Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 13.01.2004
Aktenzeichen: 1 W 149/03
Rechtsgebiete: BGB, GVO


Vorschriften:

BGB § 139
GVO § 2
1. Eine in einem notariellen Kaufvertrag bestellte Belastungsvollmacht an den Käufer ist grundsätzlich auch dann wirksam, wenn der Kaufvertrag der Genehmigung nach der Grundstücksverkehrsordnung bedarf (und diese später versagt wird).

2. Erteilt der Verkäufer die Belastungsvollmacht ausdrücklich bedingungslos, ist die Vollmacht in der Regel nicht gemäß § 139 BGB bis zur Erteilung der GVO-Genehmigung für den Kaufvertrag schwebend unwirksam.


Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 149/03

In der Grundbuchsache

betreffend das im Grundbuch des Amtsgerichts ... von F verzeichnete Grundstück,

Der 1. Zivilsenat des Kammergerichts hat auf die weitere Beschwerde des eingetragenen Eigentümers zu 1) gegen den Beschluss der Zivilkammer 86 des Landgerichts Berlin vom 12. Februar 2003 in der Sitzung vom 13. Januar 2004

beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde wird nach einem Wert von 255.645,94 Euro zurückgewiesen.

Gründe:

Die weitere Beschwerde ist gemäß §§ 78 bis 80 GBO zulässig. Sie ist aber nicht begründet, denn die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einem Rechtsfehler, auf den die weitere Beschwerde mit Erfolg allein gestützt werden kann (§ 78 GBO, § 546 f. ZPO).

Das Landgericht hat die Zulässigkeit der Erstbeschwerde rechtsfehlerfrei verneint, soweit der eingetragene Eigentümer zu 1) mit seinem Hauptantrag die Löschung der in Abt. III / lfd Nr. 29 eingetragenen Grundschuld verfolgt hat. Die unbeschränkte Beschwerde ist entsprechend § 72 Abs. 2 S. 1 GBO unzulässig, falls -wie hier- eine angeblich ursprünglich unrichtige Eintragung, an die sich ein gutgläubiger Erwerb anschließen kann, auf Unrichtigkeitsnachweis berichtigt werden soll, da sich die Beschwerde in Wahrheit gegen die Eintragung selbst richtet (vgl. Demharter, GBO, 24. Aufl., § 71 Rn. 30 m.w.N.).

Hinsichtlich des gemäß § 71 Abs. 2 S. 2 GBO zulässigen Hilfsantrags hat das Landgericht die Erstbeschwerde zu Recht zurückgewiesen, denn die Voraussetzungen für die Eintragung eines Amtswiderspruchs liegen nicht vor. Gemäß § 53 Abs. 1 S. 1 GBO kann von Amts wegen ein Widerspruch gegen die Richtigkeit einer Eintragung nur dann gebucht werden, wenn das Grundbuchamt die Eintragung unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften vorgenommen hat und das Grundbuch durch die Eintragung unrichtig geworden ist. Das Landgericht hat eine Gesetzesverletzung des Grundbuchamts bei Vornahme der Eintragung ohne Rechtsfehler verneint.

Ein Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften kann sich hier nur daraus ergeben, dass das Grundbuchamt die durch die Verkäufer den Käufern in § 3 der UR-Nr. 209/1992 (Bl. 56 ff. d.A.) erteilte Belastungsvollmacht als wirksam erachtet hat; die sonstigen Eintragungsvoraussetzungen waren mit der im Namen der damals eingetragenen Eigentümer erklärten Bewilligung in der UR-Nr. 111/1998 (Bl. 94 f. d.A.) und dem sanierungsrechtlichen Negativattest des Bezirksamts Friedrichshain vom 27. Mai 1998 (Bl. 101 d.A.) zweifelsfrei erfüllt. Gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 GVO war die Vorlage eines Genehmigungsbescheids nach der Grundstücksverkehrsordnung für die Eintragung der Grundschuld nicht erforderlich, weil es sich bei der Grundschuldbestellung nicht um ein nach § 2 Abs. 1 S. 1 GVO genehmigungsbedürftiges Rechtsgeschäft handelt. Eine Eintragung erfolgt i.S.v. § 2 Abs. 2 S. 1 GVO nur dann "auf Grund" eines genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäfts, wenn dieses unmittelbar Grundlage der Eintragung ist. Dafür ist es nicht ausreichend, dass die Eintragung - hier der Grundschuld - im Zusammenhang mit einem genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäft - hier dem Grundstückskaufvertrag - steht; vielmehr müssen Eintragung und genehmigungsbedürftiges Rechtsgeschäft gemäß § 873 Abs. 1 BGB gemeinsame Voraussetzung für die Rechtsänderung sein, denn § 2 Abs. 2 S. 1 GVO soll nur die Durchsetzung der Genehmigungserfordernisse nach § 2 Abs. 1 GVO sicherstellen und nicht weitere Genehmigungstatbestände schaffen.

Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, es stelle keine Gesetzesverletzung i.S v. § 53 Abs. 1 S. 1 GBO dar, dass das Grundbuchamt die Vertretungsberechtigung der Käufer gemäß §§ 164 Abs. 1, 167 Abs. 1 BGB bejaht habe. Wird die nach § 19 GBO erforderliche Eintragungsbewilligung - wie hier - durch einen Vertreter erklärt, so hat das Grundbuchamt auch die Vertretungsmacht des Erklärenden zu prüfen. Diese war mit der auszugsweisen Ausfertigung der UR-Nr. 209/1992 grundsätzlich nachgewiesen; die Bewilligung der Grundschuldeintragung war nach dem Wortlaut der Vollmachtserklärung in § 3 von der Belastungsvollmacht gedeckt. Die Vollmacht wäre nur dann nicht hinreichend gewesen, wenn sie gemäß § 158 Abs. 1 BGB unter der aufschiebenden Bedingung der Wirksamkeit des Kaufvertrages gestanden hätte oder gemäß § 139 BGB bis zur Erteilung der GVO-Genehmigung für den Kaufvertrag bzw. die Auflassung (§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 4 GVO) wie diese schwebend unwirksam gewesen wäre. Ob das der Fall war, war vom Grundbuchamt mangels eindeutiger Erklärungen durch Auslegung der UR-Nr 209/1992 zu ermitteln.

Beruht die Beurteilung des Grundbuchamts auf der Auslegung einer nicht bedenkenfreien Urkunde, so kommt die Eintragung nur dann i.S.v. § 53 Abs. 1 S. 1 GBO unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften zustande, wenn die Auslegung des Grundbuchamts rechtlich nicht vertretbar ist (Senat, DNotZ 1972, 176, 178 f.; OLG Frankfurt, Rpfleger 1976, 132; OLG Hamm, "DNotZ 1968", 631, 633; 1967, 686, 687; Demharter, GBO, 24. Aufl., § 53 Rn. 21; Meikel/Böhringer, Grundbuchrecht, 9 Aufl., Einl. Rn. G 115; Meikel/Streck, a.a.O., § 53 Rn. 69; vgl. auch KG, JW 1934, 2931, 2932). Der in § 53 Abs. 1 S. 1 GBO geforderte Gesetzesverstoß kann hier nur darin bestehen, dass sich die Auslegung als rechtsfehlerhaft erweist, also gegen das Gesetz verstößt.

Das entspricht auch dem Zweck des Amtswiderspruchs, der Schadenersatzansprüche wegen Amtspflichtverletzungen des Grundbuchamts ausschließen soll (vgl. Demharter, a.a.O., § 53 Rn. 2; Meikel/Streck, a.a.O., § 53 Rn. 71); bei einer rechtlich vertretbaren Auslegung scheiden Amtshaftungsansprüche nach § 839 BGB mangels Verschuldens aus (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 63 Aufl., § 839 Rn. 53 zur Gesetzesauslegung). Eine Auslegung ist nur dann rechtlich nicht vertretbar, wenn sie gegen den klaren Wortlaut, gesetzliche Auslegungsregeln, allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstößt oder einen wesentlichen tatsächlichen Umstand außer Acht lässt (Senat, a.a.O.).

Das Auslegungsergebnis des Grundbuchamts ist rechtlich mindestens vertretbar, wenn nicht allein zutreffend. Insbesondere verstößt es nicht gegen anerkannte Auslegungsregeln, dass das Grundbuchamt nicht angenommen hat, die Vollmacht sei unter der aufschiebenden Bedingung der Wirksamkeit des Kaufvertrages erklärt. Bei Grundbucherklärungen kommt eine Auslegung entsprechend § 133 BGB nur in Betracht, wenn sie zu einem zweifelsfreien und eindeutigen Ergebnis führt. Dabei ist auf Wortlaut und Sinn der Erklärung abzustellen, wie sie sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung ergibt; außerhalb der Urkunde liegende Umstände dürfen grundsätzlich nicht herangezogen werden. Das folgt aus dem das Grundbuchverfahren beherrschenden Bestimmtheitsgrundsatz und dem Erfordernis urkundlich belegter Eintragungsgrundlagen. Bleibt die Reichweite einer Vollmacht zweifelhaft, so ist von ihrem geringeren, eindeutig feststellbaren Umfang auszugehen (vgl. Demharter, a.a.O., § 19 Rn. 28 und 75 m.w.N.).

Das Grundbuchamt konnte ohne Rechtsfehler annehmen, dass die hier allein relevante Vollmacht zur Abgabe der verfahrensrechtlichen Bewilligungserklärung im Außenverhältnis zweifelsfrei nicht unter einer aufschiebenden Bedingung i.S.v. § 158 Abs. 1 BGB stand. Der Bestimmung unter § 3 und den sonstigen Regelungen der UR-Nr. 209/1992 lässt sich nicht entnehmen, dass die Vollmacht ihre Rechtswirkungen erst mit der Erteilung der behördlichen Genehmigung entfalten sollte, die für die Wirksamkeit des Kaufvertrages gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GVO erforderlich war. Zwar kann sich eine aufschiebende Bedingung grundsätzlich auch aus dem Zweck der Vollmacht ergeben, wenn ohne Wirksamkeit des Kaufvertrages kein Anlass für die Vollmachtserteilung besteht (vgl. Senat, Beschluss vom 15. Juli 2003 - 1 W 70/03 - zur Erteilung einer Auflassungsvollmacht vor Annahme des schuldrechtlichen Vertragsangebots). Vorliegend hatten die Verkäufer jedoch ausdrücklich erklärt, die Vollmacht werde "bedingungslos erteilt, was insbesondere dem Grundbuchamt gegenüber gilt". Es ist jedenfalls rechtlich möglich, diese Bestimmung dahin zu verstehen, dass sie nicht nur die in § 3 aufgeführte Beschränkung im Innenverhältnis ("zum Zwecke der Kaufpreisfinanzierung") und die Weisungen an den Notar für seine Vollzugstätigkeit betrifft, sondern sämtliche Bedingungen, die sich aus dem Zusammenhang der Vollmacht mit dem ihr zu Grunde liegenden Kaufvertrag - also auch dessen Genehmigungsbedürftigkeit - ergeben können. Dafür spricht der erkennbare Zweck der Klausel, die Prüfungsbefugnis des Grundbuchamts auf die zwingenden Voraussetzungen der Grundschuldeintragung zu beschränken.

Ebenso ist es rechtlich zumindest vertretbar, dass das Grundbuchamt nicht angenommen hat, die Vollmacht sei gemäß § 139 BGB bis zur Erteilung der GVO-Genehmigung für den Kaufvertrag schwebend unwirksam. § 139 BGB, der auch für die schwebende Unwirksamkeit gilt (BGHZ 53, 174, 179; 315, 318; RGZ 133, 7, 14; 120, 126, 128; Palandt/Heinrichs, a. a. O., § 139 Rn. 2), kommt nur zur Anwendung, wenn die Teilnichtigkeit ein einheitliches Rechtsgeschäft betrifft. Bei der Belastungsvollmacht und dem genehmigungsbedürftigen Kaufvertrag handelt es sich aber um verschiedene Rechtsgeschäfte, denn die Vollmacht ist nach dem Abstraktionsprinzip unabhängig vom Grundgeschäft (vgl. BGH NJW 2001, 3774, 3775; 1993, 1926; 1988, 697, 698; 1985, 730; OLG Celle, Urteil vom 15. Oktober 1999 - 4 U 64/99 -; Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 139 Rn. 7 ff., Einf. v. § 164 Rn. 2, § 167 Rn. 4). Rechtlich selbständige Rechtsgeschäfte sind nur dann ein einheitliches Rechtsgeschäft i.S.v. § 139 BGB, wenn sich unter Berücksichtigung der Interessenlage und der Verkehrssitte aus den Erklärungen der Parteien der Wille ergibt, dass sie miteinander stehen und fallen sollen (vgl. Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 139 Rn. 5). Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die vom Grundbuchamt allein zu prüfende Vollmacht zur Abgabe der Bewilligungserklärung ebenso wie die Bewilligungserklärung selbst eine Verfahrenshandlung ist (vgl. Meikel/Böttcher, a.a.O., Einl. Rn. I 68), auf die - anders als bei der Vollmacht zur Abgabe materiellrechtlicher Erklärungen - die allgemeinen Grundsätze des Verfahrensrechts anzuwenden sind (vgl. Meikel/Böttcher, a.a.O., § 19 Rn. 32). Die Verfahrensvollmacht wird regelmäßig nicht mit dem Grundgeschäft zu einer Einheit zusammengefasst (vgl. BGH, NJW 1993, a.a.O.; OLG Hamm, NJW 1992, 1174, 1175); ein Ausnahmefall, bei dem die Nichtigkeit des Grundgeschäfts gemäß § 134 BGB nach dem Sinn und Zweck der Verbotsnorm auch auf die Verfahrensvollmacht durchschlägt (vgl. BGH, NJW 2003, 1594, 1595 zu Art. 1 § 1 Abs. 1 S. 1 RBerG), liegt hier nicht vor. Eine Verbindung von Vollmacht und Grundgeschäft ist vielmehr nur ausnahmsweise anzunehmen, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen entsprechenden Parteiwillen, vorliegen (vgl. BGH, NJW 1988, a.a.O.; Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 139 Rn. 7 ff., § 167 Rn. 4); die Zusammenfassung der Rechtsgeschäfte in einer Urkunde genügt dafür nicht (vgl. BGH NJW 1967, 1128, 1130 zur Einheit von Grund- und Erfüllungsgeschäft).

Nach diesen Grundsätzen ist das Auslegungsergebnis des Grundbuchamts rechtlich nicht zu beanstanden, da hier sogar zusätzliche Anhaltspunkte vorliegen, die gegen eine Verbindung der Rechtsgeschäfte sprechen. Es ist zumindest rechtlich vertretbar anzunehmen, dass die Belastungsvollmacht, welche in einem nach der GVO genehmigungsbedürftigen Kaufvertrag erteilt wird, nach dem Sinn und Zweck der vertraglichen Regelungen unabhängig von der Genehmigungspflicht des Grundgeschäfts und dem damit verbundenen Schwebezustand sein soll (so LG Neubrandenburg, MDR 1995, 1212 entgegen BG Dresden, DB, 1994, 373; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 12, Aufl., Rn. 4228; vgl. auch Kühn, RNotZ 2001, 305, 316, Hügel, NotBZ 1997, 9, 13; Wenzel, WM 1994, 1269, 1276, die jew. eindeutige Formulierungen zur Klarstellung der Trennung vorschlagen). Auch wenn dem Verkäufer im Fall der Rückübertragung wegen einer entgegen § 3 Abs.3 VermG vorgenommenen dinglichen Belastung Schadensersatzansprüche drohen (vgl. dazu Wasmuth in RVI, Stand Aug. 2003, § 3 VermG Rn. 416 ff.) und der Kaufpreis, dessen Finanzierung die Belastungsvollmacht dient, hier gemäß § 2 S. 2 lit. b) der UR-Nr. 209/1992 erst einen Monat nach Vorlage der GVO-Genehmigung zu hinterlegen war, spricht jedenfalls die Erklärung, die Vollmacht sei bedingungslos erteilt, gegen einen Einheitlichkeitswillen. Erteilt der Vertretene die Vollmacht in Kenntnis der Genehmigungsbedürftigkeit ausdrücklich bedingungslos, kommt darin zum Ausdruck, dass eine Zusammenfassung der Rechtsgeschäfte nicht gewollt ist. Eine hinreichende Kenntnis der Vertragsparteien von der Genehmigungsbedürftigkeit nach der GVO folgt hier aus der Fälligkeitsregelung in § 2 der UR-Nr. 209/1992 und den unter § 10 lit. b) und c) aufgeführten Belehrungen, aus denen sich unmissverständlich ergibt, dass jedenfalls für die Eigentumsumschreibung eine behördliche Genehmigung erforderlich war, der Vollzug des Kaufvertrages also nicht ohne die Genehmigung erfolgen konnte.

Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO. Für eine Kostenerstattungsanordnung nach der an sich zwingenden Vorschrift des § 13a Abs. 1 S. 2 FGG besteht kein Anlass, da weitere Beteiligte in diesem Verfahren nicht hervorgetreten sind.

Ende der Entscheidung

Zurück