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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 13.10.2005
Aktenzeichen: 5/9 TaBV 51/05
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 2 I
BetrVG § 87 I 3
Macht ein Betriebsrat seine Zustimmung zur Überstunden von der Verlängerung befristeter Arbeitsverträge abhängig, so verhält er sich nicht rechtmissbräuchlich und verstößt auch nicht gegen § 2 Abs. 1 BetrVG.
Tenor:

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 25. Januar 2005 - 3 BV 3 / 04 - abgeändert.

1. Es wird der Beteiligten zu 2) untersagt, eine vorübergehende Verlängerung der betrieblichen Arbeitszeit an Feiertagen ohne entsprechende Vereinbarung mit dem Beteiligten zu 1) bzw. Ersetzung einer solchen Vereinbarung durch die Einigungsstelle zu dulden, Arbeitnehmern anzubieten oder mit Arbeitnehmern zu vereinbaren oder gegenüber Arbeitnehmern anzuordnen.

2. Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Ziffer 1) wird der Beteiligten zu 2) ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 10.000,00 EUR (in Worten: Zehntausend und 00/100 Euro) angedroht.

3. Die Anträge der Beteiligten zu 2) werden zurückgewiesen.

Für die Beteiligte zu 2) wird die Rechtsbeschwerde zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Reichweite der Mitbestimmungsrechte des Beteiligten zu 1. (Betriebsrat) bei der vorübergehenden Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit bei der Beteiligten zu 2. (Arbeitgeberin).

Die Arbeitgeberin beschäftigt in ihrem Betrieb in A ca. 570 Mitarbeiter und betreibt die Reparatur und Wartung von Flugzeugturbinen. Es gilt dort seit dem 01.07.2002 eine Betriebsvereinbarung "Arbeitszeiten" vom 17.04.2002, derzufolge die geschuldete Arbeitszeit von Montag bis Freitag zu erbringen ist. Darüber hinaus darf die Arbeitgeberin die Mitarbeiter an 12 Samstagen im Jahr beschäftigen. Auf den übrigen Inhalt der Betriebsvereinbarung wird ergänzend Bezug genommen (Bl. 7 - 12 d.A.).

Im November 2003 arbeiteten mehrere Mitarbeiter der Arbeitgeberin auch an einem 13. Sonnabend. Nachdem der Betriebsrat dies gerügt hatte, bedauerte die Arbeitgeberin diesen Vorgang. Am 28. November 2003 fragte der Betriebsrat bei der Arbeitgeberin an, inwieweit an den Weihnachtsfeiertagen zu arbeiten sein werde. In einem Gespräch zwischen den Beteiligten vom 10.12.2003 erklärte die Arbeitgeberin, dass die Arbeit an den genannten Feiertagen "vom Tisch" sei. Am 16. Dezember 2003 erhielt die Arbeitgeberin Kenntnis davon, dass 9 Exemplare eines seit längerer Zeit bereits fehlenden Teils zur Reparatur von Gasturbinen der Flugzeuge verschiedener Kunden der Arbeitgeberin nun geliefert werden könnten. Zu diesem Zeitpunkt war die mit einzelnen Kunden vereinbarte maximale Reparaturzeit von 30 Kalendertagen bereits erheblich überschritten. Unter dem Datum des 17.03.2003 legte die Arbeitgeberin daraufhin zwei Entwürfe für die Ableistung von Arbeit am 2. Weihnachtsfeiertag, dem 26.12.2003 vor, auf deren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 17 - 23 d.A.). Der Betriebsrat lehnte den Abschluss dieser Betriebsvereinbarungen ab. Auf dringende Bitte der Arbeitgeberin verhandelte der Betriebsrat die Angelegenheit noch einmal und teilte ihr am 18. Dezember 2003 mit, dass den Betriebsvereinbarungen unter der Voraussetzung zugestimmt werde, dass die befristeten Arbeitsverträge dreier bestimmter Mitarbeiter verlängert würden. Hierbei handelte es sich um einen Wunsch des Betriebsrats, den die Arbeitgeberin bereits mit E-Mail vom 11. Dezember 2003, auf die Bezug genommen wird (Bl. 66 d.A.), abgelehnt hatte.

Die Arbeitgeberin fühlte sich durch dieses Vorgehen des Betriebsrats "erpresst" und ließ am 26. Dezember 2003 10 freiwillige Arbeitnehmer ohne Zustimmung des Betriebsrats die fraglichen Arbeiten ausführen. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf die S. 5 u. 6 des Schriftsatzes der Arbeitgeberin vom 14.05.2004 (Bl. 55 f. d.A.) Bezug genommen.

Der Betriebsrat hat gemeint, die Arbeitgeberin habe durch ihr Vorgehen grob gegen ihre Verpflichtungen aus dem Betriebsverfassungsgesetz verstoßen. Er habe seine Zustimmung zu der beantragten Feiertagsarbeit auch keineswegs mit sachfremden Forderungen verknüpft und hat beantragt,

1. es der Arbeitgeberin zu untersagen, eine vorübergehende Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit an Feiertagen ohne entsprechende Vereinbarung mit dem Betriebsrat bzw. Ersetzung einer solcher Vereinbarung durch die Einigungsstelle zu dulden, Arbeitnehmern anzubieten oder mit Arbeitnehmern zu vereinbaren oder gegenüber Arbeitnehmern anzuordnen;

2. für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Ziffer 1. der Arbeitgeberin ein Ordnungsgeld anzudrohen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird;

3. hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1. festzustellen, dass die Anordnung von Überstunden am 26. Dezember 2003 das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verletzt hat.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

1. die Anträge zurückzuweisen;

2. dem Betriebsrat zu untersagen, die Zustimmung zu einer vorübergehenden Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit an Feiertagen unter die Bedingung, dass Arbeitsverträge von befristet beschäftigten Mitarbeitern verlängert werden sollen, zu stellen;

3. hilfsweise, festzustellen, dass der Betriebsrat gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit gem. § 2 BetrVG verstoßen hat, indem er seine Zustimmung von der vorübergehenden Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit am 26. Dezember 2003 unter die Bedingung gestellt hat, dass die Arbeitsverträge von befristet beschäftigten Mitarbeitern der Antragsgegnerin um 3 Monate verlängert werden.

Sie hat gemeint, es liege schon deshalb kein grober Verstoß im Sinne des § 23 Abs. 3 BetrVG vor, da am 26. Dezember 2003 lediglich 10 von fast 600 Arbeitnehmern gearbeitet hätten. Ein allgemeiner Unterlassungsanspruch bestehe nicht, da es hierfür an der erforderlichen Wiederholungsgefahr fehle. Die Ausnahmesituation habe schnelles Handeln erfordert. Auch sei der Betriebsrat nicht berechtigt, die begehrte Zustimmung von sachfremden Bedingungen abhängig zu machen.

Der Betriebsrat hat beantragt,

die Anträge der Arbeitgeberin zu 2. und 3. zurückzuweisen.

Mit am 25. Januar 2005 verkündetem Beschluss hat das Arbeitsgericht Darmstadt - 3 BV 3/04 - die Anträge des Betriebsrats zurückgewiesen und dem Hauptantrag der Arbeitgeberin stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der gem. § 23 Abs. 3 BetrVG erforderliche grobe Verstoß gegen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten auf Seiten der Arbeitgeberin nicht festzustellen sei. Es sei nämlich auch das Verhalten des Betriebsrats zu berücksichtigen. Der aber habe mit seiner Forderung nach Verlängerung von 3 befristeten Arbeitsverhältnissen deutlich gemacht, dass sonst keine Bedenken gegen das Begehren der Arbeitgeberin bestanden hätten. Die von ihm vorgenommene Koppelung mit einer mitbestimmungsfreien Maßnahme stelle einen Verstoß gegen die gebotene vertrauensvolle Zusammenarbeit dar. Auch ein allgemeiner Unterlassungsanspruch sei nicht begründet, da angesichts der Sondersituation eine Wiederholungsgefahr nicht bestehe. Zudem erscheine es angesichts des eigenen Fehlverhaltens des Betriebsrats rechtsmissbräuchlich, gegenüber der Arbeitgeberin einen Unterlassungsanspruch geltend zu machen. Der Gegenantrag der Arbeitgeberin sei dagegen gem. § 1004 BGB in analoger Anwendung begründet. Es verstoße gegen die Verpflichtung zur vertrauensvollen Zusammenarbeit gem. § 2 Abs. 1 BetrVG, gerade in dringenden Fällen die Zustimmung von Bedingungen abhängig zu machen, die der Betriebsrat isoliert nicht durchsetzen könne. Wegen der vollständigen Erwägungen des Arbeitsgerichts wird auf die Gründe zu II. des Beschlusses (Bl. 114 - 116 d.A.) ergänzend Bezug genommen.

Gegen diesen ihm am 22. Februar 2005 zugestellten Beschluss hat der Betriebsrat am 17. März 2005 Beschwerde eingelegt und dieses Rechtsmittel am 22. April 2005 begründet. Er weist darauf hin, dass die Arbeitgeberin mit ihrer Vorgehensweise am 26. Dezember 2003 unstreitig gegen § 87 Abs. 1 Ziffer 3 BetrVG verstoßen habe. Daran ändere auch das Vorliegen eines Eilfalls nichts. Die Wiederholungsgefahr sei indiziert, zumal die Arbeitgeberin selbst vortrage, dass eine entsprechende Situation nicht planbar sei und es immer wieder zu einem entsprechenden Fall kommen könne. Auch vertrete sie die Auffassung, dass es bei dieser Fallgestaltung kein Mitbestimmungsrecht gebe. Dem Betriebsrat könne kein Verstoß gegen die Verpflichtung zur vertrauensvollen Zusammenarbeit vorgeworfen werden. Aus der Gegenüberstellung der Regelungen gem. §§ 99 ff. und 87 BetrVG ergebe sich, dass der Betriebsrat im letzteren Fall Forderungen des Arbeitgebers ohne jede Begründung zurückweisen könne. Dann könne es aber auch nicht rechtsmissbräuchlich sein, die gewünschte Zustimmung von gewissen Gegenforderungen abhängig zu machen. Die anzurufende Einigungsstelle stehe als Korrektiv zur Verfügung. Zumindest sei am jeweiligen Schutzzweck des Mitbestimmungsrechts zwischen sachfremden und sachimmanenten Erwägungen des Betriebsrats bei Aufstellung seiner Gegenforderung zu unterscheiden. Bei der Frage nach Ableistung von Mehrarbeit gehe es um das Verhältnis zwischen Arbeitsmenge und Anzahl der Mitarbeiter, so dass das Verlangen des Betriebsrats sich im Rahmen des Normzwecks bewegt habe. Hinzu komme im vorliegenden Fall, dass der Betriebsrat die von der Arbeitgeberin gewünschte Betriebsvereinbarung zunächst in zulässiger Weise ohne jede Begründung abgelehnt habe. Erst auf intensives Drängen der Arbeitgeberin und mit dem Ziel, in Zukunft solche "Eilfälle" einzuschränken habe er seine Bedingung formuliert. Für das Unterlassungsverlangen der Arbeitgeberin dagegen fehle es an jeder Anspruchsgrundlage.

Der Betriebsrat beantragt,

1. unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 25.01.2005 - 3 BV 3/04 - es der Arbeitgeberin zu untersagen, eine vorübergehende Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit an Feiertagen ohne entsprechende Vereinbarung mit dem Betriebsrat bzw. Ersetzung einer solchen Vereinbarung durch die Einigungsstelle zu dulden, Arbeitnehmern anzubieten oder mit Arbeitnehmern zu vereinbaren oder gegenüber Arbeitnehmern anzuordnen;

2. für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Ziffer 1. der Arbeitgeberin ein Ordnungsgeld anzudrohen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird;

3. hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1. festzustellen, dass die Anordnung von Überstunden am 26.12.2003 das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verletzt hat;

4. die Anträge der Arbeitgeberin unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 25.01.2005 - 3 BV 3/04 - zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde des Betriebsrats zurückzuweisen.

Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss. Der Betriebsrat habe durch sein Verhalten versucht, seine Mitbestimmungsrechte contra legem zu erweitern. Die Verlängerung von befristeten Arbeitsverhältnissen, wie er sie verlangt habe, falle nicht unter seine Mitbestimmungsrechte gem. § 99 BetrVG. Es liege auch kein Fall einer "Annex-Bedingung" vor. Mit der Entfristung der Verträge der drei fraglichen Mitarbeiter wäre nämlich das Arbeitsvolumen am 26.12.2003 auch nicht abzudecken gewesen. Für den allgemeinen Unterlassungsanspruch fehle es tatsächlich an der erforderlichen Wiederholungsgefahr, da sich ein Fall kurzfristiger Lieferung fehlender Ersatzteile und der besonderen Lage der Weihnachtsfeiertage wie im Jahr 2003 nicht wiederholen werde. Weiter meint die Arbeitgeberin, dass schon gar kein Verstoß gegen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats vorliege. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei nämlich bei einem unzulässigen Koppelungsgeschäft von einer Zustimmung des Betriebsrats auszugehen. Auch die Einigungsstelle hätte über die vom Betriebsrat gestellte Bedingung nicht entscheiden dürfen.

Wegen des vollständigen Vorbringens der Beteiligten im Beschwerderechtszug wird auf die Beschwerdebegründung (Bl. 138 - 147 d.A.) sowie auf die Beschwerdebeantwortung (Bl. 165 - 175 d.A.) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Betriebsrats ist begründet.

Der Betriebsrat kann von der Arbeitgeberin verlangen, dass sie ohne seine Zustimmung nicht die betriebsübliche Arbeitszeit durch Arbeit an Feiertagen verlängert. Die Arbeitgeberin kann vom Betriebsrat nicht verlangen, dass er seine Zustimmung zu einer vorübergehenden Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit an Feiertagen von der Verlängerung der Beschäftigung befristeter Arbeitsverträge abhängig macht.

1. Dem Betriebsrat steht für sein Begehren gemäß dem Hauptantrag zu 1. der allgemeine Unterlassungsanspruch zur Seite. Nach langjähriger und zutreffender Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Betriebsrat bei Verletzung seiner Mitbestimmungsrechte gem. § 87 BetrVG einen Anspruch auf Unterlassung der mitbestimmungswidrigen Maßnahme geltend machen (BAG Beschluss vom 03.05.1994 - 1 ABR 24/93 - DB 1994, S. 2450 ff.).

a) Die Arbeitgeberin hat mit der Anordnung bzw. Duldung von Arbeit am 2. Weihnachtsfeiertag des Jahres 2003 ohne die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats gegen dessen Mitbestimmungsrechte gem. § 87 Abs. 1 Ziffer 3 BetrVG verstoßen.

Zwischen den Beteiligten gilt seit dem 01.07.2002 die Betriebsvereinbarung "Arbeitszeiten". Gemäß deren Ziffer 3 ist die tarifliche Wochenarbeitszeit bzw. die individuell vertraglich geregelte Arbeitszeit an den Werktagen von Montag bis Freitag zu erbringen. Die Arbeitgeberin hat für die betroffenen Mitarbeiter den Umfang dieser betriebsüblichen Arbeitszeit vorübergehend erhöht, indem sie 10 Arbeitnehmer zusätzlich am 26. Dezember 2003 arbeiten ließ. Der Betriebsrat hat die hierfür - auch aus Sicht der Arbeitgeberin - erforderliche Zustimmung durch Ablehnung der ihm vorgelegten Entwürfe für entsprechende Betriebsvereinbarungen am 17.12.2003 abgelehnt. Erst "auf dringende Bitte" der Arbeitgeberin hat der Betriebsrat sich sodann noch einmal mit der Frage befasst und ihr mitgeteilt, dass er den gewünschten Betriebsvereinbarungen zustimmen werde, falls die befristeten Arbeitsverträge von drei bestimmten Mitarbeitern verlängert würden.

aa) Zu Unrecht geht die Arbeitgeberin davon aus, der Betriebsrat habe mit dieser seiner letzten Reaktion die erforderliche Zustimmung erteilt. Sie kann sich nach Auffassung der Kammer für diese Meinung nicht auf die von ihr angezogenen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts berufen (Beschluss vom 10.02.1988, AP Nr. 33 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Urteil vom 26.05.1998, AP Nr. 98, a.a.O.).

Die beiden Entscheidungen hatten es mit dem Mitbestimmungstatbestand gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG und freiwilligen Leistungen der Arbeitgeber zu tun. Bei diesen Fallgestaltungen besteht nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur hinsichtlich der Verteilungsgrundsätze, nicht aber hinsichtlich des Ob und der Höhe sowie des Zwecks der Leistung ein Mitbestimmungsrecht (BAG 03.12.1991, AP Nr. 51, a.a.O.). In den beiden von der Arbeitgeberin in Bezug genommenen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts hatte sich der Betriebsrat (wohl) zustimmend hinsichtlich der Verteilung, ablehnend dagegen hinsichtlich der mitbestimmungsfreien Festlegung des Dotierungsrahmens geäußert. In diesen Fällen hat das Bundesarbeitsgericht daher konsequenterweise angenommen, der Betriebsrat habe der fraglichen Maßnahme zugestimmt, jedenfalls soweit sie seiner Mitbestimmung überhaupt unterlag.

Im vorliegenden Fall dagegen geht es um einen unteilbaren Mitbestimmungstatbestand. Es gibt im Rahmen des § 87 Abs. 1 Ziffer 3 BetrVG - anders als bei § 87 Abs. 1 Ziffer 10 BetrVG in Bezug auf freiwillige Leistungen der Arbeitgeberseite - keine mitbestimmungsfreien Sachverhalte, sofern die übrigen Voraussetzungen des § 87 Abs. 1 BetrVG vorliegen. Die von der Arbeitgeberin für die beabsichtigte vorübergehende Verlängerung der Arbeitszeit erforderliche Zustimmung hatte der Betriebsrat eindeutig und ausdrücklich verweigert.

bb) Diese Ablehnung des Betriebsrats ist nach Auffassung der Kammer auch weder rechtsmissbräuchlich noch verstößt sie gegen das Gebot zur vertrauensvollen Zusammenarbeit im Sinne des § 2 Abs. 1 BetrVG.

Es ist umstritten, ob der Betriebsrat seine Zustimmung zu vom Arbeitgeber beantragte Maßnahmen gem. § 87 Abs. 1 Ziffer 3 BetrVG von Bedingungen abhängig machen darf, für deren Durchsetzung ihm ein Mitbestimmungsrecht nicht zusteht (vgl. zum aktuellen Meinungsstand die Nachweise bei GK-Wiese, BetrVG, 8. Aufl. 2005, § 87 Rz 361). Nach Auffassung der Kammer ist der Betriebsrat hierzu berechtigt, wenn diese Bedingungen einen sachlichen Bezug zum Zweck des Mitbestimmungsrechts haben, in dessen Rahmen er um Zustimmung angegangen wird.

Gegen eine enge inhaltliche Begrenzung der Gründe, mit denen ein Betriebsrat bei der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten seine Ablehnung begründen darf, spricht ein gesetzessystematischer Vergleich mit den Vorschriften zur Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen. Nur in § 99 Abs. 2 BetrVG hat der Gesetzgeber einen eng umrissenen Katalog von Zustimmungsverweigerungsgründen normiert. In § 87 Abs. 2 BetrVG hat er dagegen keine Eingrenzung der Zustimmungsverweigerungsgründe vorgenommen, sondern die Betriebsparteien generell für den Dissens-Fall auf die Einigungsstelle verwiesen. Diese ist das für die Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten vom Betriebsverfassungsgesetz vorgesehene Organ zur Lösung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Sie fasst gem. § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG ihre Beschlüsse unter angemessener Berücksichtigung der Belange des Betriebs und der betroffenen Arbeitnehmer nach billigem Ermessen. Es wäre nicht verständlich, wenn der Betriebsrat in den Verhandlungen vor Anruf der Einigungsstelle nicht berechtigt sein sollte, seinerseits Gesichtspunkte in das Mitbestimmungsverfahren einzubeziehen, die den Erfordernissen des § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG entsprechen und die mit dem Zweck des jeweiligen Mitbestimmungstatbestands im Zusammenhang stehen. Nach Auffassung der Kammer darf einem Betriebsrat, der bei den Verhandlungen über Gegenstände gem. § 87 Abs. 1 BetrVG die Grenzen des Ermessens gem. § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG wahrt, nicht vorgeworfen werden, er verstoße gegen das Gebot vertrauensvoller Zusammenarbeit im Sinne des § 2 Abs. 1 BetrVG. Unter den genannten Voraussetzungen hindert den Betriebsrat daher auch das Gebot vertrauensvoller Zusammenarbeit nicht, Forderungen geltend zu machen, für die ihm unmittelbar ein Mitbestimmungsrecht nicht zusteht, die aber im Zusammenhang mit dem jeweils betroffenen Mitbestimmungstatbestand des § 87 BetrVG stehen.

Die im vorliegenden Fall vom Betriebsrat - schließlich - aufgestellte Forderung zur Verlängerung dreier befristeter Beschäftigungsverhältnisse steht im oben erörterten Sinn im Zusammenhang mit der von der Arbeitgeberin gewünschten vorübergehenden Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit für den 2. Weihnachtsfeiertag des Jahres 2003. Die Arbeitgeberanträge machen deutlich, dass jedenfalls für diesen Zeitraum der vorhandene Personalbestand nicht ausreicht. Eine sachgerechte Beurteilung der Berechtigung des Arbeitgeberwunsches nach vorübergehender Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit ist daher ohne Blick auf die personelle Ausstattung des Betriebs gar nicht möglich. Diese Auffassung teilt ersichtlich auch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wenn sie sich mit dem Erfordernis eines kollektiven Tatbestands als Voraussetzung des Mitbestimmungsrechts gem. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG auseinandersetzt (BAG 27.11.1990 - 1 ABR 77/89 - AP Nr. 41 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, zu II. 1. a) d.Gr.). Dieser kollektive Tatbestand sei zu bejahen, wenn sich eine Regelungsfrage stellt, die kollektive Interessen der Arbeitnehmer berührt. Dies sei auch in den Fällen gegeben, in denen wegen eines vorübergehenden zusätzlichen Arbeitsanfalls oder u.a. wegen einer zu dünnen Personaldecker immer wieder Mehrarbeit an verschiedenen Stellen anfällt und zu regeln bleibe, ob im Interesse der Belegschaft die Überstunden angeordnet werden sollen oder stattdessen Neueinstellungen vorzunehmen sind. Diese Erwägungen, mit denen der für das Mitbestimmungsrecht erforderliche kollektive Tatbestand begründet wird, geben nach Auffassung der Kammer dem Betriebsrat dann aber auch das Recht, entsprechende Vorstellungen zur Bedingung seiner Zustimmung zur Mehrarbeit zu machen.

Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass die Verlängerung der Arbeitsverträge der fraglichen 3 Mitarbeiter die konkrete Mehrarbeit am 26.12.2003 nicht überflüssig gemacht hätte. Die jeweils nur für einzelne Tage vom Arbeitgeber beantragte Mehrarbeit wird sich konkret kaum durch Entfristungen oder Neueinstellungen überflüssig machen lassen, da entsprechende Maßnahmen nicht so kurzfristig umgesetzt werden können. Der Betriebsrat ist jedoch nicht gehindert, durch eine Betrachtung über den Tag hinaus dafür Sorge zu tragen, dass der Zweck des Mitbestimmungsrechts gem. § 87 Abs. 1 Ziffer 3 BetrVG erreicht wird, nämlich die Mitarbeiter vor Überforderung zu schützen (Fitting u.a., BetrVG, 22. Aufl. 2004, § 87 Rz 131). Dies aber war das Ziel des Betriebsrats bei seiner Vorgehensweise. Eine andere, sachfremde Erwägung hat auch die Arbeitgeberin ihm nicht konkret vorhalten können.

Zusammenfassend ergibt sich daher, dass der Betriebsrat mit seiner schließlich für die Zustimmung zur Mehrarbeit am 26.12.2003 aufgestellten Bedingung, drei befristete Arbeitsverträge zu verlängern, keine sachfremde Koppelung vorgenommen hat, die ihm als rechtsmissbräuchlich oder als Verstoß gegen die Pflicht zur vertrauensvollen Zusammenarbeit gem. § 2 Abs. 1 BetrVG vorgeworfen werden könnte. Er hat vielmehr eine Bedingung aufgestellt, die zur dauerhaften Vermehrung des Bestandes an Arbeitskräften bei der Arbeitgeberin führen sollte, um das Erfordernis vorübergehender Verlängerungen der betriebsüblichen Arbeitszeit für die Zukunft zu begrenzen.

cc) Die Verletzung der betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten der Arbeitgeberin entfällt auch nicht etwa deshalb, weil ein Eil- bzw. Notfall vorgelegen hätte.

In ständiger Rechtsprechung ist das Bundesarbeitsgericht der zutreffenden Auffassung, dass das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Anordnung von Mehrarbeit gem. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG auch dann nicht entfällt, wenn die fraglichen Maßnahmen eilbedürftig sind (Beschluss vom 17.11.1998 - 1 ABR 12/98 - AP Nr. 79 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Durch eine entsprechende Regelung solcher Fallgestaltungen im Rahmen einer Betriebsvereinbarung lassen sich auch Eilfälle mitbestimmungsrechtlich einwandfrei regeln.

Für Notfälle hat das Bundesarbeitsgericht noch keine entsprechende Entscheidung getroffen. Es hat jedoch unter einem Notfall, der das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unter Umständen ausschließen könnte, eine unvorhersehbare und schwerwiegende Situation verstanden, in welcher der Betriebsrat entweder nicht erreichbar oder aber nicht zur rechtzeitigen Beschlussfassung in der Lage ist, der Arbeitgeber aber sofort handeln muss, um vom Betrieb oder den Arbeitnehmern nicht wieder gut zu machende Schäden abzuwenden (BAG, Beschluss vom 17.11.1998, a.a.O., zu B. II. 1. c) d.Gr.). Ein solcher Fall lag hier nicht vor. Wie sich aus dem Vortrag der Arbeitgeberin vielmehr ersehen lässt, trat mit der angekündigten Auslieferung der seit längerer Zeit ausstehenden Ersatzteile vielmehr ein Umstand ein, auf den sie seit längerer Zeit gehofft hatte, um ihre überfälligen Verpflichtungen gegenüber einzelnen Kundenfirmen erfüllen zu können (S. 5 f. des Schriftsatzes vom 14.05.2004, Bl. 55 f. d.A.).

b) Auch die für die Begründetheit des allgemeinen Unterlassungsanspruchs nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erforderliche Wiederholungsgefahr (Beschluss vom 29.02.2000 - 1 ABR 4/99 - AP Nr. 105 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung) besteht.

Der Vortrag der Arbeitgeberin im vorliegenden Beschlussverfahren bestätigt die Besorgnis weiterer Eingriffe, für die ohnehin eine tatsächliche Vermutung besteht (BAG, a.a.O., zu B. II. 2. a) d.Gr.).

2.

Die Anträge der Arbeitgeberin sind unbegründet.

Dies ergibt sich bereits aus den oben unter 1. dargelegten Gründen.

Gemäß §§ 92 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. 72 Abs. 2 ArbGG ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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