Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 02.05.2006
Aktenzeichen: 1 W 109/05
Rechtsgebiete: KostO, ZVG


Vorschriften:

KostO § 18
KostO § 19
ZVG § 74 a
1. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, wonach dem Geschäftswert für die Eintragung des Erstehers eines Grundstücks in der Zwangsversteigerung grundsätzlich der nach § 74 a Abs. 5 ZVG festgesetzte Wert zugrundezulegen ist, wenn dieser höher als das Meistgebot ist (1 W 1294/79 - Beschluss vom 20. November 1979, JurBüro 1980, 1061).

2. Ein der Wertfestsetzung zugrundeliegendes zeitnahes Gutachten kann der Ersteher nur mit den in § 19 Abs. 2 KostO vorgesehenen Beweismitteln entkräften. Parteivortrag, der eine gerichtliche Beweisaufnahme erforderlich machen würde, ist unbeachtlich (wie OLG Frankfurt, Beschluss vom 26. Juli 2004 - InsVO 2005, 38).

3. Zeitnah ist ein Gutachten auch dann, wenn hinsichtlich der für die Wertfestsetzung maßgeblichen Umstände keine erheblichen gerichtsbekannten Veränderungen stattgefunden haben (wie BayObLG, Rechtspfleger, 2002, 382).


Kammergericht

Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 109/05

In der Kostensache

betreffend das Zwangsversteigerungsverfahren über

hat der 1. Zivilsenat des Kammergerichts auf die weitere sofortige Beschwerde der Ersteherin vom 25. Februar 2005 gegen den Beschluss der Zivilkammer 82 des Landgerichts Berlin vom 31. Januar 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Sieveking, die Richterin am Kammergericht Dr. Rasch sowie den Richter am Kammergericht Hinze am 2. Mai 2006 beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die Ersteherin erwarb durch Zuschlag am 23. Juni 2004 auf ihr Bargebot von 1.400.000,00 EUR das im Eingang bezeichnete Grundstück. Der Verkehrswert des bebauten Grundstücks war im Zwangsversteigerungsverfahren entsprechend einem Sachverständigengutachten, das zum 1. Oktober 2002 erstellt worden war, auf 3.203.000,00 EUR festgesetzt worden.

Für die Eintragung als Eigentümerin in das Grundbuch wurden der Ersteherin Gebühren in Rechnung gestellt, die sich nach dem festgesetzten Verkehrswert richteten. Hiergegen legte die Ersteherin Erinnerung ein und machte geltend, für den Geschäftswert sei das Meistgebot maßgeblich. Das Amtsgericht Lichtenberg hat die Erinnerung mit Beschluss vom 7. Dezember 2004 zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Ersteherin hat das Landgericht am 31. Januar 205 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Ersteherin mit ihrer zugelassenen weiteren Beschwerde.

II.

1. Die weitere Beschwerde der Kostenschuldnerin ist kraft Zulassung durch das Landgericht statthaft (§ 14 Abs. 5 Satz 1 KostO) und auch sonst zulässig.

2. In der Sache hat die weitere Beschwerde keinen Erfolg.

a) Der für die Grundbucheintragung des Erstehers eines zwangsversteigerten Grundstücks maßgebliche Geschäftswert ist nach den Vorschriften der §§ 18 Abs. 1, 19 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 KostO zu bestimmen (BayObLG, Rpfleger 2002, 382 f. m.w.N.). Nach diesen Vorschriften sind alle ausreichenden Anhaltspunkte für einen den Einheitswert übersteigenden Wert heranzuziehen, um den Verkehrswert des versteigerten Grundstücks zum Zeitpunkt der Grundbucheintragung zu ermitteln. Der Verkehrswert des Grundstücks, der den gemeinen Wert im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 KostO darstellt, lässt sich nicht mathematisch exakt errechnen, sondern nur schätzen (BayObLG a.a.O. m.w.N.).

Das Rechtsbeschwerdegericht kann diese Ermessensentscheidung nur auf ihre Gesetzmäßigkeit überprüfen, d. h. darauf, ob der Tatsachenrichter den maßgebenden Sachverhalt ausreichend und ohne Gesetzesverletzung erforscht hat, ob die Ermessensausübung auf fehlerhaften Erwägungen beruht, ob Rechtsvorschriften, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt oder wesentliche Tatumstände außer Acht gelassen worden sind. Die Angemessenheit und Zweckmäßigkeit unterliegt demgegenüber nicht der Nachprüfung des Rechtsbeschwerdegerichts (BayObLG a.a.O. m.w.N.).

b) Nach diesen Grundsätzen ist es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht von dem gemäß § 74 a Abs. 5 ZVG festgesetzten Verkehrswert ausgegangen ist. Diese Vorgehensweise entspricht, soweit ersichtlich, der in der obergerichtlichen Rechtsprechung nunmehr einheitlich vertretenen Auffassung (OLG Frankfurt, InVO 2005, 38 f.; BayObLG a.a.O.; OLG Düsseldorf, KostRsp. KostO § 19 (A) Nr. 106 = Rpfleger 2002, 592 f.; OLG Celle, OLGR 2000, 289 f.). Der Senat hat zu der genannten Rechtsfrage bereits in JurBüro 1980, 1062 dahingehend Stellung genommen, dass für die Geschäftswertbemessung bezüglich der Grundbucheintragung des Erstehers eines Grundstücks in der Zwangsversteigerung grundsätzlich von dem gemäß § 74 a Abs. 5 ZVG festgesetzten Verkehrswert auszugehen ist, wenn dieser höher als das Meistgebot ist.

Ohne Erfolg wendet die Ersteherin dem gegenüber ein, durch die Vorschriften des ZVG sei sichergestellt, dass das Meistgebot, zu welchem der Zuschlag erteilt werden, dem Preis, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zu erzielen wäre, zumindest sehr nahe komme. Die Ersteherin trägt selbst unter näherer Darlegung im Einzelnen vor, dass nach ihren Beobachtungen bei insgesamt 485 Versteigerungen, die im Jahr 2004 in Berlin stattgefunden haben, das Meistgebot oft deutlich unter dem festgesetzten Verkehrswert geblieben ist. Ursache hierfür ist aber nicht, wie die Ersteherin meint, eine verbreitete Praxis, den Verkehrswert nach § 74 a Abs. 5 ZVG überhöht festzusetzen, sondern die besondere Situation in der Zwangsversteigerung. Der Zuschlag in einer Zwangsversteigerung erfolgt häufig unter Wert, weil der bestmögliche Zeitpunkt für einen Verkauf nicht abgewartet werden kann und die Bieter sich bewusst zurückhalten, um die Zwangslage, die der eines Notverkaufs ähnlich ist, bestmöglich ausnutzen zu können (BayObLG a.a.O.; OLG Frankfurt a.a.O.). Die Mehrzahl der an dem Zwangsversteigerungsverfahren Beteiligten ist häufig nicht daran interessiert, dass der höchstmögliche Erlös erzielt wird. Die beteiligten Gläubiger haben in der Regel nur ein durch die Höhe und Rangstelle ihres Grundpfandrechts begrenztes Interesse an der Höhe des Erlöses. Dass andere, am Verfahren nicht beteiligte Bieter im Zwangsversteigerungsverfahren ein dem marktgerechten Preis entsprechendes Gebot abgeben, ist im Hinblick auf die Risiken des Verfahrens infolge fehlender Besicherungsmöglichkeiten sowie wegen fehlender Gewährleistung nicht zu erwarten (OLG Frankfurt a.a.O.). Die besondere Situation in der Zwangsversteigerung begründet mithin ungewöhnliche Verhältnisse im Sinne des § 19 I 2. Halbsatz KostO, die bei der Bestimmung des Wertes nach dem Willen des Gesetzgebers außer Acht zu bleiben haben (vgl. OLG Frankfurt a.a.O.).

Zwar erscheint es als denkbar, unter besonderen Umständen vom nicht bindend festgesetzten Verkehrswert auch nach unten abzuweichen, etwa wenn das Meistgebot erheblich von dem festgesetzten Verkehrswert abweicht und der Bewertung durch das Vollstreckungsgericht kein zeitnahes Gutachten zugrundelag (vgl. OLG Frankfurt a.a.O.). Für die Zeitnähe gelten dabei keine starren Grenzen. So hat das Bayerische Oberste Landesgericht (a.a.O.) in einem Fall, in dem das Bargebot 6 Mio. DM betrug, während der Verkehrswert entsprechend einem zum Zeitpunkt der Versteigerung mehr als zwei Jahre alten Sachverständigengutachen auf 15,57 Mio. DM festgesetzt worden war, eine Abweichung von dem nach § 74 a Abs. 5 ZVG festgesetzten Wert nicht als gerechtfertigt angesehen, weil nicht dargetan war, dass das Gutachten infolge veränderter Umstände den Wert zum Zeitpunkt der Eintragung nicht zutreffend wiedergab.

Das Gutachten, auf dem im vorliegenden Fall die Wertfestsetzung beruht, war zum Zeitpunkt des Zuschlags knapp 21 Monate alt. Substantiierte Einwendungen gegen die Richtigkeit des Gutachtens hat die Ersteherin nicht vorgetragen. Zwar hat sie mit Schriftsatz vom 15. November 2004 geltend gemacht, entgegen den Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten weise die Dachkonstruktion erhebliche bauliche Mängel auf, doch hat sie diese in keiner Weise näher konkretisiert. Auch hat sie weder die zur Mangelbeseitigung erforderlichen Kosten dargetan, noch hat sie aufgezeigt, inwieweit sich die behaupteten Mängel auf den Verkehrswert des Grundstücks konkret auswirken sollen. Gleiches gilt für den Einwand der Ersteherin, der vom Sachverständigen im Rahmen der Ertragsermittlung in Ansatz gebrachte erzielbare Mietzins von 7,5 EUR sei im Jahre 2004 nicht erzielbar. Es fehlt an konkreten, spätestens mit der Beschwerde glaubhaft gemachten Angaben dazu, welcher Mietzins abweichend von den Annahmen des Sachverständigen im Juni 2004 tatsächlich erzielbar gewesen sein soll. Hierzu eigene Ermittlungen anzustellen, ist dem Gericht verwehrt. Denn nach § 19 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz KostO ist eine förmliche Beweisaufnahme, insbesondere die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Feststellung des Verkehrswertes des Grundstücks unzulässig (vgl. OLG Frankfurt a.a.O. m.w.N.; OLG Celle a.a.O.). Der Senat sieht daher keinen Anlass, eine von dem gemäß § 74 a ZVG festgesetzten Wert abweichende Wertfestsetzung vorzunehmen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 14 Abs. 9 KostO.



Ende der Entscheidung

Zurück