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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 15.02.2008
Aktenzeichen: 8 Ta 259/07
Rechtsgebiete: GVG, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

GVG § 17 a
ZPO § 572
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 4 b
1) Ist ein Nichtabhilfebeschluss im Beschwerdeverfahren fehlerhaft allein von der Vorsitzenden statt von der Kammer erlassen (hier: Verfahren nach § 17 a GVG) zwingt das nicht zur Zurückverweisung.

2) Pensionskassen sind keine Sozialeinrichtungen i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 4 ArbGG, wenn sie nicht nur bestimmten Mitgliedsunternehmen offenstehen, sondern unbeschränkt Versicherungleistungen anbieten.


Tenor:

Die sofortigen Beschwerden des Klägers gegen die Beschlüsse des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 10. Mai 2007 und vom 6. August 2007 - 5 Ca 275/07 - werden auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten darüber, ob der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für die Klage gegen die beklagte "Pensionsversicherung auf Gegenseitigkeit" gegeben ist.

Der Arbeitgeber des Klägers, eine Zentralgenossenschaftsbank, hatte dem Kläger arbeitsvertraglich zugesagt, ihm aufgrund des zwischen dem Arbeitgeber und einer Rechtsvorgängerin der Beklagten abgeschlossenen Vertrages zu einer bei dieser bestehenden Zusatzversicherung für ihre Betriebsangehörigen anzumelden (vgl. § 6 des Anstellungsvertrages Bl. 40 d. A.). Dementsprechend war der Kläger bei der Beklagten seit 1976 Mitglied und Versicherter.

Die Beklagte ist ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit. Die Mitgliedschaft bei ihr konnte von genossenschaftlichen Organisationen und Unternehmungen, den Bauernverbänden, den Verbänden des deutschen Gemüse-, Obst- und Gartenbaus und den Arbeitnehmern der genannten Institute durch Abschluss eines Gruppenvertrages erworben werden (vgl. Satzung Bl. 44 d. A. und Lagebericht Bl. 72 d. A). Seit 2002 bietet die Beklagte auch Nichtmitgliedern für die Entgeltumwandlung unter anderem Leibrentenversicherungen an, um über die Verbundunternehmen hinaus Firmenkunden der Genossenschaften mit einem Angebot im Durchführungsweg Pensionskasse zu versorgen. Die Satzung bestimmt dazu:

§ 2 Gegenstand und Geschäftsgebiet

1. Der Verein betreibt im In- und Ausland die Pensions-, Hinterbliebenen- und Rentenversicherung nach Maßgabe des von der Aufsichtsbehörde genehmigten Geschäftsplanes.

2. Der Verein darf die Versicherung gemäß 1. gegen festes Entgelt betreiben, ohne dass die Versicherungsnehmer Mitglieder des Vereines werden.

Nach dem Geschäftsbericht 2004 entfielen von den Bruttobeiträgen 50,7 Millionen Euro auf das Mitgliedergeschäft und 35,1 Millionen Euro auf das Nichtmitgliedergeschäft (vgl. Bl. 87 d. A).

Der Kläger hat gegen die Beklagte zunächst die Herausgabe von Versicherungsunterlagen verlangt und sodann in 19 Punkte untergliederte Feststellungen beantragt, mit denen es ihm wohl um eine Anpassung der ihm von der Beklagten gezahlten Rente geht.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass dafür der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegeben sei.

Nach Verweisung des Rechtsstreits wegen örtlicher Unzuständigkeit vom Arbeitsgericht München an das Arbeitsgericht Wiesbaden hat dieses mit Beschluss vom 10. Mai 2007 den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Wiesbaden verwiesen. Auf den Beschluss des Arbeitsgerichts (Bl. 134 d. A.) wird Bezug genommen.

Gegen diesen, ihm am 5. Juni 2007 zugestellten Beschluss hat der Kläger sofortige Beschwerde eingelegt mit am 14. Juni 2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangen Schriftsatz. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen mit Beschluss vom 6. August 2007 und auch gegen diesen Beschluss hat der Kläger sofortige Beschwerde eingelegt.

Er vertritt weiter die Auffassung, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben sei.

Die Beklagte hat die sachliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts gerügt.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.

1. Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 10. Mai 2007 über die Unzulässigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten ist statthaft nach § 17 a Abs. 4 S. 3 GVG und form- und fristgemäß eingelegt.

Soweit der Kläger auch gegen den Nichtabhilfebeschluss des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 6. August 2007 "sofortige Beschwerde" eingelegt hat, ist dieser Schriftsatz vom 15. August 2007 nicht als eine weitere selbstständige sofortige Beschwerde anzusehen, die im Übrigen nicht statthaft wäre. Der Kläger strebt damit nicht die Aufhebung oder Abänderung des Nichtabhilfebeschlusses an, sondern verfolgt weiter seinen Antrag, die Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit festzustellen. In dem Schriftsatz ist daher lediglich eine weitere Begründung seiner sofortigen Beschwerde und Stellungnahme zum Nichtabhilfebeschluss zu sehen.

2. Die sofortige Beschwerde ist unbegründet. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist nicht gegeben.

Das Landesarbeitsgericht hat gemäß § 78 S. 3 ArbGG durch den Vorsitzenden ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter über die sofortige Beschwerde zu entscheiden.

1. Es kann selbst in der Sache entscheiden, ohne das Verfahren wegen der Mängel der Abhilfeentscheidung an das Arbeitsgericht zurückzuverweisen.

a) Es kann dahinstehen, ob überhaupt eine ordnungsgemäße Entscheidung über die Nichtabhilfe i. S. d. § 572 Abs. 1 ZPO vorliegt. Die handschriftliche Verfügung deren Ziffer 1 den Text eines Nichtabhilfebeschlusses enthält (Bl. 167,168 d. A.) ist wohl unterschrieben, ohne dass aber erkennbar ist, wem diese Unterschrift zuzuordnen ist. Dass es sich um die Unterschrift der Vorsitzenden handelt, ergibt sich aber aus dem Vergleich mit der Unterschrift unter dem angefochtenen Beschluss. Der vollständige Beschluss mit Rubrum mit Datum vom 6. August 2007 (die handschriftliche Verfügung hat das Datum 3/8) ist aber nicht unterschrieben und trägt den Namen der Vorsitzenden nur maschinenschriftlich.

b) Der Beschluss vom 3./6. August 2007, mit dem das Arbeitsgericht eine Abhilfe abgelehnt hat, ist jedenfalls verfahrenfehlerhaft ergangen, da er allein von der Vorsitzenden und nicht von der Kammer erlassen wurde. Im Verfahren nach § 17 a GVG ist der Beschluss über die Nichtabhilfe genauso wie der Beschluss über die Rechtswegzuständigkeit durch die Kammer zu erlassen (LAG Rheinland-Pfalz vom 25.01.2007 - 11 Ta 10/07; LAG Berlin vom 15.02.2006 - 13 Ta 170/06; LAGE § 623 BGB 2002 Nr. 5; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG 5. Aufl. § 48 Rz. 84; GK - ArbGG/Bader § 48 Rz. 60).

c) Dieser Verfahrensverstoß zwingt allerdings nicht dazu, die Sache an das Arbeitsgericht zurückzuverweisen, damit dies eine verfahrensfehlerfreie Entscheidung über die Nichtabhilfe treffen kann. In Hinblick darauf, dass es sich um einen schweren Verfahrensfehler handelt, der auch die Frage der Beteiligung der gesetzlichen Richter betrifft wird vertreten, dass notwendig gemäß § 572 Abs. 3 ZPO an das Arbeitsgericht zurückzuverweisen sei (LAG Baden-Württemberg vom 07.08.2002 - 15 Ta 12/02, LAG Report 2003, 150; Schwab/Weth/Schwab ArbGG § 78 Rz. 45).

Dem ist nicht zu folgen. Gegenstand der Prüfung durch das Beschwerdegericht ist die angefochtene Entscheidung und nicht die Nichtabhilfeentscheidung. Das nach § 572 Abs. 1 S. 1 ZPO vorgeschriebene Abhilfeverfahren ist ein aus Gründen der Prozessökonomie vorgeschriebenes Vorverfahren. Die ordnungsgemäße Durchführung des Abhilfeverfahrens ist nicht Verfahrensvoraussetzung für das Beschwerdeverfahren oder für die Beschwerdeentscheidung selbst. Bei fehlerhaftem Abhilfeverfahren kann das Beschwerdegericht deshalb selbst in der Sache entscheiden (vgl. LAG Berlin vom 15.02.2006 a.a.O.).

2. Die Beschwerde ist unbegründet. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist nicht gegeben.

In Betracht kommt nur eine Zuständigkeit nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 b) ArbGG. Danach ist die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen gegeben für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und gemeinsamen Einrichtungen der Tarifvertragsparteien oder Sozialeinrichtungen des privaten Rechts über Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis oder Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis in rechtlichem oder unmittelbar wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Die Beklagte ist unstreitig keine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien. Die Beklagte ist auch keine Sozialeinrichtung des privaten Rechts im Sinne dieser Vorschrift.

Unter einer Sozialeinrichtung i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 4 ArbGG wie des § 87 Abs. 1 Nr. 8 ist ein vom Arbeitgeber oder mehreren Arbeitgebern errichtetes zweckgebundenes Sondervermögen zu verstehen, das der Verwaltung bedarf und dessen Zweck darin besteht soziale Leistungen an gegenwärtige oder ehemalige Arbeitnehmer zu erbringen. Es kann dahinstehen, ob eine Sozialeinrichtung in diesem Sinne noch bejaht werden kann, wenn eine Pensionskasse nicht nur mehreren Unternehmen eines Konzerns oder mehreren bestimmten Arbeitgebern offen steht, sondern - wie hier - allen Arbeitgebern des genossenschaftlichen Bereichs. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob noch von einer Errichtung durch mehrere Arbeitgeber gesprochen werden kann, wenn ein Pensionsverein auf Gegenseitigkeit die Mitgliedschaft lediglich auf eine Klasse von Unternehmen mit einem bestimmten historischen und organisatorischen Hintergrund sowie einer bestimmen ideellen Zielrichtung einschränkt.

Die Beklagte hat sich jedenfalls seit 2002 über den genossenschaftlichen Verbund hinaus geöffnet. Sie bietet seitdem unter anderem Leibrentenversicherungen auch für Nichtmitglieder, das heißt für Unternehmen und deren Arbeitnehmer aus dem nichtgenossenschaftlichen Bereich an. Auch wenn für das Mitglieder- und Nichtmitgliedergeschäft je selbstständige Abteilungen innerhalb des Deckungsstocks der Versicherungen gebildet werden steht die Beklagte damit einer allgemeinen Direktversicherung gleich. Die Leistungen der Beklagten werden nicht aus ein dem Arbeitgeber zugeordneten zweckgebundenen und einer Verwaltung bedürfenden Sondervermögen geleistet, sondern durch einen unabhängigen Dritten, die Beklagte als Versicherer (vgl. dazu LAG Hamm vom 08.05.2002 - 10 Ta BV 132/05 - NZA - RR 2003 S. 99 zu II 1. a der Gründe). Wie bei einer Direktversicherung sind zwar die Versorgungsmittel auf die Beklagte ausgelagert. Sie sind dieser als Dritten aber anvertraut und unterliegen nicht mehr der Verwaltung des Arbeitgebers (vgl. dazu Höfer, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung Rz 1143). Für Direktversicherungen ist anerkannt, dass bei diesen keine Sozialeinrichtung vorliegt (BAG 3 ABR 32/75 vom 18.03.1976, AP Nr. 4 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung; Höfer a.a.O. Rz. 1143).

Wegen grundsätzlicher Bedeutung wird die Rechtsbeschwerde zugelassen.

Ende der Entscheidung

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