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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 10.10.2008
Aktenzeichen: 1 AR 1433/07 - 4 Ws 78/08
Rechtsgebiete: StrEG, StPO, StGB


Vorschriften:

StrEG § 2
StrEG § 5
StrEG § 5 Abs. 2
StrEG § 5 Abs. 2 Satz 1
StrEG § 5 Abs. 2 Satz 2
StrEG § 6
StrEG § 6 Abs. 1 Nr. 1, 3. Alt.
StrEG § 8 Abs. 3 Satz 1
StrEG § 8 Abs. 3 Satz 2
StPO § 136
StPO § 464 Abs. 3 Satz 2
StPO § 473 Abs. 1 Satz 1
StPO § 473 Abs. 2 Satz 1
StGB § 32
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Beschluss

Geschäftsnummer: 1 AR 1433/07 - 4 Ws 78/08

In der Strafsache

wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.

hat der 4. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 10. Oktober 2008 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Berlin gegen die Entschädigungsentscheidung in dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 20. Februar 2008 betreffend den Zeitraum vom 18. Januar bis zum 31. Oktober 2007 wird verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Freigesprochenen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse Berlin.

Gründe:

Das Landgericht hat den früheren Angeklagten durch das Urteil vom 20. Februar 2008 von dem Vorwurf, in zwei Fällen als Mittäter eine gefährliche Körperverletzung begangen zu haben, rechtskräftig freigesprochen. Zugleich hat es diesem Freigesprochenen eine Haftentschädigung für die vom 17. Januar bis zum 31. Oktober 2007 erlittene Untersuchungshaft zugesprochen. Gegen diese Entscheidung betreffend den Zeitraum vom 18. Januar bis zum 31. Oktober 2007 richtet sich die nach § 8 Abs. 3 Satz 1 StrEG zulässige sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I. Die Entschädigung wird nicht durch § 5 Abs. 2 StrEG ausgeschlossen.

Einem Freigesprochenen steht für die in § 2 StrEG aufgeführten Strafverfolgungsmaßnahmen grundsätzlich eine Entschädigung zu. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG ist eine Entschädigung ausgeschlossen, wenn und soweit der Freigesprochene die Strafverfolgungsmaßnahme vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat. Entscheidend ist dabei, wie sich der Sachverhalt den Ermittlungsbehörden bzw. Gerichten zum Zeitpunkt der Anordnung oder Aufrechterhaltung der Strafverfolgungsmaßnahme dargestellt hat (vgl. KG, Beschluss vom 28. März 2001 - 3 Ws 615/00 -). Dabei ist der Senat an die tatsächlichen Feststellungen, auf denen das Urteil des Landgerichts beruht, nach § 8 Abs. 3 Satz 2 StrEG, § 464 Abs. 3 Satz 2 StPO gebunden, kann sie jedoch aus den Verfahrensakten und im Wege des Freibeweises ergänzen, wenn er sich dadurch nicht in Widerspruch zu den Urteilsausführungen setzt (vgl. Senat, Beschluss vom 20. März 2000 - 4 Ws 41/00 - bei juris m.w.N.). Zu beachten ist zudem, dass der Versagungstatbestand aus § 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG anerkanntermaßen als Ausnahmetatbestand eng auszulegen ist (vgl. Senat, Beschlüsse vom 18. April 2007 - 4 Ws 47/04 - und 20. Juni 2006 - 4 Ws 41/05 - m.w.N.). Es reicht daher nicht aus, dass sich der Freigesprochene irgendwie verdächtig gemacht hat und die gesamte Verdachtslage die ergriffene Strafverfolgungsmaßnahme rechtfertigt (vgl. BVerfG NJW 1996, 1049; Senat, Beschluss vom 20. März 2000 - 4 Ws 41/00 -). Erforderlich ist vielmehr, dass er die Maßnahme durch die Tat (vgl. Senat, Beschluss vom 20. Juni 2006 - 4 Ws 41/05 -; OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2005, 255, 256) oder sein früheres oder nachfolgendes (Prozess-)Verhalten (hierzu KG, Beschluss vom 7. Januar 2003 - 5 Ws 676/02 -) ganz oder überwiegend verursacht hat, sie also nicht im Wesentlichen auf anderen Beweisen beruht oder die Maßnahme auch unabhängig von seinem Verhalten, welches sicher festzustellen ist (vgl. OLG Köln StraFO 2001, 146; OLG Oldenburg, StraFO 2005, 384), angeordnet oder aufrechterhalten worden wäre. Im Zweifelsfalle ist zu seinen Gunsten zu entscheiden (vgl. BVerfG, NJW 1996, 1049; Senat, Beschlüsse vom 9. März 1999 - 4 Ws 24/99 -, 20. Juni 2006 - 4 Ws 41/05 - und 18. April 2007 - 4 Ws 47/04 -; KG, Beschluss vom 21. September 2006 - 5 Ws 524/06 -; Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl., § 5 StrEG Rdn.7; Meyer, StrEG 7.Aufl., § 5 Rdn. 39; Schätzler/Kunz, StrEG 3. Aufl., § 5 Rdn. 43). Ob eine entsprechend schuldhafte Verursachung vorliegt, ist nach zivilrechtlichen Grundsätzen (§§ 254, 276, 278 BGB) zu beurteilen und dabei mit der haftungsbegründenden Kausalität zu beginnen. Denn die Regelung bringt den für jedes Entschädigungsrecht geltenden Grundsatz zum Ausdruck, dass derjenige, der durch sein eigenes zurechenbares Verhalten eine (entschädigungspflichtige) Strafverfolgungsmaßnahme ausgelöst hat, nicht auch noch entschädigt werden darf. Daher steht eine Verletzung der dem Geschädigten obliegenden Schadenminderungspflicht einer Mitverursachung gleich (vgl. Senat, Beschlüsse vom 20. Juni 2006 - 4 Ws 41/05 - und 18. April 2007 - 4 Ws 47/04 -; Meyer, a.a.O., vor §§ 5 - 6, Rdn. 3, 7). Der Freigesprochene hat die Ermittlungsmaßnahme - hier die wegen Flucht- und Verdunkelungsgefahr angeordnete Untersuchungshaft - dann zumindest grob fahrlässig verursacht, wenn er den die Anordnung der Untersuchungshaft rechtfertigenden Verdacht auf sich lenkt, indem er in ungewöhnlichem Maße die Sorgfalt außer Acht lässt, die ein verständiger Mensch in gleicher Lage aufwenden würde, um sich vor Schaden durch Strafverfolgungsmaßnahmen zu schützen, oder nicht bedenkt, was im gegebenen Fall jedem einleuchten müsste, wenn er also im Ergebnis den Erlass des Haftbefehls geradezu herausgefordert hat (vgl. Senat, Beschlüsse vom 20. Juni 2006 - 4 Ws 41/05 - und 9. Juli 2003 - 4 Ws 114/03 -; KG, Beschluss vom 7. Januar 2003 - 5 Ws 676/02 -; OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2005, 255, 256; Meyer-Goßner, a.a.O, § 5 StrEG Rdn. 9, 10).

1. Durch das Tatgeschehen selbst hat sich der Freigesprochene vorliegend nicht im oben genannten Sinne grob fahrlässig verhalten. Denn ausweislich der bindenden Urteilsfeststellungen des Landgerichts war er von den beiden Tatvorwürfen, am 22. September 2006 in zwei Fällen gemeinschaftlich handelnd jeweils eine gefährliche Körperverletzung begangen zu haben, indem er durch einen Messerstich die rechte Wade des Geschädigten M. verletzte und wenig später mit einem Holzknüppel auf den Zeugen D. einschlug, deshalb freizusprechen, weil in beiden Fällen bereits nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachzuweisen war, dass er die Tathandlungen ausführte oder ausführen ließ. Zudem konnte die Kammer im ersten Fall nicht ausschließen, dass der durch den Freigesprochenen möglicherweise geführte Messerstich durch Notwehr oder Nothilfe nach § 32 StGB gerechtfertigt war.

Auch hat die Kammer gerade nicht feststellen können, dass der Freigesprochene mit einer körperlichen Auseinandersetzung rechnen musste, als er sich mit den Mitangeklagten zum späteren Tatort, der "B.-Bar", begab.

2. Der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr durch eine Einwirkung auf den Geschädigten M. und mittelbar auf den Zeugen B. ist dem Freigesprochenen auch nicht mit der erforderlichen Sicherheit zuzurechnen und scheidet daher ebenfalls als ein Versagungsgrund nach § 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG aus (vgl. Senat, Beschluss vom 20. Juni 2006 - 4 Ws 41/05 -; OLG Köln, StraFO 2001, 146, 147; OLG Frankfurt, NStZ-RR 1998, 341). Denn das Landgericht hat im Rahmen der Beweiswürdigung ausdrücklich festgestellt, dass eine Zeugenbedrohung lediglich nicht auszuschließen, aber ein entsprechender positiver Nachweis einer derartigen Einwirkung angesichts der insgesamt wenig glaubhaften und in diesem Punkt zudem zurückhaltenden und unkonkreten Aussage des Geschädigten, gegen den wegen dieses Aussageverhaltens Beugehaft verhängt wurde, nicht zu führen ist.

3. Auch führt das anfängliche Schweigen des am 17. Januar 2007 festgenommenen Freigesprochenen nicht zum Ausschluss der Entschädigung. Zwar hat sich der seinerzeit Beschuldigte erst in seiner richterlichen Vernehmung vom 5. April 2007 auf Notwehr berufen und diese Einlassung am zweiten und 16. Hauptverhandlungstag am 15. Oktober 2007 und 4. Februar 2008 durch weitere Einzelheiten ergänzt. Das dem Beschuldigten nach § 136 StPO zustehende, hier von ihm anfänglich in Anspruch genommene Aussageverweigerungsrecht darf im Strafverfahren nicht zu seinen Lasten gewertet werden (vgl. nur BGHSt 38, 302, 305 m.w.N.) und führt trotz des Umstandes, dass für den Ausschluss der Entschädigung der zivilrechtliche Haftungsmaßstab zugrunde zu legen ist, wegen der ausdrücklichen Berücksichtigung des Schweigerechts in § 5 Abs. 2 Satz 2 StrEG von vornherein nicht zur Versagung der Entschädigung (vgl. Senat, Beschluss vom 18. April 2007 - 4 Ws 47/04 -; OLG Köln, StraFO 2001, 146, 147).

4. Dadurch, dass der Freigesprochene in seiner polizeilichen Vernehmung vom 18. Januar 2007 ein unzutreffendes Alibi angegeben und sich erst am 5. April 2007 auf Notwehr berufen hat, als das Alibi durch die weiteren Ermittlungen bereits widerlegt worden war, hat er ebenfalls kein zum Ausschluss der Entschädigung führendes Verhalten nach § 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG gezeigt.

Unabhängig davon, dass ein widerlegtes Alibi bei der Beweiswürdigung grundsätzlich nicht als belastender Umstand gewertet werden darf (vgl. BGHSt 49, 56 ff m.w.N.), ist es aber insoweit anerkannt, dass ein widerlegtes oder unglaubhaftes Alibi zu Beginn eines Ermittlungsverfahrens verdachtsbegründend sein und deshalb auch den Erlass eines Haftbefehls rechtfertigen kann. Ein widerlegtes Alibi wird in diesem frühen Ermittlungsstadium wie z.B. auch belastende bzw. widersprüchliche oder auffällig lückenhafte Angaben des Beschuldigten (vgl. BVerfG, NJW 1996, 1049; Senat, Beschluss vom 9. Juli 2003 - 4 Ws 114/03 -; KG, Beschluss vom 6. August 2003 - 5 Ws 267/03 -; KG, Beschluss vom 28. März 2001 - 3 Ws 615/00 -; Meyer, a.a.O., § 5 Rdn. 52 m.w.N.) als Verdachtsumstand gewertet und führt, wenn dem Beschuldigten entlastende Angaben möglich und zumutbar waren, wegen grob fahrlässigen Verhaltens zu einem Ausschluss der Entschädigung (vgl. BGH, Urteil vom 14. Februar 1995 - 1 StR 765/94 -; KG, Beschluss vom 7. Januar 2003 - 5 Ws 676/02 -; OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2005, 255, 256; OLG Frankfurt, NStZ-RR 1998, 341).

Zwar wären dem Freigesprochenen im vorliegenden Fall anstelle des falschen Alibis schon zu einem früheren Zeitpunkt auch die späteren entlastenden Aussagen möglich und zumutbar gewesen, doch hat das am 18. Januar behauptete Alibi den Haftbefehlserlass gerade nicht verursacht. Denn der Haftbefehl des Amtsgerichts Tiergarten - 349 Gs 4547/06 - ist bereits am 4. Januar 2007 erlassen worden und begründet den dringenden Tatverdacht daher mit anderen Beweismitteln. Im Haftbefehl wird insoweit auf die Angaben der Geschädigten und weiterer Belastungszeugen, polizeiliche Ermittlungen sowie ärztliche Stellungnahmen und ein rechtsmedizinisches Gutachten verwiesen.

Das falsche Alibi hat darüber hinaus auch nicht die Fortdauer der Untersuchungshaft im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG verursacht. Dies wird bereits daran deutlich, dass der Vollzug und die Fortdauer der Untersuchungshaft durch die Beschlüsse bzw. Nichtabhilfeentscheidungen des Ermittlungsrichters vom 18. Januar und 22. Februar 2007 sowie der Strafkammer vom 11. Juli und 19. September 2007 sich gerade nicht auf das falsche Alibi bzw. die wechselhaften Einlassungen des damaligen Beschuldigten bzw. Angeschuldigten, sondern auf die fortgeltenden Gründe des Haftbefehls beziehen. Unabhängig davon, ob die vorgenannten Entscheidungen vollständig abgefasst sind, beruht die Fortdauer der Untersuchungshaft jedenfalls im Wesentlichen nicht auf dem falschen Alibi, sondern auf den weiterhin für glaubhaft gehaltenen ursprünglichen Belastungszeugen und den weiteren im Haftbefehl aufgeführten Beweismitteln. Dies ergibt sich ausdrücklich aus einem umfangreichen Vermerk des Ermittlungsrichters vom 28. Februar 2007, der zwar nicht beschlossenen, aber faktischen fortgeltenden Untersuchungshaft nach der die Notwehreinlassung beinhaltenden Vernehmung in einem "Anhörungstermin" durch den Ermittlungsrichter vom 5. April 2007 sowie auch aus dem die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnenden Beschluss des Senats vom 27. Juli 2007 - (4) 1 HEs 63/07 (46/07) -. Denn der Senat hatte hinsichtlich der Verdachtslage auf die Anklageschrift verwiesen, in der insbesondere die den Haftbefehl begründenden Belastungszeugen als weiterhin glaubhaft und die nach Haftbefehlserlass abgegebenen Angaben des Freigesprochenen als Schutzbehauptungen gewertet wurden.

Zwar mag die Widerlegung des Alibis die Verdachtslage insgesamt gestützt haben, doch genügt dies von vornherein nicht, um die für die Versagung einer Entschädigung nach § 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG erforderliche ausschließliche oder jedenfalls überwiegende Kausalität eines Verhaltens des Freigesprochenen zur Anordnung bzw. Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft begründen zu können. Beruht der Erlass der entschädigungsfähigen Strafverfolgungsmaßnahme in Gänze oder im Wesentlichen auf anderen Beweismitteln und dauert die Maßnahme maßgeblich auch aus diesen Gründen weiter an, kann ein für sich betrachtet grob fahrlässiges Verhalten des Freigesprochenen aus Gründen mangelnder Verursachung nicht mehr zum Ausschluss der Entschädigung führen (vgl. KG, Beschluss vom 21. September 2006 - 5 Ws 524/06 -; OLG Oldenburg, StraFO 2005, 384; OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2005, 255, 256 ; OLG Köln, StraFO 2001, 146, 147). Die entlastenden Angaben des Freigesprochenen haben zwar zu umfangreichen Ermittlungen geführt, jedoch wurde im Ergebnis die ursprüngliche Bewertung nicht geändert. Der unzureichende Kausalzusammenhang wird auch daran erkennbar, dass - wie auch das Landgericht im Urteil zutreffend hervorhebt - für den Fall, dass der Angeklagte kein falsches Alibi abgegeben hätte, dies aufgrund der im Wesentlichen fortbestehenden Beweislage keine Auswirkungen auf die Haftsituation gehabt hätte (vgl. OLG Oldenburg a.a.O.; Meyer-Goßner, a.a.O., § 5 StrEG Rdn. 7). Im Übrigen steht die zurückhaltende beweisrechtliche Bedeutung eines erst im Verlaufe des Ermittlungsverfahrens abgegebenen und widerlegten Alibis im Einklang mit der Rechtsprechung, dass unzutreffende Alibi nur zu Beginn eines Ermittlungsverfahrens verdachtsbegründend sein können und im späteren Verlauf durch andere Beweismittel ersetzt werden müssen, da die Widerlegung derartiger Einlassungen in aller Regel kein belastendes Beweisindiz darstellt (vgl. BGHSt 45, 367; BGH, Urteil vom 6. August 2003 - 2 StR 180/03 - ; BGH, Beschluss vom 14. Februar 1995 - 1 StR 765/94 -; Meyer-Goßner, a.a.O., § 261, Rdn. 25 m.w.N.).

5. Soweit die Beschwerdeführerin weiter geltend macht, dass der Angeklagte seine Einlassung vom 5. April 2007, mit der er sich hinsichtlich des ersten Tatvorwurfs auf eine Notwehrsituation berief, erst in der Hauptverhandlung durch seine weiteren Angaben am 2. und 16. Verhandlungstag bezogen auf die Bewaffnung des Geschädigten M., die selbst erlittene Verletzung während der Notwehrhandlung, als das Messer zugeklappt sei und er sich dabei an der Hand geschnitten habe, und den Krankenhausaufenthalt des verletzten Mitangeklagten Y. ergänzt habe, liegt nach den vorherigen Ausführungen ebenfalls kein die Entschädigung ausschließendes Verhalten nach § 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG vor. Denn abgesehen davon, dass der Freigesprochene bereits in seiner Einlassung vom 5. April 2007 von der Bewaffnung des Zeugen M., einer blutenden Verletzung seines Freundes Y. und eigenen Verletzungen, allerdings nur im Bauchbereich, berichtet hatte und die daraufhin noch im Ermittlungsverfahren eingeholten Gutachten zu möglichen Verletzungsspuren beim Freigesprochenen im Bauchbereich und des Mitangeklagten Y. aufgrund des Zeitablaufs jeweils nur die Möglichkeit eines Tatbezuges ergaben, fehlt es jedenfalls an einer wesentlichen Mitverursachung der Haftfortdauer durch die nicht vollständigen Ausführungen vom 5. April 2007. Es liegen auch keine Anhaltspunkte vor, dass die jeweiligen Haftentscheidungen bei Zugrundelegung der vollständigen Einlassung des Freigesprochenen anders ausgefallen wären. Dies wird auch durch das Vorgehen der Strafkammer bestätigt, die den Haftbefehl am sechsten Verhandlungstag nach der Vernehmung der Hauptbelastungszeugen M. sowie der Zeugen A. bis D. aufgrund der gesamten Beweislage aufhob.

II. Der Ausschluss der Entschädigung lässt sich auch nicht aus der zu § 5 StrEG, der im Gegensatz zu § 6 StrEG auch das vorprozessuale Verhalten des früheren Beschuldigten einschließt (vgl. BVerfG, NJW 1996, 1049; Schätzler/Kunz, a.a.O., § 6 Rdn. 5), nachrangigen, teilweise sich mit dieser überschneidenden Regelung (vgl. Schätzler/Kunz, a.a.O., § 5 Rdn. 8, § 6 Rdn. 4) aus § 6 Abs. 1 Nr. 1, 3. Alt. StrEG herleiten. Denn hierfür müsste der Beschuldigte bereits nach dem Wortlaut trotz Einlassung zur Sache wesentliche entlastende Umstände verschwiegen haben und dadurch die Strafverfolgungsmaßnahme veranlasst haben. Vor dem Hintergrund, dass für diese Tatbestandsalternative dieselben Voraussetzungen wie für einen Ausschluss nach § 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG verlangt werden (vgl. Senat, Beschlüsse vom 20. März 2000 - 4 Ws 41/00 - und 17. November 1997 - 4 Ws 246/07 -; OLG Brandenburg, Beschluss vom 5. Dezember 2007 - 1 Ws 273/07 -; OLG Oldenburg a.a.O.; Meyer-Goßner, a.a.O., § 6 StrEG Rdn. 2; Schätzler/Kunz, a.a.O., § 6 Rdn. 5, 10; a.A.: Meyer, a.a.O., § 6 Rdn. 11 und 13, der insoweit bereits die bloße Möglichkeit der Mitursächlichkeit genügen lassen und die grundsätzlich zustehende Entschädigung nur dann nicht durch § 6 StrEG ausschließen will, wenn umgekehrt positiv feststeht, dass sich das Verhalten nicht auf die Strafverfolgungsmaßnahme ausgewirkt hat), führt die Einlassung vom 5. April 2007, mit der sich der Freigesprochene erstmals bezüglich des ersten Tatvorwurfs auf Notwehr berief, auch nicht nach dieser Norm zu einem Ausschluss der Entschädigung.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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