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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 25.02.2008
Aktenzeichen: 7 Sa 677/07
Rechtsgebiete: ArbGG, InsO


Vorschriften:

ArbGG § 64
InsO § 182
Das Berufungsgericht ist ausnahmsweise dann nicht an den vom Arbeitsgericht festgesetzten Streitwert als Beschwerdewert i. S. d. § 64 Abs. 2 b) ArbGG gebunden, wenn die Festsetzung des Streitwerts offensichtlich unrichtig ist (st. Rspr.).

Dies ist der Fall, wenn das Arbeitsgericht bei einer Klage auf Feststellung einer vom Insolvenzverwalter bestrittenen Forderung zur Insolvenztabelle entgegen § 182 InsO den Wert nach der vollen Höhe der Forderung festgesetzt hat, obwohl Masseunzulänglichkeit vorliegt und die zu erwartende Quote keinesfalls einen Betrag in Höhe von über 600,00 Euro erwarten lässt.


Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 16. Januar 2007 - 8 Ca 2074/06 - wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Feststellung einer Provisionsforderung des Klägers zur Insolvenztabelle.

Der Kläger hatte zunächst einen Provisionsanspruch in Höhe von 4.549,91 € brutto gegenüber der Insolvenzschuldnerin, seiner früheren Arbeitgeberin, geltend gemacht und nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über deren Vermögen zur Insolvenztabelle angemeldet. Die zur Insolvenzverwalterin bestellte Beklagte hat einen Teilbetrag von 1.268,46 € festgestellt und die Forderung im Übrigen bestritten. Der Kläger macht nunmehr einen Feststellungsanspruch in Höhe von 3.370,17 € gerichtlich geltend.

Im April 2005 hat die Beklagte die Masseunzulänglichkeit angezeigt, die bis heute nicht beseitigt ist.

Wegen des zu Grunde liegenden Sachverhalts im Übrigen, des Vorbringens der Parteien und ihrer Anträge erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 124 - 128 d.A.) verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 16. Januar 2007, auf dessen Inhalt zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, die Forderung des Klägers in der bereits von der Beklagten anerkannten Höhe erneut festgestellt, im Übrigen aber die Klage abgewiesen, die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger zu 62%, der Beklagten zu 38% auferlegt und den Wert des Streitgegenstandes auf 3.370,17 € festgesetzt.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, die er für zulässig und begründet hält. Er ist der Auffassung, der Wert seiner Beschwer sei mit dem vom Arbeitsgericht festgesetzten Streitwert identisch. Daran sei das Berufungsgericht bei der Prüfung der Statthaftigkeit der Berufung gebunden, da die Festsetzung jedenfalls nicht offensichtlich fehlerhaft erfolgte. Das Arbeitsgericht habe den Streitwert noch innerhalb des Rahmens festgesetzt, der richtig sein könnte. Denn bei einer hundertprozentigen Quote würde der Wert mit der Feststellung übereinstimmen.

Wegen des weiteren Vortrags des Klägers in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung (Bl. 177 - 190 d.A.) verwiesen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 16. Januar 2007 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main, Az. 8 Ca 2074/06, die Forderung des Klägers in Höhe von weiteren 3.370,17 € zur Insolvenztabelle festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags. Auf Bl. 195 - 200 d.A. wird insofern Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Zwar hat der Kläger innerhalb der gesetzlichen Frist von einem Monat nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils Berufung eingelegt und diese auch rechtzeitig begründet. Dennoch ist dem Berufungsgericht die Überprüfung des Urteils vom 16. Januar 2007 nicht möglich.

Die Berufung ist nicht statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 € nicht übersteigt und die Berufung vom Arbeitsgericht nicht zugelassen wurde, § 64 Abs. 2 a und b ArbGG.

Zwar hat das Arbeitsgericht den Streitwert des Urteils erster Instanz mit 3.370,17 € auf einen die Berufungsgrenze übersteigenden Betrag festgesetzt, und der Kläger verfolgt ausweislich seines Berufungsantrags sein Feststellungsbegehren weiterhin im vollen vom Arbeitsgericht abgewiesenen Umfang. Dennoch ist die Berufung im vorliegenden Fall unstatthaft.

An die Festsetzung des Streitwerts eines Urteils erster Instanz ist das Berufungsgericht im Regelfall gebunden. Von ihr muss es grundsätzlich ausgehen, wenn es um die Beurteilung geht, ob der Wert des Beschwerdegegenstandes im Sinne des § 64 Abs. 2 ArbGG erreicht und deshalb die Berufung statthaft ist (BAG, Urteil vom 24.08.1983 - 7 AZR 558/81 - nicht veröffentlicht; Beschluss vom 22.04.1984 - 2 AZB 25/52 - AP ArbGG 1979 § 12 Nr. 7; Urteil vom 11.06.1986 - 5 AZR 512/83 - AP ArbGG 1979 § 61 Nr. 3).

Diese Bindungswirkung tritt nur dann nicht ein, wenn die Streitwertfestsetzung des Arbeitsgerichts offensichtlich unrichtig ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist dies der Fall, wenn sie in jeder Beziehung unverständlich und unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt zu rechtfertigen ist und außerdem der zutreffende Streitwert auf den ersten Blick die für den Beschwerdewert maßgebliche Grenze übersteigt oder unterschreitet, wobei es auf die Betrachtung aus der Sicht des mit der Rechtsmitteleinlegung beauftragten Prozessbevollmächtigten und des mit der Prüfung des Rechtsmittels befassten Rechtsmittelgerichts ankommt (ständige Rechtsprechung vgl. BAG Beschluss vom 22. Mai 1984 a.a.O., Urteil vom 11.06.1986 a.a.O.).

Dies ist im vorliegenden Rechtsstreit der Fall.

Der Kläger macht einen Anspruch auf Feststellung einer Forderung zur Insolvenztabelle geltend. Nach § 182 InsO bestimmt sich der Streitwert einer Klage auf Feststellung einer Forderung, deren Bestand vom Insolvenzverwalter bestritten worden ist, nach dem Betrag, der bei der Verteilung der Insolvenzmasse für die Forderung zu erwarten ist. Diese zwingende Vorschrift blieb offensichtlich bei der Streitwertfestsetzung durch das Arbeitsgericht unberücksichtigt. Bei richtiger Anwendung hätte das Arbeitsgericht angesichts der erklärten Masseunzulänglichkeit einen weit geringeren Streitwert festsetzen müssen, der die Berufungsgrenze von 600,00 € nicht überschritten hätte. Denn nur wenn mit einer Quote von mehr als 18% gerechnet werden könnte, ergibt sich aus der Forderung des Klägers ein solcher höherer Streitwert. Hierfür liegen jedoch keinerlei Anhaltspunkte vor. Vielmehr hat der Beklagtenvertreter auch im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer hierzu lediglich ausgeführt, die Beklagte führe Rechtsstreitigkeiten gegen die früheren Geschäftsführer, die inzwischen ihrerseits Insolvenz angemeldet hätten. Eine Quote von 20% sei daher höchst unwahrscheinlich. Dem ist der Kläger nicht entgegen getreten.

Die erkennbare offensichtliche Unrichtigkeit der Streitwertfestsetzung des erstinstanzlichen Urteils ergibt sich somit daraus, dass das Arbeitsgericht entgegen der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in § 182 InsO den Streitwert mit der vollen Höhe der nach Antrag des Klägers festzustellenden Forderung festgesetzt hat. Das Berufungsgericht folgt insofern der Rechtsansicht des LAG Köln, das in einem Fall, in dem das Arbeitsgericht entgegen der Regelung in § 12 Abs. 7 Satz 2, 2. Halbsatz ArbGG bis zur Klageerhebung entstandene Rückstände dem dreijährigen Bezug hinzugerechnet hat, ebenfalls die Bindung an die erstinstanzliche Wertfestsetzung abgelehnt hat (LAG Köln, Urteil vom 12.11.2003 - 8 Sa 706/03 - NZA-RR 2004, 433-434).

Die dem gesetzlichen Gebot des § 182 InsO widersprechende Wertfestsetzung war offensichtlich unzutreffend und hätte dem mit der Einlegung des Rechtsmittels beauftragten Rechtsanwalt angesichts der nach dem Verlauf der ersten Instanz völlig unsicheren Aussicht auf Erzielung einer Quote im Insolvenzverfahren sogleich auffallen müssen. Das Landesarbeitsgericht erkannte die fehlerhafte Wertfestsetzung bei der ersten Prüfung der Zulässigkeit der Berufung noch vor der Anberaumung eines Termins und wies die Parteien mit Beschluss vom 18. Juli 2007 (Bl. 201 d.A.) auf die Bedenken hinsichtlich der Statthaftigkeit der Berufung hin.

Die Berufung war daher als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Für die Zulassung des Rechtsmittels der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG bestand keine gesetzlich begründbare Veranlassung.

Ende der Entscheidung

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