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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 19.11.2008
Aktenzeichen: 8/3 Sa 1077/08
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts in Kassel vom 15. Mai 2008 - 3 Ca 451/07 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis durch eine betriebsbedingte Kündigung beendet wurde.

Der am XX.XX.19XX geborene Kläger war bei der Beklagten seit dem 01. August 1997 als Mitarbeiter im Versand mit einem monatlichen Bruttoentgelt von zuletzt 2.448,18 € beschäftigt. Der Kläger ist verheiratet und - nach seinen Angaben - gegenüber einem Sohn unterhaltsverpflichtet, der sich zur Zeit in der beruflichen Erstausbildung befindet. Auf dem der Beklagten vorliegenden Steuerkarte des Klägers ist ein Kinderfreibetrag nicht eingetragen.

Die Beklagte ist ein tarifgebundenes Unternehmen der Metall - und Elektroindustrie, das automatische Türsysteme für Straßen - und Schienenfahrzeuge produziert. Im September 2007 beschäftigte die Beklagte in ihrem Kasseler Betrieb insgesamt 569 Mitarbeiter, die einen Betriebsrat gewählt haben. Die Beklagte befindet sich seit einigen Jahren in einer Ertragskrise. Im Jahr 2005 kam es zu einer Personalanpassung mit Interessenausgleich und Sozialplan sowie zu einer Fortführung der bereits abgeschlossenen Betriebsvereinbarung zur Beschäftigungssicherung nach dem Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung für die Eisen - Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen vom 01. Januar 2005. Die Beklagte, der Betriebsrat und die IG-Metall schlossen im September 2007 einen Sanierungstarifvertrag, der Anpassungen im Entgeltbereich, Arbeitszeiterhöhungen ohne Lohnausgleich, einen Personalabbau im Rahmen eines Interessenausgleichs mit Sozialplan sowie eine Standortsicherung für den Betrieb Kassel vorsah (vgl. die Eckpunkte der Einigung Anlage B 1 zum Schriftsatz der Beklagten vom 24. Januar 2008).

Am 15. Oktober 2007 schlossen die Beklagte und der Betriebsrat einen Interessenausgleich und einen Sozialplan ab (vgl. Anlage B 2 zum Schriftsatz der Beklagten vom 24. Januar 2008). In dem Interessenausgleich ist vorgesehen, dass zur Reduzierung der Personalüberhänge und zur Anpassung des Personalstandes an die längerfristig erwartete Auftragssituation 65 Stellen abgebaut werden. Dazu bestimmt der Interessenausgleich soweit hier von Interesse:

"4. Personalmaßnahmen

e. Gemeinsam mit dem Betriebsrat wurden betrieblich notwendige Mitarbeiter definiert, deren Ausscheiden entweder zum Know-how Verlust oder zum Verlust von Fähigkeiten und Fertigkeiten führen würde. Diese werden von der Sozialauswahl ausgenommen.

f. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer, denen gekündigt wird, richtet sich nach den gesetzlichen Bestimmungen und dem auf der Rechtsprechung basierenden Punkteschema gemäß Anlage 1.

Das Durchschnittsalter in der Fertigung beträgt mehr als 43 Jahre. Die Alterspyramide hat ihre größte Dichte jenseits der 40 und verjüngt sich stark nach unten. Um nicht zu einer noch ungünstigeren Altersverteilung zu kommen, ist es erforderlich, zumindest die derzeitige Altersstruktur nicht durch den geplanten Personalabbau zu verschlechtern.

Deshalb wird zur Sicherung der Altersstruktur in der Fertigung gemäß § 1 Abs. 3 S. 2, 2. Halbsatz Kündigungsschutzgesetz vereinbart, dass zum Zweck der Sozialauswahl vier Altersgruppen gebildet werden. Die 1. Gruppe reicht bis zum vollendeten 29. Lj., 2. Gruppe 30. bis vollendetes 39. Lj., 3. Gruppe 40. bis vollendetes 49. Lj., 4. Gruppe 50 bis vollendetes 59. Lj. und älter. Innerhalb der Altersgruppen sind die Mitarbeiter der geringsten Punktzahl entsprechen dem Verhältnis der Mitarbeiter in der jeweiligen Altersgruppen zur Anzahl der gewerblichen Mitarbeiter insgesamt vom Verlust des Arbeitsplatzes betroffen.

...

g. Gemeinsam mit dem Betriebsrat wurde eine namentliche Liste der zu entlassenden gewerblichen Mitarbeiter und der Angestellten (Anlage 2 und 3) erstellt, die Bestandteil dieses Interessenausgleichs sind. Sie werden in der gleichen Form wie der Interessenausgleich unterzeichnet und mit diesem fest verbunden.

..."

Nach dem Punkteschema zur sozialen Auswahl wird jedes unterhaltsberechtigte Kind mit 10 Punkten berücksichtigt. Dazu heißt es weiter:

"Maßgeblich ist der Eintrag des Kinderfreibetrages auf der Steuerkarte; wenn 0, 5, dann nur fünf Punkte".

Die Anlage 2 mit der Liste der zu entlassenden gewerblichen Arbeitnehmer wurde am 25. Oktober 2007 von der Beklagten und am 26. Oktober 2007 von dem stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden unterschrieben.

In der Anlage 2 heißt es:

"1. Geschäftsleitung und Betriebsrat haben die Sozialdaten der Mitarbeiter/innen eingehend beraten und die Sozialauswahl gemäß den gesetzlichen Vorschriften gemeinsam durchgeführt. Die Geschäftsleitung Betriebsrats sind sich einig, dass die nachfolgende Liste das Ergebnis ihrer gemeinsamen Sozialauswahl bildet und die hierauf enthaltenen Mitarbeiter/innen von den geplanten Entlassungen betroffen sind.

2. Die nachfolgende Liste ersetzt die individuellen durchzuführenden Anhörungen des Betriebsrats zu den Entlassungen. Diese Liste ist Bestandteil des Interessenausgleichs vom 15. Oktober 2007 und mit diesem untrennbar verbunden. "

In der Liste ist der Kläger mit seinem Geburtsdatum seinem Eintrittsdatum, der Steuerklasse 3, keinen Kinderfreibeträgen und einer Gesamtpunktzahl von 74 aufgeführt.

Die Namensliste wurde von den Betriebsparteien in der Weise erstellt, dass zunächst unter den 350 Mitarbeitern im gewerblichen Bereich eine Vorauswahl nach dem Punkteschema vorgenommen wurde. Dabei wurden vier Altersgruppen entsprechend Ziff. 4 f des Interessenausgleichs gebildet (vgl. die Liste der gewerblichen Arbeitnehmer mit Sozialdaten Anlage B 14 zum Schriftsatz der Beklagten vom 10. April 2008). Innerhalb der Altersgruppen wurde sodann die soziale Auswahl nach der Punktetabelle vorgenommen.

Danach wurde eine Liste der Mitarbeiter erstellt, deren Weiterbeschäftigung als betriebsnotwendig angesehen wurde. Die Bestimmungen dieser Mitarbeiter hat die Beklagte vorgenommen anhand von Qualifikationsmatrizen, die für alle Arbeitsbereiche der Fertigung erstellt wurden und sämtliche Mitarbeiter berücksichtigt. Diese Qualifikationsmatrizen (Beispiel Anlage B 3 zum Schriftsatz der Beklagten 25. Januar 2008) berücksichtigen für die verschiedenen Arbeitsplätze eines Arbeitsbereichs mit Punkten, ob und in welchem Umfang ein Arbeitnehmer an den verschiedenen Arbeitsplätzen eingesetzt werden kann.

Die Beklagte kündigte den Kläger mit Schreiben vom 26. Oktober 2007 zum 28. Februar 2008.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt und daher unwirksam. Er bezweifelt, dass der Interessenausgleich sowie die Namensliste ordnungsgemäß zu Stande gekommen seien. Die Namensliste sei nicht wirksam Bestandteil des Interessenausgleichs vom 15. Oktober 2007 geworden, da sie erst nach dessen Abschluss erstellt worden sei. Die Altersgruppenbildung hält der Kläger für unzulässig. Für die Herausnahme von sogenannten Leistungsträgern seien keinen nachvollziehbaren Kriterien ersichtlich.

Für die Punktezahl habe sein unterhaltsberechtigter Sohn mit 10 Punkten berücksichtigt werden müssen. Die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats bestreitet der Kläger mit Nichtwissen.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 26. Oktober 2007 nicht beendet wurde;

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht;

Im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) und/oder zu 2)

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Versandarbeiter weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die Kündigung für rechtswirksam. Interessenausgleich und Namensliste seien ordnungsgemäß und rechtswirksam zu Stande gekommen. Der Betriebsrat habe in mehreren Sitzungen über die Namensliste beraten und sie am 25. Oktober 2007 beschlossen. Am 26. Oktober 2007 habe sie der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende für den an diesem Tag verhinderten Betriebsratsvorsitzenden unterschrieben, nachdem der Arbeitgeber Sie bereits am 25. Oktober unterschrieben hatte.

Die Beklagte habe vor Ausspruch der Kündigung dem Betriebsrat in den Interessenausgleichsverhandlungen über die gemeinsame Liste der zu entlassenden Mitarbeiter die Gründe für die beabsichtigte Kündigung des Klägers explizit mitgeteilt. Der Betriebsrat habe sich mit dem Kündigungssachverhalt auseinander gesetzt und nach abschließender Beratung der Kündigung zugestimmt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen mit Urteil vom 15. Mai 2008 auf das Bezug genommen wird.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers. Wegen der für die Zulässigkeit erheblichen Daten wird auf das Protokoll vom 19. November 2008 verwiesen.

Der Kläger vertritt die Auffassung, die Namensliste sei nicht wirksamer Bestandteil des Interessenausgleichs vom 15. Oktober 2007 geworden, da sie erst am 25. Oktober 2007 erstellt worden sei. Es sei erforderlich, dass im Augenblick der Unterzeichnung die Schriftstücke (Interessenausgleich und Namensliste) als einheitliche Urkunde äußerlich erkennbar seien.

Der Beschäftigungsbedarf für die auf der Namensliste aufgeführten Mitarbeiter sei tatsächlich nicht weggefallen. Gegenüber 8 auf der Namensliste bezeichneten Mitarbeiter habe die Beklagte die zunächst ausgesprochenen Kündigungen zurückgenommen. Es seien ab Jahresende 2007 Leiharbeitnehmer beschäftigt worden. Aus dem Interessenausgleich ergebe sich nicht, auf welchen Tatsachen die Annahme beruhe, dass man 65 Personalüberhänge habe.

Die Sozialauswahl sei fehlerhaft. Die Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt eine Sozialauswahl unter jeweils horizontal vergleichbaren Arbeitnehmer durchgeführt, sondern nach ihrem eigenen Vortrag zunächst alle 350 gewerblichen Mitarbeiter gleichermaßen nach dem Punkteschema bewertet. Die Mitarbeiter A, B und C hätten nicht als Leistungsträger aus der Sozialauswahl herausgenommen werden dürfen. Die Altersgruppenbildung sei unzulässig nach dem AGG. Schließlich hätte die Unterhaltspflicht des Klägers gegenüber seinen Sohn berücksichtigt werden müssen.

Der Kläger beantragt,

unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Kassel vom 15. Mai 2008, Aktenzeichen 3 Ca 451/07

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 26. Oktober 2007 nicht beendet wurde.

2. Im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. Die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Versandarbeiter weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Die Namensliste sei wirksam Bestandteil des Interessenausgleichs geworden, da sie von den Betriebsparteien unterzeichnet und in ihr auf den Interessenausgleich und zusätzlich im Interessenausgleich auf sie Bezug genommen worden ist.

Nur im Falle des Mitarbeiters D sei die Kündigung vor dem Ausscheiden des Klägers zurückgenommen worden. Dieser Mitarbeiter habe aber im Gegensatz zum Kläger einer Altersgruppe angehört, in der nach dem verhaltensbedingten Ausscheiden eines Mitarbeiters ein Arbeitsplatz frei geworden sei. In umgekehrter Sozialauswahl sei dessen Arbeitsplatz mit dem Mitarbeiter D besetzt worden, der 80 Sozialpunkte gehabt habe.

Der Einsatz von Leiharbeitnehmern beruhe auf einem anhaltenden Fertigungsrückstand aufgrund eines hohen Krankenstandes von 9 % in der Fertigung. Das sei keine dauerhafte Erhöhung des Arbeitsvolumens, sondern lediglich ein vorübergehender Zustand.

Die Altersgruppenbildung im Rahmen der Sozialauswahl sei gerechtfertigt und nicht zu beanstanden. Seit 2004 seien keine Übernahmen der ausgelernten Auszubildenden mehr erfolgt und gewerblicher Mitarbeiter seien seitdem nicht mehr eingestellt worden. Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung sei der jüngste Arbeitnehmer bei der Beklagten 24 Jahre alt gewesen. Im gewerblichen Bereich seien nur 23 von 350 Arbeitnehmern unter 30 Jahren alt.

Der Kläger könne sich auch nicht auf eine Unterhaltspflicht gegenüber seinem Sohn berufen, da dieser nicht auf der Lohnsteuerkarte eingetragen und der Beklagten nicht bekannt gewesen sei. Der Kläger habe sie auch nicht mitgeteilt, nachdem die Beklagte mit Aushang vom 19. Oktober 2007 (vgl. Anlage B 17 zum Schriftsatz der Beklagten vom 10. April 2008; Bl. 107 d. A.) die Mitarbeiter aufgefordert habe, zu überprüfen, ob die auf der Steuerkarte angegebene Anzahl der Kinder mit der tatsächlichen Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder übereinstimmt.

Der Kläger könne sich auch nicht auf die Mitarbeiter A, B und C berufen, die der dritten Altersgruppe angehörten. Zudem sei der Mitarbeiter W Betriebsratsmitglied.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Das Berufungsgericht folgt den zutreffenden Gründen des Arbeitsgerichts.

Auf die Berufung ist festzuhalten:

1.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass gemäß § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG zu vermuten ist, dass die Kündigung durch betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist und die soziale Auswahl nach § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden kann.

a)

Die Anwendbarkeit des § 1 Abs. 5 KSchG scheitert insbesondere nicht daran, dass die Namensliste in einer Anlage zum Interessenausgleich enthalten ist, die später als der Interessenausgleich von den Betriebsparteien unterzeichnet wurde (BAG vom 06. Juli 2006 - 2 AZR 520/05 -zu IV. 1. e) aa) der Gründe; NZA 2007, 266; BAG vom 22. Januar 2004 - 2 AZR 111/02 - NZA 2006,64). Ein Interessenausgleich kann jedenfalls zeitnah um einen Namensliste ergänzt werden (vgl. BAG vom 22. Januar 2004 a.a.O zu C. III. 4. b) der Gründe).

b)

Mit dem Schriftformerfordernis und der Notwendigkeit, dass die Namensliste im Interessenausgleich enthalten sein muss wird der Zweck verfolgt, Rechtssicherheit zu gewährleisten und Manipulationen zu verhindern. Dem ist die genügt, wenn der Interessenausgleich selbst bereits den Hinweis auf eine Namensliste enthält, diese selbst ausdrücklich auf den Interessenausgleich verweist, zeitnah erstellt und von den Betriebsparteien unterschrieben wird. Dabei ist nicht zu beanstanden, wenn eine Namensliste erst 11 Tage nach dem zu Grunde liegenden Interessenausgleich endgültig erstellt und unterschrieben wird. Die Betriebsparteien müssen Gelegenheit haben, die Sozialauswahl sorgfältig vorzunehmen und zu überprüfen, nachdem in einem Interessenausgleich die Grundsätze und insbesondere ein Punkteschema für die Sozialauswahl festgelegt ist. Dafür kann insbesondere bei mehreren Hundert Mitarbeitern einige Zeit erforderlich sein. Es wäre im übrigen Förmelei, zu verlangen, dass der Interessenausgleich nochmals gleichzeitig mit der Namensliste, die auf ihn verweist, unterschrieben wird.

2.

Die Vermutung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG, dass die Kündigung des Klägers betriebsbedingt ist, da er auf der Namensliste des Interessenausgleichs zur Kündigung ausgewählt ist hat der Kläger nicht erschüttert. Zunächst kommt es dafür auf den Zeitpunkt der Kündigung und nicht auf spätere Ereignisse an. Der Kläger ist auch nicht substantiiert den Darlegungen der Beklagte entgegengetreten, dass der Einsatz von Zeitarbeitnehmern vorübergehend wegen außergewöhnlich hohen Krankenstandes erfolgte. Soweit sich der Kläger auf Wiedereinstellungen beruft, hat er nicht dargetan, dass bei einem in diesem Umfang geringeren Personalüberhang er unter Gesichtspunkten der Sozialauswahl hätte verschont bleiben müssen.

3.

Gemäß § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG kann die soziale Auswahl der im Interessenausgleich namentlich bezeichneten Arbeitnehmer nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sozialauswahl ist grob fehlerhaft, wenn die Gewichtung der einzelnen Kriterien des § 1 Abs. 3 KSchG jede Ausgewogenheit vermissen lässt, tragende Gesichtspunkte nicht in die Bewertung einbezogen worden sind und ein evidenter, ins Auge springender schwerer Fehler im Rahmen der sozialen Auswahl vorliegt. Von einer grob fehlerhaften Sozialauswahl ist dann auszugehen, wenn bei der Bestimmung des Kreises der vergleichbaren Arbeitnehmer die Austauschbarkeit offensichtlich verkannt worden ist und bei der Anwendung des Ausnahmetatbestandes des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG die betrieblichen Interessen augenfällig überdehnt worden sind. Durch § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG soll den Betriebspartnern ein weiter Spielraum bei der Sozialauswahl eingeräumt werden (BAG vom 17. Januar 2008 - 2 AZR 405/06 - DB 2008, 1688; BAG vom 21. Juli 2005 - 6 AZR 592/04 - AP Nr. 50 zu § 113 BetrVG 1972; BAG vom 17. November 2005 - 6 AZR 107/05 - AP Nr. 19 zu § 113 InsO).

a)

Es ist kein grober Fehler, dass die Beklagte alle gewerblichen Arbeitnehmer in die soziale Auswahl einbezogen hat. Damit hat die Beklagte mehr getan als sie muss. Der Kläger kann sich damit auf nach sozialen Kriterien weniger schutzwürdige Arbeitnehmer berufen ohne Einschränkung hinsichtlich Austauschbarkeit mit ihnen. Es ist auch nicht offensichtlich, dass die gewerblichen Arbeitnehmer nicht sämtlich vergleichbar wären. Der Kläger hat nichts dazu vorgetragen, inwiefern es an einer Vergleichbarkeit der gewerblichen Arbeitnehmer fehlt und ob und wie sich eine engere sozial Auswahl zu seinen Gunsten ausgewirkt hätte. Grob fehlerhaft ist dieser Verzicht auf eine Differenzierung innerhalb der gewerblichen Arbeitnehmer jedenfalls nicht

b)

Es ist auch nicht fehlerhaft und verstößt nicht gegen das AGG, dass die Sozialauswahl innerhalb von Altersgruppen vorgenommen wurde und das Alter schematisch im Rahmen eines Punktesystems berücksichtigt wurde. Auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts wird Bezug genommen. Die Beklagte hat im Einzelnen ihr Interesse dargelegt, dass es bei einem Durchschnittsalter in der Fertigung von 43 Jahren durch den Personalabbau nicht zu einer Überalterung der Belegschaft kommt. Es ist nachvollziehbar, dass die Weitergabe von Erfahrungswissen älteren Mitarbeiter an jüngere Mitarbeiter gewährleistet werden muss und für einen Betrieb nicht nur die Vorteile, die ein höheres Lebensalter mit sich bringt wichtig sind, sondern auch die, die mit jüngeren Jahren verbunden sind. Es ist dem Bundesarbeitsgericht zu folgen, dass entschieden hat, dass eine soziale Auswahl nach Altersgruppen nach § 10 S. 1 AGG gerechtfertigt ist, da damit einer Überalterung des Betriebs entgegengewirkt wird und die Bevorzugung älterer Arbeitnehmer relativiert wird (BAG vom 06. November 2008 - 2 AZR 701/07).

c)

Der Kläger kann sich deshalb auch nicht auf die Arbeitnehmer A, B und C berufen, da diese einer anderen Altersgruppe angehören. Andere Arbeitnehmer, die grob fehlerhaft als sozial schutzwürdiger als er angesehen worden wären, und deshalb von einer Kündigung verschont blieben hat der Kläger nicht benannt. Im Übrigen ist es nicht fehlerhaft, dass bei der Punktebewertung innerhalb der sozialen Auswahl eine Unterhaltspflicht gegenüber einem Sohn nicht berücksichtigt wurde, da dieser nicht auf der Lohnsteuerkarte eingetragen war. Wohl kommt es grundsätzlich auf die tatsächlichen Unterhaltspflichten an. Der Arbeitgeber darf aber auf die ihm bekannten Daten vertrauen, wenn er keinen Anlass zu der Annahme hat, sie könnten nicht zutreffen. Dabei kann die Lohnsteuerkarte ein wichtiger Anhaltspunkt sein (BAG vom 17. Januar 2008 - 2 AZR 405/06 -a.a.O). Dies gilt insbesondere dann, wenn wie hier der Arbeitgeber durch Aushang wegen der Kinderfreibeträge nachgefragt und Gelegenheit zur Korrektur gegeben hat.

4.

Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen da sie erfolglos blieb.

5.

Für die Zulassung der Revision besteht kein Grund.

Ende der Entscheidung

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