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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 06.02.2008
Aktenzeichen: 8/14 Sa 2014/06
Rechtsgebiete: BetrAVG


Vorschriften:

BetrAVG § 1
Überschuss oder Gewinnanteile (Tantiemen) einer Direktversicherung, die die Versicherungssumme erhöhen stehen dem versorgungsberechtigten Arbeitnehmer zu, wenn keine abweichende Vereinbarung darüber mit dem Versorgungsberechtigten getroffen ist.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts in Frankfurt am Main vom 27. September 2007 - 7 Ca 2171/06 - abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt,

1. dem Kläger Auskunft über die Höhe der angefallenen Überschuss-/Gewinnanteile der beiden bei der Axxxxx Lebensversicherungs-AG als Direktversicherung abgeschlossenen Lebensversicherungen, VS-Nrn.: 3975 0141-01 sowie 3975 014-02, bezogen auf den Zeitraum 01.01.1992 bis 30.06.2005 zu erteilen;

2. die nach Ziffer 1). zu erteilenden Auskünfte durch Vorlage entsprechender Abrechnungsunterlagen der Axxxxx Lebensversicherungs-AG zu belegen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger Auskunft über Überschussanteile verlangen kann, die auf zu seinen Gunsten abgeschlossene Direktversicherungen entfallen.

Der am 04. März 1956 Kläger war bis zum 30. Juni 2005 im Ingenieurbüro des Beklagten angestellt. Das Arbeitsverhältnis hatte aufgrund ordentlicher Kündigung des Klägers geendet.

Der Beklagte hatte das Ingenieurbüro zum 01. Januar 1992 von dem früheren Inhaber, dem Dipl.-Ing. Bxxxxxxxxxxx, übernommen, bei dem der Kläger seit dem 01. September 1971 angestellt gewesen war.

Unter dem 20. Dezember 1971 hatte der frühere Betriebsinhaber zugunsten des Klägers eine Direktversicherung über 25.000,00 DM bei der Axxxxx Lebensversicherungs-AG (Versicherungsschein-Nr. 3975 014-01) Dem lag ursprünglich ein Versorgungsschein und "Richtlinien" zugrunde, die der Kläger und der frühere Betriebsinhaber vereinbarten (vgl. Bl. 11, 12 d.A.).

Eine spätere "Vereinbarung über die betriebliche Altersvorsorge" datiert vom 20. Dezember 1972. Dort heißt es:

"Die Versicherungssumme wird im Rahmen der Versicherungsbedingungen bei Ihrem Tode, spätestens aber bei Erreichen des im Vertrag festgelegten Alters von 60 bzw. 65 Jahren fällig.

Hinsichtlich der Anspruchsberechtigung gelten die zwischen der Firma und der AXXXXX getroffenen vertraglichen Vereinbarungen.

Scheiden Sie vor Eintritt des Versicherungsfalles (Ablauf oder Tod) durch eigene Kündigung aus der Firma aus, so verlieren Sie und Ihre Angehörigen die Ansprüche auf die Versicherungsleistung. Sind Sie jedoch seit mehr als 10 Jahren in der Firma tätig, so können Sie verlangen, dass wir alle Rechte - mit Ausnahme der bis dahin fällig gewordenen Gewinnanteile - auf Sie übertragen. Das gleiche gilt für das Ausscheiden infolge Invalidität oder wegen einer Kündigung durch uns, ohne dass ein Grund vorliegt, der zur fristlosen Kündigung berechtigt." (Anlage zum Protokoll vom 12. Sept. 2007).

Eine entsprechende Lebensversicherung und Vereinbarung über die betriebliche Altersversorgung schloss der frühere Betriebsinhaber unter dem 11. Dezember 1980 ab unter der Versicherungsschein-Nr. 3975 014-02.

Wegen der allgemeinen Vertragsbedingungen der Axxxxx Lebensversicherung, der besonderen Vereinbarungen und der Vertragsblätter für den Kläger wird auf die im Termin vom 12. September 2007 zu den Akten gereichten Unterlagen (Bl. 116 f., 119 f., 122 f. und 126 f. d.A.) verwiesen.

Der frühere Betriebsinhaber und der Beklagte schlossen am 07. November 1991 einen Büroübernamevertrag (Bl. 6-11 d.A.). Dort heißt es in § 3:

"Dabei bleibt der Besitzstand jeder Person gewahrt. Dazu gehört insbesondere die Fortführung der betrieblichen Lebensversicherung bei der Firma Axxxxx ... Der Übergeber verzichtet auf die bis jetzt angesammelten Gewinnanteile aus dieser Lebensversicherung zugunsten der Mitarbeiter".

In Höhe der aus den beiden Direktversicherungen in dem Zeitraum vom jeweiligen Vertragsbeginn bis zum 31. Dezember 1991 angesammelten Überschussanteile schloss der Beklagte am 10. Februar 1999 bei der Axxxxx Lebensversicherungs-AG zugunsten des Klägers eine dritte Direktversicherung, stellte diese beitragsfrei und übertrug dem Kläger insoweit die Stellung des Versicherungsnehmers.

Am 24. März / 14. April 1992 schlossen der frühere Betriebsinhaber und der Beklagte mit der Axxxxx Lebensversicherung eine Vereinbarung über einen Nachtrag Nr. III. zum Gruppenversicherungsvertrag in dem es heißt:

"Die Gewinnanteile aus den einzelnen Versicherungen stehen der Firma zu."

Mit Schreiben ebenfalls vom 14. April 1992, das er Beklagte gegenzeichnete, erklärte der frühere Betriebsinhaber, dass von den Ansprüchen der Mitarbeiter auf die Versicherungsleistungen ausdrücklich die bis dahin angesammelten Gewinnanteile ausgenommen seien, was mit dem Nachtrag III. bestätigt worden sei.

Der Beklagte führte die Direktversicherungen aus 1972 und 1980 für den Kläger weiter bis zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Kläger zum 30. Juni 2005.

Der Beklagte teilte dem Kläger für die beiden Lebensversicherungen aus den Jahren 1971 und 1980 als unverfallbare Anwartschaft den Teil der Versicherungssumme von jeweils 12.783,00 EUR (25.000,00 DM) mit, der dem Verhältnis seiner tatsächlichen Betriebszugehörigkeit bis zur Altersgrenze möglichen Betriebszugehörigkeit entspricht, ohne die Überschussanteile zu berücksichtigen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stünden auch die Überschussanteile für die Zeit vom 01. Januar 1992 bis 30. Juni 2005 zu. Das ergebe sich aus dem Büroübernahmevertrag. Eine andere Mitarbeitern der Beklagten habe sämtliche Überschussanteile aus der bestehenden Direktversicherung zugewandt erhalten. Der Kläger hat sein Klagebegehren im Rahmen einer Stufenklage verfolgt.

Der Kläger hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger Auskunft über die Höhe der angefallenen Überschuss-/Gewinnanteile der beiden bei der Axxxxx Lebensversicherungs-AG als Direktversicherung abgeschlossenen Lebensversicherungen, Versicherungsschein-Nrn.: 3975 014-01 sowie 3975 014-02, bezogen aus dem Zeitraum 01. Januar 1992 bis 30. Juni 2005 zu erteilen;

2. den Beklagten zu verurteilen, die nach Ziff. 1) zu erteilenden Auskünfte durch Vorlage entsprechender Abrechnungsunterlagen der Axxxxx Lebensversicherungs-AG zu belegen.

Der Kläger hat darüber hinaus für die 2. Stufe den Antrag angekündigt,

3. den Beklagte zu verurteilen, die sich nach Ziff. 1) und 2) für den Zeitraum 01. Januar 1992 bis zum 30. Juni 2005 ergebenden Überschuss-/Gewinnanteile zur Verbesserung der Versicherungsleistungen aus den bei der Axxxxx Lebensversicherungs-AG als Direktversicherung abgeschlossenen Lebensversicherungen, Versicherungsschein-Nrn.: 3975 014-01 sowie 3975 014-02 zugunsten des Klägers zu verwenden und diesem auch insoweit ein unwiderrufliches Bezugsrecht einzuräumen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, dass dem Kläger mangels Anspruchsgrundlage kein Auskunftsanspruch zustehe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen mit Urteil vom 27. September 2006, auf das Bezug genommen wird.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers. Wegen der für die Zulässigkeit der Berufung erheblichen Daten wird auf das Protokoll vom 12. September 2007 verwiesen.

Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Der Anspruch auf die Überschussanteile ergebe sich auch aus späteren Schreiben des Beklagten, in denen der Beklagte ausgeführt habe, dass die Eigenkündigung des Klägers der Grund dafür gewesen sei, dass die Gewinnanteile, welche ab 1992 angefallen sind, bei dem Beklagten verblieben.

Der Kläger beantragt nach der Rücknahme seines erstinstanzlichen Antrages zu 3.):

Das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 27. September 2006 - 7 Ca 2171/06 - abzuändern und den Beklagten zu verurteilen,

1. dem Kläger Auskunft über die Höhe der angefallenen Überschuss-/Gewinnanteile der beiden bei der Axxxxx Lebensversicherungs-AG als Direktversicherung abgeschlossenen Lebensversicherungen, Versicherungsschein-Nrn.: 3975 014-01 sowie 3975 014-02, bezogen aus dem Zeitraum 01. Januar 1992 bis 30. Juni 2005 zu erteilen;

2. die nach Ziff. 1) zu erteilenden Auskünfte durch Vorlage entsprechender Abrechnungsunterlagen der Axxxxx Lebensversicherungs-AG zu belegen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen des weiteren Vorbringens der Partien wird auf Berufungsbegründung und Berufungserwiderung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet.

Die Klage ist begründet. Der Kläger kann Auskunft über die Höhe der angefallenen Überschuss-/Gewinnanteile der beiden streitigen Lebensversicherungen verlangen. Der Beklagte hat dem Kläger gemäß § 4 a BetrAVG Auskunft über die Höhe der in der Zeit vom 01. Januar 1992 bis 30. Juni 2005 angefallenen Überschussanteile zu erteilen. Die Überschussanteile der beiden Versicherungen sind Bestandteil der dem Kläger durch Abschluss der Direktversicherungen zugesagten Versorgung. Deshalb steht ihm eine unverfallbare Anwartschaft nicht nur hinsichtlich der Versicherungssumme, sondern auch in Höhe der während seiner Betriebszugehörigkeit erwirtschafteten Überschussanteile zu (BAG 3 AZR 15/85 v. 29.07.1986, AP-Nr. 3 zu § 1 BetrAVG Lebensversicherung; Höfer, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, Rz. 31, 84).

Die Überschussanteile aus den zugunsten des Klägers abgeschlossenen Direktversicherungen sind Bestandteil der Versorgungszusage an den Kläger und sollten ihm zustehen.

Grundsätzlich kann der Arbeitgeber als Versicherungsnehmer frei darüber entscheiden, ob Überschussanteile ihm oder dem Arbeitnehmer zustehen sollten. Enthält ein Versorgungsversprechen keine Regelung darüber, wem die Überschussanteile aus einer Lebensversicherung zufallen, kommt der entsprechende Summenzuwachs dem versorgungsberechtigten Arbeitnehmer zu Gute (LAG Hamm v. 10.11.1987 - 6 Sa 2047/86, DB 1988, 507; OLG Nürnberg v. 27.09.1968). Wenn eine anderweitige Vereinbarung fehlt, kann der versorgungsberechtigte Arbeitnehmer Überschussanteile beanspruchen, wenn sie zur Erhöhung der Versicherungssumme verwendet werden oder ihre verzinsliche Ansammlung vorgesehen ist, ohne eine Bestimmung über das Bezugsrecht (LAG Hamm 6 Sa 992/97 v. 20.01.1998, DB 1998, 631).

Ist nämlich von den Vertragsschließenden keine Bestimmung über das Bezugsrecht hinsichtlich der Überschussanteile getroffen, ist davon auszugehen, dass sie dem bezugsberechtigten Arbeitnehmer unmittelbar zufallen sollen. Bringt der Arbeitgeber nämlich nicht zum Ausdruck, dass die Gewinnanteile der Korrektur der vorab entrichteten Prämien dienen oder dass sie als besonderes Überschussguthaben zu seinen Gunsten verzinslich anzusammeln sind, macht er damit deutlich, dass dem Arbeitnehmer alle Vorteile aus der für ihn abgeschlossenen Lebensversicherung zustehen sollen. Bei einer derartigen Konstellation erwirbt der Bezugsberechtigte die Überschussanteile, da sie erkennbar wie die Versicherungssumme behandelt werden sollen.

Im vorliegenden Fall enthalten die Versicherungsbedingungen und der Versicherungsschein keine Bestimmung über die Behandlung von Überschussanteilen, es ist lediglich im Vertragsblatt für den Kläger hinsichtlich der Art der Überschussverwendung jeweils festgehalten, dass eine verzinsliche Ansammlung erfolgen soll. Allerdings enthalten die Vereinbarungen über die betriebliche Altersversorgung vom 20. Dezember 1972 und vom 11. Dezember 1980 jeweils eine Bestimmung über die Behandlung der Ansprüche auf die Versicherungsleistung bei Ausscheiden durch eigene Kündigung vor Eintritt des Versicherungsfalles. Danach soll der Anspruch auf die Versicherungsleistungen entfallen bei einem Ausscheiden mit einer Betriebszugehörigkeit von unter 10 Jahren. Danach soll die Übertragung aller Rechte verlangt werden können, allerdings mit der Ausnahme der bis dahin fällig gewordenen Gewinnanteile. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass bei bestehendes Arbeitsverhältnisses bis zum Versicherungsfall die Überschussanteile dem Kläger zustehen sollten.

Allerdings ist der Kläger aufgrund eigener Kündigung vor Eintritt des Versorgungsfalles ausgeschieden. Das würde nach der vertraglichen Vereinbarung über die betriebliche Altersversorgung bedeuten, dass ihm die fällig gewordenen Gewinnanteile nicht zustehen. Allerdings steht dem § 2 Abs. 1 BetrAVG entgegen. Danach hat ein vorher ausgeschiedener Arbeitnehmer, dessen Anwartschaft fortbesteht, einen Anspruch mindestens in Höhe des Teils der ohne das vorherige Ausscheiden zustehenden Leistung, der dem Verhältnis der tatsächlichen zur möglichen Betriebszugehörigkeit entspricht. Es ist also die Leistung zu quoteln, die ohne vorheriges Ausscheiden zustünde. Nach der "Vereinbarung über de betriebliche Altersvorsorge" stünde dem Kläger aber ohne vorheriges Ausscheiden die volle Versicherungsleistung einschließlich der Überschussanteile zu.

Der Anspruch des Klägers wird auch nicht berührt durch die Vereinbarungen des Klägers mit dem früheren Betriebsinhaber und durch den Nachtrag III. zum Versicherungsvertrag. Die Vereinbarungen zwischen dem Beklagten und dem früheren Betriebsinhaber konnten vertragliche Ansprüche des Klägers nicht verändern. Verträge können nur von den Vertragsparteien abgeändert werden, nicht durch Verträge einer Vertragspartei mit einem Dritten.

Entsprechendes gilt für den Nachtrag III. Dieser Vertrag zwischen Versicherung, dem Beklagten und dem früheren Betriebsinhaber konnte ebenfalls nicht die bestehenden vertraglichen Rechte des Klägers berühren, wenn dieser nicht ebenfalls zustimmte. Der Nachtrag berührt nur das Verhältnis der Versicherung zum Beklagten und zum Kläger als Bezugsberechtigten, nicht das Verhältnis zwischen letzteren.

Die Geltung dieses Nachtrags ergibt sich auch nicht aus dem Verweis in der Vereinbarung über die betriebliche Altersvorsorge. Dort ist auf die "zwischen der Firma und der Axxxxx getroffenen vertraglichen Vereinbarungen" verwiesen. Damit wird Bezug genommen auf die zu damaligen Zeitpunkt bestehenden - "getroffenen" - Vereinbarungen, nicht aber auf alle zukünftigen Vertragsänderungen. Es ist nämlich nicht auf die jeweiligen Vereinbarungen verwiesen. Es entspricht auch nicht dem Sinn und Zweck einer Versorgungsvereinbarung, über formale Veränderungen von Versicherungsbedingungen oder deren Anpassung an gesetzliche Bestimmungen hinaus dem Arbeitgeber das Recht zu geben durch einseitige Vereinbarung mit der Versicherung in den materiellen Inhalt des Versorgungsversprechens ohne Zustimmung des Arbeitnehmers einzugreifen.

Der Beklagte hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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