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Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 12.12.2007
Aktenzeichen: 8 Sa 2091/06
Rechtsgebiete: KSchG, TzBfG


Vorschriften:

KSchG § 1
TzBfG § 14
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts in Gießen vom 7. September 2006 - 1 Ca 247/06 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Befristung ihres Arbeitsverhältnisses und eine von der Beklagten ausgesprochene ordentliche Kündigung wirksam sind.

Die Beklagte, ein städtisches Versorgungsunternehmen, hatte 1998 eine Nahverkehrsgenehmigung nach dem Personenbeförderungsgesetz (Konzession) bis zum 30. Juni erhalten und betrieb den öffentlichen Personennahverkehr mit Bussen in der Stadt A und deren unmittelbaren Umgebung.

Der am B geborene unverheiratete Kläger, der einem Kind unterhaltspflichtig ist, trat Mitte 2001 aufgrund eines auf ein Jahr befristeten Arbeitsvertrages in die Dienste der Beklagten. In diesem Vertrag ist die Geltung der Tarifverträge für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände jeweils geltenden Fassung vereinbart. Kurz vor Ablauf der Befristung schlossen die Parteien einen Änderungsvertrag, wonach der Kläger im Anschluss zeitlich befristet bis zum 30. Juni 2006 beschäftigt werden sollte. Als Grund der Befristung ist in dem Vertrag das "Auslaufen der Konzessionsverträge im öffentlichen Nahverkehr" angegeben.

Zu dieser Zeit bestanden Befürchtungen, dass eine neue Konzession nur nach vorheriger Ausschreibung im Wettbewerb mit Privatunternehmen vergeben würde und die Beklagte dabei durch die für sie geltenden Tarifverträge des kommunalen öffentlichen Dienstes benachteiligt war.

Vor diesem Hintergrund kaufte die Beklagte im Jahr 2003 ein privates Busunternehmen, die jetzige C GmbH. Dieses Unternehmen beschäftigte und entlohnte seine Fahrer nach einem anderen, für den Arbeitgeber etwa 30% günstigeren Tarifvertrag. Auf dieses Unternehmen übertrug die Beklagte ihre Linienverkehre und brachte ihre Busse dort ein. Mit einem Informationsschreiben vom 01. Oktober 2003 unterrichtete die Beklagte die bei ihr beschäftigten Busfahrer von dem Betriebsübergang (vgl. Anlage zur Klageschrift). Darin führt die Beklagte aus, dass sie aufgrund der durch die bei ihr geltenden Tarifverträge hohen Personalkosten einen Wettbewerb um die Nahverkehrskonzession nicht gewinnen könne und dadurch die Arbeitsplätze aller Busfahrer und Verkehrsmeister wegfallen würden. Die erworbene Tochterfirma (damals noch: D GmbH) solle so kostengünstig etabliert werden, dass sie im Wettbewerb bestehen könne und dass dadurch die Arbeitsplätze in der AG gesichert werden könnten. Weiter heißt es dort:

"Die geplante Sicherung der AG-Arbeitsplätze des Nahverkehrspersonals stellt sich wie folgt dar:

1. Alle Verkehre gehen auf die Tochterfirma über, d.h. aus strategischen betrieblichen Gründen erfolgt eine Vergabe der Leistungserbringung von der AG an die Tochterfirma.

2. Alle Busse werden im Rahmen einer Gesellschaftereinlage als Sachkapital in die Tochterfirma eingebracht. Dadurch wird diese mit wirtschaftlich notwendigem Eigenkapital ausgestattet.

3. Alle von diesem Betriebsübergang betroffenen AG-Beschäftigten des Nahverkehrsbereichs widersprechen ihrem persönlichen Übergang innerhalb von 1 Monat. Dadurch verbleiben sie zu den bisherigen Arbeitsbedingungen arbeitsrechtlich bei der AG

Widersprechen sie nicht, wechseln sie automatisch als neue Beschäftigte zur Tochterfirma und zwar zu den dort geltenden Bedingungen des "billigeren" HLO-Tarifvertrages.

4. Von der AG werden die betroffenen Beschäftigten zu Wettbewerbskonditionen (sog. Marktpreise) dauerhaft an die Tochter ausgeliehen. Dies deshalb, weil die AG keine Busse mehr hat, die Tochterfirma umgekehrt aber nicht genügend Beschäftigte hat um die Busse zu fahren bzw. die Verkehrsleistungen mit eigenem Personal zu erbringen. Hierzu willigen die AG-Beschäftigten durch eine Ergänzung ihres bestehenden Arbeitsvertrages ein.

Willigen Sie nicht in die Vertragsänderung ein, dürfen sie nicht ausgeliehen werden. Allerdings laufen sie dann Gefahr, mit anderen Tätigkeiten (soweit sie hierzu beruflich qualifiziert sind und eine Stelle zu besetzen wäre) in der AG oder bei der Stadt A beschäftigt zu werden. Soweit dies wiederum nicht möglich wäre, käme dann eine betriebsbedingte Kündigung in Betracht. Dies gilt im Falle einer größeren Anzahl von Beschäftigten auch für solche mit sog. "ordentlicher Unkündbarkeit".

5. Die Tochterfirma kann nun zu wettbewerblichen Kosten die Verkehrsleistungen anbieten, wird hoffentlich die Konzessionen erhalten und sichert dadurch die Arbeitsplätze der eigenen Beschäftigten und die der ausgeliehenen AG-Beschäftigten."

Weiter erhielt der Kläger von der Beklagten einen entsprechenden Änderungsvertrag unter dem 06. November 2003 übersandt, in dessen § 2 ein Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Betriebsübernehmer, die von der Beklagten gekaufte D GmbH, eine Einwilligung in die Überlassung zur Arbeitsleistung an diese und eine Garantie der Wahrung des Besitzstandes hinsichtlich tariflicher Arbeitsbedingungen und Betriebsvereinbarungen enthalten ist.

Im Zusammenhang mit diesem Betriebsübergang schloss die Beklagte mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat einen Interessenausgleich, in dessen Präambel es u.a. heißt:

"Vorstand und Betriebsrat sind sich einig, dass zur Sicherung der bestehenden Arbeitsplätze im Nahverkehrsbereich des E Konzern das zukünftige Wachstum bei der dafür gegründeten Nahverkehrs-Tochtergesellschaft stattfinden soll. Damit einher geht die gewerbliche Überlassung der bisher bei der E AG im Naheverkehrsbereich tätigen Arbeitnehmer. Diesen werden im Rahmen der Überlassung ihre bisherigen tariflichen und betrieblichen Arbeitsbedingungen gesichert."

Im Wege eines "Personalauszehrungsmodells" wurde fortan bei der Beklagten im Nahverkehrsbereich ausscheidendes Personal nicht mehr ersetzt und neues Personal ausschließlich bei der C GmbH eingestellt. Die Beklagte beschäftigt etwa 90 Arbeitnehmer, die sie der C GmbH überlässt. Diese beschäftigt gut 30 Busfahrer.

Ab 01. Oktober 2003 erbringt die C GmbH (vormals D GmbH) die Nahverkehrsleistungen für die Beklagte - zum größeren Teil mit Personal, das die Beklagte ihr überlassen hat, zum kleineren Teil mit bei ihr vorhandenem oder später eingestelltem Personal. Die Personalbuchhaltung sowie die Wartung der Busse erledigt die Beklagte gegen Bezahlung für die C GmbH, deren Buchhaltung erledigt ein Steuerberatungsbüro. Die C GmbH nutzt aufgrund von Mietverträgen die frühere Betriebsstätte des Nahverkehrsbereichs der Beklagten.

Die Nahverkehrsgenehmigung für die Beklagte wurde über den 30. Juni 2006 hinaus befristet verlängert und besteht - jedenfalls vorläufig - fort.

Mit Schreiben vom 16. Mai 2006, dem Kläger am gleichen Tage zugegangen, berief sich die Beklagte auf die arbeitsvertragliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 2006 und kündigte ihm vorsorglich ordentlich zum 30. Juni 2006. Nach vorheriger Anhörung und Stellungnahme des Betriebsrats kündigte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 16. Mai 2006 ordentlich zum 30. Juni 2006.

Der Kläger hat die Befristung als unwirksam und die ordentliche Kündigung als sozial ungerechtfertigt angegriffen mit seiner noch im Mai 2006 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Befristung zum 30.06.2006 enden wird

sowie

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 15. Mai 2006 nicht beendet werden wird und zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, bei Abschluss der Befristungsvereinbarung Mitte 2002 habe sie davon ausgehen können und müssen, dass sie den Kläger nach Ablauf der Konzession nicht mehr würde weiter beschäftigen können. Nach der jedenfalls damals geltenden Rechtslage und Genehmigungspraxis sei nicht zu erwarten gewesen, dass sie eine erneute Konzession in Konkurrenz zu privaten Betreibern hätte erlangen können.

Hinsichtlich der Kündigung hat die Beklagte behauptet, aufgrund der im Dezember 2005 erfolgten Fahrplanumstellung, geringeren Fehlzeiten und internen Organisationsmaßnahmen sei der Bedarf der C GmbH seit Dezember 2005 von 84 Fahrern auf 77 Fahrer gesunken. Am 01. Februar 2006 habe die C GmbH der Beklagten mitgeteilt, dass sie in Zukunft 7 Fahrer weniger bei der Beklagten ausleihen werde. Der neue Dienstplan vom 20.11.2005 sei mittels einer neuen Software optimiert worden und dadurch, dass sämtliche Reservezeiten, d.h. Zeiten, in denen sich Fahrer als Ersatzfahrer bereit hielten. Die Beklagte habe deshalb für die genannte Zahl an Busfahrern keine Verwendung mehr gehabt, da sie selbst keine Busse mehr betreibe und eine Überlassung an andere Unternehmen nicht möglich gewesen sei. Der Kläger sei aufgrund seiner Sozialdaten und der Punktzahl nach einer Auswahlrichtlinie, der der Betriebsrat zugestimmt hatte, sozial stärker als die anderen Busfahrer, denen die Beklagte nicht kündigte.

Der Kläger hat eingewandt, dass die Beklagte nach ihrem Geschäftsgebaren auch gegenwärtig nicht davon ausgehe, dass sie den Nahverkehr in nächster Zukunft nicht mehr betreiben dürfe.

Die Beklagte betreibe mit ihrer Tochter, der C GmbH einen gemeinsamen Betrieb. Die Tochtergesellschaft sei nicht in der Lage mit ihrem Personal den Nahverkehr zu betreiben. Dafür fehle ihr Leitungsapparat und Infrastruktur. Auf diesen gemeinsamen Betrieb sei hinsichtlich Arbeitskräftebedarfs und Sozialauswahl abzustellen. Der Bedarf an Fahrpersonal habe sich nicht reduziert. Vielmehr habe die C GmbH auch im Jahr 2006 neues Fahrpersonal eingestellt und mindestens zwei im Mai 2006 auslaufende befristete Arbeitsverträge unbefristet verlängert.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben mit Urteil vom 07. September 2006, auf das verwiesen wird und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die vereinbarte Befristung noch durch die Kündigung der Beklagten vom 15. Mai 2006 aufgelöst worden ist. Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten. Wegen der für die Zulässigkeit erheblichen Daten wird auf das Protokoll vom 07. November 2007 verwiesen.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Zum Zeitpunkt der Befristungsvereinbarung sei klar gewesen, dass nach Ablauf der aktuellen Nahverkehrserlaubnis es zu einer öffentlichen Ausschreibung des Stadtverkehrs kommen würde. Es sei mit hinreichender Sicherheit davon auszugehen gewesen, dass andere Bieter als die Beklagte den Zuschlag erhalten, weil sie aufgrund des weit niedrigeren Lohnniveaus des privaten Omnibusgewerbes hätten kostengünstigere Angebote abgeben können. Die Beklagte sei bei Vertragsschluss berechtigterweise davon ausgegangen, dass nach Ablauf der Konzession zum 30. Juni 2006 keine weitere Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger mehr bestehen würde. Der Bedarf für eine Beschäftigung des Klägers sei dauerhaft entfallen, nachdem die C GmbH aufgrund der Dienstplanumgestaltung weniger Fahrer bei der Beklagten entleihen würden. Darauf, dass die C GmbH neue Fahrer eingestellt habe könne sich der Kläger nicht berufen. Dem Kläger sei, wie den anderen gekündigten Fahrern, angeboten worden, ein Anstellungsverhältnis mit der C GmbH einzugehen, was er abgelehnt habe. Es komme allein darauf an, dass der Arbeitsplatz des Klägers bei der Beklagten entfallen sei, weil die C GmbH weniger Arbeitnehmer entleihe. Die Beklagte betreibe auch keinen gemeinsamen Betrieb mit der C GmbH. Eine gemeinsame Betriebsführung gebe es nicht. Die C GmbH entscheide durch ihren Geschäftsführer über ihre personellen und sozialen Angelegenheiten. Die Beklagte und die C GmbH hätten beide einen Betriebsrat und unterfielen unterschiedlichen Tarifverträgen. Ein gemeinsamer Betrieb entstehe nicht dadurch, dass die C GmbH Personal bei der Beklagten entleihe und gegen Entgelt Infrastrukturleistungen und Räumlichkeiten von der Beklagten erhalte. In die soziale Auswahl seien sämtliche ordentlich kündbaren Busfahrer der Beklagten einbezogen worden. Auch unter Einbeziehung der ordentlich nicht kündbaren Mitarbeiter, d.h. denjenigen, die mehr als 15 Jahre bei der Beklagten beschäftigt waren, hätte sich nichts daran geändert, dass der Kläger unter sozialen Gesichtspunkten für die Kündigung auszuwählen gewesen sei.

Die Beklagte beantragt,

das am 07. September 2006 verkündete und am 08. November 2006 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Gießen - 1 Ca 247/06 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf Berufungsbegründung, Berufungserwiderung und den Schriftsatz der Beklagten vom 30.10.2007 nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder die vereinbarte Befristung noch durch die Kündigung der Beklagten vom 15. Mai 2006 aufgelöst worden ist. Das Berufungsgericht folgt den zutreffenden Gründen des Arbeitsgerichts.

Die Berufung rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.

1.

Die Befristung des Arbeitsvertrages mit dem Kläger zum 30. Juni 2006 war unzulässig gem. § 14 Abs. 1 TzBfG, da ein sachlicher Grund dafür nicht vorlag. Das hat die erkennende Kammer bereits in einem gleich gelagerten Rechtsstreit gegen die Beklagte mit Urteil vom 07. Februar 2007 dargelegt (Urteil des Hess. LAG vom 07. Februar 2007 - 8 Sa 1171/06). Der Kläger war nicht im Rahmen eines Projekts befristet eingestellt. Die Beklagte betrieb den öffentlichen Nahverkehr als Daueraufgabe und nicht nur als ein zeitlich begrenztes Projekt. Das Risiko, dass die Nahverkehrsgenehmigung zeitlich befristet war, hat die Beklagte als Arbeitgeber zu tragen. Die zeitliche Befristung von erforderlichen behördlichen Genehmigungen, Aufträgen, erforderlichen Krediten, Miet- und Leasingverträgen bildet in der Regel keinen sachlichen Grund für eine entsprechende Befristung von Arbeitsverträgen. Das wirtschaftliche Risiko, dass Grundlagen seiner Geschäftstätigkeit entfallen oder zu einem bestimmten Zeitpunkt enden werden, trägt der Arbeitgeber. Er kann darauf mit einer betriebsbedingten Kündigung reagieren sobald eine Prognose gestellt werden kann, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Beschäftigungsbedarf entfällt. Wenn eine für den Betrieb eines Verkehrsunternehmens erforderliche Konzession in vier Jahren endet, so ist keine Befristung auf den Endpunkt unter dem Gesichtspunkt gerechtfertigt, dass der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend bestehe.

Entgegen der Ansicht der Beklagten konnte auch zum Zeitpunkt der Befristung vernünftigerweise keine verlässliche Prognose darüber gestellt werden, ob die Beklagte über den Ablauf der Konzession hinaus Busfahrer brauchen würde. Die Entwicklung der nächsten vier Jahre war nicht mit der erforderlichen Sicherheit vorhersehbar (vgl. das den Parteien bekannte Urteil des Hess. LAG vom 07. Februar 2007).

2.

Die ordentliche Kündigung, die die Beklagte auf dringende betriebliche Erfordernisse stützt, ist sozial ungerechtfertigt. Mit der Beklagten kann dabei davon ausgegangen werden, dass sie keinen gemeinsamen Betrieb mit der C GmbH betrieb. Diese mag für die Durchführung des öffentlichen Nahverkehrs, mit der sie von der Beklagten beauftragt war, auf deren Personal und Dienstleistungen in großem Umfang angewiesen sein. Ein gemeinsamer Betrieb erfordert aber, dass die Betriebsmittel sowie die Arbeitnehmer von den Unternehmen gemeinsam eingesetzt werden. Das ist hier nicht der Fall. Die C GmbH ist ein selbstständiges Unternehmen, das den Nahverkehr im Auftrag der Beklagten betreibt. Die C GmbH hat eine eigene betriebliche Organisation mit ihrem eigenen Geschäftsführer an der Spitze, der alle wesentlichen sozialen und personellen Entscheidungen trifft und das Direktionsrecht gegenüber den Arbeitnehmern ausübt. Ein gemeinsamer Betrieb liegt nicht deshalb vor, weil die C GmbH einen wesentlichen Teil ihres Personals bei der Beklagten entleiht und von dieser bestimmte Dienstleistungen gegen Entgelt bezieht. All dies ist gerade ein Zeichen dafür, dass die C GmbH einen eigenen, von der Beklagten getrennten Betrieb hat. Charakteristisch für einen gemeinsamen Betrieb wäre es gerade, wenn unter einer gemeinsamen Leitung der Beklagten und der C GmbH in einer gemeinsamen Betriebsstätte Personal beider Unternehmen gemeinsam eingesetzt würden. Ein unmittelbarer Einfluss der Beklagten auf den Einsatz der Betriebsmittel und der Arbeitnehmer der Beklagten ist nicht ersichtlich. Dass die Beklagte der C GmbH Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung überlässt zeigt gerade, dass sie selbst nicht mehr die Arbeitnehmer einsetzt, sondern dies der C GmbH überlässt. Unerheblich in diesem Zusammenhang ist auch, dass die Beklagte als Alleingesellschafterin der C GmbH deren Geschäftspolitik bestimmt und deren Geschäftsführer im Rahmen des Gesellschaftsrechts Weisungen erteilen kann. Für die Annahme eines gemeinsamen Betriebs kommt es nicht darauf an, inwieweit ein Unternehmen von einem anderen abhängig ist sondern darauf, dass es einen Betrieb gibt, der von beiden Unternehmen gemeinsam betrieben wird.

Ein dringendes betriebliches Erfordernis für die Kündigung des Klägers ergibt sich allerdings nicht daraus, dass die C GmbH der Beklagten im Februar 2006 ankündigte, weniger Busfahrer entleihen zu wollen. Das ergibt sich schon aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 18. Mai 2006 (2 AZR 412/05 - AP Nr. 7 zu § 9 AÜG), auf das sich die Beklagte beruft. Danach sind kurzfristige Auftragslücken bei einem Leiharbeitsunternehmen nicht geeignet, eine betriebsbedingte Kündigung zu rechtfertigen, da sie zum typischen Wirtschaftsrisiko dieser Unternehmen gehören. Es ist gerechtfertigt, an die Darlegung der Tatsachen, auf denen die zu stellende Prognose des zukünftigen Beschäftigungsvolumens beruht, dezidierte Anforderungen - auch in zeitlicher Hinsicht - zu stellen. Danach hat die Beklagte lediglich dargelegt, dass - nach einer bereits zum 01. Dezember 2005 wirksamen Fahrplanänderung - die C GmbH ihr Anfang Februar 2006 mitgeteilt habe, dass sie 7 Busfahrer weniger bei der Beklagten entleihen wolle. Angesichts des Gesamtbedarfs der C GmbH von über 100 Busfahrern ergab sich draus für die Beklagte Mitte Mai nicht die Prognose, dass ein Beschäftigungsbedarf seitens der C GmbH zum Ende Juni entfallen würde. Dies gilt insbesondere deshalb, weil die Beklagte der C GmbH ihrer Busfahrer zu marktüblichen Preisen überließ und bei einem auftretenden Bedarf für die C GmbH es nahe liegen würde, bei ihr bereits eingearbeitete, von der Beklagten gestellte Busfahrer weiter zu beschäftigen, als Neueinstellungen vorzunehmen. Hinzu kommt, dass die C GmbH auch tatsächlich einen Bedarf an wenigstens 2 weiteren Busfahrern über den 30.06.2006 hinaus hatte. Die C GmbH verlängerte nämlich befristete Arbeitsverträge mit zwei ihrer Busfahrer über den 30.06.2006 hinaus unbefristet. Dass die C GmbH nicht auf den Kläger und seinen in der Parallelsache klagenden Kollegen zurückgriff lag - wie von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung eingeräumt - allein daran, dass die Rechtslage hinsichtlich des Klägers und seines Kollegen insoweit unsicher war, als die Beklagte von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger aufgrund der Befristung zum 30.06.2006 ausging. Es war mithin so, dass die Beklagte den Kläger auch weiterhin der C GmbH über den 30.06.2006 hinaus hätte verleihen können, wenn sie nicht selbst davon ausgegangen wäre, dass dessen Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung geendet hätte. Dies gilt insbesondere, als die Beklagte als alleinige Gesellschafterin genügend Einfluss auf die C GmbH hatte, eine weitere Beschäftigung des Klägers statt einer Verlängerung einer Befristung durchzusetzen. Das zeigt sich schon daran, dass die Beklagte es war, die bestimmte, dass ihre bisherigen Busfahrer als Leiharbeitnehmer von der C GmbH beschäftigt wurden. Dieser wären auch keine wirtschaftlichen Nachteile entstanden, da sie für die entliehenen Arbeitnehmer die gleichen, marktüblichen Löhne zu zahlen hatte wie für ihre sonstigen oder neu eingestellte Arbeitnehmer.

Aufgrund dieser Konstellation erscheint es außerdem zweifelhaft, ob auf die Beklagte die Grundsätze anzuwenden sind, die für Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen anzuwenden sind.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist nicht allein darauf abzustellen ob bei ihr ein Arbeitskräfteüberhang entstand, weil die C GmbH ankündigte weniger Arbeitnehmer entleihen zu wollen sondern auch darauf, ob bei der C GmbH keine Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger mehr bestand.

Grundsätzlich ist das Kündigungsschutzgesetz betriebs- und unternehmensbezogen. Das Bundesarbeitsgericht nimmt allerdings in ständiger Rechtsprechung an, dass aufgrund besonderer Sachverhaltsgestaltungen Ausnahmefälle denkbar sind, in denen eine darüber hinausgehende Betrachtung geboten ist. Davon sei nicht nur auszugehen, wenn sich ein anderes Konzernunternehmen ausdrücklich zur Übernahme des Arbeitnehmers bereit erklärt habe, sondern auch und vor allem dann, wenn sich eine solche Verpflichtung unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag oder sonstigen vertraglichen Absprachen ergebe. Der Arbeitgeber kann als verpflichtet angesehen werden, zunächst eine Unterbringung des Arbeitnehmers in einem anderen Unternehmens- oder Konzernbetrieb zu versuchen, bevor er den Arbeitnehmer aus betriebsbedingten Gründen kündige. Gleiches müsse auch dann gelten, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine diesbezügliche Zusage mache oder eine Übernahme durch einen anderen Unternehmens- oder Konzernbetrieb in Aussicht stelle (vgl. BAG vom 23. November 2004 - 2 AZR 24/04 - NZA 2005, S. 929; BAG vom 18.09.2003 - 2 AZR 79/02 - NZA 2004, S. 375, zu B. II. 2.). Im vorliegenden Fall ergibt sich die Verpflichtung der Beklagten, eine betriebsbedingte Kündigung nur dann auszusprechen, wenn sowohl bei ihr wie bei der C GmbH keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr besteht, aus dem Informationsschreiben der Beklagten sowie dem darauf folgenden Änderungsvertrag zwischen den Parteien. In dem Informationsschreiben hat die Beklagte dem Kläger gerade mitgeteilt, dass die Sicherung seines Arbeitsplatzes bei der Beklagten dadurch erfolge, dass er dauerhaft an ihre Tochter, die jetzige C GmbH ausgeliehen wird. Sie hat ihm weiter nahe gelegt, einem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf diese den Betrieb übernehmende Tochtergesellschaft zu widersprechen. Entsprechend hat die Beklagte dem Kläger einen Änderungsvertrag angeboten, in dem schon der Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses und die Einwilligung in die Arbeitnehmerüberlassung unter Wahrung seines Besitzstandes vorgesehen ist. Die Beklagte ist weiterhin die allein bestimmende Gesellschafterin der C GmbH. Unter diesen Umständen muss sie als verpflichtet angesehen werden, dafür zu sorgen, dass der Kläger weiter bei der C GmbH im Wege der Arbeitnehmerüberlassung beschäftigt wird, solange noch dort ein Beschäftigungsbedarf besteht. Dass dieser tatsächlich ab 01.07.2006 entfallen wäre, hat die Beklagte nicht dargelegt. Sie hat lediglich allgemein ausgeführt, dass eine Einsparung durch einen neuen Dienstplan und Wegfall von Reservezeiten eingetreten sei. Wie sich die Dienstplanänderung bei den von der Beklagten ausgeliehenen Fahrer auf den Personalbedarf der C GmbH insgesamt ausgewirkt hat, ist von der Beklagten nicht dargelegt worden. Die Beklagte hat auch nicht bestritten, dass die C GmbH nach dem 30.06.2006 mindestens 4 neue Fahrer zusätzlich eingestellt und befristete Arbeitsverhältnisse über den 30.06.2006 hinaus verlängert hat.

Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen, da sie erfolglos blieb.

Für die Zulassung der Revision besteht kein Grund.

Ende der Entscheidung

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