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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 01.07.2003
Aktenzeichen: 1 AR 11/03
Rechtsgebiete: GKG, KV Nr. 1227, GKG, ZPO


Vorschriften:

GKG § 5 Abs. 1
KV Nr. 1227
GKG § 11 Abs. 1
ZPO § 543 Abs. 1 a.F.
1. Der Vertreter der Staatskasse ist befugt, Erinnerung gegen einen Kostenansatz bereits vor dessen Bekanntgabe an den Kostenschuldner einzulegen.

2. Eine Ermäßigung der Urteilsgebühr nach KV Nr. 1227 tritt nicht ein, wenn das Berufungsgericht im Urteil von der Darstellung des Tatbestands und der Entscheidungsgründe abgesehen und gemäß § 543 Abs. 1 ZPO a.F. lediglich ausgeführt hat, dass es den Gründen der angefochtenen Entscheidung folge.


Kammergericht Beschluss

1 AR 11/03

in Sachen

Der 1.Zivilsenat des Kammergerichts hat auf die Erinnerung des Beteiligten zu 1. gegen die bisher nicht zum Soll gestellte, Kostenrechnung des Kammergerichts vom 31. Januar 2003 über 175,50 DM in der Sitzung vom 1. Juli 2003 beschlossen:

Tenor:

Der Kostenansatz wird aufgehoben, soweit eine Urteilsgebühr nach KV-Nr. 1227, Gebührensatz 1,5 (ermäßigt nach Einigungsvertrag um 10%) nach dem Wert: bis 3.000 DM in Höhe von 175,50 DM angesetzt worden ist.

Die Kostenbeamtin wird angewiesen, eine Urteilsgebühr nach KV-Nr. 1226, Gebührensatz 3,0 (ermäßigt nach dem Einigungsvertrag um 10%) nach dem Wert: bis 3.000 DM, also in Höhe von 351,- DM, umgerechnet 179,46 EURO, anzusetzen.

Gründe:

1. Gegenstand der Erinnerung ist die Kostenrechnung der Kostenbeamtin des Kammergerichts vom 31 Januar 2003, soweit darin gegen den Kläger und Berufungskläger als Entscheidungsschuldner eine ermäßigte Urteilsgebühr nach KV-Nr. 1227 (Anlage 1 zu § 11 Abs. 1 GKG), Gebührensatz 1,5 nach dem Streitwert des Berufungsverfahrens von 2591,- DM (mit Ermäßigung auf 90% nach dem Einigungsvertrag), in Höhe von 175,50 DM angesetzt worden ist. Die hiergegen gerichtete Erinnerung des Bezirksrevisors ist gemäß § 5 Abs. 1 GKG zulässig. Ihrer Zulässigkeit steht insbesondere nicht entgegen, dass die Kostenrechnung bisher dem Kostenschuldner nicht übersandt und er noch nicht zur Zahlung der Kosten aufgefordert worden ist. Denn die Kostenrechnung stellt bereits einen anfechtbaren Kostenansatz im Sinne der §§ 4, 5 Abs. 1 GKG dar.

Bei einem Kostenansatz handelt es sich um einen Justizverwaltungsakt auf Inanspruchnahme als Kostenschuldner für Gerichtskosten (BVerfG NJW 1970, 853/854). Er besteht in der Aufstellung der Kostenrechnung zugunsten der Staatskasse und muss die Kostenansätze im Einzelnen, die angewendeten Vorschriften, den Gesamtbetrag der Kosten sowie Name und Anschrift des Kostenschuldners enthalten (§§ 4 Abs. 1 GKG; 4 Abs. 1 KostVfg). Darüber hinaus muss er mit der für die Anfechtbarkeit jeder gerichtlichen Verfügung erforderlichen Außenwirkung versehen sein. Dies setzt grundsätzlich voraus, dass dem Kostenschuldner die Kostenrechnung übersandt und er zur Zahlung der Kosten aufgefordert worden ist.

Eine nur zur gerichtsinternen Prüfung aufgestellte Kostenrechnung (vgl. Senat, unveröff. Beschluss vom 21.1.1997 - 1 W 3564/96) oder die bloße Ankündigung eines Kostenansatzes (vgl. OLG Karlsruhe, Die Justiz 1980, 419) sind nicht anfechtbar. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats und wohl herrschender Auffassung ist aus diesem Grunde auch der in einer (Erstschuldner-) Kostenrechnung vermerkte Zweitschuldner, dem eine Kostenrechnung noch nicht übersandt worden ist, nicht zur Erinnerung befugt (vgl. zu Vorstehendem SchlHOLG JurBüro 1981, 403; OLG Düsseldorf JurBüro 1985, 1065; Senat, unveröff. Beschlüsse vom 2.4.1998 - 1 AR 17/98 und vom 12.11.1998 - 1 W 3456/98). Der abweichenden Auffassung des OLG München (JurBüro 1990, 357), nach der ein gesamtschuldnerisch haftender Kostenschuldner gegen die einem anderen Gesamtschuldner übersandte Gerichtskostenrechnung vorgehen kann, ist nicht zu folgen, zumal sie auch auf der unzutreffenden Annahme beruht, dass die Festsetzung verauslagter Gerichtskosten im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 104 ZPO nicht überprüft werden kann (vgl. dazu Senat MDR 1997, 889; KG-Report 2002, 92 m.w.N.). Demnach ist die Anfechtbarkeit regelmäßig erst gegeben, wenn die Absendung der Kostenrechnung an den Kostenschuldner verfügt worden ist (vgl. Oestreich/Winter/Hellstab, GKG, Stand: April 2001, § 5 Rdn. 11; Markl/Meyer, GKG, 5. Aufl., § 5 Rdn. 4) oder sie ihm formlos bekannt gegeben worden ist (vgl. Korintenberg/Lappe, KostO, 15. Aufl., § 14 Rdn. 39).

Weitergehend ist allerdings hinsichtlich des Antrags auf Nichterhebung von Gerichtskosten gemäß § 8 Abs. 1 GKG anerkannt, dass eine gerichtliche Entscheidung bereits vor der Aufstellung des Kostenansatzes eingeholt werden kann und gegen eine richterliche Entscheidung, durch die ein solcher Antrag zurückgewiesen worden ist, die Beschwerde nach § 5 Abs. 2 Satz 1 GKG gegeben ist, sofern für den Antrag ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben ist (vgl. Senat JurBüro 1977, 1587; unveröff. Beschluss vom 27. August 2002 - 1 W 9909/00; OLG Düsseldorf JurBüro 1995, 45; Markl/Meyer a.a.O. § 8 Rdn. 15; Oestreich/Winter/Hellstab, a.a.O. § 8 Rdn. 31).

Vorliegend ist die Anfechtbarkeit des bis dahin dem Kostenschuldner nicht bekannt gemachten Kostenansatzes jedenfalls durch den Bezirksrevisor im Hinblick darauf zu bejahen, dass die erforderliche Konkretisierung der Kostenschuld in Form der Kostenrechnung vom 31.Januar 2003 gegeben ist und ein rechtliches Interesse des Bezirksrevisors an der gerichtlichen Klärung ihrer Berechtigung bereits vor einer Zahlungsaufforderung an den Kostenschuldner zur Vermeidung eines späteren entsprechenden. Verfahrens besteht.

Die vorherige Beteiligung des Kostenschuldners im gerichtlichen Verfahren war jedoch zur Gewährung des rechtlichen Gehörs erforderlich. Denn die gerichtliche Entscheidung über den Kostenansatz ist - im Gegensatz zu einer im Verwaltungswege getroffenen - für alle Kostenschuldner und die Staatskasse bindend, auch wenn sie von dem Verfahren keine Kenntnis erhalten haben (vgl. Markl/Meyer a.a.O. § 5 Rdn. 30; Oestreich/Winter/Hellstab, a.a.O. § 5 Rdn. 42, 49; zu § 14 KostO; Rohs/Waldner, KostO, Stand: Juli 2002, § 14 Rdn. 17 m.w.N.). Die Beteiligung ist gemäß § 81 ZPO durch seinen Prozessbevollmächtigten vorzunehmen (vgl. Korintenberg/Lappe a.a.O. § 14 Rdn. 51).

2. In der Sache hat die Erinnerung Erfolg.

Die Voraussetzung für eine Gebührenermäßigung nach KV Nr. 1227 liegt nicht vor. Der Prozesssenat des Kammergerichts hat in seinem Urteil vom 23. Januar 2003, in dem Tatbestand und Entscheidungsgründe" nicht dargestellt sind, im Anschluss an den Ausspruch der Zurückweisung der Berufung des Klägers im Tenor ausgeführt:

"Der Senat folgt den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch die Berufungsbegründung nicht entkräftet worden sind."

Die darin liegende vollständige Bezugnahme auf die für zutreffend erachteten Gründe des angefochtenen Urteils nach § 543 Abs. 1 ZPO a.F. stellt eine Begründung des Urteils dar. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, die er bereits zu den früheren KV-Nrn.1026," 1027 vertreten (vgl. Rpfleger 1978, 234; ebenso HansOLG Bremen Rpfleger 1978, 233; SchlHOLG, AnwBl. 1994, 304) und nach Inkrafttreten der mit dem Kostenänderungsgesetz 1994 eingeführten KV-Nrn. 1226 und 1227 beibehalten hat (vgl. unveröff. Beschluss vom 19.Januar 1999 - 1 AR 5/99; ebenso LG Osnabrück JurBüro 1997, 148; unveröff. Beschluss des LG Berlin vom 14.4.2003 - 82 AR 29/03 - in 1 AR 12/03 beigefügt; Oestreich/Winter/Hellstab, a.a.O. Stand: Juni 2002 Nrn. 1223-1229 Rdn. 28). Die dafür maßgeblichen Erwägungen gelten weiterhin. Denn Voraussetzung der Gebührenermäßigung ist nach dem insoweit unverändert gebliebenen Wortlaut, dass das Urteil keine Begründung enthält. Auch das nach § 543 Abs. 1 ZPO a.F. abgekürzte Urteil enthält jedoch eine Begründung. Denn das Berufungsgericht gibt zu erkennen, dass es für seine Entscheidung von denselben Erwägungen ausgeht, wie sie bereits ausführlich in dem angefochtenen Urteil dargelegt worden sind, und verzichtet lediglich auf deren erneute Darlegung aus verfahrensökonomischen Gründen.

Der vom OLG München (JurBüro 1997, 94) vertretenen gegenteiligen Auffassung (ebenso Zöller/Gummer, ZPO, 22. Aufl., § 543 Rdn. 31; zu § 540 ZPO n.F. Markl/Meyer a.a.O. KV 1227-1229 Rdn. 25; wohl a.Hartmann, KostG, 32. Aufl., KV 1225-1227 Rdn. 1) vermag der Senat daher weiterhin nicht zu folgen. Insbesondere überzeugt sie schon vom sachlichen Ergebnis her nicht. § 543 Abs. 1 ZPO a.F. gestattet ein Absehen von der Darstellung der Entscheidungsgründe nur, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt. Das Berufungsgericht muss also in jeder Hinsicht die Gründe der angefochtenen Entscheidung auf ihre Richtigkeit prüfen und schon etwa dann, wenn es diesen in einem Nebenpunkt nicht folgt, eine eigene Begründung geben, selbst wenn dies nur einen Halbsatz erfordert und auch noch im Tenor des Berufungsurteils "untergebracht" wird. In einem solchen Fall träte auch nach der Auffassung des OLG München keine Gebührenermäßigung ein. Demgegenüber erscheint es überzeugender, jede zustimmende Bezugnahme auf eine fremde Begründung zugleich als eigene Begründung zu werten.

Es trifft auch nicht zu, wie das OLG München meint, dass die vom Senat vertretene Auffassung wesentlich auf dem in der früheren Vorschrift enthaltenen, in Klammern gesetzten Hinweis auf § 313a ZPO beruhte. Denn dieser Klammerzusatz betraf lediglich die frühere, jetzt ersatzlos entfallene zweite Alternative der Gebührenermäßigungsnorm, dass das Urteil (wegen eines Verzichts der Parteien auf Entscheidungsgründe nach § 313a ZPO) keine Begründung zu enthalten brauchte. Deren Wegfall führte zur Erleichterung des Kostenansatzes dahin, dass der Kostenbeamte nicht mehr prüfen muss, ob ein Urteil nach den verfahrensrechtlichen Vorschriften eine Begründung enthalten musste oder nicht, sondern sich auf die Prüfung beschränken kann, ob es tatsächlich begründet worden ist oder nicht (vgl. Oestreich/Winter/Hellstab, a.a.O. Rdn. 28). Die in Anwendung des § 543 Abs. 1 ZPO a.F. erfolgte Kurzbegründung ist dem Verzicht gemäß § 313a ZPO nicht gleichgestellt; die Ermäßigungsnorm soll vielmehr einen Anreiz gerade zum Verzicht auf die schriftliche Urteilsbegründung schaffen (a.a.O.).

Nach alledem besteht kein Anlass, von der bisherigen ständigen Rechtsprechung abzugehen, zumal § 543 Abs. 1 ZPO a.F. nur noch Altfälle betrifft und an dessen Stelle die anders formulierte Vorschrift des § 540 ZPO getreten ist.

3. Auch vorliegend sind daher die Voraussetzungen für eine Anwendung der Ermäßigungsvorschrift des KV Nr. 1227 nicht gegeben. Vielmehr ist eine nicht ermäßigte Urteilsgebühr nach KV-Nr. 1226, Gebührensatz 3,0, zu erheben.

Das Verfahren über die Erinnerung ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 5 Abs. 6 GKG).

Ende der Entscheidung

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