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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 10.07.2003
Aktenzeichen: 9 Ta BV 162/02
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 51 Abs. 1 Satz 2
BetrVG § 27 Abs. 1 Satz 3
BetrVG § 19 analog
1. Die Wahl der Mitglieder für den Gesamtbetriebsausschuss erfolgt nach §§ 51 Abs. 1 Satz 2, 27 Abs. 1 Satz 3 BetrVG als Verhältniswahl. Das Gesetzgebungsverfahren zum Betriebsverfassungs-Reformgesetz 2001 lässt insoweit keine hinreichenden Anhaltspunkte für ein Redaktionsversehen erkennen.

2. Im Beschlussverfahren um die Wirksamkeit der Wahl der Mitglieder und Ersatzmitglieder für den Gesamtbetriebsausschuss sind diese zu beteiligen.


Hessisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes ! Beschluss

Aktenzeichen: 9 TaBV 162/02

Verkündet laut Protokoll am 10. Juli 2003

In dem Beschlussverfahren

hat das Hessische Landesarbeitsgericht, Kammer 9, in Frankfurt am Main auf die mündliche Anhörung vom 10. Juli 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Bram als Vorsitzenden und den ehrenamtlichen Richter Becht und den ehrenamtlichen Richter Schwinck als Beisitzer

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Beteiligten zu 3) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 09. September 2002 - 15 BV 301/02 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

Die Antragsteller und Beteiligten zu 1) und 2) sind Mitglieder des bei der D, der Beteiligten zu 4), gebildeten Gesamtbetriebsrats, des Beteiligten zu 3). Die Beteiligten zu 5) bis 26) sind die gewählten Mitglieder und Ersatzmitglieder des Gesamtbetriebsausschusses.

Am 6. Juni 2002 fand die konstituierende Sitzung des Gesamtbetriebsrats der D statt. In dieser Sitzung wurde unter Tagesordnungspunkt 9 die Wahl von 7 weiteren Mitgliedern des Gesamtbetriebsausschusses vorgenommen. Im Vorfeld der Wahl wurde die Frage erörtert, ob die Wahl der weiteren Mitglieder des Gesamtbetriebsausschusses in Mehrheits- oder Verhältniswahl durchzuführen sei. Auf Antrag des Vorsitzenden stimmte der Gesamtbetriebsrat bei 9.711,4 Gegenstimmen und 0 Enthaltungen für die Durchführung der Wahl als Mehrheitswahl.

Das Gesamtbetriebsratsmitglied K, schlug als weitere Mitglieder des Gesamtbetriebsausschusses die Gesamtbetriebsratsmitglieder E M, N, K, H, H und Z vor. Das Gesamtbetriebsratsmitglied P schlug als weiteres Mitglied des Gesamtbetriebsausschusses das Gesamtbetriebsratsmitglied D vor. Bei der nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl durchgeführten Wahl entfielen auf die von K vorgeschlagenen Mitglieder 39.047,9 Stimmen und auf das von P vorgeschlagene Mitglied 9.711,4 Stimmen.

Ausweislich der Niederschrift über die konstituierende Sitzung des Gesamtbetriebsrats vom 6. Juni 2002 (Bl. 21 ff. d.A.) wurde darauf die Wahl der von P vorgeschlagenen Kandidaten als weitere Mitglieder des Gesamtbetriebsausschusses festgestellt. Danach wurde unter Tagesordnungspunkt 10 die Wahl von jeweils zwei persönlichen Ersatzmitgliedern für die Mitglieder des Gesamtbetriebsausschusses vorgenommen. Die Wahl der Ersatzmitglieder erfolgte einstimmig.

Mit ihrer am 19. Juni 2002 per Telefax eingereichten Antragsschrift haben die in der Gewerkschaft D organisierten Beteiligten zu 1) und 2) die Auffassung vertreten, die Wahl der weiteren Mitglieder des Gesamtbetriebsausschusses wie auch die Wahl der Ersatzmitglieder sei unwirksam. Die Wahl der Mitglieder des Gesamtbetriebsausschusses sei unwirksam, da nach der Neufassung des BetrVG gemäß §§ 51 Abs. 1 Satz 2, 27 Abs. 1 Satz 3 BetrVG die Wahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl zu erfolgen habe und in diesem Fall unter Anwendung des d'Hondt'schen Höchstzahlverfahrens der Kandidat D als Mitglied des Gesamtbetriebsausschusses gewählt wäre. Die Wahl der Ersatzmitglieder sei unwirksam, da sie hätte unterbleiben müssen. Da die weiteren Mitglieder des Gesamtbetriebsausschusses nach den Grundsätzen der Verhältniswahl hätten gewählt werden müssen, wären sodann in entsprechender Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 1 BetrVG die Ersatzmitglieder der Reihe nach aus den nicht Gewählten der vorhandenen Vorschlagslisten zu entnehmen. Da der Gesamtbetriebsrat nach wie vor der Auffassung sei, die Wahl sei als Mehrheitswahlentscheidung durchzuführen, sei er auch zu verpflichten, künftig bei Vorliegen mehrerer Wahlvorschläge eine Verhältniswahl durchzuführen.

Nachdem die Beteiligten zu 1) und 2) mit ihren Anträgen zu 2) und 3) zunächst beantragt hatten, die Wahlen für unwirksam zu erklären, haben sie in der Anhörung beantragt,

1. den Beschluss des Gesamtbetriebsrats vom 6. Juni 2002, die Wahl der weiteren Mitglieder des Gesamtbetriebsausschusses des Gesamtbetriebsrats der D im Wege der Mehrheitswahl durchzuführen, für unwirksam zu erklären;

2. festzustellen, dass die Wahl der weiteren Mitglieder des Gesamtbetriebsausschusses vom 6. Juni 2002 unwirksam ist;

3. festzustellen, dass die Wahl der Ersatzmitglieder für den Gesamtbetriebsausschuss vom 6. Juni 2002 unwirksam ist;

4. den Gesamtbetriebsrat zu verpflichten, die erneut vorzunehmende Wahl der weiteren Mitglieder des Gesamtbetriebsausschusses bei Vorliegen mehrerer Wahlvorschläge im Wege der Verhältniswahl durchzuführen.

Der Gesamtbetriebsrat, der Beteiligte zu 3), hat beantragt, die Anträge zurückzuweisen.

Die am Verfahren beteiligte Arbeitgeberin hat keinen Antrag gestellt.

Der Gesamtbetriebsrat hat die Auffassung vertreten, auch nach der Novellierung des BetrVG habe die Wahl der Mitglieder des Gesamtbetriebsausschusses nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl zu erfolgen. Die Verweisungsvorschrift in § 51 Abs. 1 Satz 2 BetrVG n.F. sei aufgrund eines Redaktionsversehens fehlerhaft gefasst, weshalb der dortige Verweis im Wege der teleologischen Reduktion wie bisher als Verweis lediglich auf § 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 BetrVG auszulegen sei. Klar erkennbarer Wille des Gesetzgebers sei es gewesen, den Minderheitenschutz nicht etwa durch Einführung der Grundsätze der Verhältniswahl auf die Wahl der Mitglieder des Gesamtbetriebsausschusses auszudehnen. Der Gesamtbetriebsrat hat darauf verwiesen, dass die Wahl der Ersatzmitglieder einstimmig erfolgt sei und den Antrag zu 3) schon deswegen für unzulässig, jedenfalls unbegründet gehalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten, des vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalts und des erstinstanzlichen Verfahrens wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat dem Antrag durch Beschluss vom 9. Sept. 2002 - 15 BV 301/02 - stattgegeben. Es hat angenommen, die Anträge zu 2) und 3) seien begründet, die Anträge zu 1) und 4) dagegen unzulässig bzw. unbegründet. Die Wahl der weiteren Mitglieder des Gesamtbetriebsausschusses vom 6. Juni 2002 sei unwirksam, da gegen zwingende Vorschriften des Wahlrechts verstoßen und durch diesen Verstoß das Wahlergebnis geändert worden sei.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts könnten Gesetzesverstöße bei betriebsratsinternen Wahlen in entsprechender Anwendung des § 19 BetrVG in einem Wahlanfechtungsverfahren geltend gemacht werden, wobei die Anfechtungsfrist in entsprechender Anwendung des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG zwei Wochen betrage und anstelle der Anfechtungsbefugnis von drei Wahlberechtigten gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG die Anfechtungsbefugnis des einzelnen Betriebsratsmitglieds trete. Diese Grundsätze seien auf interne Wahlen des Gesamtbetriebsrats entsprechend anzuwenden.

Die Wahl vom 6. Juni 2002 verstoße gegen zwingende gesetzliche Wahlvorschriften, denn entgegen der Auffassung des Gesamtbetriebsrats sei seit der Novellierung des BetrVG die Wahl der weiteren Mitglieder des Gesamtbetriebsrats nach den Grundsätzen der Verhältniswahl und nicht nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl durchzuführen. § 51 Abs. 1 Satz 2 BetrVG verweise für die Wahl der Mitglieder des Gesamtbetriebsausschusses uneingeschränkt auf § 27 Abs. 1 BetrVG und damit auch auf § 27 Abs. 1 Satz 3 BetrVG. Nach § 27 Abs. 1 Satz 3 BetrVG wiederum erfolge die Wahl der weiteren Ausschussmitglieder nach den Grundsätzen der Verhältniswahl (sofern nicht nur ein Wahlvorschlag gemacht worden sei, § 27 Abs. 1 Satz 4 BetrVG). Der Gesetzgeber habe die bisherige Verweisung in § 51 Abs. 1 Satz 2 BetrVG dahin geändert, dass gerade nicht mehr allein auf § 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 BetrVG verwiesen werde.

Es liege insoweit auch kein Redaktionsversehen vor, das dazu führe, dass im Wege der teleologischen Reduktion § 51 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nach wie vor lediglich als Verweisung auf § 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 BetrVG auszulegen sei. Auch wenn im Referenten- und im Kabinettsentwurf zur Novellierung des BetrVG zunächst in § 27 Abs. 3 die Streichung der Worte "in geheimer Wahl und nach den Grundsätzen der Verhältniswahl" sowie die Aufhebung der bisherigen Absätze 4 und 5 vorgesehen gewesen sei, zeige die verabschiedete Neufassung, dass von diesem Entwurf abgewichen und die im Jahr 1989 aufgenommene verbindliche Festlegung der Verhältniswahl bei mehreren Wahlvorschlägen zur Wahl der weiteren Betriebsausschussmitglieder beibehalten worden sei. Richtig sei weiter, dass bei einem ohnehin vorgesehenen Wegfall der Verhältniswahl im Rahmen des § 27 Abs. 1 BetrVG eine eingeschränkte Verweisung des § 51 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nicht mehr erforderlich gewesen wäre, um es für die Wahl der weiteren Mitglieder des Gesamtbetriebsausschusses bei der bisherigen Rechtslage und damit den Grundsätzen der Mehrheitswahl zu belassen. Nachdem im Gegensatz zum Referenten- und Kabinettsentwurf gemäß § 27 Abs. 1 Satz 3 BetrVG bei der Wahl der weiteren Mitglieder des Betriebsausschusses aber nach wie vor die Grundsätze der Verhältniswahl anzuwenden seien, könne daraus nicht zwingend geschlossen werden, lediglich aufgrund eines Redaktionsversehens sei eine entsprechende (Rück-)anpassung der Verweisungsvorschrift des § 51 Abs. 1 Satz 2 BetrVG unterblieben. Außer bloßen Spekulationen angesichts der politischen Mehrheitsverhältnisse enthalte des Gesetz keinen Hinweis darauf, der Gesetzgeber habe trotz des Wortlauts des § 51 Abs. 1 Satz 2 BetrVG beabsichtigt, bei der Wahl der weiteren Mitglieder des Gesamtbetriebsausschusses nach wie vor die Grundsätze der Mehrheitswahl zur Anwendung zu bringen. Die Gesetzesauslegung finde dort ihre Grenzen, wo sie mit dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzes in Widerspruch treten würde. Im Wege der Auslegung dürfe einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz nicht ein entgegengesetzter Sinn verliehen, der normative Gehalt der auszulegenden Norm nicht grundlegend neu bestimmt oder das gesetzgeberische Ziel nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlt werden.

Der Wortlaut des § 51 Abs. 1 Satz 2 BetrVG sehe aufgrund seiner Verweisung auf § 27 Abs. 1 Satz 3 BetrVG für die Wahl der weiteren Mitglieder des Gesamtbetriebsausschusses die Grundsätze der Verhältniswahl vor. Die Entstehungsgeschichte des Gesetzes zwinge nicht zur Annahme, dies entspräche nicht dem Willen des Gesetzgebers. Auch wenn im Gesetzgebungsverfahren ursprünglich neben der Abschaffung des Gruppenschutzes (§§ 27 Abs. 2, 51 Abs. 2, 59 Abs. 1 i.V.m. 51 Abs. 2 BetrVG a.F.) für Betriebs-, Gesamtbetriebs- und Konzernbetriebsausschuss auch die Wahl der jeweiligen dortigen weiteren Ausschussmitglieder einheitlich nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl vorgesehen gewesen sei, sei dies jedenfalls nicht Gesetz geworden. Aus der Systematik des novellierten BetrVG ergebe sich nirgends, dass durch die Neufassung insoweit lediglich der bisherige Rechtszustand habe aufrechterhalten bleiben sollen, also Verhältniswahl bei der Wahl der weiteren Mitglieder des Betriebsausschusses und Mehrheitswahl bei der Wahl der weiteren Mitglieder des Gesamtbetriebs- und des Konzernbetriebsausschusses. Aus der Systematik könne vielmehr mit derselben Plausibilität geschlossen werden, dass nach dem Willen des Gesetzgebers bei den Wahlen der weiteren Mitglieder des Betriebs-, Gesamtbetriebs- und Konzernbetriebsausschusses einheitliche Wahlgrundsätze gelten sollten, allerdings die der Verhältniswahl. Zwar verweise § 59 Abs. 1 BetrVG, wie im Übrigen auch § 51 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, nicht auf § 28 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Dies betreffe aber nicht die Wahl der weiteren Mitglieder des Konzernbetriebs- oder des Gesamtbetriebsausschusses, sondern Wahl und Abberufung der Ausschussmitglieder der weiteren Ausschüsse. Dagegen verweise § 59 Abs. 1 BetrVG für die Wahl der weiteren Mitglieder des Konzernbetriebsausschusses auf § 51 Abs. 1 Satz 2 BetrVG und somit ebenfalls auf § 27 Abs. 1 Satz 3 BetrVG.

Die Annahme, der Gesetzgeber des novellierten BetrVG habe angesichts der politischen Mehrheitsverhältnisse, wenn er das seit Einführung kritisierte Verhältniswahlrecht bei der Wahl der weiteren Mitglieder des Betriebsausschusses schon nicht abschafft habe, dieses jedenfalls nicht auch noch auf die Wahl der weiteren Mitglieder des Gesamtbetriebs- und des Konzernbetriebsausschusses ausdehnen wollen, finde im Gesetz keine Stütze.

Auch die Wahl der Ersatzmitglieder für den Gesamtbetriebsausschuss vom 6. Juni 2002 sei unwirksam. Es könne dahinstehen, ob ein Verstoß gegen zwingende gesetzliche Wahlvorschriften vorliege. Das Gesetz sehe an keiner Stelle ausdrücklich vor, dass Ersatzmitglieder für die weiteren Mitglieder des Betriebsausschusses und damit auch des Gesamtbetriebsausschusses gemäß § 25 Abs. 2 BetrVG zu ermitteln seien. Vielmehr enthalte das Gesetz keine ausdrückliche Regelung über die Wahl von Ersatzmitgliedern für verhinderte oder für aus dem Betriebsausschuss ausgeschiedene Betriebsratsmitglieder. Soweit die weitgehend als zulässig und zweckmäßig anerkannte Bestellung von Ersatzmitgliedern auf eine entsprechende Anwendung des § 47 Abs. 3 BetrVG gestützt werde, verweise dieser seit der Novellierung jedenfalls nicht mehr auf § 25 Abs. 2 BetrVG. Für die Entscheidung könne offen bleiben, ob dann, wenn die Wahl der weiteren Ausschussmitglieder nach den Grundsätzen der Verhältniswahl zu erfolgen habe, eine gesonderte Wahl der Ersatzmitglieder überhaupt zulässig sei. Selbst wenn die Wahl der Ersatzmitglieder durch Mehrheitswahl und in nicht geheimer Wahl hätte erfolgen dürfen und auch unter Berücksichtigung der Umstände, dass die Wahl der Ersatzmitglieder einstimmig erfolgt sei und der Wahlvorschlag des Gesamtbetriebsratsmitglieds P nur einen Kandidaten umfasst habe, sei die Wahl unwirksam. Dies folge zwangsläufig aus der Unwirksamkeit der Wahl der weiteren Mitglieder des Gesamtbetriebsausschusses. Wäre diese Wahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl durchgeführt worden, wäre das Gesamtbetriebsratsmitglied D in den Gesamtbetriebsausschuss gewählt, wäre ein Kandidat des Wahlvorschlags des Gesamtbetriebsratsmitglieds K nicht gewählt, wäre für diesen nicht Gewählten kein Ersatzmitglied zu wählen gewesen, wohl aber für D, der wiederum nicht zum Ersatzmitglied für das Ausschussmitglied H hätte gewählt werden können.

Der Antrag zu 1) sei unzulässig. Die Unwirksamkeit des Beschlusses des Gesamtbetriebsrats vom 6. Juni 2002 ergebe sich schon aus der Stattgabe des Antrages zu 2), wonach die Wahl der weiteren Mitglieder des Gesamtbetriebsausschusses nach den Grundsätzen der Verhältniswahl zu erfolgen gehabt hätte. Ein Feststellungsinteresse für eine darüber hinaus gehende Feststellung der Unwirksamkeit liege ebenso wenig vor wie ein Rechtsschutzinteresse für eine isolierte "Unwirksamkeitserklärung".

Der Antrag zu 4) sei unbegründet. Ein Handlungsanspruch der Antragsteller gegenüber dem Gesamtbetriebsrat bestehe nicht. Im Übrigen sei kein Anhaltspunkt ersichtlich, der die Annahme rechtfertige, der Gesamtbetriebsrat werde einer rechtskräftigen der Wahlanfechtung stattgebenden Entscheidung nicht folgen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die erstinstanzlichen Beschlussgründe verwiesen.

Der Beteiligte zu 3) hat gegen diesen Beschluss, der ihm am 28. Okt. 2002 zugestellt worden ist, am 22. Nov. 2002 Beschwerde eingelegt und diese nach gleichzeitig beantragter Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 30. Jan. 2003 am 27. Jan. 2003 per Telefax begründet.

Der Beteiligte zu 3) ist weiterhin der Auffassung, bei dem Wortlaut des § 51 Abs. 1 Satz 2 BetrVG und seiner Verweisung auf § 27 Abs. 1 handele es sich um ein Redaktionsversehen. Dies ergäbe sich aus der Entstehungsgeschichte der Norm. Die Einführung der Verhältniswahl für die weiteren Mitglieder eines Gesamtbetriebausschusses sei zu keinem Zeitpunkt Gegenstand eines Gesetzesentwurfs oder der Beratungen und Empfehlungen gewesen. Es sei lediglich die in dem ursprünglichen Entwurf enthaltene redaktionelle Anpassung der Verweisung in § 51 Abs. 1 Satz 2 BetrVG übersehen worden. Die Annahme, der Gesetzgeber hätte eine Ausweitung der Verhältniswahl gewollt, widerspräche Inhalt und Begründung des Gesetzesentwurfs, der parlamentarischen Beratung und Beschlussempfehlung.

Der Beteiligte zu 3) beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 9. Sept. 2002 -15 BV 301/02- abzuändern und die Anträge sämtlich zurückzuweisen.

Die Beteiligten zu 1) und 2) beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beteiligten zu 1) und 2) verteidigen den Beschluss des Arbeitsgerichts und sind der Auffassung, das Gesetz sei eindeutig. Für ein redaktionelles Versehen lägen keine Anhaltspunkte vor. Der Gesetzgeber habe hinsichtlich der Verweisung auf § 27 Abs. 1 BetrVG offenbar keinen Änderungsbedarf gesehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Beschwerdeschriftsätze und den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 10. Juli 2003 verwiesen.

Die Beschwerde ist statthaft, § 87 Abs. 1 ArbGG, und zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist, §§ 87 Abs. 2 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 1, 89 Abs. 1 und 2 ArbGG.

Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die erstinstanzlichen Anträge zu 2) und 3) der Beteiligten zu 1) und 2), über die im Beschwerderechtszug nur noch zu entscheiden ist, sind begründet.

Die Anträge wahren die § 19 BetrVG entsprechenden formalen Anfechtungserfordernisse (vgl. BAG Beschluss vom 15. Jan. 1992 - 7 ABR 24/91 - NZA 1992,1091; BAG Beschluss vom 13. Nov. 1991 - 7 ABR 8/91 -NZA 1992, 944; BAG Beschluss vom 13. Nov. 1991-7 ABR 18/91 - NZA 1992, 989; LAG Düsseldorf Beschluss vom 4. Nov. 1999 - 5 Ta BV 68/99 - BB 2000, 1298). Der Zulässigkeit der Anträge steht nicht entgegen, dass sie nach ihrem Wortlaut darauf gerichtet sind, die Unwirksamkeit der Wahlen festzustellen, aber nicht darauf, die Wahl anzufechten, d.h. durch eine gerichtliche Gestaltungsentscheidung für unwirksam zu erklären. Die Anträge sind dahingehend auszulegen, denn sie wurden in der Antragsschrift richtig gestellt und erst auf Bedenken des Arbeitsgerichts im Anhörungstermin geändert. In entsprechender Anwendung des § 19 BetrVG geht es jedoch um eine gerichtliche Gestaltungsentscheidung, die die Beteiligten zu 1) und 2) auch begehrt haben (vgl. BAG Beschluss vom 8. April 1992-7 ABR 71/91 - EzA § 26 BetrVG 1972 Nr. 6 m. w. Nachw.). Die Anträge sind fristgerecht eingereicht worden. Die anfechtenden Beteiligten zu 1) und 2) sind als Mitglieder des Gesamtbetriebsrats anfechtungsberechtigt.

Die Beteiligung der gewählten Mitglieder und Ersatzmitglieder des Gesamtbetriebsausschusses hatte das Beschwerdegericht nachzuholen. Die Beteiligten zu 5) bis 26) haben durch ihre Prozessbevollmächtigten, die auch die Beteiligten zu 1) und 2) bzw. 3) vertreten, ausdrücklich auf die Zustellung der erst- und zweitinstanzlichen Schriftsätze verzichtet und sind zum Anhörungstermin geladen worden. Sie sind zu beteiligen, da sie in ihren betriebsverfassungsrechtlichen Funktionen unmittelbar betroffen sind (vgl. BAG Beschluss vom 15. Aug. 1978 - 6 ABR 56/77 - AP § 47 BetrVG 1972 Nr. 3).

Die Wahl der sieben weiteren Mitglieder des Gesamtbetriebsausschusses vom 6. Juni 2002 und der Ersatzmitglieder ist unwirksam. Seit der Novellierung des BetrVG ist die Wahl der weiteren Mitglieder des Gesamtbetriebsausschusses nach § 51 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 27 Abs. 1 Satz 3 BetrVG in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Sept. 2001 (BGBl I S. 2518) nach den Grundsätzen der Verhältniswahl und nicht nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl durchzuführen. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt und umfassend begründet. Das Beschwerdegericht macht sich die Begründung in den arbeitsgerichtlichen Beschlussgründen insoweit zu eigen und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf Bezug. Die Angriffe der Beschwerde rechtfertigen keine andere Beurteilung. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Der Wortlaut der Normen ist eindeutig. Für die Annahme eines Redaktionsversehens liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte vor. Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 2. April 2001 (BT-Drucks. 14/5741, Bl. 90 ff. d. A.) sah zwar vor, dass in § 27 Abs. 1 Satz 3 die Worte "in geheimer Wahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl" gestrichen werden sollte, die Verweisung in § 51 Abs. 1 Satz 2 sich nur noch auf § 27 Abs. 1 beziehen und damit die Verhältniswahl für die Mitglieder des Gesamtbetriebsausschusses abgeschafft werden sollte. § 27 Abs. 1 Satz 3 sollte demnach lauten:

"Die weiteren Ausschussmitglieder werden vom Betriebsrat aus seiner Mitte gewählt."

Dem lag der Referentenentwurf vom 15. Dez. 2000 (Bl. 98 ff. d. A.) zugrunde, der auf S. 39 (Bl 102 d. A.) die Begründung zur Änderung des § 27 Abs. 1 enthielt:

"...Damit werden die Wahlen innerhalb des Betriebsratsorgans wesentlich vereinfacht. Dem dient auch, von der Verhältniswahl als Regelwahl abzusehen."

Diese Vorschläge wurden in den Kabinettsbeschluss vom 14. Febr. 2001 (Bl. 105 ff. d. A.) übernommen.

Im Änderungsantrag der CDU/CSU-Fraktion (Bericht des Abgeordneten Weiß vom 20. Juni 2001 (Bl. 113 ff., 114 d. A.) heißt es unter Begründung u.a.:

"Nach geltendem Recht wählt der Betriebsrat aus seiner Mitte in geheimer Wahl die weiteren Ausschussmitglieder nach den Grundsätzen der Verhältniswahl. An diesem Verhältniswahlrecht wird festgehalten, um den Minderheitenschutz zu gewährleisten. Die bisherige Regelung hat sich bewährt und bietet auch Betriebsratsmitgliedern, die kleinen Gewerkschaften angehören oder nicht gewerkschaftlich organisiert sind, eine größere Chance als Ausschussmitglieder gewählt zu werden, als dies nach einem reinen Mehrheitsentscheid der Fall wäre."

Dieser Änderungsantrag fand Eingang in die Änderungsanträge der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 19. Juni 2001 (Bl. 119 ff. d. A.) und die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 20. Juni 2001 (Bl. 121 ff. d. A.), wo es in der Begründung heißt:

"Die Besetzung der Ausschüsse (§§ 27, 28 BetrVG) und die Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder (§ 38 Abs. 2 BetrVG) soll nach den Grundsätzen der Verhältniswahl erfolgen."

In der Beschlussempfehlung für den Gesetzesentwurf (Bl 126, 127 d. A.) wird die vorgesehene Aufhebung der Verhältniswahl wieder gestrichen. § 51 Abs. 1 Satz 2 und die dortige Bezugnahme auf § 27 Abs. 1 blieb unverändert.

Angesichts dieses Verlaufs des Gesetzgebungsverfahrens hält es das Beschwerdegericht wie bereits das Arbeitsgericht für reine Spekulation, dass der Wahlmodus der Verhältniswahl bei der Wahl der Mitglieder für den Betriebsausschuss gegenüber den ursprünglichen Gesetzesentwürfen habe rückgeändert, für die Wahl der Mitglieder für den Gesamtbetriebsausschuss jedoch beibehalten werden sollen. Allein aus dem Passus im Bericht des Abgeordneten Weiß und im Änderungsantrag von SPD/Bündnis 90/Die Grünen, dadurch änderten sich die für die Geschäftsführung maßgebenden Angaben in den Verweisungsnormen, lässt sich nicht der Schluss ziehen, es hätten nur die Verweisungsnormen für die Geschäftsordnung geändert werden, die Verweisung auf den gesamten ersten Absatz des § 27 Abs. 1 jedoch aufgehoben und insbesondere Satz 3 ausgenommen werden sollen. Näher liegt der gegenteilige Schluss, dass die Wahlen nicht unterschiedlich geregelt werden sollten und mangels Änderungsbedarfs die Verweisungsnorm des § 51 Abs. 1 Satz BetrVG insoweit unverändert blieb.

Hinsichtlich der Unwirksamkeit der Wahl der Ersatzmitglieder wird ebenfalls auf die überzeugenden Ausführungen in den arbeitsgerichtlichen Entscheidungsgründen Bezug genommen.

Die Entscheidung ergeht nach § 12 Abs. 5 ArbGG kosten- und gebührenfrei.

Die Rechtsbeschwerde wird nach §§ 92 Abs. 1 S. 2, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

Ende der Entscheidung

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