2006 sowie vom 06. Februar 2007 Bezug genommen.

Der Betriebsrat beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 25. Juli 2006 - 10 BV 275/06 - abzuändern und festzustellen, dass jeder Einsatzwechsel der Arbeitnehmer im Zuständigkeitsbereich des Beteiligten zu 1) vom Inland ins Ausland im Rahmen von STFS-Abordnungen bei einer Dauer von mindestens sechzig Tagen seinem Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG unterliegt,

hilfsweise festzustellen, dass jeder Einsatzwechsel von Arbeitnehmern im Zuständigkeitsbereich des Beteiligten zu 1) vom Inland ins Ausland im Rahmen von STFS-Abordnungen bei einer Dauer von mindestens sechzig Tagen seinem Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG unterliegt, wenn der Mitarbeiter in den vergangenen 24 Monaten nicht für eine Dauer von insgesamt mindestens sechzig Tagen jährlich im Ausland tätig war.

Die Arbeitgeberin hält zur Begründung ihres Zurückweisungsantrags an ihrer Ansicht fest, dass nicht jeder Auslandseinsatz die Voraussetzungen einer Versetzung erfülle.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags der Arbeitgeberin wird auf den Schriftsatz vom 22. Januar 2007 Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist nicht begründet. Haupt- und Hilfsantrag des Betriebsrats sind nicht begründet, da es sich jeweils um Globalanträge handelt, die nicht in jeder möglichen und von ihnen erfassten Konstellation mitbestimmungspflichtige Sachverhalte umfassen.

Ein Globalantrag, der sich nicht auf voneinander zu trennende und konkret gegeneinander abgrenzbare Sachverhalte bezieht, ist ein einheitlicher Streitgegenstand, der nur insgesamt zugesprochen oder zurückgewiesen werden kann. Besteht das mit dem Antrag geltend gemachte Mitbestimmungsrecht in bestimmten von dem Globalantrag umfassten Fällen nicht, ist der Antrag insgesamt zurückzuweisen (vgl. BAG 06. Dezember 1994 - 1 ABR 30/94 - BAGE 78/ 379, zu B II 2; 19. Juli 1995 - 7 ABR 60/94 - BAGE 80/296, zu II 3). Dies ist hier der Fall.

Die Anträge des Betriebsrats sind bereits deshalb nicht begründet, weil sie zukunftsgerichtet sind und damit nicht nur die von der Arbeitgeberin bisher praktizierten Einsatzformen umfassen, sondern alle zukünftig denkbaren. Zukünftig denkbar ist aber auch dann, wenn mit dem Betriebsrat davon auszugehen sein sollte, dass Auslandseinsätze bisher bei keinem Arbeitnehmer der Arbeitgeberin im Sinne von § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG üblich sind, dass sich dies ändern kann. Damit erfassen die Anträge zukünftig mögliche Wechsel von Inlands- in Auslandstätigkeit, die nach § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG von der Mitbestimmung nach § 99 BetrVG ausgenommen sind.

Hinzu kommt, dass der Betriebsrat zu Unrecht davon ausgeht, dass im Inland im Sinne von § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG üblicherweise nicht ständig an einem bestimmten Arbeitsplatz beschäftigte Arbeitnehmer nicht ohne Versetzung gemäß § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG im Ausland beschäftigt werden können. Der Betriebsrat räumt ein, dass die im Inland tätigen Berater jedenfalls zum Teil § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG unterfallen. Ist dies aber der Fall, können sie auch im Ausland beschäftigt werden, ohne dass es zu einer Versetzung kommt. § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG unterscheidet nur zwischen Arbeitnehmern, die üblicherweise nicht ständig an einem bestimmten Arbeitsplatz beschäftigt werden, und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist. Ein Mischtatbestand, in dem ein Arbeitnehmer üblicherweise in einem bestimmten, geografisch begrenzten Raum seinen Arbeitsplatz wechselt, bezüglich anderer Orte aber im Sinne von § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG versetzt wird, kennt das Betriebsverfassungsgesetz nicht. Daher können alle Arbeitnehmer, die bisher im Inland gemäß § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG an wechselnden Arbeitsplätzen beschäftigt wurden, mitbestimmungsfrei auch im Ausland beschäftigt werden. Dass die individualvertragliche Zulässigkeit derartiger Maßnahmen mitbestimmungsrechtlich ohne Bedeutung ist (vgl. nur BAG 02. April 1996 - 1 ABR 743/95 - AP BetrVG 1972 § 95 Nr. 34, zu I 1), hat der Betriebsrat selbst zutreffend erkannt.

Zu Unrecht verweist der Betriebsrat auf eine Konkretisierung des Beschäftigungsbereichs der Berater auf das Inland. Zwar ist § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG nicht mehr anwendbar, wenn der ständig wechselnde Einsatz eines Arbeitnehmers beendet und der Arbeitnehmer dauerhaft an einem Arbeitsplatz beschäftigt wird (BAG 02. November 1993 - 1 ABR 36/93 - BAGE 75/24, zu B II 2 c, d). Dies ist aber gerade nicht der Fall, wenn ein Arbeitnehmer an wechselnden Arbeitsplätzen beschäftigt wird, auch wenn diese bisher in einem räumlich begrenzten Gebiet lagen. Mit seiner Argumentation beruft sich der Betriebsrat auf einen Mischtatbestand eines nur teilweise mitbestimmungsfreien Arbeitsplatzwechsels, der im Gesetz nicht vorgesehen ist.

Ein Grund zur Zulassung der Rechtsbeschwerde im Sinne von § 72 Abs. 2, § 91 Abs. 1 Satz 2 ArbGG besteht nicht.

Ende der Entscheidung

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