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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 15.01.2009
Aktenzeichen: 5 TaBV 140/08
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 77 Abs. 6
BetrVG § 87 Abs. 1 S. 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 23. April 2008 - 6 BV 1291/07 - abgeändert.

Der Beteiligten zu 3) wird untersagt, in ihren Arbeitsverträgen im Gemeinschaftsbetrieb Frankfurt am Main Vertragsklauseln zu verwenden, nach deren Inhalt die von den Arbeitnehmern i. S. von § 5 Abs. 1 BetrVG geleisteten Mehrarbeitsstunden mit dem vereinbarten Jahresgehalt pauschal abgegolten sind, ohne dass hierfür jeweils die Zustimmung des Beteiligten zu 1) oder ein sie ersetzender Spruch der Einigungsstelle vorliegt.

Der Beteiligte zu 3) wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen diese Verpflichtung ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, bis zu 10.000,00 Euro angedroht. Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Berechtigung der Arbeitgeberin, geleistete Überstunden aufgrund entsprechender Pauschalabgeltungsregelungen in formalisierten Arbeitsverträgen abweichend von einer nach ihrer Kündigung nachwirkenden Betriebsvereinbarung nicht mehr in bezahlter Freizeit ausgleichen zu müssen. Während der Beteiligte zu 1. (Betriebsrat) meint, die Beteiligte zu 3. (Arbeitgeberin) verstoße damit gegen § 77 Abs. 1 sowie § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, sind die Beteiligten zu 2. und 3. (Arbeitgeberinnen) der Auffassung, es seien nach der Kündigung der Betriebsvereinbarung in zulässiger Weise lediglich abweichende individualrechtliche Arbeitsvertragsregelungen getroffen worden. Wegen des übrigen insgesamt unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Beteiligten im ersten Rechtszug sowie der dort gestellten Anträge wird ergänzend auf die Gründe zu I. (Bl. 81 - 84 d.A.) des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.

Mit diesem am 23.04.2008 verkündeten Beschluss hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main - 6 BV 1291/07 - die Anträge zurückgewiesen. Zwar seien die Anträge zulässig. Mit seinem Begehren, es der Arbeitgeberin zu untersagen, Arbeitsvertragsklauseln zu verwenden, mit denen Mehrarbeitsstunden durch eine Jahresvergütung pauschal abgegolten werden sollten, mache er eigene Rechte geltend, sodass die Antragsbefugnis zu bejahen sei. Das Verfahren sei auch nicht erledigt, da die Arbeitgeberin aufgrund der zwischen dem 01.02.2006 und 17.04.2008 abgeschlossenen Arbeitsverträge mit der streitgegenständlichen Klausel Überstunden nicht in Freizeit ausgleiche. Das Festhalten an dieser Klausel stelle auch ihre weitere "Verwendung" dar, selbst wenn nach dem 17.04.2008 keine Verträge mit dieser Klausel mehr abgeschlossen wurden. Die Anträge des Betriebsrats seien jedoch unbegründet. Ein Unterlassungsanspruch lasse sich auf § 77 Abs. 1 BetrVG nicht stützen, da die fragliche Betriebsvereinbarung nach ihrer Kündigung durch die Arbeitgeberin lediglich noch nachwirke und dem Neuabschluss von ihr abweichender Arbeitsverträge nicht entgegenstehe, soweit nicht durch diese wiederum Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats verletzt würden. Das aber sei nicht der Fall, da die fragliche Vertragsklausel nicht Fragen der betrieblichen Lohngestaltung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG betreffe. Es würde nämlich durch die Überstundenabgeltungsklausel keine abstrakt-generellen, d.h. für alle betroffenen Mitarbeiter gültigen Kriterien der Lohnfindung für Überstunden geschaffen. Die streitgegenständliche Vertragsklausel beinhalte eine mitbestimmungsfreie individualrechtliche Lohnvereinbarung. Sie regele die Vergütungshöhe für eine nicht näher festgelegte Zahl von Arbeitsstunden. Wegen der vollständigen Gründe zu II. wird im Übrigen auf die S. 5 - 8 (Bl. 84 - 87 d.A.) des angefochtenen Beschlusses ergänzend Bezug genommen.

Gegen diesen dem Betriebsrat am 23.05.2008 zugestellten Beschluss hat er am 10.06.2008 Beschwerde eingelegt und dieses Rechtsmittel am 18.07.2008 begründet. Er meint, zwar könne gem. § 77 Abs. 6 BetrVG während des Nachwirkungszeitraums auch durch einzelvertragliche Regelungen von der Betriebsvereinbarung abgewichen werden. Der Regelungsspielraum werde jedoch durch die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 BetrVG sowie die Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes begrenzt. Die vereinbarten Pauschalabgeltungsabreden stellten einen allgemeinen Entlohnungsgrundsatz im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG dar. Da sie mit allen Mitarbeitern gleichermaßen im fraglichen Zeitraum abgeschlossen worden seien, handele es sich nicht um mitbestimmungsfreie individualrechtliche Lohnvereinbarungen. Bei der Festlegung, für geleistete Mehrarbeit keine zusätzliche Vergütung mehr zu zahlen, handele es sich um einen Verteilungsgrundsatz. Darin liege zugleich ein System, nach dem das Entgelt bemessen werden soll. Werde jede Überstunde gesondert bezahlt, so erfolge die Zahlung nach Zeitstundeneinheiten. Würden sie dagegen bereits mit dem Grundgehalt abgegolten, liege ein Jahresgehaltssystem vor. Die Wahl des entsprechenden Systems unterliege dem Mitbestimmungsrecht. Bestätigt werde dieses Ergebnis durch den Zweck des § 87 Abs. 1 Nr. 10, der vor einseitiger, ausschließlich an den Interessen des Unternehmens ausgerichteter Lohnpolitik schützen und Lohntransparenz gewährleisten solle. Eine etwaige Auswirkung auf die Höhe des Entgelts stelle lediglich einen Reflex des vom Arbeitgeber einseitig festgelegten Vergütungssystems dar. Auch wenn ein Arbeitgeber Zeiten der Dienstbereitschaft, die in der Vergangenheit pauschal abgegolten worden seien, nunmehr entsprechend den tatsächlich geleisteten Dienstbereitschaftsstunden vergüten will, sei nach der Rechtsprechung des LAG Frankfurt am Main (Beschluss vom 26.02.1985 - 4 TaBV 97/84 -) das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG betroffen.

Der Betriebsrat beantragt,

1. der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 23. April 2008, Az.: 6 BV 1291/07, wird abgeändert;

2. der Beteiligten zu 3. wird untersagt, in ihren Arbeitsverträgen im Gemeinschaftsbetrieb Frankfurt am Main Vertragsklauseln zu verwenden, nach deren Inhalt die von den Arbeitnehmern im Sinne von § 5 Abs. 1 BetrVG geleisteten Mehrarbeitsstunden mit dem vereinbarten Jahresgehalt pauschal abgegolten sind, ohne dass hierfür jeweils die Zustimmung des Betriebsrats vorliegt oder durch Spruch der Einigungsstelle ersetzt ist;

3. der Beteiligten zu 3. wird für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Ziffer 2. ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch € 10.000,00, angedroht.

Die Arbeitgeberinnen beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie meinen, die Anträge seien unzulässig, weil das Verfahren erledigt sei, nachdem sie Verträge des streitgegenständlichen Inhalts nicht mehr abschließe. Unbegründet seien die Anträge, da für ein Mitbestimmungsrecht gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bereits der erforderliche abstrakt-generelle, kollektive Tatbestand fehle, weil die angegriffene Vertragsklausel die einzelvertragliche Vereinbarung der individuellen Lohnhöhe betreffe. Bei der vereinbarten pauschalierten Überstundenabgeltung handele es sich nicht um ein Entgeltfindungssystem, denn das Entgelt sei durch die individuelle Vereinbarung des Jahresgehalts bereits "gefunden". Die Festlegung des für dieses Entgelt zu erbringenden Umfangs der Arbeitsleistung sei nicht mitbestimmungspflichtig. Die vom Arbeitsgericht herangezogene Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main sei nicht einschlägig, da nach dem ihr zugrunde liegenden Sachverhalt die tatsächlich geleisteten Stunden einzeln abgerechnet werden sollten. Damit habe sich der Arbeitgeber in jenem Fall für einen Stundenlohn, also ein Entlohnungssystem entschieden. Auch aus § 77 Abs. 1 BetrVG ergebe sich keine Begründung der Anträge. Schließlich werde auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, da dieser im Bereich der Vergütung nur eingeschränkt anwendbar sei und es sich bei der Verwendung der Vertragsklausel um jeweils individuelle Lohnvereinbarungen handele.

Wegen des vollständigen Vortrags der Beteiligten im Beschwerderechtszug wird ergänzend auf die Beschwerdebegründung (Bl. 120 - 127 d.A.), den Schriftsatz des Betriebsrats vom 12.01.2009 (Bl. 157 - 159 d.A.) sowie auf die Beschwerdebeantwortung (Bl. 144 - 153 d.A.) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist im wesentlichen begründet.

Der Betriebsrat kann von der Arbeitgeberin verlangen, dass sie ihren Arbeitnehmern gegenüber Vertragsklauseln nicht mehr verwendet, denen zufolge etwa geleistete Mehrarbeit mit dem vereinbarten Jahresgehalt pauschal abgegolten ist (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 i.V.m. § 2 BetrVG).

1.

Die Anträge des Betriebsrats sind zulässig.

a) Der Betriebsrat hat die erforderliche Antragsbefugnis.

Mit der begehrten Untersagung macht er nicht etwa Rechte der von den streitgegenständlichen Vertragsklauseln betroffenen Arbeitnehmern geltend, sondern eigene. Er beruft sich nämlich darauf, dass die Arbeitgeberin mit der Verwendung der Mehrarbeitspauschalabgeltungsklausel seine Rechte aus einer abgeschlossenen Betriebsvereinbarung bzw. seine Mitbestimmungsrechte gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG verletzt.

b) Das Beschlussverfahren ist auch nicht etwa deshalb erledigt, weil die Arbeitgeberin unstreitig seit dem 17.04.2008 die fragliche Vertragsklausel in neu abzuschließende Arbeitsverträge nicht mehr aufnimmt. Sie "verwendet" die umstrittene Abgeltungsregelung nämlich nach wie vor in der Weise, dass sie sie auf Arbeitnehmer, die vom 01.02.2006 bis zum 17.04.2008 Arbeitsverträge mit ihr abgeschlossen haben, vom Gleitzeitausgleich durch Gewährung bezahlter Freistellung ausschließt und deren etwaige Mehrarbeitsleistung durch die Vergütung als ausgeglichen ansieht. Auch diese "Anwendung" der Klausel bleibt eine "Verwendung", wie bereits das Arbeitsgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend festgestellt hat (Bl. 85 d.A.). Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis ist folglich gegeben, da die Arbeitgeberin die umstrittene Klausel weiterhin zur Wirkung bringt.

2.

Die Anträge sind auch begründet.

Der Betriebsrat hat einen Anspruch auf die begehrte Unterlassung, weil die Arbeitgeberin mit dem beanstandeten Verhalten Rechte des Betriebsrats gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG verletzt. Es besteht daher der sog. allgemeine Unterlassungsanspruch (BAG seit dem Beschluss vom 03.05.1994 - 1 ABR 24/93 - BB 1994, S. 2273 ff.).

a) Allerdings kann der Betriebsrat sein Unterlassungsbegehren nicht auf die gem. § 77 Abs. 1 BetrVG bestehende Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Durchführung bestehender Betriebsvereinbarungen stützen.

Zutreffend hat bereits das Arbeitsgericht im angefochtenen Beschluss ausgeführt (S. 7, Bl. 86 d.A.), dass die Arbeitgeberin während des Nachwirkungszeitraums infolge ihrer Kündigung der "Betriebsvereinbarung Arbeitszeit" vom 27.09.2004 durch den Schriftsatz der Arbeitgeberin vom 01.02.2006 (Bl. 54 - 57 d.A.) berechtigt war, von dieser Betriebsvereinbarung zu Ungunsten der Arbeitnehmer abweichende individualvertragliche Absprachen zu treffen (Fitting u.a., BetrVG, 24. Aufl. 2008, § 77 Rn 183). Allerdings müssen solche anderen Abmachungen ihrerseits betriebsverfassungsrechtlich zulässig sein.

b) Mit der Vereinbarung einer pauschalen Abgeltung etwaiger Mehrarbeit über ein Jahresgehalt gem. § 4 des von der Arbeitgeberin verwandten Vertragsformulars verletzt sie Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Mit dieser Vorgehensweise trifft sie eine Regelung der betrieblichen Lohngestaltung und ändert dabei bisher bestehende Entlohnungsgrundsätze.

aa) Der für das Bestehen dieses Mitbestimmungsrechts erforderliche kollektive Tatbestand (Fitting, a. a. O., § 87 Rn 417) ist gegeben. Die Arbeitgeberin traf nicht nur mit einzelnen Arbeitnehmern individuelle Lohnvereinbarungen und nahm nicht nur nach individuellen Gesichtspunkten ausgewählte Arbeitnehmer von den Möglichkeiten des Freizeitausgleichs für tatsächlich erbrachte Mehrarbeit aus. Sie tut dies vielmehr gleichmäßig allen Arbeitnehmern gegenüber, die in der Zeit vom 01.02.2006 bis zum 17.04.2008 hinsichtlich § 4 der Arbeitsverträge gleich lautende Vereinbarungen trafen. Hierbei handelt es sich nicht mehr um eine Vertragsgestaltung mit Rücksicht auf den Einzelfall, sondern um einen kollektiven Tatbestand.

bb) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (beispielsweise: Beschluss vom 30.10.2001 - 1 ABR 8/01 - NZA 2002, S. 920 ff.) betrifft die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG das Festlegen abstrakt-genereller Kriterien, nach denen die Entlohnung im Betrieb erfolgen soll. Der Betriebsrat hat danach mitzubestimmen über die Faktoren der Lohnfindung einschließlich des Verfahrens, nach dem sich die Bestimmung des Entgelts richtet. Ein Mitbestimmungsrecht zur Höhe des Lohns besteht dagegen nicht. Zweck dieses Mitbestimmungsrechts ist es, die Arbeitnehmer vor einer einseitig an den Interessen des Arbeitgebers ausgerichteten Lohngestaltung zu schützen und die innerbetriebliche Lohngerechtigkeit zu wahren.

Nach Auffassung der Kammer stellt die Arbeitgeberin einen Entlohnungsgrundsatz auf, wenn sie die Höhe der Vergütung losgelöst vom Umfang der dafür als Gegenleistung zu erbringenden Arbeitszeit festlegt. Genau dies geschieht, wenn eine Jahrespauschalvergütung vereinbart wird, mit der auch etwa zu leistende Mehrarbeit abgegolten werden soll. Es wird ein abstrakt-genereller Grundsatz der Lohnfindung festgelegt, wenn die Ermittlung der Höhe der Vergütung nicht mehr auf der Grundlage der Dauer der tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung erfolgt, sondern unabhängig davon pauschaliert wird. Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin handelt es sich bei ihrer Verfahrensweise durchaus um eine Methode der "Lohnfindung". Der Lohn ist mit der Vereinbarung des jährlichen Pauschalgehalts gerade noch nicht "gefunden". Seinen Entgeltcharakter erhält Lohn als Geldleistung erst mit Rücksicht auf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers und deren Umfang. Der nach der Pauschalentlohnungsregelung der Beklagten in § 4 ihrer Arbeitsverträge vereinbarte Lohn ist erst am jeweiligen Jahresende "gefunden", wenn feststeht, welche Arbeitsleistung der jeweilige Arbeitnehmer für die Pauschale erbracht hat.

Dem kann nicht entgegengehalten werden, der Betriebsrat mache mit seinem Begehren einen Anspruch auf Mitbestimmung der Lohnhöhe geltend. Es ist und bleibt der Arbeitgeberin überlassen, welche Jahresvergütung sie der Höhe nach mit jedem Arbeitnehmer vereinbart. Mitbestimmungspflichtig bleiben aber die Strukturformen des Entgelts einschließlich ihrer näheren Vollzugsformen (ständige Rechtsprechung des BAG: Beschluss vom 16.07.1991 - 1 ABR 66/90 - NZA 1992, S. 178 ff.). Mit einer formularvertragsmäßigen Einführung einer Pauschalmehrarbeitsvergütung bestimmt die Arbeitgeberin die Strukturformen des Entgelts in mitbestimmungspflichtiger Weise.

cc) Mitbestimmungspflichtig ist gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG darüber hinaus auch die Änderung bestehender Entlohnungsgrundsätze.

Nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss vom 28.02.2006 - 1 ABR 4/05 - NZA 2006, S. 1426 ff.) kommt es für das Beteiligungsrecht des Betriebsrats nicht darauf an, auf welcher rechtlichen Grundlage die Anwendung der bisherigen Entlohnungsgrundsätze erfolgte, ob etwa auf der Basis bindender Betriebsvereinbarungen, einzelvertraglicher Absprachen oder einer einseitig praktizierten Vergütungsordnung. Aufgrund Ziffer 5 der Betriebsvereinbarung Arbeitszeit vom 27.09.2004 wurden und werden bei der Arbeitgeberin geleistete Mehrarbeitsstunden, soweit sie nicht ein Kontingent von 100 Stunden überschreiten, durch Ausgleich in bezahlter Freizeit entgolten. Der darin liegende Entlohnungsgrundsatz, nämlich Entgeltlichkeit von Überstundenleistungen, wird geändert, wenn aufgrund von Arbeitsverträgen mit einer Überstundenpauschalabgeltungsklausel die einzelne Mehrarbeitsstunde unberücksichtigt für die Ermittlung der Vergütung bleibt. Die Arbeitgeberin veränderte ihr Lohnfindungssystem, das einen Bezug zur Dauer der erbrachten Arbeitsleistung hatte in ein solches, das eine Lohnfindung unabhängig vom Umfang der Arbeitsleistung vorsieht. Auch unter diesem Gesichtspunkt verstößt die Verfahrensweise der Arbeitgeberin daher gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebrats gem. § 87 Abs. 1 Ziffer 10 BetrVG.

Nach alledem kommt es nicht mehr darauf an, ob die Arbeitgeberin darüber hinaus mit ihrer Verfahrensweise den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt (vgl. Fitting, a. a. O., § 77 Rn 185) und ob ggf. auch insoweit ein Unterlassungsanspruch des Betriebsrats zu bejahen ist (vgl. BAG, Beschluss vom 28.05.2002 - 1 ABR 32/01 - NZA 2003, S. 166 ff.).

Die für die Begründetheit des Unterlassungsantrag erforderliche Wiederholungsgefahr besteht zweifelsfrei, da die Arbeitgeberin unstreitig fortgesetzt etwaige Mehrarbeit von Arbeitnehmern mit Verträgen, die eine Pauschalabgeltungsklausel enthalten, nicht in bezahlter Freizeit abgilt.

Unbegründet ist die Beschwerde, soweit die Androhung eines Ordnungsgeldes von "mindestens" 10.000,- EUR begehrt wird. Entsprechend § 23 Abs. 3 Satz 5 BetrVG beträgt das Höchstmaß des Ordnungsmittels 10.000,- EUR.

Gegen diese Entscheidung ist gem. §§ 92 Abs. 1 i.V.m. 72 Abs. 2 ArbGG die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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