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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 12.01.2009
Aktenzeichen: (4) 1 Ss 409/08 (270/08)
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 265
StPO § 349 Abs. 2
StPO § 354 Abs. 1
StGB § 52
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Beschluss

Geschäftsnummer: (4) 1 Ss 409/08 (270/08)

In der Strafsache

wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte

hat der 4. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 12. Januar 2009 beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 23. Mai 2008 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte schuldig ist.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen.

3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in zwei Fällen (Einzelgeldstrafen von 30 und 40 Tagessätzen) zu einer Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 15,00 Euro verurteilt. Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung hat das Landgericht verworfen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat nur in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; die weitergehende Revision war gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

Der Schriftsatz des Verteidigers vom 8. Dezember 2008 rechtfertigt keine andere Entscheidung.

Der Schuldspruch hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Das Landgericht hat unter anderem festgestellt: Am 16. November 2006 um 6.00 Uhr wollten die Polizeibeamten mit der Codierung --------, ---------- und --------- in Begleitung der Gemeindebeamtin aufgrund des Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts Tiergarten vom 14. November 2006 (Aktenzeichen: 352 Gs 5182/06) die Wohnung des Angeklagten in -------- Berlin, -----------straße ---, durchsuchen. Sie waren äußerlich durch das Tragen von grünen Westen mit der Aufschrift "Polizei" als Polizeibeamte zu erkennen. Ferner gaben sie sich dem Angeklagten auch akustisch mit den Worten: "Polizei! Öffnen Sie die Tür!" zu erkennen. Der Angeklagte öffnete die Wohnungstür einen Spalt weit und konnte die Polizeibeamten als solche erkennen. Der Polizeibeamte mit der Codierung ---------- hielt ihm seinen Dienstausweis hin und sagte zu ihm, dass er und die übrigen Beamten Polizisten seien und in der Wohnung des Angeklagten eine Durchsuchung vornehmen müssten. Der Angeklagte, der die Polizeibeamten erkannte und der sich des Umstandes einer bevorstehenden Vollstreckungshandlung bewusst war, unternahm den Versuch, diese Maßnahme zu verhindern. Er mühte sich, die Tür von innen zuzudrücken und zu schließen, was durch die Polizeibeamten durch erheblichen Kraftaufwand verhindert werden konnte. Es gelang ihnen durch den gemeinsamen Einsatz ihrer Körperkraft, die Tür so weit aufzudrücken, dass sie in die Wohnung gelangen konnten und der Polizeibeamte mit der Codierung ---------- den Angeklagten gegen die Wand des Wohnungsflures hinter der Wohnungstür drücken und ihn fixieren konnte. Nachdem dieser Vorgang abgeschlossen war, wurde der Angeklagte in ein im hinteren Bereich der Wohnung befindliches Zimmer begleitet, wo ihm der Durchsuchungsbeschluss bekannt und ihm eine Ausfertigung übergeben wurde (UA S. 4/5).

b) Fall 2

Während der laufenden Durchsuchung traf der Angeklagte Anstalten, ein Teppichmesser sowie Scheren zu ergreifen, die der Polizeibeamte mit der Codierung --------- versucht hatte, vor dem Angeklagten in Sicherheit zu bringen. Dieser Polizeibeamte forderte in zweimal vergeblich auf, dies zu unterlassen. Als der Angeklagte auch nach der dritten Aufforderung nicht von seinem Handeln abließ, packte ihn dieser Polizeibeamte am Oberarm und riss ihn von den Gegenständen fort, was ihn dazu motivierte, den Polizeibeamten gegenüber den so genannten "Hitlergruß" zu entbieten. Daraufhin forderte dieser Polizeibeamte ihn auf, sich wieder in das anfangs mit ihm aufgesuchte Zimmer zu begeben. Als sich der Angeklagte weigerte, packten ihn dieser sowie der Polizeibeamte mit der Codierung --------- links und rechts an den Schultern bzw. Oberarmen, um ihn in den besagten Raum zu bringen. Der Angeklagte widersetzte sich dieser Handlung in Kenntnis, dass es sich weiterhin um eine Handlung zur Vollstreckung des Durchsuchungsbeschlusses handelte und dass er ihnen damit die Ausführung ihrer Diensthandlung erschwerte, indem er sich gegen die Gehrichtung der Beamten stemmte, und sich mit den Händen am Türrahmen oder sonstigen Festhaltemöglichkeiten auf dem Weg in das Zimmer festzuhalten versuchte. Den beiden Beamten gelang es lediglich unter Einsatz ihrer gemeinsamen Körperkräfte, den Angeklagten wie beabsichtigt in das Zimmer zu bringen. Als der Polizeibeamte mit der Codierung -------- von dem Angeklagten verlangte, sich auf das im Zimmer stehende Sofa zu setzen, widersetzte sich dieser zunächst auch dieser Aufforderung, woraufhin ihm der Beamte einen Stoß vor die Brust gab und ihn auf das Sofa beförderte, wo der Angeklagte bis zum Ende der Durchsuchungsaktion ruhig sitzen geblieben ist (UA S. 5).

Die Revision rügt zu Recht, dass die Strafkammer in diesem Tatgeschehen zwei selbständige Handlungen des Angeklagten gesehen hat. Nach den Feststellungen liegt vielmehr eine natürliche Handlungseinheit und damit materiell-rechtlich nur eine Tat (§ 52 StGB) vor.

Eine einheitliche Tat im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit ist dann gegeben, wenn mehrere im wesentlichen gleichartige Verhaltensweisen von einem einheitlichen Willen getragen werden und aufgrund ihres räumlich-zeitlichen Zusammenhangs derart eng miteinander verbunden sind, dass das gesamte Tätigwerden objektiv auch für einen Dritten bei natürlicher Betrachtungsweise als ein einheitliches, zusammengehöriges Tun erscheint (vgl. Senat, Urteil vom 27. Oktober 2005 - (4) 1 Ss 251/05 (111/05) -; BGH NStZ 2000, 532; BGHSt 4, 219). Hierbei kommt der Einheitlichkeit des Tatentschlusses eine besondere Bedeutung zu (vg. BGHSt 10, 129; Fischer, StGB 55. Aufl., Rdn. 4 a vor § 52).

Gemessen an diesen Grundsätzen beruhen beide Widerstandshandlungen des Angeklagten auf einer einheitlichen Willensentscheidung. Mit beiden Handlungen wollte er eine Durchsuchung in seiner Wohnung durch die gleichen Polizeibeamten behindern. Damit waren beide Widerstandshandlungen auch aufgrund ihres räumlich-zeitlichen Zusammenhangs so eng miteinander verbunden, dass sich sein gesamtes Tätigwerden objektiv auch für einen Dritten unter dem Gesichtspunkt der natürlichen Handlungseinheit als eine Tat im Sinne von § 52 StGB darstellt.

Im Einzelfall muss es zwar der Beurteilung des Tatrichters überlassen bleiben, ob die Voraussetzungen der natürlichen Handlungseinheit zu bejahen sind (vgl. BGH NStZ-RR 1998, 68). Das gilt aber nur dann, wenn die getroffenen Feststellungen eine Bewertung des Tätervorgehens als Tatmehrheit vertretbar erscheinen lassen. Das ist hier nicht der Fall.

Der Senat hat danach den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO geändert. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil der Angeklagte sich nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Die Änderung des Schuldspruchs führt zum Wegfall der beiden Einzelstrafen. Die von der Strafkammer festgesetzte Gesamtstrafe bleibt als Strafe für die eine Handlung des Angeklagten bestehen. Die geänderte rechtliche Bewertung ist ohne Einfluss auf das Maß der Schuld und der Senat kann ausschließen, dass die Strafkammer eine niedrigere Strafe festgesetzt hätte, wenn sie nicht von zwei selbständigen Taten, sondern von zwei tateinheitlich zusammentreffenden Delikten ausgegangen wäre (vgl. BGHR StGB § 52 Abs. 1 in dubio pro reo 2 und 4; Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl., § 354 Rdn. 22 m.w.N.). Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund des Bewährungsbruchs des Angeklagten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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