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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 19.09.2007
Aktenzeichen: 8 Sa 1886/06
Rechtsgebiete: BetrAVG


Vorschriften:

BetrAVG § 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts in Frankfurt am Main vom 19. September 2006 - 8 Ca 7202/05 - abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 18.217,53 EUR (in Worten: Achtzehntausendzweihundertsiebzehn und 53/100 Euro) zu zahlen nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 7.682,97 EUR (in Worten: Siebentausendsechshundertzweiundachtzig und 97/100 Euro) seit dem 1. September 2005 sowie aus jeweils 423,03 EUR (in Worten: Vierhundertdreiundzwanzig und 03/100 Euro) seit dem 1. Oktober 2005 und seit dem jeweiligen 1. der Folgemonate bis zum 1. Januar 2007.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger eine Betriebsrente von monatlich 608,22 EUR (in Worten: Sechshundertacht und 22/100 Euro) zu zahlen, fällig jeweils zum Monatsersten.

3. Die Kosten des Rechtsstreits hat zu 79,5 % die Beklagte und zu 20,5 % der Kläger zu tragen.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ab wann und in welcher Höhe die Beklagte dem Kläger Invaliditätsrente zu zahlen hat.

Der am xx.xx.xx geborene Kläger war seit dem .......1991 bis zum 31. März 2004 bei der A angestellt, die ihm Versorgung durch die Beklagte zugesagt hatte.

Der Kläger war seit dem yy.yy.2002 durchgängig arbeitsunfähig erkrankt gewesen, weshalb ihm die A mit Schreiben vom 17. Dezember 2003 gekündigt hatte. Am 22. September 2003 beantragte der Kläger bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellt Rente wegen voller Erwerbsminderung, die ihm mit Bescheid vom 28.11.2003 mit Wirkung ab 01. September 2003 bewilligt wurde. Nachdem der Kläger diesen Bescheid erhalten hatte, nahm er einen gerichtlichen Vergleichsvorschlag zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung an, den die A schon angenommen hatte.

Die Beklagte gewährt dem Kläger seit dem 01. April 2004 eine Invaliditätsrente von monatlich € 185,19, nachdem der Kläger im April 2004 den Rentenbescheid vom 28. November 2003 seinem Arbeitgeber und der Beklagten vorgelegt hatte. Die Beklagte geht dabei davon aus, dass der Versorgungsfall erst am 01. April 2004 eingetreten ist und nur die für diesen Zeitpunkt geltende Besitzstandsregelung zugrunde zu legen sei und die Rente nach einem Unverfallbarkeitsfaktor zu kürzen ist. Wegen der Berechnung der Beklagten wird auf deren Schriftsatz vom 24. April 2006 und die Anlage dazu (Bl. 196 ff. d. A.) verwiesen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Versorgungsfall sei zum 01. September 2003 wie im Rentenbescheid vom 28.11.2003 festgestellt eingetreten. Sein Rentenanspruch sei nach den für diesen Zeitpunkt geltenden Besitzstandsregeln zu berechnen. Die gesetzliche Rente sei nur mit dem Nettoauszahlungsbetrag anzurechnen. Hinsichtlich der erstinstanzlichen Berechnung des Klägers wird auf seinen Schriftsatz vom 16. Januar 2006 (Bl. 102 ff. d. A.) verwiesen.

Der Kläger hat Zahlung einer monatlichen Rente von € 709,91 ab 01. September 2003 bis 31.03.2004 sowie die Differenz zu der von der Beklagten seitdem gezahlten Rente bis 31. Dezember 2005 und Zahlung einer monatlichen Rente von € 709,91 ab 01. Januar 2006 eingeklagt.

Die Beklagte hat beantragt die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger könne Rentenzahlung erst ab 01.04.2004 verlangen, da erst zu diesem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis endete und dieses auch nicht zuvor ruhte, wie ihre Satzung für einen früheren Zahlungsbeginn verlangt. Die Besitzstandsrente sei nach den für einen Versorgungsfall am 01.04.2004 geltenden Satzungsbestimmungen zu berechnen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen mit Urteil vom 19. September 2006, auf das insbesondere hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers. Wegen der für die Zulässigkeit der Berufung erheblichen Daten wird auf das Protokoll vom 04. Juli 2007 verwiesen.

Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Nachdem er zunächst weiter eine monatliche Rente von € 709,91 verlangt hat, hat er in der mündlichen Verhandlung vom 04. Juli 2007 seine Forderungen auf eine monatliche Rente von € 608,22 beschränkt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts in Frankfurt vom 19. September 2006 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger als Betriebsrente für die Zeit vom 01.09.2003 bis zum 31.12.2006 € 18.217,53 zu zahlen mit Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einer Summe von € 7.682,97 seit dem 01. September 2005 sowie aus jeweils € 423,03 seit dem 01. Oktober 2005 sowie seit dem jeweiligen 01. des Folgemonats;

es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger monatlich eine Betriebsrente in Höhe von € 608,22 fällig jeweils zum Monatsersten zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Sie verweist darauf, dass der Kläger im Kündigungsschutzprozess mit der A im Hinblick auf die krankheitsbedingte Kündigung eine negative Zukunftsprognose bestritten habe und nach dem Widerspruch des Betriebsrats, auf den sich der Kläger berufen habe, ausgeführt habe, dass der Kläger seine Absicht bekräftigt habe, seine Arbeit wieder aufzunehmen. Der Kläger habe durch wahrheitswidrigen Prozessvortrag die Abfindungszahlung durch die A erschlichen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet. Die Klage ist begründet, soweit sie der Kläger nicht zurückgenommen hat.

Der Kläger kann Invalidenrente ab dem 01. September 2003 verlangen. Die Ansprüche des Klägers richten sich unstreitig nach der Satzung der Beklagten in der 16. Ausgabe vom 12. Oktober 1998 (im Folgenden: 16. Satzung), soweit diese nicht auf frühere Satzungen verweist. Nach Ziffer 15.1 der 16. Satzung besteht der Anspruch auf Invaliditätsrente, "wenn das Mitglied vor Erreichen der Altersgrenze berufs- oder erwerbsunfähig im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung ist". Nach dem Bescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 28.11.2003 erhält der Kläger von dieser ab dem 01. September 2003 Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die Anspruchsvoraussetzungen sind nach dem Bescheid seit dem 05.12.2002 erfüllt. Gemäß § 99 SGB VI wird die Rente vom Antragsmonat - September - an geleistet, weil der Antrag erst nach dem Ende des 3. Kalendermonats nach Ablauf des Monats gestellt wurde, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt waren. Der Kläger war demnach jedenfalls ab 01. September 2003 erwerbsunfähig im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung. Unerheblich für den Anspruch ist, ob die Beklagte oder der Arbeitgeber die Erwerbsunfähigkeit kannte oder dass die Feststellung der Erwerbsunfähigkeit durch den Rentenversicherungsträger vor Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vorlag (vgl. BAG vom 22. Oktober 2002 - 3 AZR 629/01 - AP Nr. 2 zu § 2 Ruhegeldgesetz Hamburg, zu II. 2. b) d. Gr.).

Die Rente war auch ab September 2003 fällig.

Ziffer 15.7 der 16. Satzung bestimmt:

"Die Zahlung der Invaliditätsrente setzt ein mit Ablauf des Monats, in dem die Gehaltszahlung oder vergleichbare Zahlungen der A enden, sofern das Arbeitsverhältnis mit der A beendet wird bzw. im Falle einer zeitlich begrenzten Invaliditätsrente ruht."

Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete allerdings erst mit dem 31.03.2004. Es ruhte allerdings aufgrund einer zeitlich begrenzten Invaliditätsrente ab dem 01. September 2003 und der Kläger erhielt auch keine Gehaltszahlungen oder vergleichbare Zahlungen der A. Ein Ruhen im Sinne dieser Satzungsbestimmung liegt vor, wenn eine zeitlich begrenzte gesetzliche Invaliditätsrente gewährt wird und der Arbeitnehmer wegen seiner Invalidität nicht arbeitet und deshalb keine Leistungen des Arbeitgebers beanspruchen kann. Irgendwelche weiteren Voraussetzungen ergeben sich aus der Satzungsbestimmung nicht. Vielmehr geht diese schlicht davon aus, dass im Falle einer zeitlich befristeten Invaliditätsrente das Arbeitsverhältnis ruht. Sinn dieser Bestimmung ist es, den Bezug einer Invaliditätsrente durch die Beklagte auch ohne Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu ermöglichen, wenn diese zeitlich befristet ist. Das ist auch sinnvoll und den Interessen des Arbeitnehmers und des Trägerunternehmens angemessen. Einer weiteren besonderen Ruhensvereinbarung bedarf es nicht.

Der Kläger hat Anspruch auf eine Invaliditätsrente von € 608,22 monatlich ab dem 01. September 2003. Das ergibt sich aus den Übergangsregelungen der Ziffer 13.5. Nach Ziffer 13.5.2 ergibt sich für den Kläger, wie zwischen den Parteien unstreitig ist, ein Anspruchsprozentsatz von 63,17.

Weiter gilt für den Kläger gemäß Ziffer 13.5.4 der 16. Satzung als Mindestanspruch eine Vergleichsrente nach den Bestimmungen der 15. Satzung, da der Versorgungsfall des Klägers innerhalb von 5 Jahren nach Inkrafttreten der 16. Satzung - das war unstreitig der 12. Oktober 1998 - eintrat. Wie oben dargelegt, trat der Versorgungsfall für den Kläger spätestens am 01. September 2003 ein.

Aus Ziffer 13.5.4 ergibt sich, dass anders als nach Ziffer 13.5.3 keine Beschränkung dieser Besitzstandsrente auf den individuellen auf den Verhältnissen zum Jahresende 1997 basierenden Verhältnissen erfolgt, sondern gemäß den Bestimmungen der 15. Satzung für die Berechnung auf das rentenfähige Einkommen, nämlich dem Durchschnitt der ruhegehaltsfähigen Monatsbezüge aus den letzten 36 Monaten abzustellen ist. Diese betrugen unstreitig monatlich € 2.834,65. Auf die sich daraus ergebende Gesamtversorgung von € 1.790,64 monatlich ist die Invalidenrente von € 1.182,42 anzurechnen. In einem Gesamtversorgungssystem sind die Sozialversicherungsrenten im Zweifel mit ihrem Bruttobetrag anzurechnen (BAG vom 14.12.1999 - 3 AZR 742/98 - AP Nr. 12 zu § 1 BetrAVG Invaliditätsrente).

Somit ergibt sich ein monatlicher Rentenbetrag von € 608,22, den der Kläger für die Zeit vom 01. September bis zum 01. April in voller Höhe und für die Zeit vom 01.04.2004 bis zum 31.12.2006 in Höhe der Differenz zur gezahlten Rente von € 185,19 verlangen kann. Weiter war antragsgemäß die Höhe der Zahlungsverpflichtungen der Beklagten festzustellen.

Soweit die Beklagte sich gegen die Ansprüche des Klägers darauf beruft, dieser habe das Trägerunternehmen im Kündigungsschutzverfahren aktiv und vorsätzlich getäuscht und weder vollständig geschweige denn wahrheitsgemäß vorgetragen, so berührt dies ihre Zahlungsverpflichtungen nicht. Sein Verlangen im vorliegenden Prozess stellt sich keineswegs gegenüber der Beklagten als rechtsmissbräuchlich, sittenwidrig oder als Vollendung eines an seinem früheren Arbeitgeber begangenen Betrugs dar. Der Kläger hat die Voraussetzungen für die beanspruchten Leistungen erfüllt. Das wird nicht von der Frage berührt, ob er im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses dies seinem früheren Arbeitgeber hätte mitteilen müssen. Schon dies erscheint zweifelhaft (vgl. dazu LAG Schleswig-Holstein vom 02. März 2004 - 2 Sa 398/03 - auch zur Frage des Ruhens während Invaliditätsrente). Wenn der Kläger sich unkorrekt verhalten hat, dann allenfalls gegenüber seinem früheren Arbeitgeber. Deshalb braucht auch nicht untersucht zu werden, ob bei einer Kündigung nach fast einjähriger Krankheit des vor einem Vergleichsschluss Sache des Arbeitgebers war, wegen einer etwaigen Invalidität nachzufragen oder der Arbeitnehmer dies von sich aus offenbaren musste. Es braucht auch nicht untersucht zu werden, ob angesichts einer zeitlich befristeten Erwerbsunfähigkeitsrente die Offenlegung ihrer Gewährung oder der Antragstellung überhaupt zu einem anderen Vergleich geführt hätte.

Die Kosten waren gem. § 92 ZPO zu verteilen, da der Kläger teilweise die Klage zurückgenommen hat.

Für die Zulassung der Revision besteht kein Grund.

Ende der Entscheidung

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