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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 10.04.2008
Aktenzeichen: 9 TaBV 236/07
Rechtsgebiete: BetrVG, ArbGG


Vorschriften:

BetrVG § 78
ArbGG § 12 a Abs. 1 S. 1
Bei einem rechtswidrigen Lohneinbehalt oder einer nicht rechtmäßigen Abmahnung steht § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG einem auf § 37 Abs. 2 BetrVG gestützten Schadensersatzanspruch gemäß §§ 823 Abs. 2 BGB, 78 Satz 2 BetrVG auf Freistellung von den erstinstanzlichen Anwaltskosten nicht entgegen. Der auf die Funktionsfähigkeit der betrieblichen Mitbestimmung ausgerichtete Schutzzweck des § 78 Satz 2 BetrVG überwiegt gegenüber dem Normzweck des § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG, die erstinstanzlichen Verfahrenskosten gering zu halten (Rechtsbeschwerde wg. Divergenz zu BAG Beschluss vom 30. Juni 1993 - 7 ABR 45/92 - zugelassen).
Tenor:

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 07. August 2007 - 4 BV 47/07 - abgeändert:

Die Beteiligte zu 2) wird verpflichtet, den Beteiligten zu 1) von seiner Zahlungsverpflichtung gegenüber den Rechtsanwälten A und B aus der Rechnung vom 21. Dezember 2006 in Höhe von 676,86 EUR (in Worten: Sechshundertsechsundsiebzig und 86/100 Euro) freizustellen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Der Beteiligte zu 1) ist Betriebsratsmitglied und verlangt vom Arbeitgeber die Freistellung von Rechtsanwaltskosten.

Die Beteiligten zu 1) und 2) stritten im Rechtsstreit 6/4 Ca 5371/06 vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main um Vergütung für Zeiten, in denen der Beteiligte zu 1) Betriebsratsarbeit verrichtete und um die Entfernung einer Abmahnung aus seiner Personalakte. Im Gütetermin vom 6. Nov. 2006 schlossen sie einen Vergleich, nachdem die Beklagte die Klageforderungen erfüllte (Bl. 4 d. A.). Damit sollte der Rechtsstreit erledigt sein. Ziff. 4 des Vergleiches lautet:

"Etwaige gerichtliche Auslagen werden zwischen den Parteien geteilt, ihre außergerichtlichen Kosten trägt jede Partei selbst."

Anschließend teilte das Gericht seine Absicht mit, den Gegenstandswert auf EUR 2.440,26 festzusetzen. Sein Prozessbevollmächtigter berechnete dem Beteiligten zu 1) mit Rechnung vom 21. Dez. 2006 (Bl. 5 d. A.) eine Anwaltsvergütung in Höhe von EUR 676,86 und übermittelte diese auch der Beteiligten zu 2) unter Hinweis darauf, sie sei gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG zur Zahlung verpflichtet. Mit Schreiben vom 10. Jan. 2007 lehnte die Beteiligte zu 2) die Begleichung der Rechnung ab.

Der Beteiligte zu 1) ist der Auffassung gewesen, die Beteiligte zu 2) müsse ihn gemäß § 40 BetrVG von den Anwaltskosten freistellen, da die notwendige arbeitsgerichtliche Geltendmachung seiner individualrechtlichen Ansprüche durch seine Betriebsratstätigkeit veranlasst gewesen sei und nur durch Zuerkennung eines Freistellungsanspruchs eine Benachteiligung als Betriebsratsmitglied vermieden werden könne.

Der Beteiligte zu 1) hat beantragt,

die Beteiligte zu 2) zu verpflichten, ihn von seiner Zahlungsverpflichtung gegenüber den Rechtsanwälten A und B in Höhe von EUR 676,86 freizustellen.

Die Beteiligte zu 2) hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Die Beteiligte zu 2) hat die Geltendmachung des Freistellungsanspruchs im Beschlussverfahren für unzulässig gehalten und hat gemeint, die Sache sei in das Urteilsverfahren abzugeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten, des vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalts und des erstinstanzlichen Verfahrens wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat den Antrag durch Beschluss vom 7. Aug. 2007 - 4 BV 47/07 - zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Freistellungsanspruch des Beteiligten zu 1) bestünde nicht, da die Kosten wegen der arbeitsgerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis entstanden seien und ein Anspruch nach § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG ausgeschlossen sei. Das gelte auch für eine auf § 37 Abs. 2 BetrVG gestützte Lohnklage eines Betriebsratsmitglieds bzw., wenn die Klage auf Entfernung aus der Personalakte im Zusammenhang mit seiner Betriebsratstätigkeit stünde. Dies stelle keine Benachteiligung im Sinne des § 78 Satz 2 BetrVG dar, da kein Arbeitnehmer unabhängig vom Anspruchsgrund im ersten Rechtszug Erstattung der Kosten für die Inanspruchnahme eines Prozessbevollmächtigten beanspruchen könne. Eine teleologische Reduktion des § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG verbiete sich deshalb. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die arbeitsgerichtlichen Beschlussgründe Bezug genommen.

Der Beteiligte zu 1) hat gegen diesen Beschluss, der ihm am 23. Aug. 2007 zugestellt worden ist, am 4. Sept. 2007 per Telefax Beschwerde eingelegt und diese ebenfalls per Telefax am 22. Okt. 2007 begründet.

Der Beteiligte zu 1) verfolgt mit der Beschwerde seinen erstinstanzlichen Antrag weiter und trägt hierzu vor, das Arbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass er abgemahnt worden sei, weil er am 11. Juli 2006 seinen Dienst nicht angetreten habe, sondern an einer Betriebsratssitzung teilgenommen habe. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts - und Bundesarbeitsgerichts - komme es darauf an, ob der Anspruch sich aus betriebsverfassungsrechtlichen Normen ableite und es sich um einen Freistellungsanspruch des nicht vermögensfähigen Betriebsrats handele, anderenfalls komme es zu einer Benachteiligung des Betriebsratsmitglieds. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts werde dem Schutzzweck des § 78 Satz 2 BetrVG nicht gerecht. Einem Arbeitnehmer ohne Betriebsratsamt entstünden diese Kosten nicht. Der Arbeitgeber hätte es sonst in der Hand, das Betriebsratsmitglied in der Ausübung seiner Betriebsratstätigkeit zu behindern, indem er dieses wegen nicht haltbarer Zweifel an der Erforderlichkeit der Betriebsratstätigkeit in eine Lohn- und Abmahnklage zwinge und es hierfür die Kosten zu tragen habe. Dieser Kostendruck sei geeignet, das Betriebsratsmitglied in der Ausübung seiner Betriebsratstätigkeit zu steuern, zu beeinflussen und zu behindern. Die Kostenregelung im Vergleich ändere daran nichts.

Der Beteiligte zu 1) beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 7. Aug. 2007 - 4 BV 47/07 - abzuändern und die Beteiligte zu 2) zu verpflichten, ihn von seiner Zahlungsverpflichtung gegenüber den Rechtsanwälten A und B in Höhe von EUR 676,86 freizustellen.

Die Beteiligte zu 2) beantragt,

die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.

Die Beteiligte zu 2) trägt vor, sie hätte die Zahlung für den 19. und 20. Juni 2006 zunächst abgelehnt und dem Beteiligten zu 1) eine Abmahnung erteilt, weil ihr keine genügenden Informationen vorgelegen hätten. Nachdem diese im Urteilsverfahren nachgereicht worden seien, hätte sie die beiden Tage nachvergütet und die Abmahnung entfernt. Die Nichtvergütung für den 21. Juni 2006 hätte auf einem Versehen beruht und mit der Betriebsratstätigkeit des Beteiligten zu 1) nichts zu tun gehabt. Sie ist der Auffassung, nach der Kostenregelung im Vergleich müsse der Beteiligte zu 1) seine außergerichtlichen Kosten selbst tragen. Der Antrag sei deshalb offensichtlich unzulässig, jedenfalls aber offensichtlich unbegründet, da nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 30. Juni 1993 § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG den Erstattungsanspruch auch dann ausschlösse, wenn er einem Betriebsratsmitglied bei der auf § 37 Abs. 2 BetrVG gestützten Lohnklage entstanden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Beschwerdeschriftsätze und den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 10. April 2008 verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist statthaft, § 87 Abs. 1 ArbGG, und zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist, §§ 87 Abs. 2 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 1, 89 Abs. 1 und 2 ArbGG, und hat auch in der Sache Erfolg.

Nach § 65 ArbGG hat das Beschwerdegericht die richtige Verfahrensart nicht zu prüfen. Ihre erstinstanzliche Rüge der unrichtigen Verfahrensart hat die Beteiligte zu 2) nicht wiederholt.

Die Beteiligte zu 2) ist dem Beteiligten zu 1) gegenüber gemäß §§ 823 Abs. 2 BGB, 78 Satz 2 BetrVG, 249 BGB zur Freistellung von der Forderung auf Anwaltsvergütung der Rechtsanwälte A und B gemäß deren Rechnung vom 21. Dez. 2006 in Höhe von EUR 676,86 verpflichtet.

Dem Freistellungsanspruch steht nicht bereits die Kostenregelung in dem im Urteilsverfahren abgeschlossenen Vergleich entgegen, wonach jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt. Eine andere Kostenentscheidung hätte der Beteiligte zu 1) im Urteilsverfahren wegen § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG durch ein Urteil nicht erzwingen können. Der Arbeitgeber wird keinen Vergleich schließen, wenn er dadurch kostenmäßig schlechter gestellt wird, als es bei einem Urteil der Fall wäre. Vor allem aber ist § 78 BetrVG zwingend. Seine Abbedingung in einem individualrechtlichen Vergleich ist nicht möglich (ErfK/Kania, 8. Aufl., § 78 BetrVG Rz. 1; GK/BetrVG-Kreutz 8. Aufl., § 78 Rz. 20). Die Vorschrift besteht nicht nur im Interesse des Funktionsträgers, sondern im öffentlichen Interesse an der Funktionsfähigkeit der Betriebsräte. Der Schadensersatzanspruch ergibt sich aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 78 Satz 2 BetrVG. Wer gegen ein den Schutz eines Anderen bezweckendes Gesetz verstößt, ist dem Anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. § 78 BetrVG Satz 2 ist Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB (etwa Hess. LAG Urteil vom 31. Aug. 2007 - 12 Sa 387/05 - Juris; LAG Niedersachsen Beschluss vom 21. Nov. 2003 - 16 Sa 147/03 - NZA-RR 2004, 414; Fitting 24. Aufl. § 78 BetrVG Rz. 4, 21; GK/BetrVG-Kreutz, 8. Aufl., § 78 Rz. 70; DKK-Buschmann 11. Aufl. § 78 BetrVG Rz. 27; Richardi/Thüsing BetrVG 11. Aufl. § 78 Rz. 34). Schutzgesetze i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB sind Rechtsnormen, wenn sie zumindest auch dazu dienen sollen, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts zu schützen. Dabei kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt und Zweck des Gesetzes an sowie darauf, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes einen Rechtsschutz zugunsten von Einzelnen oder Personenkreisen intendiert hat. Gemäß § 78 Satz 2 BetrVG dürfen der Betriebsrat oder seine Mitglieder wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt werden. Auch individualrechtliche Maßnahmen, die sachlich nicht geboten sind, können gegen § 78 Satz 2 BetrVG verstoßen, z.B. Abmahnungen oder die Androhung einer Kündigung aus Anlass der Betriebsratstätigkeit, eine sachlich nicht gebotene Versetzung (BAG Beschluss vom 11. Juli 2000 - 1 ABR 39/99 - NZA 2001, 516; Hess. LAG Beschluss vom 20. März 2006 - 9 TaBV 190/05 - n.v.; Hess. LAG Beschluss vom 3. Febr. 2005 - 9/3 TaBV 132/04 n.v.; LAG Hamm Beschluss vom 25. Nov. 2002 - 10 TaBV 121/02 - Juris; LAG München Beschluss vom 27. Febr. 1998 - 8 TaBV 98/97 - Juris) oder die Suspendierung ohne Vergütung während des Verfahrens nach § 103 BetrVG (Hess. LAG Beschluss vom 3. Mai 2007 - 9 TaBVGa 72/07 - Juris). Das Betriebsratsmitglied darf hinsichtlich seiner Prozesskosten nicht schlechter gestellt werden, als ein Arbeitnehmer, der kein Funktionsträger ist, denn sonst würde er allein aufgrund seiner Amtsstellung und damit unter Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG benachteiligt (BAG Beschluss vom 31. Jan. 1990 - 1 ABR 39/89 - EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 64).

Es ist davon auszugehen, dass die Abmahnung und Vergütungskürzung rechtswidrig waren. Dies ergibt sich aus dem Inhalt der beigezogenen Akte des ArbG Frankfurt am Main, Az.: 6/4 Ca 5371/06. Für den 19. und 20. Juni 2006 hat der Niederlassungsleiter der Beteiligten zu 2) entgegen dem Eintrag des Beteiligten zu 1), wonach er Betriebsratstätigkeit verrichtet habe, unbezahlten Urlaub eingetragen. Der Beteiligte zu 1) hat nach seinem unwidersprochenen Vorbringen am 19. Juni 2006 zusammen mit einem anderen Betriebsratsmitglied, dem die Vergütung nicht gekürzt wurde, entsprechend der Beschlussfassung des Betriebsrats Arbeitsstättenbegehungen in C und D durchgeführt. Am 20. Juni 2006 führte der Beteiligte zu 1) zusammen mit dem Betriebsratsmitglied E entsprechend der Beschlussfassung des Betriebsrats Arbeitsstättenbegehungen im Raum F. Für den 21. Juni 2006 wurde vom Niederlassungsleiter ebenfalls unbezahlter Urlaub eingetragen, obwohl der Beteiligte zu 1) gearbeitet hat. Ausweislich der Abrechnung wurden ihm drei Tage nicht bezahlt. Für den 19. und 20. Juni 2006 war der Beteiligte zu 1) abgemeldet. Die Abmahnung vom 11. Juli 2006 erhielt der Beteiligte zu 1), weil er an diesem Tag seinen Dienst nicht angetreten, sondern an einer Betriebsratssitzung teilgenommen hätte. In dieser seien keine wichtigen oder sonstigen Fragen behandelt worden, die die Teilnahme gerade des Beteiligten zu 1) erfordert hätten. Diese Begründung ist nicht haltbar. Die Teilnahme an Betriebsratssitzungen gehört zu den Amtspflichten eines Betriebsratsmitglieds. Der weitere abgemahnte Vorwurf, er habe sich nicht für die Betriebsratssitzung abgemeldet, ist nach dem unwidersprochenen Vorbringen des Beteiligten zu 1) ebenfalls unbegründet, denn danach hat er sich am 10. Juli 2007 um 17.15 h bei der Sicherungsaufsichtskraft G für den nächsten Tag abgemeldet. Dieser habe erklärt, seine Anwesenheit am Arbeitsplatz am 11. Juli 2006 sei nicht erforderlich. Abgesehen davon seien der Niederlassungsleiter und Personalreferent bei der in der Sitzung vom 10. Juli 2006 getroffenen Entscheidung des Betriebsratsgremiums anwesend gewesen, die Betriebsratssitzung mit dem Monatsgespräch unter deren Beteiligung wegen der noch anstehenden Themen am 11. Juli 2006 fortzusetzen. Dem hat die Beteiligte zu 2) nichts entgegengesetzt. Stattdessen hat sie dem Beteiligten zu 1) mit Schreiben vom 26. Sept. 2006 mitgeteilt, den Zeitraum vom 19. und 21. Juni 2006 ordnungsgemäß zu vergüten und die mit Schreiben vom 11. Juli 2006 erteilte Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen. Letztendlich hat sich die Beteiligte zu 2) in dem Vergleich vom 6. Nov. 2006 mit Ausnahme der Zinsen verpflichtet, die Klageforderung vollumfänglich zu erfüllen.

Indem die Beteiligte zu 2) den Beteiligten zu 1) durch den rechtswidrigen Vergütungseinbehalt und die rechtswidrige Abmahnung in eine Klage vor dem Arbeitsgericht, für die er seine außergerichtlichen Kosten selbst tragen musste, gezwungen hat, hat sie schuldhaft gegen das Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG verstoßen. Dadurch wurde der Beteiligte zu 1) gegenüber Arbeitnehmern, die keine Funktionsträger sind, schlechter gestellt, denn diese müssen keine Gehaltsabzüge oder Abmahnungen wegen Freistellungen infolge Betriebsratstätigkeit gewärtigen. In diese Situation, trotz Freistellungsanspruchs gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG keine Vergütung und eine rechtswidrige Abmahnung zu bekommen, kann nur der Funktionsträger geraten, weil andere Arbeitnehmer keine Gremientätigkeit verrichten. Der Verstoß gegen § 78 Satz 2 BetrVG war kausal für den entstandenen Schaden in Gestalt der Anwaltskosten, denn die Beteiligte zu 2) hat erst nach der kostenverursachenden Klageerhebung eingelenkt. Das gilt auch hinsichtlich der Vergütung für den 21. Juni 2006, obwohl der Beteiligte zu 1) an diesem Tag normal gearbeitet hat. Die Beteiligte zu 2) ging offensichtlich davon aus, dass der Beteiligte zu 1) wie nach ihrer Meinung an den beiden vorangegangenen Tagen zu Unrecht Freistellung für Betriebsratstätigkeit in Anspruch nimmt. Dafür spricht schon der unmittelbare zeitliche Zusammenhang.

Die Beteiligte zu 2) hat den Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG auch verschuldet. Eine Benachteiligung im Sinne des § 78 Satz 2 BetrVG setzt zwar kein Verschulden voraus, sondern ein objektiver Verstoß reicht aus. Im Rahmen des § 823 Abs. 2 BGB ist das Verschulden jedoch auch dann Anspruchsvoraussetzung, wenn der Verstoß gegen das Schutzgesetz auch ohne Verschulden möglich ist. § 823 Abs. 2 BGB stellt insoweit weitergehende Anforderungen an den subjektiven Tatbestand als das Schutzgesetz selbst. Hinsichtlich der erforderlichen Verschuldensform reicht jedoch Fahrlässigkeit für die Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB aus (ebenso etwa OLG Celle Urteil vom 14. Okt. 2004 - 4 U 147/04 - Juris). Die Beteiligte zu 2) hat sich eines vermeidbaren Sorgfaltsverstoßes schuldig gemacht, denn sie hat die Sachlage vor Vornahme der Gehaltsabzüge und vor Ausspruch der Abmahnung nicht ausreichend geprüft. Dagegen spricht schon ihr rasches Einlenken nach Klageerhebung, ohne auch nur den Versuch einer Verteidigung unternommen zu haben. Gemäß § 249 BGB ist die Beteiligte zu 2) zum Ersatz der außergerichtlichen Kosten bzw. zur Freistellung des Beteiligten zu 1) von diesen verpflichtet. Der gegen den Beteiligten zu 1) entstandene Vergütungsanspruch ist ein Schaden im Sinne des § 249 BGB. Der Schadensersatz geht auf Befreiung von der dem Grunde und der Höhe nach unbestreitbaren Verbindlichkeit (BGH Urteil vom 16. Nov. 2006 - I ZR 257/03 - NJW 2007, 1809).

Dem steht der Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 30. Juni 1993 ( - Aktenzeichen: 7 ABR 45/92 - EzA § 12 a ArbGG 1979 Nr. 10), durch den über die Lohnzahlungsklage eines Betriebsratsmitgliedes zu entscheiden war, nicht entgegen. Das Bundesarbeitsgericht hat angenommen, § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG schließe den Anspruch auf Erstattung erstinstanzlicher Rechtsanwaltskosten auch dann aus, wenn sie einem Betriebsratsmitglied bei der auf § 37 Abs. 2 BetrVG gestützten Verfolgung seines Lohnanspruchs im Urteilsverfahren entstanden seien. Nach dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatte das Betriebsratsmitglied zusammen mit 13 anderen Betriebsratsmitgliedern Wahlen zu Ausschüssen des Betriebsrates angefochten und an dem Termin zur mündlichen Anhörung der Beteiligten vor dem Landesarbeitsgericht Hamm teilgenommen. Die Arbeitgeberin kürzte das Arbeitsentgelt des Betriebsratsmitglieds wegen der nach ihrer Ansicht nicht erforderlichen Terminsteilnahme für 5,25 Stunden. Es erhob deswegen Vergütungsklage und ließ sich dabei durch einen Rechtsanwalt vertreten. Die Arbeitgeberin lehnte die Begleichung der im Lohnzahlungsverfahren entstandenen Rechtsanwaltskosten ab. Das Betriebsratsmitglied verfolgte die Forderung auf Erstattung von den Anwaltskosten im Beschlussverfahren weiter. In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG stets dahingehend verstanden worden, dass nicht nur ein prozessualer Kostenanspruch wegen erstinstanzlich entstandener Kosten eines Prozessbevollmächtigten, sondern auch ein entsprechender materiell-rechtlicher Anspruch ausgeschlossen sei. Bereits der Wortlaut des § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG zeige, dass jeder Erstattungsanspruch unabhängig von seiner Anspruchsgrundlage hinsichtlich der Kosten der Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten im ersten Rechtszug des arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahrens ausgeschlossen sei. Der Ausschluss jedweder Kostenerstattung entspreche auch dem Normzweck des § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG, der darin bestünde, das erstinstanzliche arbeitsgerichtliche Verfahren möglichst nur mit geringen Kosten zu belasten. Die Regelung des § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG werde ihrerseits auch nicht durch andere Normen eingeschränkt, insbesondere nicht durch allgemein auf § 826 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB gestützte Schadensersatzansprüche. § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG gelte auch für die Kosten der auf § 37 Abs. 2 BetrVG gestützten Lohnzahlungsklagen eines Betriebsratsmitgliedes. Anderes folge auch nicht aus § 78 Satz 2 BetrVG. Ein nicht zum geschützten Personenkreis des § 78 BetrVG gehörender Arbeitnehmer könne die Erstattung von Prozesskosten, die durch die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten im ersten Rechtszug entstanden seien, mit Rücksicht auf § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG auch in dem Fall nicht verlangen, in welchem er obsiegt habe. Es stelle keine Benachteiligung im Sinne des § 78 Satz 2 BetrVG dar, wenn dasselbe für den Fall der Lohnzahlungsklage eines Betriebsratsmitgliedes gelte. Zwar sei nicht zu übersehen, dass der Anlass, der zu einem Lohnzahlungsprozess geführt habe, betriebsverfassungsrechtlicher Art sei, nämlich der Streit darüber, ob und inwieweit einem Betriebsratsmitglied mit Rücksicht auf § 37 Abs. 2 BetrVG das vertraglich geschuldete Arbeitsentgelt trotz Ausübung von Betriebsratstätigkeit fortzuzahlen sei oder nicht. Auf den Anlass des Streites komme es jedoch nicht entscheidend an, da kein Arbeitnehmer, gleichgültig, ob er Betriebsratsmitglied sei oder nicht, rechtlich einen Erstattungsanspruch wegen der Kosten eines Verfahrensbevollmächtigten für eine Klage im ersten Rechtszug gegenüber seinem Arbeitgeber durchsetzen könne. Es sei nicht erkennbar, aus welchem Grund insoweit für Betriebsräte oder sonstige durch § 78 BetrVG erfasste Amtsträger eine teleologische Reduktion des § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG vorzunehmen sein solle.

Mit dieser Auffassung hat der Siebte Senat den Schutzzweck des § 78 Satz 2 BetrVG verkannt. Es geht nicht um eine teleologische Reduktion des § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG, sondern um die Reichweite des Schutzzwecks des § 78 Satz 2 BetrVG und die Frage, inwieweit dieser durch § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG reduziert werden darf. Jede Anspruchsgrundlage, auf die Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers gestützt werden, ist daraufhin zu prüfen, ob der Ausschluss der Kostenerstattung nach § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG auch materiellrechtliche Kostenerstattungsansprüche ausschließt. Bei Ansprüchen aus § 78 Satz 2 BetrVG ist dies vom Schutzbereich und Zweck der Norm nicht der Fall. § 78 Satz 2 BetrVG soll die Unabhängigkeit der betriebsverfassungsrechtlichen Funktionsträger sichern (Fittung BetrVG 24. Aufl. § 78 Rz. 1; GK-BetrVG/Kreutz, § 78 Rz. 1; ErfK/Kania § 78 BetrVG Rz. 1). Normzweck ist die Sicherung der Unabhängigkeit der Amtsausübung und die Funktionsfähigkeit der vom Gesetz geschaffenen Mitbestimmung (Richardi/Thüsing BetrVG 11. Aufl., § 78 Rz. 2). Die Vorschrift ist die Reaktion auf die typische Gefährdungssituation, die sich für einen betriebsverfassungsrechtlichen Interessenvertreter ergeben kann, ausgerichtet (DKK-Buschmann, 11. Aufl., § 78 BetrVG Rz. 1). Dem wird die Sichtweise des Siebten Senates, der Funktionsträger werde nicht benachteiligt, wenn er die im Zusammenhang mit § 37 Abs. 2 BetrVG vorenthaltene Vergütung auf eigene Kosten einklagen müsse, weil kein Arbeitnehmer, gleichgültig, ob er Betriebsratsmitglied sei oder nicht, rechtlich einen Erstattungsanspruch wegen der Kosten eines Verfahrensbevollmächtigten für eine Klage im ersten Rechtszug gegenüber seinem Arbeitgeber durchsetzen könne, nicht gerecht. Sie berücksichtigt den Schutzzweck der Norm nicht ausreichend. Damit würde zum Einen verkannt, dass ein Arbeitnehmer, der nicht Betriebsratsmitglied ist, in diese Situation, die in den Schutzbereich des § 78 Satz 2 BetrVG fällt, gar nicht geraten kann, denn diesem kann der Arbeitgeber die Vergütung im Zusammenhang mit der Wahrnehmung von Mitbestimmungsrechten nicht vorenthalten. Vor allem aber würde dem Funktionsträger der Schutz des § 78 Satz 2 BetrVG genommen und damit die betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmung in Gefahr gebracht. Ein Arbeitgeber könnte die Betriebsratsaktivitäten gesetzeswidrig steuern, indem Betriebsratsmitglieder durch eine rechtswidrige Vorenthaltung der Vergütung oder unrechtmäßige Abmahnung von der beabsichtigten Betriebsratstätigkeit abgehalten werden. Ein Betriebsratsmitglied, das weiß, dass es die Anwaltskosten für eine individualrechtliche Vergütungs- oder Abmahnklage in Höhe von wie hier nahezu EUR 700 selbst tragen muss, wird sich davon beeinflussen lassen und der Weisung des Arbeitgebers auf Unterlassung von Betriebsratstätigkeit nachkommen. Der Zweck des § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG, die erstinstanzlichen Verfahrenskosten gering zu halten, muss gegenüber dem Schutzzweck des § 78 Satz 2 ArbGG, die betriebliche Mitbestimmung nicht zur Disposition des rechtswidrig handelnden Arbeitgebers zu stellen, zurücktreten.

Die Entscheidung ergeht nach § 2 Abs. 2 GKG kosten- und gebührenfrei.

Die Rechtsbeschwerde ist wegen der Divergenz zum Beschluss des Siebten Senates vom 30. Juni 1993 zuzulassen, §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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