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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 15.06.2005
Aktenzeichen: 1 AR 659/05 - 5 Ws 285/05
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 57
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
1 AR 659/05 - 5 Ws 285/05

In der Strafsache gegen

wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr

hat der 5. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 15. Juni 2005 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluß des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 19. April 2005 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin verurteilte den Beschwerdeführer am 17. Februar 2004 - rechtskräftig seit demselben Tage - wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, setzte deren Vollstreckung zur Bewährung aus und bestimmte die Bewährungszeit auf drei Jahre.

Am 08. März 2004 beging der Beschwerdeführer eine vorsätzliche Körperverletzung, indem er seine Ehefrau zweimal mit der flachen Hand und einmal mit der Faust in das Gesicht schlug, wodurch sie eine Platzwunde am rechten Mundwinkel, Schmerzen am Unterkiefer und eine Prellung am Jochbein erlitt. Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin - 259 Cs 737/04 - verurteilte ihn deshalb durch Strafbefehl vom 22. September 2004, rechtskräftig seit dem 04. Januar 2005, wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 15 Euro.

Wegen dieser Verurteilung widerrief die Strafvollstreckungskammer die Strafaussetzung zur Bewährung mit dem angefochtenen Beschluß vom 19. April 2005. Die sofortige Beschwerde (§ 453 Abs. 2 Satz 3 StPO) des Verurteilten hat keinen Erfolg.

1. Die formellen Voraussetzungen (des § 56 f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB) für den Widerruf der Strafaussetzung liegen vor. Das zieht auch der Beschwerdeführer nicht in Zweifel.

a) Er hat in der Bewährungszeit eine Straftat begangen, durch die er die der Strafaussetzung zugrunde liegende Erwartung enttäuscht hat, er werde künftig straffrei leben.

Daß die Anlaßtat nur durch einen Strafbefehl abgeurteilt wurde, begründet hier keinen Zweifel an ihrer Begehung (vgl. KG NStZ-RR 2001, 136). In seiner Beschuldigtenvernehmung am 03. März 2004 räumte der Verurteilte jedenfalls ein, seine Ehefrau zweimal mit der flachen Hand in das Gesicht geschlagen zu haben. Diese bekundete, er habe sie darüber hinaus auch einmal mit der Faust auf den Mund geschlagen.

Gegen den ihm ordnungsgemäß zustellten Strafbefehl legte der Beschwerdeführer keinen Einspruch ein, ohne daß Anhaltspunkte für eine unwillentliche Versäumung erkennbar wären. Vielmehr beantragte er nach seiner Inhaftierung zunächst die Stundung der Geldstrafe und der Kosten und mit Schreiben vom 18. April 2005 Ratenzahlung, die ihm bewilligt wurde.

b) Die neue Tat ist als Widerrufsgrund geeignet, auch wenn sie nur mit einer Geldstrafe geahndet wurde und einen kriminologisch anderen Bereich als das Verkehrsvergehen betrifft. Denn der Widerruf erfordert weder die kriminologische Vergleichbarkeit, noch einen sonstigen inneren Zusammenhang zwischen der früheren Tat und der neuen Verfehlung. Es genügt nach der ständigen Rechtsprechung des Kammergerichts (vgl. KG, Beschlüsse vom 02. Februar 2005 - 5 Ws 595/04 - und 30. Oktober 2000 - 5 Ws 711/00 -) vielmehr jede in der Bewährungszeit begangene Tat von einigem Gewicht (vgl. OLG Koblenz VRS 48, 263, 265; KG BA 2001, 60). Darunter können auch Taten fallen, die nur mit einer Geldstrafe geahndet wurden (vgl. OLG Schleswig SchlHA 1996, 278; KG, Beschluß vom 02. Februar 2005 - 5 Ws 595/04 -). Die verhängte Geldstrafe von 60 Tagessätzen bringt - ebenso wie die Tat selbst - die Erheblichkeit des abgeurteilten Sachverhalts hinreichend zum Ausdruck. Hinzu kommt, daß der Beschwerdeführer nur 20 Tage nach der Verurteilung vom 17. Februar 2004 erneut straffällig wurde und bereits elf Monate Freiheitsstrafe wegen Körperverletzung und Diebstahls (Urteil vom 27. September 1997) nach Widerruf der Strafaussetzung bis zum 20. Oktober 2001 verbüßen mußte.

2. Mildere Maßnahmen, wie etwa die von dem Beschwerdeführer gewünschte Verlängerung der Bewährungszeit (§ 56 f Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StGB), sind nicht mehr ausreichend. Eine solche Maßnahme ist nur dann eine angemessene Reaktion auf das neuerliche Fehlverhalten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die hohe Wahrscheinlichkeit für eine zukünftige straffreie Führung des Verurteilten begründen (vgl. KG aaO. und Beschluß vom 29. November 2000 - 5 Ws 747/00 -; std. Rspr.).

Solche Anhaltspunkte liegen hier nicht vor. Vielmehr steht der Wahrscheinlichkeit künftiger Straffreiheit neben dem jetzigen raschen Rückfall entgegen, daß der Beschwerdeführer bereits viermal Bewährungschancen ungenutzt gelassen hat, so daß Strafaussetzungen widerrufen wurden und er - zuletzt bis zum 23. Oktober 2001 - Freiheitsstrafen verbüßen mußte. Nur einmal konnte eine Restfreiheitsstrafe erlassen werden. Es kann deshalb auch nicht erwartet werden, die derzeitige Vollstreckung der Freiheitsstrafe von neun Monaten (aus dem Urteil vom 11. März 2002 wegen Betruges in zwei Fällen; notiertes Strafende: 1. November 2005) werde ihn - anders als früher - nachhaltig beeindrucken und künftig von Straftaten abhalten.

Eine andere Beurteilung ist durch das Beschwerdevorbringen nicht veranlaßt, die Situation des Verurteilten in der Vollzugsanstalt Heiligensee sei für ihn "überaus dramatisch und extremst unangenehm". Sie begründet dies mit Ausführungen des Beschwerdeführers in seiner Dienstaufsichtsbeschwerde vom 30. Mai 2005. Selbst wenn die dort dargestellten Äußerungen und Verhaltensweisen des Gruppenleiters zutreffen sollten, wären sie zwar durchaus unangemessen und das Verhältnis des Beschwerdeführers zu ihm belastend, für eine günstige Legalprognose aber ohne Bedeutung. Dafür eher nachteilig wäre indes die Stellungnahme desselben Bediensteten (zur Reststrafenaussetzung nach § 57 StGB) vom 01. Juni 2005. Denn danach hätte der Verurteilte an einer Alkoholberatungsgruppe weisungswidrig nur viermal teilgenommen, seine Straftaten bagatellisiert oder - wie die den Widerrufsgrund bildende Körperverletzung zum Nachteil seiner Ehefrau - bestritten und Unrechtsbewußtsein oder einen Umdenkungsprozeß nicht erkennen lassen. Ob die handschriftliche Anmerkung des Verurteilten auf diesem Schriftstück, "fast der vollständige Text ist von Verdrehungen gekennzeichnet oder schlicht unwahr", der Stellungnahme ihre nachteilige Bedeutung nimmt, kann dahingestellt bleiben. Tatsachen für eine günstige Legalprognose ergeben sich daraus jedenfalls ebensowenig, wie aus dem Beschwerdevorbringen, unter der Haftsituation leide auch die Ehefrau des Verurteilten - das Opfer der Tat, die den Widerruf veranlaßte. Abgesehen davon, daß Nachteile für Familienangehörige eine regelmäßige Folge der Inhaftierung sind, vermag die Sorge des Verurteilten um seine Ehefrau bei - wie hier - fehlenden günstigen Tatsachen eine positive Prognose nicht zu begründen (vgl. KG, Beschlüsse vom 26. Mai 2004 - 5 Ws 249/04 - und 20. Juni 2003 - 5 Ws 307/03 -; std. Rspr.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

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